Schlatter, Adolf - Johannesevangelium

Schlatter, Adolf - Johannesevangelium

Kap. 1

Niemand hat Gott je gesehen: der eingeborene Sohn, der in des Vaters Schoß ist, der hat ihn verkündet.
Johannes 1,8

Dass keiner dazu gelangt, Gott zu sehen, das hat Johannes mit Ernst den Männern vorgehalten, die in der Erkenntnis Gottes das finden wollten, was als die neue Gabe Jesu in die Menschheit hineingekommen sei. Es ist in der Tat die Gabe des Sohnes Gottes, dass wir Gott kennen. Denn Ihn zu kennen, das ist das ewige Leben. Damit ist uns aber nicht gegeben, dass wir Ihn sehen. Denn wir erkennen Gott an seinem Werk, an dem, was Er uns gibt. Diese Ordnung Gottes stellt uns unter Gottes Gnade. Denn sein Werk kommt aus seiner Güte zu uns und zeigt uns diese an dem, was Er für uns tut. Wie wäre aber die Gnade noch Gnade, wenn sie mir nicht auch Gottes für uns unerreichbare Hoheit sichtbar machte? Dies tut sie dadurch, dass Gott mir unsichtbar bleibt. Die Männer, die nach dem Anblick Gottes rangen, drängten sich an Gott heran, als könnten sie jede Schranke entfernen und den Spiegel, in dem sich Gott uns zeigt, wie Paulus sagte, wegschieben. Das Schauen von Angesicht zu Angesicht überragt als uns verheißenes Ziel den uns jetzt gegebenen Lebensstand und erfordert das reine Herz, das wir noch nicht haben und uns durch keine religiöse Anstrengung und Übung verschaffen können. Die größte Gabe, die uns Gott geschenkt hat, damit wir Ihn erkennen, ist Jesus, der ganz mit Gott Verbundene, der dem Sohn gleicht, dessen Platz an der Brust des Vaters ist, und Jesu Geschenk an uns ist sein Wort, das mit allem, was er uns sagt, die Verkündigung dessen ist, was Gott ist und wirkt. Kann ich Gott nicht sehen, so kann ich ihn doch hören. Anblick Gottes gibt es nicht für mich; dafür gibt es ein zu mir gesprochenes göttliches Wort. Ich darf nicht nach dem begehren, was mir unzugänglich ist, und deshalb das missachten, was mir gegeben ist. Dass Gott durch Jesus zu uns spricht, das ist diejenige Gnade, die für das eigensüchtige Herz des Menschen heilsam ist. So wird es vor dem doppelten Elend behütet, in das sich unser Herz hineinstürzen kann, vor dem Stolz, der sich an Gott herandrängt und nicht in der Tiefe stehen bleiben will, und vor der Erschlaffung, die sich mit dem begnügt, was die Natur uns gibt. Wer sich von der Erde lösen und sich zu den Himmlischen gesellen will, dem tritt das Wort entgegen und ruft ihm zu: Höre mich, und den, der in die Natur versunken, nichts mehr als sich selber sieht, weckt das Wort auf und sagt ihm: Höre mich; was ich dir sage, kommt von Gott.
Ich greife dankbar, heiliger Herr und Gott, Vater unseres Herrn Jesus Christus, nach Deinem Wort und preise es als den hellen Strahl, der aus Deiner Sonne hervorleuchtet, als den reichen Schatz, der aus Deiner Fülle uns beschieden ist, als das feste Band, das uns mit Dir vereint. Gib mir immer reicher, immer reiner Teil an Deinem Wort. Amen.

Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden, die an seinen Namen glauben.
Joh. 1,12.

Sie nahmen Jesus auf und ließen ihn als ihren Gast in ihre Wohnung hinein; noch mehr, sie ließen ihn an ihr Herz herankommen. Damit, daß sie ihn aufnahmen, kam sein Wort zu ihnen. Nicht als ein Schweigender kehrt er bei ihnen ein. Mit seinem Wort kommt auch sein Werk zu ihnen. Nicht so ist er bei ihnen, daß sie ihn bewirteten und ehrten, sondern als der Gebende. Was geschieht nun in ihnen? Sie glauben an seinen Namen. Denn er kommt zu ihnen nicht als eine namenlose Gestalt, nicht als ein Rätsel, das niemand deuten kann, sondern besitzt einen Namen, der ausspricht, was er will und soll. Sein Name ist die Verkündigung seiner Sendung an die ganze Welt. Dieser Name erweckt Hoffnungen, die einzigartige Größe haben. Wirkt er nur das? Er bringt noch Größeres hervor, nämlich Glauben. Denn er senkt sich in die Seele ein und wird dort Gewißheit und die uns bewegende Kraft. Was tut nun Jesus? Er gibt mir die Vollmacht, Kind Gottes zu werden. Ein Kind Gottes zu werden liegt ganz jenseits meines Vermögens. Sein Geschöpf bin ich; aber sein Kind sein ist mehr als Geschöpf sein. Kindschaft ist nicht nur Abhängigkeit von Gottes Macht, sondern auch Anteil an Gottes Leben. Sie stellt zwischen ihm und mir eine Gemeinschaft her, die ich Verkehr mit Gott nennen darf, ein Gekanntsein von ihm, durch das ich ihn kenne, ein Geliebtsein von ihm, durch das ich ihn liebe, ein Gebrauchtwerden von ihm, durch das ich sein Mitarbeiter bin. Wie soll ich zu dieser Höhe emporgelangen? Machen, fordern, erlisten läßt sich Gottes Kindschaft nicht. Dazu ist Ermächtigung nötig und diese uns zu geben ist der Beruf Jesu, durch den er sich uns als unseren Herrn in Herrlichkeit offenbart. Kinder entstehen nur durch den Vater. Indem Jesus uns in die Kindschaft Gottes führt, handelt er an uns in Gottes Macht und Gnade. Ficht mich ein Zweifel an, ob ich so Großes von mir sagen und das, was ich bin, als Gottes Gabe schätzen darf, ob das, was ich denke, Gottes Wort und das, was ich will, Gottes Wille sei, so gibt mir der Name Jesu auf meine Frage die Antwort. Ich darf nicht nur, ich muß mich zu Gott als meinem Vater halten; sonst löschte ich den Namen Jesu aus meiner Seele aus.
Daß ich als dein Kind, Vater, zu dir bete, ist das Zeichen deines Geistes, der Abglanz aus Jesu Herrlichkeit, der Inbegriff und die Summe deiner Gaben. Darin ist alles beschlossen, was ich besitze, was ich bedarf, worum ich bitte. Unser Vater bist du, der Vater der ganzen Schar, zu der das Wort Jesu kommt. Uns allen reichst du dies als deine Gabe dar, daß wir deine Kinder werden. Amen.

Von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade.
Johannes 1,16

Wir alle, sagt Johannes, die wir als die Apostel Jesu vor die Welt traten und die Kirche sammelten, die ganze Schar derer, die den Beruf erhalten hatten, die Zeugen Jesu zu sein, wir alle arbeiteten nicht mit dem, was wir uns selbst erwarben, sondern schöpften aus der Fülle Jesu. Sein Eigentum war es, was wir der Menschheit brachten. Darum entstand durch die Apostel Christentum, nicht petrinische oder paulinische oder johanneische Frömmigkeit, sondern die Erkenntnis Jesu und seiner Sendung und der Empfang seiner Gaben. Wir alle, sagt Johannes; es war eine große Schar und jeder wieder anders als die anderen, jeder ein Freier, weil jeder an das gebunden war, was er selbst an Erkenntnis und Kraft besaß. Dennoch waren sie eine geeinte Schar und das, was sie schufen, war die einzige und einige Kirche. Denn was sie besaßen, kam alles von dem Einen her und woraus der Fülle Jesu genommen. Keiner erhielt die ganze Fülle. Jesus bleibt größer als alle seine Boten und alle seine Glaubenden. Aber jeder erhielt aus seiner Fülle seinen Teil, nämlich Gnade. War es eine von ihnen verdiente und errungene Gnade? Nein, es war „Gnade für Gnade“. Er war der Gebende im Verkehr mit allen in einer Güte, die nicht im Jünger ihren Grund hatte, sondern in ihm. Weil Er ihnen seine Gnade gegeben hatte, gab er sie ihnen immer neu. Es gab für sein Geben kein Ende, kein: nun ist es genug. Vorwärts führte sie der Herr, zu neuer Erkenntnis, zu neuem Dienst, zu neuer Erfahrung seiner Regierung. Immer höher stieg ihr Weg und doch führte er sie nicht von ihrem Anfang weg. Denn in der Gnade, die sie einst empfangen hatten, lag der Grund für die, die ihnen jetzt gegeben ward.
Ich habe nichts, was mir Deine Gnade erwürbe, lieber Herr, als Deine Gnade. Sie gibt auch meinem Leben die Bewegung, die nicht ermüdet, den Aufstieg, der nicht ermattet, den Reichtum, der sich nicht erschöpft. Indem Du aus Gnade Gnade werden lässt, machst Du Deine Fülle offenbar und heiligst Deine Schar dir zum Dienst und Dir zum Preis. Amen.

Johannes sieht Jesus zu ihm kommen und spricht: „Siehe, das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt. “
Johannes 1,29

Dem, was der Täufer über Jesus sage, hat Jesus nicht widersprochen. Das war er und er war es mit ganzem Herzen, das für Gott geheiligte und zu Gottes Eigentum gemachte Lamm. Jesus kannte nichts Größeres, keinen herrlicheren Beruf. Das für Gott geweihte Lamm kam an jedem Morgen und an jedem Abend auf den Altar und dagegen, dass er zum Altar gebracht werde, hat sich Jesus nie gesträubt. Im Leben und im Tod mit Seele und Leib gehört er dem Vater ganz. Das täglich geopferte Lamm war der Trost Israels; denn es zeigte ihm Gottes Vergebung und nahm seine Schuld von ihm weg. Darum war am frühen Morgen, wenn das Lamm auf den Altar gebracht wurde, immer auch eine betende Gemeinde im Tempel, die dankend Gottes vergebende Güte pries. Bedurfte nur Israel ein Lamm, das seine Schuld wegtrug und es von der Last seiner Sünde befreite? Was im Tempel geschah, zeigte der Welt, was sie nötig hat. Die Welt, das ist die Menschheit, wie sie immer und überall ist, die Menschheit, die ein gemeinsames Schicksal hat und eine alte bedrückende Not. Bisher sprach das Lamm Gottes nur zu Israel von Gottes Gnade. Nun aber ist die Stunde des Heils gekommen, in der sich Gottes Gnade für jeden, der Mensch ist, offenbart. Nun wird die Schuld der Welt begraben. Hier ist er, sagte der Täufer, der das kann, und Jesus widerspricht ihm nicht, sondern antwortet in der Vollmacht Gottes: Ja, ich bin da und heilige mich für euch alle und nehme von euch allen weg, was eure Seele euch bereitet hat.
Was Welt ist, lieber Vater, das sehe ich, und was die Sünde der Welt ist, ist mir nicht völlig verborgen. Offenbar und gewiss ist mir, dass niemand die Sünde der Welt wegnehmen kann als Du allein. Nun zeigt mir Dein Wort den, der dein eigen ist, den Du dazu gabst, damit er die Schuld der Welt auslösche. Das ist ein Wunder über alles Begreifen hinaus. Es ist aber ein fröhlich Ding, diesem Deinem Wort zu glauben. Dazu hilf mir, lieber Herr. Amen.

Jesus sah Nathanael zu sich kommen und spricht von ihm: „Siehe, ein rechter Israelit, in welchem kein Falsch ist.“
Johannes 1,47

Als Jesus seine Jünger zu sich nahm, begann er, das zu tun, was ihm der Spruch des Johannes als seine Sendung beschrieben hat. Nun handelt er als das Lamm Gottes, das die sünde der Welt wegnimmt. Indem er seinen Jüngern seine Gemeinschaft schenkte, bedeckte er ihre Sünde und rechnete ihnen ihren Fall nicht an. Er handelte dabei nach dem Spruch des Psalmisten: „Wohl dem Menschen, dem der Herr die Missetat nicht zurechnet, in des Geist kein Falsch ist“, Psalm 32,1+2. Auf die gerade Lauterkeit unseres Verhaltens, ohne die es für uns kein Vergeben und keine Gemeinschaft mit Jesus geben kann, wies Jesus damals hin, als Nathanael vor ihn trat. Denn dieser hatte sich kräftig gegen die Einladung gesträubt, die ihn zu Jesus berief. Es gefiel ihm durchaus nicht, dass Jesus ein Nazarener war. Das war jüdisch gedacht, menschlich gedacht, ein voreiliges Urteil ohne Einblick in Gottes Weg, die Äußerung einer stolzen Frömmigkeit, die wusste, wie der Christus kommen müsse, und zu bestimmen wagte, was Gott zu tun habe, damit sein Christus sichtbar und seine Verheißung erfüllt sei. Jüdisch und menschlich war dies gedacht, das heißt sündlich. Aber nicht die Sünde trennt von Jesus, sondern die Lüge, die Verstellung, die eigene Gerechtigkeit, die auch ihr Böses verteidigt und nicht an das Licht kommen mag. Nathanael kam, obwohl Jesus ein Nazarener war, dennoch zu ihm, nicht als Glaubender, sondern um zu prüfen, nicht ohne Vorurteil, doch mit dem Vorsatz, zu erkennen, wie es sich mit Jesus verhalte, den ihm Philippus als den Christus pries. Das war für Nathanael der gerade Weg; damit dachte er ehrlich und tat, wozu ihn seine Lage anleitete. Darum nennt ihn Jesus ohne Falsch und öffnet ihm seine Gemeinschaft nach dem Willen Gottes, den der Psalmist verkündet hat, dass dem die Sünde vergeben wird, in des Geist kein Falsch ist.
Krumme Wege führen nicht zu Dir, Herr Jesus. Mir Dir reden kann nur der, der vor Dir wahrhaftig wird. Darum bete ich, weil Du mich kennst mit dem allmächtigen Willen Gottes, und dafür danke ich Dir, dass Du den, der zu Dir kommt, nicht wegtreibst, sondern seine Sünde von ihm nimmst in der Macht, die Dir als Gottes Lamm gegeben ist. Amen.

Kap. 2

Da es an Wein gebrach, spricht die Mutter Jesu zu ihm: „Sie haben nicht Wein.“
Johannes 2,3

Johannes führt uns in seinem Bericht über Jesus sogleich zu den Festen, auf die Höhe des Lebens, zuerst zu einer Hochzeitsfeier, dem Höhepunkt des natürlichen Lebens. In Palästina war für den Jüngling und das Mädchen mit den sieben Tagen ihrer Hochzeit der Gipfel des Lebens erreicht. Nun kam aber damals in die Feier ein peinlicher Misston hinein. Der Wein ging aus. Man musste die Gäste zum Essen einladen ohne den festlichen Becher, der mit der Segnung geweiht wurde und dann bei allen eine Runde machte. Im Kreis der Frauen ging das Geflüster von Mund zu Mund: sie haben keinen Wein. Hoffentlich hat es das junge Ehepaar noch nicht gehört; sonst würde es rot vor Scham. So steht es mit unserem Vermögen, Feste zu feiern. Beständig drängen sich peinliche Störungen ein und um diese Gipfel unseres Lebens sammeln sich dunkle Wolken. Der Evangelist sagt uns: ihr könnt nicht feiern; Jesus aber konnte es und er bereitet das Fest auch euch. Was der Evangelist sagt, ist eine tiefe Wahrheit; wir bringen in der Tat bloß mit den natürlichen Mitteln kein ungestörtes Fest zustande.
In unserer Zeit wehrt sich die Christenheit gegen das Elend, das sich unser Volk durch den Trunk bereitet. In diesem Elend wird derselbe Tatbestand sichtbar, auf den Johannes uns achten heißt. Unser Volk kann nicht feiern, nicht so feiern, dass eine reine ungestörte Freude aus der Feier wird. Damals kam die Störung daher, dass sie keinen Wein hatten. Heute haben wir Wein genug und die Störung kommt daher, dass wir ihn haben. Bei ihm wird die festliche Freude gesucht, die Entspannung von der Anstrengung der Arbeit, die Erhebung über die Leerheit unserer Tage und daraus entsteht statt der Freude ein tiefer Jammer. Ich muss das, was mein Leben festlich macht, aus der Hand Jesu empfangen, aus Gottes schaffender Macht; sonst verwandelt sich jedes Fest in sein Gegenteil. Wenn mir die natürliche Gabe ungeheiligt bleibt, so hat dies seinen Grund in der Verwüstung meines inwendigen Lebens. Darin wird sichtbar, dass ich noch in der Irre schweife und meinen Platz vor Gott nicht gefunden habe. Diesen Platz weist mir Jesus an, und wenn ich ihn gefunden habe und weiß, wie Gott sich zu mir stellt, dann kann ich feiern, einerlei mit oder ohne Wein.
Ich empfange aus Deiner Hand, Vater, täglich, was ich bedarf, und mehr als ich bedarf, viel Anlass zur Freude, manches, was mir Genuss gewährt. Ohne Dich befleckt und verdirbt es mich. Aber in Deiner Hand wird auch das Natürliche zum Lebensbrot, für das ich Dir Dank schulde und Dank sage. Amen.

Macht nicht meines Vaters Haus zum Kaufhaus.
Johannes 2,16

Vom Fest in Kana führt uns Johannes zum Fest in Jerusalem. Aber auch hier verband sich mit der festlichen Freude Peinliches. Denn das Volk braucht zum Fest den Markt. Je mehr Pilger kamen, desto mehr Händler kamen. Je größer die Zahl der Opfernden wurde, um so mehr Rinder, Schafe und Tauben waren nötig. Wollten viele Gott ihre Gaben bringen, so gab es für die Wechsler ein großes Geschäft, bis alle mit kursfähigem Geld versorgt waren. Das brachte in das Fest eine trübe Störung, freilich nicht in das Fest der Juden, die auch jetzt gern ein Geschäft machten und nicht daran dachten, dass der Tempel entweiht werde, wenn er ein Kaufhaus sei. Jesus aber kann nicht auf diese Weise feiern; denn er sieht das harte Elend und den schwarzen Schmutz, der sich auf uns legt, wenn wir unseren Gottesdienst in ein Geschäft verwandeln. Wie vieles ist auch in unserem Volk, weil sich das Geschäft damit verbindet, vergiftet und beschmutzt! Wirtshaus, Theater und Lichtspiel, Presse und Politik, alles verfällt der Herrschaft des Geldes, und wo dieses herrscht, stirbt die Scheu vor dem Übeltun. Um des Geldes willen tut der Mensch auch das Böse und macht aus dem, was nützen könnte, eine verderbende Macht. Trifft aber der Zorn Jesu gegen den heiligen Markt nur das, was im Volkstum geschieht? Sagt er nicht auch mir etwas, was mich im Innersten meiner Seele trifft? Als Jesus den Markt austrieb, verlangte er von denen, die in den Tempel gingen, dass sie Gott um Gottes willen dienen. Das hießen aber auch die Frommen unerhört. Das Geld hat für alle eine verlockende Macht und der Hunger nach dem Glück sitzt tief in uns. Drum sieh dich vor und hüte deinen Gottesdienst, damit du nicht mit ihm nebenbei auch noch Profit machst.
Dein Zorn, Herr, ist uns ebenso heilsam wie Deine Freundlichkeit. Du scheidest, was wir vermengen und, weil wir es vermengen, verderben. Die Kette, mit der das Geld und das Glück uns bindet, ist fest. Aber Du hast eine starke Hand; sie ist stärker als unsere Ketten. Im Feuer Deines Geistes schmelzen sie. Ich bitte Dich um Dein treues Warnen, wenn sich die Sucht meines Herzens verirrt. Amen.

Brecht diesen Tempel und am dritten Tag will ich ihn aufrichten.
Johannes 2,19

Wir haben einen Tempel, jauchzte ganz Israel in stolzer Freude, wir allein haben ihn. Die Tempel der anderen sind leer; der unsere ist dagegen Gottes Eigentum und der Ort, an dem er bei uns ist. Den Tempel abbrechen, das war für ein jüdisches Ohr die furchtbarste Drohung, die Ankündigung des göttlichen Zorns zur schwersten Strafe. Jesus spricht aber so vom Abbruch des Tempels, dass es nicht mehr ein drohendes Gerichtswort ist, das Zorn verkündet. Brecht ihn ab, sagt er; ihr braucht ihn nicht mehr; denn er ist durch eine herrlichere Schöpfung Gottes überholt. Er sprach damit von seinem Leib. Ein Haus macht Gott nicht gegenwärtig; er wohnt im lebenden Menschen, doch nicht im sündigenden Herzen, wohl aber in seinem Sohn. Mit ihm ist uns wahrhaft ein Tempel gegeben, und Israels Freude an seinem Tempel ist zur verklärten Vollendung gebracht. Aber auch dieser Tempel, sein Leib, wird abgebrochen, eben deshalb, weil sie von ihrem alten Abbruch seines Tempels schafft keine Ruine. Er steht am dritten Tag wieder aufgerichtet da, nun erst recht Gottes Tempel, nun erst recht das Zeichen seiner gnädigen Gegenwart, nun erst recht der Ort, von dem die Welt der Sünder die Versöhnung mit Gott empfängt, und die Städte, die die Gemeinde vereinigt zur gemeinsamen Anbetung.
Ich will, unser Gott und Vater, zum Tempel gehen, den Du uns gebaut hast, und dort mir Deine guten Gaben holen. Ich will nicht in meinem eigenen Hause bleiben, nicht bei dem verweilen, was ich selber bin und kann. Ich kann nicht in mir Deine Herrlichkeit schauen, sondern in Deinem Sohn, nicht in mir den Frieden mit Dir finden, sondern in Ihm, nicht in mir Deinen Willen erkunden, sondern in Ihm. Ich trete ins Heiligtum, indem ich zu Dir, Herr Christus, aufsehe, und ich tue es mit der ganzen Schar, die Du zu Deiner Gemeinde gesammelt hast. Amen.

Kap. 3

Jesus antwortete und sprach zu Nikodemus: „Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: es sei denn, dass jemand von neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen.
Johannes 3,3

Gottes Reich sehen, sehen, wie Gott in seiner königlichen Gnade an uns handelt, wer kann das? Keiner, der nicht geboren ist, keiner, in dem das Leben nicht den Anfang bekam. Tut dies nicht schon die Natur? Hat nicht sie mir den Anfang des Lebens bereitet? Natur und Gottes Reich hat Jesus unterschieden wie Fleisch und Geist, wie die vergängliche und die ewige Welt. In sein Volk war Nikodemus durch das hineingeboren, was sein Vater und seine Mutter taten. Damit ist er aber noch nicht in diejenige Gemeinde hineinversetzt, die aus den ewig Lebenden besteht. Das ist das neue Werk Gottes, ein neuer Anfang eines anderen Lebens, das uns die Natur noch nicht verschafft. Zwischen den natürlichen Anfang des Lebens und seine Vollendung zum Anteil an Gottes Reich setzte Nikodemus seine fromme Anstrengung, seine gottesdienstliche Arbeit. das alles löst uns aber noch nicht vom Boden der Natur. Das ewige Leben ist eine neue Gabe Gottes und wird, wie alles, was er gibt, aus seiner freigebigen Hand empfangen. So gut ist Gott und so groß seine Gnade. Er gibt die erste Geburt und damit den Beginn des natürlichen Lebens. Auf dieses erste erfolgt noch ein anderes, höheres, neues Leben und darum auch eine neue Geburt, der Anfang einer neuen Lebendigkeit. Nikodemus erschrak. Soll auch ich mich vor diesem Wort Jesu fürchten? Warum erschrickt Nikodemus? Er kommt von dem nicht los, was er selber macht, und bindet sein ewiges Schicksal an sein eigenes Vermögen. Dann ist es freilich ein schreckliches Wort, dass wir etwas ganz anderes bedürfen, als was wir sind und können. Jesus spricht aber nicht von dem, was der Mensch leisten soll, als sollte er sich selbst irgendwie neu gebären, sondern er spricht von dem, was Gott schafft und an mir tut. Wird mir Gottes Gabe gezeigt, soll ich mich vor ihr fürchten? Jesus zeigt mir die Größe der göttlichen Gnade dazu, damit ich glaube.
Ich prüfe mich vor Deinem Angesicht. Finde ich in mir jenes Leben, das du, Vater, Deinen Kindern bist? Du wirkst es durch Deinen Geist. Wie Dein Geist das Herz erfasst und seine Gabe in mich legt, das bleibt vom Geheimnis bedeckt, das Dein Schaffen für uns unsichtbar macht. Wenn ich aber auch nicht weiß, wie der Geist in mir wirkt, so höre ich doch seine Stimme, die wohl erkennbare, die mit keinem anderen Klang verwechselt werden kann. Dein Geist ruft zu Deinem Sohn und gibt den Glauben, der ihn erfasst. Das ist Leben, neues, ewiges Leben, Leben der Wiedergeburt. Amen.

Jesus antwortete: „Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: es sei denn, dass jemand geboren werde aus dem Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen.“
Johannes 3,5

Mit dem, was Johannes der Täufer gesagt und getan hat, hat sich Jesus ganz eins gemacht. Vor den Eintritt in das Himmelreich hat der Täufer das Wasser gestellt, die Taufe, zu der er das Volk im Auftrag Gottes berief. Geht denn die Herrlichkeit der göttlichen Gnade hinein in den Jordan oder in anderes Wasser, einerlei, woher es geschöpft sei? Würde ich so fragen, hätte ich das Wort vergessen, das mit diesem Wasser verbunden war. Über dem Bad, das den Zugang zum Himmelreich bildete, stand die Zusage: Gott hat euch eure Sünden vergeben. Nun ist sofort deutlich, wieso uns das Wasser die neue Geburt, den Anfang des von Gott uns gegebenen Lebens, bringen kann. Es gibt keinen Anteil an Gottes Reich und seiner ewigen Gemeinde, bevor uns die Sünden vergeben sind. Alle, die durch Gott leben und in sein Reich eingehen, sind durch Vergebung geheiligte Sünder. Somit steht die Pforte zum Himmelreich da, wo die Vergebung empfangen wird. Nikodemus sieht nicht, wie er zu einem neuen Leben gelangen könnte. Jesus sagt ihm: Siehst du nicht, dass du die Vergebung bedarfst? Oder meinst du, du müssest sie dir erst noch erwerben? Vergebung wird nicht erworben, sondern empfangen, und Johannes hat dir mit seinen Taufen gezeigt, dass Gott euch die Vergebung gibt. Jesus fährt aber fort und fügt zum Wasser den Geist; denn er bleibt treu und vollständig mit dem Täufer eins. Der Täufer hatte, als er das Volk badete, klar erkannt und tief empfunden, dass er mit dem Wasser allein die Sünde nicht vertrieb und das neue Leben nicht schuf. Jesus gibt ihm recht. Bleibt das Wasser allein, so wird aus dem mit ihm geeinten Wort nur eine Verheißung. Die mir versprochene Vergebung wird mir nun dadurch gewährt, dass der Geist in mir wirkt. Sie besteht nicht nur darin, dass mir die Strafe erlassen, der Bann und Fluch der Schuld von mir genommen und der Zorn abgewehrt wird. Die Vergebung richtet den Gefallenen auf, überwindet alles Böse, erneuert die Gemeinschaft und gibt ihr nicht nur den alten Bestand zurück, sondern vertieft und vollendet sie. Darum tritt nun das göttliche Wirken in meinen inwendigen Lebensstand hinein, gibt mir den erleuchteten Blick, der Gottes Werk sieht und ihm glaubt, und gewährt mir den befreiten Willen, der sich aus der Fessel der Eigensucht löst und zur Liebe wird. Dieses in mir geschehene Wirken Gottes geschieht durch den Geist, und mit dem, was er uns gibt, ist der Anfang geschaffen, zu dem das ewige Leben im kommenden Reich die Vollendung ist.
Sichtbares und Unsichtbares, Vater, trägt mir Deine Gnade zu. Dein Sakrament, das Dein Wort mir deutet, macht mir Deinen gnädigen Willen sichtbar, und das Wirken Deines Geistes, das unsichtbare, macht Dein Wort in mir wirksam und zu meinem Eigentum. Von außen und von innen erfasst und bewegt mich Deine Hand und führt mich den Weg des Lebens. Schaffe in mir zum Wollen das Vollbringen und zum Anfang Deines guten Werks auch seine Vollendung. Amen.

Was vom Fleisch geboren wird, das ist Fleisch, und was vom Geist geboren ist, das ist Geist.
Johannes 3,6

Was der Zeugende besitzt, das entsteht wieder in dem, was er erzeugt. Das setzt dem, was ich als Kind der Natur hervorbringe, die Grenze, die nie überschritten werden kann. Da trägt alles das Bild meines natürlichen Lebens und macht sichtbar, was ich als Fleisch, als lebendiger Teil der Natur, vermag. Aber das gleiche Gesetz, dass das Erzeugte das Bild des Erzeugers wiederholt, macht sich auch am Wirken des Geistes sichtbar. Was er hervorbringt, ist nicht Fleisch, nicht Natur, sondern Geist, nicht Erregung der Sinne und Triebe, sondern Erneuerung des inwendigen Menschen, nicht Selbstbewusstsein, sondern Gewissheit Gottes, nicht Eigenwille, der die eigene Erhaltung begehrt, sondern Gehorsam, der dienen will und sich dem Willen Gottes unterwirft. So bin ich mit zwei Mächten verwachsen, die beide meinem Verhalten die Richtung und das Gesetz geben. Von außen bewegt mich die Natur und von innen her bewegt mich Gott durch seinen Geist. Das bleibt aber kein Zwist ohne Entscheidung und wird nicht ein Kampf, der keinen Ausgang hätte. Denn das aus dem Geist geborene Leben ist das bleibende, dasjenige, das endgültig und vollständig mein Verhältnis zu Gott bestimmt. Was das Fleisch hervorbringt, verwelkt alles. Was dagegen der Geist hervorbringt, hat Gottes Unvergänglichkeit an sich. Darum ist das, was der Geist aus mir macht, meine letzte und bleibende Gestalt. Die, die das vom Geist geschaffene Bild in sich tragen, sind die Glieder und Bürger des göttlichen Reiches.
Herr, wir sind Dein Ackerfeld; säe in uns hinein Deinen Samen, aus dem Deine Ernte reifen wird. Amen.

Der Wind bläst, wo er will, und du hörst sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, von wannen er kommt und wohin er fährt. Also ist ein jeglicher, der aus dem Geist geboren ist.
Johannes 3,8

Da Jesus vom Leben sprach, das aus Gott ist, gab er auch die Merkmale an, die den aus dem Geist Geborenen kennzeichnen. Das erste Kennzeichen ist: keiner wird durch seinen eigenen Willen des Lebens teilhaft, das durch den Geist entsteht. Was wir selber aus uns machen oder was wir andere aus uns machen lassen, bleibt von dem, was der Geist schafft, verschieden. Dort, wo er will, weht er, nicht da, wo wir wollen. Alles, was vom Geist stammt, erweist sich unzweideutig als empfangen. Das gibt unserer ganzen christlichen Arbeit die gebeugte Haltung, die unsere Abhängigkeit von Gott nie vergessen kann. Jeder Versuch, diese Abhängigkeit zu durchbrechen, indem wir durch irgendwelche Mittel unseren Einfluss auf die anderen so verstärken, dass sie ihm unterliegen müssen, hat die Leugnung des Geistes in sich und macht uns für sein Wirken verschlossen. Ein zweites Merkmal gibt uns Jesus damit an, dass er sagt: Du weißt nicht, woher er kommt, noch wohin er fährt. Göttliches Schaffen geschieht durch den Geist in unserem inwendigen Leben und darum ist es mit dem Geheimnis verhüllt, das alles Werden bedeckt. Ich kann den Finger Gottes nie beobachten, wenn er mein Inneres bewegt, und darum nie wirklich erklären, wie es im Menschen zum Glauben kommt. Was Gott schafft, ist in unseren Blick hineingestellt, nicht, wie er es schafft. Ebensowenig können wir gleich schon im Anfang den Endpunkt der Bewegung erkennen, die der Geist uns gibt, sondern müssen uns vorbehaltlos in seine Hand legen, damit er aus uns mache, was ihm gefällt. Allein neben dem, was wir nicht wissen und woran wir nicht mit vorwitzigen Gedanken rütteln dürfen, steht das, was in heller Deutlichkeit in unserer Wahrnehmung steht: du hörst die Stimme des Geistes wohl und kannst deshalb an seinem Dasein und an seiner Wirksamkeit nicht zweifeln. Denn er macht sich vernehmlich und seine Stimme ist von jeder anderen Stimme völlig verschieden. Ist nicht aber doch Seelisches und Geistliches oft schwer zu unterscheiden? Gibt sich nicht vieles als Geist aus, was nicht über die Natur, oft sogar nicht über kranke, verdorbene Natur hinausragt? Und wird nicht ebenso oft vieles als ungeistlich verachtet, was in Wahrheit das Werk des Geistes ist? So ist es freilich; aber das Kennzeichen des Geistes wird dadurch nicht undeutlich. Der Geist wendet mich zu dem, von dem er kommt. Der Geist spricht zu mir von Gott, bindet mich an Gott, macht mir Gottes Gebot deutlich und mich dem Willen Gottes untertan. Das tut der natürliche Wille nicht. Dieser spricht: Ich! Der Geist dagegen lehrt mich sagen: Gott. Das ist seine Stimme, an der du ihn erkennst.
Wer kann Leben schaffen und Ewiges wirken, Vater, als Deine heiligen und gnädigen Hände? Wir sind für Deine Lebensgabe nur ein irdisches Gerät. Du aber legst nach Deiner Gnade auch in unser irdenes Gerät Deinen wunderbaren Schatz, damit das, was Du aus uns machst, ein Zeugnis für die Herrlichkeit Deiner Gnade sei. Amen.

Wie Mose in der Wüste eine Schlange erhöht hat, also wird des Menschen Sohn erhöht werden, auf daß alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.
Joh. 3,14.15.

Im Gespräch Jesu mit Nikodemus, dem frommen Lehrer Jerusalems, stellte es sich deutlich heraus, daß das, was Jesus sagte, Nikodemus unglaublich blieb. Was hilft aber das Reden, wenn es nicht Glauben erzeugt? Wenn die Rede die Festigkeit des Zeugnisses hat als das Wort dessen, der selber sah, verpflichtet sie freilich zum Glauben; aber damit es noch nicht gesichert, daß der Glaube wirklich entsteht, da es keine Verpflichtung gibt, der wir uns nicht zu entziehen vermögen. Auch das Wort des Zeugen kann abgewiesen werden und dann fällt es dahin. Darum war es für Jesus das dringende Anliegen, wie er es dazu bringe, daß sein Wort Glauben bewirke. Als Israel in der Wüste von Schlangen angegriffen ward, da hängte Mose eine eherne Schlange an einem Pfahl auf und hieß das Volk zu ihr emporschauen und das rettete die Verwundeten. Mit diesem Schriftworte sagte Jesus Nikodemus, wie er es dazu bringen werde, daß sein Wort Glauben finde. Jesus wird erhöht werden und dann, wenn er, wie einst die Schlange, allen sichtbar am Pfahl hängt, zieht er den Blick aller auf sich, auch höhnende Blicke in Menge, von Flüchen begleitet, doch nicht nur solche, sonern auch den Glaubensblick, der in die Seele des Sehenden die Ergriffenheit legt, die seine Gnade schmeckt, und die Gewißheit, die seinem Vergeben traut, und die Ueberzeugtheit, die seinem Bekenntnis antwortet: Ja, du bist Gottes Sohn. Gerade dadurch wird er sich die Glaubenden bereiten, daß er nicht nur sagt, sondern tut, was unglaublich ist und scheinbar den Glauben völlig unmöglich macht und jede Erwartung begräbt. Gerade dann, wenn die Jünger sagen: „Wir meinten, er werde Israel erlösen“, ist ihnen der Glaube nah, wenn das Kreuz im Licht des Ostertages hell geworden ist. Die Zuversicht Jesu hat sich erfüllt. Seine Geschichte ist nicht in die Vergangenheit versunken, weil sie Passionsgeschichte war, sondern deshalb ist sie das Evangelium geworden, Gottes Botschaft, die durch alle Völker geht, und seine Jünger wurden nicht ohnmächtig, weil sie die Jünger eines Gekreuzigten waren; vielmehr schufen sie eben deshalb, weil ihr Wort nichts anderes sein konnte als das Wort vom Kreuz, die Kirche; denn so schufen sie Glauben. Wenn ich mich besinne, warum wir heute mit Jesus verbunden sind, so kann ich keine andere Antwort finden als die, die Jesus Nikodemus gegeben hat: weil er das Kreuz getragen hat. Wenn wir hier Gott nicht mehr spüren könnten, wäre er für uns nur noch der verborgene Gott.
Gott und Vater Jesu Christi, dir will ich glauben und dir danken. Du hast das große Zeichen deiner Gottheit unter uns aufgerichtet, als du deinen Sohn zu dem gemacht hast, den die Welt gekreuzigt hat. Hier bist du uns nahe und offenbarst deinen ganzen Willen. Hier schenkst du uns die Buße, hier schenskt du uns den Glauben, hier wirst du unser Gott. Amen.

Wer an ihn glaubt, der wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet; denn er glaubt nicht an den Namen des eingebornen Sohnes Gottes.
Joh. 3,18

Es steht nicht in unserer Macht, ob wir an Jesus glauben oder nicht glauben. Denn der Glaube entsteht aus dem Wort, das uns Jesus zeigt, und dieses kommt als freies göttliches Geschenk zu uns. Sodann bleibt das Wort ohne Wirkung, wenn es nicht gehört wird mit jenem wachen Hören, durch das das Wort unser Eigentum wird, und dieses liegt nicht in unserer Hand, sondern ist Gottes Wirkung in uns. Darum ist uns durch die Begegnung mit Jesus, die uns zum Glauben an ihn führt, das gegeben, was nicht unter das Gericht Gottes fällt. Wäre der Glaube unser Werk und Verdienst, so stände auch er unter Gottes Gericht. Nun ist er aber Gottes Gnadengabe und darum ihm wohlgefällig und mit seinem Willen eins und unser Heil. Wer ihn empfangen hat, ist über das Gericht emporgehoen. Wenn dagegen die Begegnung mit Jesus für den Menschen unfruchtbar und sein Wort für ihn ohne Bedeutung bleibt, dann hat sich Gottes Gericht an ihm vollzogen. Denn das, was uns von Jesus wegreißt und ihm unser Ohr verschließt, ist unser verwerfliches Handeln. Alles, was böse in uns ist, zerrt uns von Jesus weg. Die Nebel, mit denen unser verkehrtes Begehren unseren Blick füllt, machen ihn uns unerkennbar. Wir heißen deshalb ganz andere Dinge unser Glück und Gut als das, was der Gekreuzigte uns verspricht. Wir werden also, wenn wir ungläubig bleiben müssen, an unseren eigenen Willen gebunden und müssen das haben, was unser sündliches Begehren sich wünscht. Das ist bereits erlittenes Gericht, bereits in Kraft gesetzte Strafe. Denn es geht uns mit unserem Unglauben Christus verloren und damit der ganze, ewig reiche Schatz des Himmelreichs. Gleichwohl hat Jesus auch seinen Jüngern mit großem Ernst gesagt, daß er auch sie richten werde. Das tat er, weil es keine göttliche Gabe gibt, an der wir uns nicht versündigen können, und je größer die Gabe ist, die wir entkräften und mißbrauchen, um so schwerer ist unsere Schuld. Durch den Glauben an Jesus sind wir fähig gemacht, ihm zu dienen und Gottes Willen zu tun. Was wir nun in Kraft seiner Gabe aus unserem Leben machen, das untersteht bei uns allen dem göttlichen Gericht. Damit ist aber nicht widerrufen oder abgeschwächt, daß uns mit dem Glauben die Befreiung vom Gericht gegeben ist, weil uns mit ihm die Vergebung unserer Sünden und die Einsetzung in Gottes Gnade verliehen ist.
Deine Hand, Herr, Gott, die uns rettet und uns zu dir emporzieht, erfaßt uns, wenn dein Wort, das uns zu Jesus ruft, in uns ist. ich empfange mit ihm, was du uns gibst. Was kann ich anders tun als dir danken und dir gehorchen? Das gib mir, Vater. Amen.

Wer die Wahrheit tut, der kommt an das Licht, dass seine Werke offenbar werden; denn sie sind in Gott getan.
Johannes 3,21

Was Jesus Nikodemus zuerst gesagt hat, behielt für ihn erschreckende Dunkelheit. Mit der herrlichsten aller Verheißungen hatte Jesus begonnen, damit, dass Gottes Geist uns einen neuen Anfang des Lebens, eine neue Geburt beschert. Das blieb aber für Nikodemus ein Geheimnis, das ihn erschreckte, weil es den Grund zerbrach, auf den er seine Zuversicht gestellt hatte. Was blieb ihm noch, wenn alles, was wir mit unserem natürlichen Vermögen leisten, zum Eingang in Gottes Reich nicht ausreichte? Dann hatte ihm Jesus seine Sendung gepriesen, die ihm die Liebe des Vaters erteilt hat, durch die er, wie einst in der Wüste die Schlange, erhöht werden wird, damit er vom Kreuze aus in uns den Glauben schaffe. Aber dieser Blick auf den Ausgang Jesu war für Nikodemus wieder ein dunkles Geheimnis. Was das nicht ein schreckliches Wort? Konnte das der Weg Gottes mit Israel sein , dass Israel den von Gott gekommenen Lehrer kreuzigte? Nun aber gab ihm Jesus zuletzt noch ein Wort, das eine strahlende Freude in seine Seele gießen konnte: Deine Werke sind in Gott getan, wenn du die Wahrheit tust. Die Wahrheit, das ist nichts Verhülltes und Unzugängliches, nicht ein erst in der Ferne sich zeigendes göttliches Geschenk. Das ist Gottes gegenwärtige Gabe, dir geschenkt, weil du sein Wort hast, und in dir mächtig, weil die Wahrheit dich an sie bindet. Du kannst sie tun, und das ist wiederum Gottes dir verliehene Gabe. Denn du wirst zum Täter der Wahrheit in der Verbundenheit mit Gott. Damit ist Nikodemus vor die Pforte gestellt, die ihn zum Glauben führt. Was hinter dieser Pforte liegt, sieht er noch nicht. Die Pforte selbst aber steht in deutlicher Sichtbarkeit und offener Zugänglichkeit vor ihm. Er weiß nun, wie er den Zugang zu Jesus findet und was ihn zum Empfang des vom Geist gewirkten Lebens bringt. Blieb auch alles, wovon Jesus mit ihm sprach, noch Zukunft und rätselhaft, von Gott ihm gezeigte Wahrheit hat er empfangen. Nun greife zu und tue sie. Das ist der Weg ins Licht.
Licht, Vater, ist das Zeichen Seiner Gegenwart. Wenn Deine Hand uns bewegt, vergehen Schein und Lügen. Dein wissender Blick führt uns in die Wahrhaftigkeit und nun dürfen wir die Wahrheit lieb haben und so handeln, dass sie in uns bleibt. Darum bitte ich Dich und danke Dir für Deine Verheißung, die uns das Tun der Wahrheit zur Pforte für den Reichtum Deiner Gnade macht. Amen.

Johannes antwortete und sprach: „Ein Mensch kann nichts nehmen, es werde ihm denn gegeben vom Himmel.“
Johannes 3,27

Nehmen und empfangen darf ich unbeschreiblich viel, darf aus seiner Fülle Gnade um Gnade nehmen und dies so, wie ich es für jeden Tag bedarf. Ich brauche nicht zu verdursten, sondern darf kommen und trinken, muss mich nicht dem Tod überlassen, sondern darf kommen und trinken, muss mich nicht dem Tod überlassen, sondern darf das Brot des Lebens holen, brauche nicht töricht zu verfahren, sondern darf um Weisheit bitten. Aber nehmen kann ich nur, was mir gegeben wird. Ohne göttliches Geben gibt es kein menschliches Nehmen. Wir Menschen meinen es anders und bilden uns ein, unsere gierigen Griffe reichten aus, um uns reich zu machen. So greifen wir mit raffenden Händen in die Natur hinein in der Meinung, es brauche nur unser Nehmen, so müsse sie uns ihre Ernten spenden. Aber mit diesem wilden Greifen füllen wir unsere Hände nur mit Sand. „Eine Hand voller Sand“, das gewinne ich, wenn ich nehme, was mir nicht gegeben ist. Im inwendigen Leben bereiten wir uns dieselbe Not. „Ich brauche, ich will, ich beanspruche, ich nehme mir“, wie oft gerät unsere Seele in diese Bahn, und doch führt sie hier ebenso wenig zum Ziel wie im Bereich der Natur. Kein Grübeln hilft mir; die Erkenntnis kommt als Geschenk. Kein Klagen wendet die Not; die Hilfe wird geschenkt. Keine Angst vor dem Sterben scheucht es weg; das Leben kommt, weil es mir gegeben ist. Nun aber, wenn die göttliche Gabe dich besucht, und nimm, nun gib deiner Hand Kraft, dass sie greife, und Festigkeit, dass sie bewahre. Wenn Gott spricht, nun höre. Wenn Gott dir dein Werk zeigt, dann steh. Wenn Gott dir seine Gnade gibt, dann handle. Dazu gibt Gott, dass du nimmst. Er gab aber nicht deshalb, weil du nimmst oder nehmen möchtest. Darin, dass wir das haben, was wir empfingen, und nichts anderes bekommen, als was uns gegeben wird, ist Gott offenbar.
Bessere, Herr, Gott, alle meine Sinne, dass sie achthaben auf Deine uns begabende Hand. Mach wach mein Ohr, dass es Dein Wort höre, mach mein Inwendiges offen, dass es die Gaben Deiner Gnade empfange, mach meinen Willen beweglich, dass er der Weisung Deines Geistes gehorche. So führst Du mich in den seligen Stand, in dem ich nehmen darf, was Du mir gibst. Amen.

Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen.
Johannes 3,30

Dass wir abnehmen, wenn Christus wächst, ist kein Schaden, sondern ganz und vollständig Gewinn. Was wäre aus der Arbeit des Täufers geworden, wenn nicht Jesus nach ihm gekommen und über ihn emporgewachsen wäre? Weil Jesus kam, spricht der Täufer auch noch zu uns und er wirkt in dem Maß auf uns heilsam ein, als Jesus sein Werk an uns tut. Johannes spricht zu uns von der Buße; heilsam wird uns aber die Buße durch Christus. Denn sie hilft mir dadurch, dass sie mir die Vergebung bringt und mich in den Gehorsam des Glaubens stellt. Dies ist aber Jesu Gabe. Vom Himmelreich spricht der Täufer zu uns; doch bliebe dies eine dunkle Hoffnung und nicht viel mehr als ein schöner Traum, wenn wir nicht Jesus kennten. Durch ihn erhält das Wort vom königlichen Wirken Gottes, durch das er uns die Fülle seiner Gnade gibt, den verständlichen Sinn und die erfassbare Wirklichkeit. Wie von seinem Werk gilt das Wort des Täufers auch von unserem Werk und es ist immer falsch, wenn wir es mit einem schmerzhaften lang wiederholen: leider muss ich abnehmen, obwohl ich so gern groß geblieben wäre. Es muss so sein, sagt der Täufer; das ist eine göttliche Notwendigkeit und gegen diese murrt man nicht und sträubt man sich nicht. Was sein muss, soll ich nicht mit halbem Herzen, sondern mit ganzem Willen wollen. Es kann freilich im Lebenslauf eines Menschen begründet sein, dass ich für ihn große Bedeutung erhalten habe, weil mein Wort das war, wodurch Gott ihn begnadete, mein Glaube ihn zum Glauben und meine Buße ihn zur Buße bewog. Daraus kann große Dankbarkeit erwachsen; aber immer behält es die göttlich begründete Notwendigkeit, dass ich abnehme und Christus wachse und ich immer weniger für den anderen bedeute, weil er immer freier von mir wird und immer selbstständiger und reifer mit eigenem Glauben an Gott hängt. Bliebe ich für ihn groß, das wäre niemals Gewinn, im Gegenteil, schwerste Schädigung; denn das wäre Schuld. Es ist eine göttliche Notwendigkeit, dass wir alle mit unserem Dienst verschwinden, auch Augustin und Luther und Calvin, und niemand groß bleibe als der, der von oben kam und darum der Herr über alle ist.
Dich, Herr Christus, dessen Wort nicht verwelkt, dessen Gnade nicht ermattet, dessen Leben nicht veraltet, preise ich mit froher Danksagung. Immer heller machst Du uns Dein Wort, immer größer Deine Gemeinde, immer mehr gerüstet zu Deinem Dienst. Widersteh in Deiner Heilandsmacht all unserer Eigenheit, die selber wachsen und groß bleiben will. Zerbrich Du sie, so sei Dir Lob und Dank gesagt; so wirst Du groß. Amen.

Der von oben her kommt, ist über alle. Wer von der Erde ist, der ist von der Erde und redet von der Erde. Der vom Himmel kommt, der ist über alle.
Johannes 3,31

Die Jünger des Johannes waren es nicht gewohnt, dass sich Johannes vor jemand beugte. Vor keinem Priester, Lehrer und Fürsten, auch nicht vor der Fürstin, mochte sie in ihrem maßlosen Ehrgeiz noch so anspruchsvoll sein, verneigte er sich. Keinen Frommen bewunderte er, mochte seine Frömmigkeit funkeln und schimmern, und keinen Gefallenen verachtete er, auch wenn er sich entehrt und zerrüttet hatte. Vor Jesus aber beugte sich der Täufer und darum fragten ihn seine Jünger, weshalb Jesus größer sei als er. Die Antwort des Täufers war: Er kommt von oben und ich bin von der Erde und das macht einen Unterschied, der nicht verschwinden kann. Dass das göttliche Wort zu Johannes kam, das trennt ihn nicht von der Menschheit, die auf der Erde ihre Heimat hat und durch den Erbgang, der Geschlecht mit Geschlecht verbindet, das empfängt, was dem aus der Erde hervorgegangenen Menschen eigen ist. Eine neue Schöpfung Gottes, die das vom Geist gewirkte Leben in sich trägt, hat Johannes sich selber nicht genannt. Darum hat er sich vor Jesus gebeugt; denn jetzt kommt zur Gemeinde nicht nur ein Knecht Gottes, den er mit einer Botschaft beauftragt, sondern ihr Herr, dem sie gehört, wie die Braut dem Bräutigam gehört, weil er die Wurzeln seines Lebens droben hat. Gehörte aber nicht auch Jesus zu unserem Geschlecht? War er nicht auch ein Kind gewesen wie der Täufer und nun zum Mann geworden wie der Täufer? Sprach nicht auch er von dem, was uns die Erde zeigt, als der, der unser Leben lebt und unser Sterben stirbt? So war es und deshalb staunten die Jünger des Johannes darüber, dass sich ihr Meister vor Jesus beugte. Der Täufer hatte aber über Jesus den Himmel offen gesehen und den Geist wahrgenommen, der auf Ihn kam, und den Vater gehört, der sich zum Sohn bekannte. Damals erhob nicht der Mensch seine Stimme bittend zu Gott, sondern Gott sprach zum Menschen, und das Wort, das er sprach, gab ihm nicht irgendeinen Befehl oder zeigte ihm eine einzelne Wahrheit, sondern einigte den Menschen mit Gott wie den Sohn mit dem Vater durch das Band seines ganzen Wohlgefallens. Der Täufer sah, dass hier das Wort so von oben herab gekommen war, dass es eins mit dem Menschen wurde und Gottes Wahrheit, Kraft und Gnade ihm zu eigen gab. Daher war Jesus nicht mehr wie Johannes nur ein Hoffender, sondern ein Habender, nicht mehr nur ein Verheißender, sondern ein Gebender, nicht der, der die Braut für einen anderen warb, sondern der, der sich mit ihr verband und die Gemeinde nicht zu einem anderen führte, der noch kommen werde, sondern sie zu sich berief. Darum begann nun für den Blick des Täufers die festliche Freude der neuen Zeit und seine Pflicht war es, sich an dem zu freuen, was Jesus tat.
Ich bin anders als Du, Herr Christus, und von Dir getrennt, wie die Erde vom Himmel getrennt ist. Das irdische Gewächs und der himmlische Spross wachsen nicht aus einer Wurzel und haben nicht dieselbe Art. Darum preisen wir Dich als den Gnädigen, weil Du von oben zu uns kamst und als der, der im Vater lebt, bei uns bist. Dass diese Kluft vor Dir nichts gilt und Du über sie hinweg zu uns sprichst und in uns wirkst, das ist die Gnade, durch die wir leben und für die wir Dir danken. Amen.

Kap. 4

Hebet eure Augen auf und sehet das Feld; denn es ist schon weiß zur Ernte.
Johannes 4,35

Jesus sah vor sich schon ein zur Ernte reifes Feld. Davon sahen aber die Jünger nichts. Für ihren Blick sah nicht nur die weite Ebene, auf die man vom Jakobsbrunnen sieht, noch winterlich aus, sondern nach ihrer Meinung gab es auch in den Dörfern ringsum für Jesus nichts zu tun. Wie konnte er auch nur an eine Ernte auf dem samaritischen Boden denken? Er kannte ja den Hass der Samariter gegen die Juden und wusste, wie versteckt sie an ihrer sektenhaften Absonderung von Jerusalem festhielten. Selbst wenn die Samariter geneigt würden, auf Jesus zu hören, konnte er nach der Meinung der Jünger in keine Gemeinschaft mit ihnen treten. Denn er war in Kraft seiner Sendung der König Israels; folglich gab es in Samaria keine Ernte für ihn. Öffnet eure Augen und schaut hin, sagt ihnen Jesus; jetzt habt ihr die Arbeit der Schnitter zu tun und dies da, wo ihr meintet, dass keine Ernte wachsen könne. Was damals am Jakobsbrunnen geschah, war nicht nur für Jesus die Speise, die ihn erquickte, und nicht nur für die Samariter der Aufgang eines neuen Tages, sondern auch für die Jünger Jesu ein neuer Anfang, der ihrem Leben mit starkem Stoß eine neue Richtung gab. Die Überraschung, die ihnen dort zuteil wurde, zerbrach ihr angebliches Wissen und erzog sie zum Sehen, das auf Gottes Werk achten lernt. Wie heilsam sind auch uns diese Überraschungen! Sie können uns betrüben, wenn sich Felder als leer erweisen, von denen wir meinten, sie seien zur Ernte reif; sie können aber auch erfreuen und stärken, wenn sich auch da, wo wir meinten, es sei nichts zu hoffen, Gottes Werk zeigt, das den Menschen für sein Wort bereitet, und heilsam sind sie immer, weil sie uns verwehren, mit fertigen Urteilen mit den Menschen zu verkehren, als wüssten wir, was in ihnen verborgen ist. Ob es Erntezeit ist oder nicht, ob hier Ähren reifen oder Dornen wuchern, das weiß nur der, der die Herzen kennt. Darum besteht unser Dienst darin, dass wir seiner Leitung folgen und dann die Erntearbeit tun, wenn er die Ernte reifen lässt.
Unsere Gedanken möchten, Herr Gott, in ungeduldiger Eile erraten, was Du tun wirst. Du heißt uns aber warten, bis Dein Werk sichtbar wird. Gib mir das geöffnete Auge, dass ich nicht bei mir selbst weise bin, sondern dein Wort sehe und mich brauchen lasse, wann und wie Du mich brauchen willst. Amen.

Jesus spricht zu ihnen: „Meine Speise ist die, dass ich tue den Willen dessen, der mich gesandt hat, und vollende Sein Werk.“
Johannes 4,34

Was Jesus der samaritischen Frau getan hat, hieß jeder Zuschauer bedeutungslos. Was ändert ein Gespräch mit einer Frau aus der untersten Schicht des kleinen und verachteten samaritischen Völkleins am Lauf der Weltgeschichte? Auch die Jünger begriffen nicht, dass er sich mit ihr einlassen mochte. Jesus nannte dagegen das, was geschehen war, seine Speise. Daraus strömt ihm Kraft zu, die die Müdigkeit von ihm nimmt und ihn inwendig stärkt. Denn er hat jetzt den Willen des Vaters getan, und das ist sein Lebensmittel, die unentbehrliche Bedingung und wirksame Gewährung des Lebens. Gottes Wille war es, dass die dürstende Frau das belebende Wasser empfange, und Gottes Wille war es, dass der boshafte Zank zwischen den Juden und den Samaritern, aus dem in nie endender Flut immer neue Versündigung entstand, ein Ende finde und die neue Gemeinde entstehe, die in der Anbetung Gottes im Geist und in der Wahrheit geeinigt ist. Jesus sprach aber nicht nur vom Willen, sondern auch vom Werk Gottes. Der Vater gibt ihm nicht nur das Gebot, das der Sohn durch seinen Gehorsam zum eigenen Willen macht, sondern er ist der für Jesus Wirkende, wodurch es zum Beruf Jesu wird, das Werk des Vaters fertig zu machen und zum Ziel zu bringen. Gottes Wirken bereitet ihm den Raum, in den er sein eigenes Werk hineinstellt, und darum, weil er es auf das Werk des Vaters aufbaut, hat es Kraft und trägt es Frucht. Um in der samaritischen Frau Gottes Werk wahrzunehmen, war freilich der Blick Jesu nötig. Er aber sah die Hand des Vaters nicht nur darin, dass sie gerade jetzt zum Brunnen Jakobs kam, sondern darin, dass sie auf sein Wort aufmerkte, ihm standhielt und sich von Jesus dahin leiten ließ, dass er ihr seine königliche Salbung sagen konnte. Sie war eine zertretene Frau mit ihrer wilden Geschichte. Damit war aber für den Blick Jesu nicht verhüllt, was ihr der Vater gegeben hat, und dass er nun das, was der Vater vorbereitet und begonnen hatte, vollenden konnte, das hieß Jesus die Quelle seiner Kraft.
Ich bedarf der natürlichen Nahrung, Herr, Gott, nach Deiner Schöpferordnung; aber ich lebe nicht vom Brot allein, sondern durch Dein Wort und dieses wird meine Nahrung, wenn es mir Deinen Willen zeigt und ich ihn zu tun vermag. Dieses wahrhafte Brot, das mir das wahrhafte Leben gibt, suche ich bittend bei Dir. Amen.

Jesus sprach zum Königlichen: „Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder seht, so glaubt ihr nicht.“
Johannes 4,48

Die heilende Macht Jesu zog zwar die Galiläer zu ihm, brachte sie aber doch nicht so zu ihm, dass sie mit ihm verbunden blieben. Dass sie bei Jesus Zeichen und Wunder sahen, das lockte sie herbei, nicht nur wegen der greifbaren Vorteile, die ihnen die Heilungen Jesu gewährten, sondern auch wegen der inneren Stärkung, die sie dadurch erlebten. Gottes Hilfe sichtbar empfangen, Gottes Gnade mit Händen greifen, Gottes Wort in seiner Allmacht augenscheinlich erleben, stärkt das nicht ihre Frömmigkeit? Wurde das nicht für sie zum Glaubensgrund? Ja, sagte Jesus, und darum hat er das Wunder nicht verweigert, wenn der Glaube es von ihm erbat. Aber ohne das Zeichen konnten sie nicht glauben und das war das, was sie von Jesus trennte. Denn es ist nicht sein Beruf, an die Stelle der Natur in beständig fortgehender Reihe Wunder neben Wunder zu setzen. Er holt den Menschen nicht aus seinen natürlichen Verhältnissen heraus und zerschneidet die von Natur auch unter ihrem Druck mit ihrer Arbeit und mit ihrem Sterben beladen sollen sie glauben lernen, und das können sie nur, wenn sie Jesus glauben, nicht dem Wunder, sondern ihm, der ihnen das Wunder tut, nicht seiner Gabe, sondern ihm, dem Geber der Hilfe, die sie tröstet, nicht dem Gewinn, der ihnen zufällt, sei er natürlich oder religiös, sondern ihm, der sie von sich selbst, von ihren Nöten und von ihrer Frömmigkeit wegzieht und zu sich beruft. Sie sollen an ihm den Vater erkennen. Wenn ihnen dies beschieden wäre, dann hätten sie jenen Glauben, der nicht an das Wunder gebunden ist, weil Gottes Gnade alles umfasst, Leben und Tod, diese und die kommende Welt. Jesus klagte aber: niemand kennt den Vater, und dies geschah trotz seiner machtvollen Taten; denn wir hängen, wenn wir das Wunder begehren, an uns selbst und machen das zu unserem Ziel, was aus unserem eigenen Leben wird. Darum hat uns Jesus nicht durch seine Wundermacht geholfen, sondern durch sein Kreuz.
Ob Du hilfst oder die Hilfe versagst, ob Du in der Allmacht Gottes handelst oder im leidenden Gehorsam zum Kreuze gehst, immer, o Jesus, erscheint an Dir Deine herrliche Barmherzigkeit, die uns wahrhaft und völlig hilft. Gib sie mir, die ganze Hilfe, die Du uns dadurch gewährst, dass Du uns zum Vater bringst. Amen.

Kap. 5

Da Jesus den Menschen liegen sah und vernahm, dass er so lange gelegen hatte, spricht er zu ihm: „Willst du gesund werden?“
Johannes 5,6

Flüchte dich nicht vor dieser Frage Jesu. Viele flüchten sich vor ihr, obwohl man denken sollte, diese Frage bekomme ohne Schwanken und Bedenken ein lautes, starkes Ja zur Antwort. Ob ich gesund werden kann, das mag fraglich sein; dass ich es will, das steht fest. Allein diese Vermutung, so stark begründet sie in der natürlichen Schätzung des Lebens ist, trifft dennoch nicht zu. Ich möchte wohl, aber ich will nicht, das ist so oft die Antwort, die die Frage Jesu von uns bekommt. Denn es gibt keine Genesung ohne Selbstüberwindung, ohne Tapferkeit, die die Ketten unserer Gewöhnung zerbricht und unsere Lust bezwingt. Ist es nicht doch bequemer, den geschwächten Zustand zu ertragen, als gesund zu werden? Dieses feige, müde Verzagen vergeht in der Nähe Jesu. Bei ihm umweht uns der Geruch des Lebens, der zum Leben weckt. Er braucht für seinen Dienst eine gesunde Schar. Wie viele muss man fragen: Willst du denn krank werden? Du ziehst in die Großstadt, du verjubelst Nächte, du zerreibst im Übermaß der Arbeit deine Kraft. In der Nähe Jesu verlieren die Mächte, die uns in die Krankheit stoßen, der lockende Gewinn, die hetzende Lust, die knechtende Ehre, ihre unheilvolle Gewalt. In seinem Licht erkennen wir, dass das Leben mehr ist als der Genuss und der Mensch mehr als der Besitz. Jesus ruft uns zu sich, damit wir gesund werden und durch ihn und für ihn leben, und macht aus den Seinen die Streiterschar, die sich unserem Siechtum tapfer widersetzt. Im Verkehr mit unserer Jugend bekommt diese Frage ihren besonderen Ernst. Unser inneres und unser leibliches Leben ist eng verwachsen. Darum ist für unsere Jungen die Frage: wollt ihr gesund werden? Eins mit der Frage: wollt ihr fromm werden? Gesund im Denken, gesund im Wollen, gesund im Herzen, wollt ihr das werden? Allein wie feige beben wir zurück. Fass Mut und traue dem Herrn. Er spricht von der Gesundheit, weil er sie geben kann, mehr noch, weil er sie gibt. Geht aber die Frage Jesu nicht schließlich über das hinaus, was die Natur uns gewährt? Ist nicht alles natürliche Leben verletzt und krank? Einst aber wird sich die Verheißung erfüllen, die in dieser Frage verborgen ist. Einst werden wir gesund.

Herr Jesus, Du Tröster der Schwachen, der Du uns leiden lehrst, Du Heiland der Starken, der Du uns wirken lehrst, heile unsere zerstückelte Liebe, die bald nur für den Leib und bald nur für die Seele sorgt. So wird sie gelähmt und unfruchtbar. Deine Liebe dagegen ist mit der Wahrheit eins und ganz. An dem, was Du uns gibst, genesen wir. Amen.

Darnach fand ihn Jesus im Tempel und sprach zu ihm: „Siehe zu, du bist gesund geworden; sündige hinfort nicht mehr, dass dir nicht etwas Ärgeres widerfahre.“
Johannes 5,14

An Gottes Gaben entstehen unsere Sünden, nicht an dem, was er uns versagt, sondern an dem, was er uns gibt, und es gibt keine göttliche Gabe, sei sie noch so groß, noch so sichtbar der Erweis seiner Gnade, die wir nicht missbrauchen und verderben können. Darum erwuchs für Jesus auch aus seinem Helfen die sorgenvolle Frage, ob er den Geheilten wohl gerettet habe, ob nicht die Hilfe, die er ihm gewährte, in tieferem Sturz und größerem Unheil ende. Erfahrene Hilfe Gottes trennt vom Sündigen. Es gibt kein Erlebnis, das uns Gott und seine allmächtige Hilfe sichtbar machte und uns nicht mit gebietendem Ernst vom Bösen schiede. Wir wissen alle: gleichzeitig ein Wunder der Gnade und ein boshafter, gottloser Mensch zu sein, das ist unmöglich. Ein solcher Mensch hat in Gottes Reich nicht Platz; er ist ein Monstrum, das verschwinden muss. Der Geheilte dachte so wie ein Jude dachte, damals, als er in Bethesda unermüdlich auf das wunderbar bewegte Wasser wartete, ebenso damals, als er nach seiner Heilung in den Tempel ging, um Gott Dank zu sagen, aber auch damals, als er vor denen, die ihn seines Bettes wegen schalten, erschrak. Weil er jüdisch dachte, war es für ihn eine große Sache, dass er am Sabbat sein Bett trug. Als es ihm Jesus befahl, machte die Autorität Jesu ihn stark. Damals stand er in seiner Heilandsmacht vor ihm. Aber nun stellten sich auch die alten Meister ihm wieder in den Weg und nun brach er zusammen. Zwischen ihn und Jesus schob sich die andere Autorität und er bekam zwei Blickrichtungen. Das ist aber ein gefährlicher Zustand, der Anfang des Falls. Wie deutlich wird an diesem Vorgang, warum Jesus seine Jünger ganz und einzig an ihn gebunden und jeden anderen Meister weggeschoben und jede andere Gemeinschaft für sie aufgehoben hat. So verhütet er, dass aus seiner Hilfe Sünde und Fall entsteht.

Dir, Herr Christus, gehören wir ganz und gar. Du bringst uns ja Gottes Gnade und Gottes sind wir mit allem, was wir sind und tun. Dir glauben wir, Dir allein; auf Dich hoffen wir, auf Dich allein; Deinen Willen tun wir und nicht den der Welt, auch nicht unseren eigenen. Vollende das gute Werk, das Du in mir begonnen hast. Amen.

Wie könnt ihr glauben, die ihr Ehre voneinander nehmt? Und die Ehre, die von Gott allein ist, sucht ihr nicht.
Johannes 5,44

Wo hast du deine Ehre? Fragt mich Jesus. Wer soll sie mir geben, wenn nicht die anderen? In der Gesellschaft entsteht die Ehre. Der eine reicht sie dem anderen dar, und ihr Wert besteht darin, dass sie mir in der Gesellschaft meinen Platz sichert. Je größer meine Ehre wird, um so größer sind die Gewinne, die mir die Gemeinschaft verschafft. Geht sie mir verloren, so bin ich aus ihr ausgestoßen und all der unentbehrlichen Hilfen beraubt, die mir einzig die Gemeinschaft geben kann. Wie soll ich also anderswo die Ehre suchen, da sie im Verkehr mit den Menschen ihren Grund und ihren Wert besitzt? So kannst du nicht glauben, sagt mir der Herr. Da, wo du deine Ehre suchst, liegt das Ziel deines Lebens. Suchst du sie bei den Menschen, so lebst du für die Menschen, machst ihre Meinung zu deinem Gesetz und ihren Willen zu deinem Herrn, und das wird nicht anders, auch wenn du die Menschen verachtest und ihre Meinungen als Narrheit schiltst. Solange du ihre Ehrung nicht entbehren kannst, bist du ihnen untertan. Du kannst aber nur dann für die Menschen leben, wenn du für dich selber lebst. Wo ist nun dein Gott? Du hast ihn vergessen und verloren. Trätest du zu ihm, wie könntest du dann noch nach der Ehre bei den Menschen greifen? Dann gäbe es für dich ein anderes Anliegen, ein höheres Ziel, nämlich Gottes Ehre, die Ehre, die Gott dir gibt und die du ihm darbringen darfst, indem du ihm dienst. Das ist klar, dass ich nicht glauben kann, wenn ich Gott verachte. Das Wort Jesu geht nur dann in mich hinein und wird nur dann mein Eigentum, wenn es die Gewissheit Gottes in mir erweckt und mich zu ihm hin wendet. Ich kann nur Gott ein Ja darbringen, das keinen Riss in sich hat, das über allen Dunkelheiten als Gewissheit steht und mein ganzes Denken und Tun durchdringt. Wenn die Ehre der Menschen mein Maßstab ist, ist nie Gott der, an den ich mich halte, ist es nicht die Wahrheit, mit der ich mich einige, weil sie wahr ist, ist es nicht die Gerechtigkeit, die ich liebe, weil sie gerecht ist. Dies alles hat ja nur so weit für mich Wert, als es mir bei den Menschen Ehrung erwirbt. Denn ich habe mein Leben auf das gestellt, was ihre Gemeinschaft mir gibt. Wenn mir aber Gottes Gabe in ihrer Herrlichkeit und Fülle sichtbar geworden ist, dann habe ich einen Besitz und eine Ehre empfangen, die alles Menschliche weit überragt. Bin ich nun einsam geworden und aus der Gemeinschaft mit den anderen herausgerissen? Nein; ich bleibe in sie hineingestellt, nun aber als ein freier Mann. Immer hat das Wort Jesu dieselbe Entschiedenheit, die auf die letzte alles erfassende Entschließung drängt. Ihr könnt nicht zwei Herren dienen, sagt er uns. Ihr dient entweder eurem Besitz oder ihr dient Gott; ihr sucht entweder die Ehre der Menschen oder die Gottes. Begehre das, was Gottes ist, sagt er mir, nicht mit halbem Herzen, sondern ganz.
Menschendienst, lieber Gott, ist ein harter Dienst und Menschenehre eine schwere Kette. Gepriesen sei Deine Gnade, die uns in die Freiheit führt. Sammle meine Seele in ein einziges Verlangen, das nach dem begehrt, was Deine Herrlichkeit offenbart. Amen.

Kap. 6

Wer mein Fleisch isst und trinkt mein Blut, der hat das ewige Leben und ich werde ihn am jüngsten Tag auferwecken. Denn mein Fleisch ist die rechte Speise und mein Blut der rechte Trank.
Johannes 6,54+55

Nähre uns, baten die Galiläer. War es nicht ein unvergleichlich herrlicher Gottesdienst, als Jesus sie in der Wüste wie ein Hausvater seine Gäste nährte? Wenn er dies täglich wiederholte, was wäre dies für eine Wonne! War Israel zur Zeit Mose nicht in einem seligen Zustand, als an jedem Morgen das Brot vom Himmel herabkam und das ganze Volk ernährte, ohne dass es säte oder erntete? Sagte nicht die Verheißung, dass die Gemeinde der Endzeit das jetzt verborgene Manna wieder empfangen werde? Ich nähre euch, antwortet Jesus; ihr sollt nicht darben und das Lebensmittel nicht entbehren, das euch wahrhaftes Leben gibt, jenes, das am letzten Tag die Auferstehenden empfangen. Ich reiche euch Speise und Trank, doch nicht so, wie der begehrliche Traum der Galiläer es beschrieb, auch nicht so, wie er selbst in der Wüste denen, die ihn dort suchten, das Brot gereicht hatte, sondern so, dass er sein in den Tod gegebenes Fleisch zum wahrhaften, nicht täuschenden Brot macht, das ihnen das Leben wirklich verleiht, und sein im Tod verschüttetes Blut ihnen als den echten, nicht täuschenden Trank reicht, der ihren Durst wirklich stillt. Wie konnte Jesus sein Fleisch so hoch preisen? Bei den Frommen war es üblich, dass sie ihr Fleisch verachteten, und hatten sie dazu nicht guten Grund, da das Gute in unserem Fleische nicht heimisch ist? Es erniedrigt uns, füllt uns mit unseren begehrlichen Wünschen und führt einen Kampf gegen das, was als unser teuerster Besitz in unsere Vernunft und unseren Willen hineingelegt ist. Jesus dagegen konnte sein Fleisch preisen; denn er machte aus ihm das Mittel seines Gottesdienstes. Weil wir es zum Werkzeug der Sünde machen, ist es verächtlich und weil es uns durch unsere selbstsüchtige Begehrlichkeit knechtet, schützen und pflegen wir es, dienen ihm und geben es nur unwillig her. Jesus dagegen macht aus seinem Fleisch das Werkzeug seines Gehorsams und gibt es dem Vater und darum auch denen, die der Vater zu ihm führt. Diesen feierlichen und herrlichen Gebrauch macht er von seinem Fleisch und Blut dann, wenn er es in den Tod gibt. Er hieß sein Fleisch die Speise und sein Blut den Trank im selben Sinn, wie es seine Kreuzigung , seine Erhöhung und seinen Tod seinen Hingang zum Vater nannte und vom Tod des Hirten sagte, er habe damit den Wolf abgewehrt und die Welt überwunden. Meine Worte, sagte er, vergehen nicht; ebenso sagt er von seinem Fleisch, es wird nicht zerstört, und von seinem Blut, es vertrocknet und verwest nicht. Denn das, was mit ihm geschah, vollbrachte den gnädigen Willen Gottes und dieser bleibt immer wirksam und gibt uns allen das Heil.
Du richtest Dich, o Jesus, hoch auf, als Du zum Sterben gingst, und gabst dem, was Du tatest, eine Tiefe, die wir nicht ergründen, und eine Macht der Gnade, die wir nicht begreifen. Aus Deinem Sterben machtest Du für uns den Quell des Lebens. So legst Du uns die Verheißung aus, die der Erde den Frieden verkündet, weil Du geboren bist, und den Menschen Gottes Wohlgefallen schenkt, weil Du Dich zu ihnen hältst. Amen.

Kap. 7

So jemand will des Willen tun, der wird inne werden, ob diese Lehre von Gott sei oder ob ich von mir selber rede.
Joh. 7,17.

In allem, was ich denke, tritt ans Licht, was ich will, auch in dem, was ich über Jesus denke. Darum fragt uns Jesus: was wollt ihr? Nun kann ich aber nie etwas anderes wollen als einen Willen. Welchen Willen ich will, das ist die Frage und an ihr trennen sich unsere Wege in entgegengesetzte Richtungen. Ich kann meinen Willen wollen oder ich kann Gottes Willen wollen. Ich kann erwägen, was sich aus meiner Lage als Ziel für mich ergibt, was also meinem Leben Stärkung und Vollendung bringt und meine Wünsche erfüllt. So entsteht mein eigner Wille, und wenn ich diesen will, so wird mir Jesus gleichgültig. Denn zum Diener meines Willens macht er sich nicht. Steht er so deutlich vor mir, daß ich ihn nicht vergessen kann, so wird er mir widerwärtig. Ich kann aber meinem Willen auch einen anderen Inhalt geben, weil mir Gottes Wille gezeigt ist. Wenn nicht das die bewegende Frage ist: was wünsche ich mir, was dient mir? sondern was will Gott von mir? und wenn ich nun seinen Willen nicht im Aufruhr von mir stoße, sondern erkenne, daß es das einzig Richtige und Heilsame für mich ist, Gottes Willen zu wollen, dann kann ich Jesus verstehen, ihn, der Gottes Willen wollte und nicht bloß wollte, sondern tat. Nun erkenne ich im Gehorsam Jesu seine Herrlichkeit. Aus seinem Gehorsam entsteht aber alles, was durch ihn und an ihm geschah, seine Geburt, sein Kreuz und seine Auferstehung. Ebenso hat alles, was er mir sagt, nur ein einziges Ziel, nämlich daß ich den Willen Gottes tue. Was sucht der Glaube anderes, als daß der Wille Gottes gescheh? Was begehrt die Buße? Sie ist die Umkehr vom eigenen Willen zu Gottes Willen. Was ist die Liebe Gottes, wenn sie nicht das Verlangen ist, daß sein Wille gescheh? Was ist die Hoffnung? Der Vorblick auf die Erfüllung des göttlichen Willens. Daran aber, daß mir Jesus den Willen Gottes zeigt und ihn tut, erkenne ich, das seine Lehre von Gott ist.
Mit der Bitte, die du, Jesus, in unser Herz gelegt hast und die die ganze Christenheit unablässig bittet, bitte auch ich: Dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel. So bleibe ich in deiner Lehre und du wirst deine Verheißung erfüllen, daß wir, wenn wir in deinem Wort bleiben, die Wawhrheit erkennen. Amen.

Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke. Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dessen Leibe werden Ströme des lebendigen Wassers fließen.
Johannes 7,37+38

Wenn der Dürstende trinkt, empfängt er, was er selbst bedarf. Ihm wird das eigene Verlangen gestillt, das Erfüllung finden muss, wenn sein Leben nicht verwelken und zerfallen soll. Aber das, was er in sich hineintrank, tritt wieder aus ihm hervor, und nun als Strom in überreicher Wirkung, die alle Erwartung übersteigt. Durch dieses Wort durchleuchtet Jesus das Geheimnis, das an seinem Wirken haftet, aber auch in der Arbeit der Kirche und aller ihrer Glieder wiederkehrt. Zu wem spricht Jesus und für wen tut Jesus sein Werk? Zu mir, dem einzelnen, spricht er; mir, dem einzelnen, gilt seine Gnade. Denn mein Verhältnis zu Gott ist mein eigenstes Anliegen und kann nur in meinem eigenen Innern Grund und Festigkeit erhalten. Mein Glaube kann nicht eine Nachahmung zu dem sein, was ein anderer ist und tut; er ist mein eigentliches Verhalten, das in mir selbst begründet ist und mir durch meine Geschichte und Erfahrung vermittelt wird. Meine Pflicht kann ich ebensowenig von einem anderen entlehnen; sie entspringt in mir, in meinem Vermögen, aus meiner Lage, weshalb ich nur das tun kann, was mir mein eigenes Gewissen sagt. Mein Durst ist mein Durst; ich selbst muss trinken und das belebende Wasser zu eigenem Besitz empfangen. Zersplittert sich nun nicht das Werk der Christenheit in die unendliche Vielheit der Einzelleben? Versinkt es nicht in die Verborgenheit der unsichtbaren Innerlichkeit? Allein da, was mir Jesus tut, endigt nicht in mir und hat nicht schon damit sein Ziel erreicht, dass der Dürstende trinkt. Denn das, was er empfangen hat, flutet aus ihm heraus, und der, der getrunken hat, wird zum Quellort des belebenden Stroms. Tausendfach strahlen aus jedem Leben die Wirkungen aus in unberechenbare Weiten. Bleibt ein Leben von engen Grenzen umschlossen, immer werden viele mit ihm in Berührung gebracht, und das, was von Jesus stammt, hat immer und für alle die wirksame Macht. Das von ihm Empfangene geht vom ersten Empfänger hinüber zu den anderen. Sein Wort strömt von Mund zu Mund und sein Friede senkt sich aus einem Herzen in das andere. Glaube zündet Glaube an und Liebe zeugt Liebe. Käme der Strom nicht aus uns heraus, so hätten wir nicht wirklich getrunken. Denn das lebendige Wasser lässt sich nicht in den einschließen, der es trank. Würden wir eine Massenwirkung versuchen, die auf die einzelnen verzichtete, so hätten wir uns vom Ziele Jesu abgewandt. Denn dergleichen erreicht den innersten Vorgang im Menschen nicht. So entsteht nicht Leben. Jesus schafft Leben, und darum ist der Ort, an dem er wirksam wird, in jedem seine verborgene Innerlichkeit. Wo aber Leben ist, da bringt es Unendliches hervor.
Ich erfasse, Herr Jesus Christ, Dein teures Wort, dass Du nicht nur an mich denkst, wenn Du mir Dein Wort gibst, und nicht nur für mich sorgst, wenn Du mein Leben gnädig regierst, sondern mit dem, was Du mir gibst, vielen hilfst und den Strom entspringen lässest, der manchen dürren Boden befruchtet und manches welkende Leben erneuert. Dazu hilf Deiner ganzen Schar, die sich von Deiner Hand führen lässt. Amen.

Das Volk, das nichts vom Gesetz weiß, ist verflucht.
Johannes 7,49

Hoch streckt sich der Mensch empor, weil er einen erhabenen Besitz empfangen hat. Denn er kennt das Gesetz und das gibt ihm ein vornehmes Recht, das Recht zu fluchen. Dazu hat er nach seiner Meinung nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht. Er würde das Gesetz verleugnen, wenn er nicht den Fluch auf alle legte, die es nicht kennen und es darum übertreten. Woher kannten diese zum Fluch bereiten Frommen das Gesetz? Sie haben es gelernt. Wer es nicht lernt, der kennt es nicht. Darum ist die ganz große Schar verflucht, die den Acker und das Gewerbe nicht fahren ließ und nicht in den Lehrsaal kam, um Gottes Gesetz zu hören. Für sie gibt es keine Entschuldigung; denn das Gesetz steht über jedem anderen Wert, über Haus und Hof und Wirtschaft und Staat. Wie soll der der Sünde entrinnen, der das Gesetz nicht kennt? Ich will sie nicht vergessen, diese erhabenen Gestalten mit ihrem feierlichen Fluch, mit der eisernen Konsequenz ihrer Überzeugung und dem vorbehaltlosen Opfermut, mit dem sie das ganze Leben dem Dienst des Gesetzes widmeten. Allein diese erhabenen Gestalten machen zugleich das tiefste Erbarmen wach; denn sie haben nicht nur das unwissende Volk, sondern auch Christus verflucht. Mensch, sieh dich vor! Wenn du groß bist, fällst du. Wenn du sagst: ich weiß, so bringst du deine Narrheit ans Licht. Schmiedest du dir die Krone der Verdienste, so hängst du dir das Brandmal der Sünde an. Fluchst du den anderen, so verfluchst du dich. Ich will nicht eilig den Blick wegwenden, sondern will Gottes Ernst und Gottes Güte beschauen. Seine Güte sehe ich an mir, weil ich im Glauben stehe. Der Glaubende schaut aber auf Gottes ganzes Werk, auch auf seinen Ernst. Darum steht um das Kreuz Jesu herum die stolze Schar, die mit eifrigem Ernst verkündete: wir kennen das Gesetz, und daran viel.
Heiliger Gott, es tritt kein unreiner in deine Nähe und kein Ungerechter hat in Deinem Reiche Raum. Aber nicht uns hast Du das Gericht übergeben. Wie süß, o Jesus, ist Dein Wort, das uns das Richten untersagt! Ich würde dich nicht kennen, wenn ich noch fluchen könnte; denn der bleibt in Dir, der in der Liebe bleibt. Amen.

Kap. 8

So ihr bleiben werdet in meiner Rede, so werdet ihr die Wahrheit erkennen.
Joh. 8,31.32.

Wer scheidet Schein und Wahrheit? Wer ist dazu fähig? Wenn ich auf die Weise sehe, wie sich die anderen verhalten, was ist hier echt und was nachgemacht, was erlebt und was erlernt, was Wirklichkeit und Leben und was Theaterspiel? Doch laß die anderen. Es trägt jeder seine eigene Last, hat seine eigene Verantwortlichkeit und steht oder fällt seinem Hern. Frage dich, was ist an dir Wahrheit und was Einbildung, was ist in dir gewurzelt und gewachsen und was ist fremdes Eigentum, das du als Schaustück in dir trägst, als wäre es dein? Es gibt unter uns nicht wenige, die die Frage quält: ist nicht alles, was man Christentum nennt, Einbildung, „Autosuggestion“, nicht nur die Geschichte Jesu mit ihren Wundern, sondern auch das eigene religiöse Empfinden, das, was wir unsere Erfahrung heißen, unsere Gegenwehr gegen unseren boshaften Willen, unser Gott hingegebener Glaube bleibt, unsere zum Dienst bereite Liebe, ist nicht alles Schein, alles nur der natürliche Trieb der Eigensucht, hier nur verhüllt in einer phantastischen Tracht? Weil uns diese Sorge quälen kann, wollen wir Jesus dafür danken, da er uns einen Maßstab gegeben hat, der das Echte vom Unechten trennt und uns die Wahrheit erkennbar macht. Dieser Maßstab ist das Bleiben in seinem Wort. Wenn sein Wort klar wie die Tageshelle, durchdringend wie ein Sonnenstrahl, mächtig wie der Hieb eines zweischneidigen Schwerts in mich hineintritt, dann flüchtet sich alles, was nur Schein und Farbe und Traumbild ist. Was sein Wort aushält und an seinem Wort sich bewährt, das ist echt, hat Wirklichkeit und ist von Gott gepflanzt.
Erforsche mich, Herr, und prüfe mich. Vertreibe den Schein, befreie mich vom Lügen und stelle mich auf den Felsen der Wahrheit. Dein Wort ist die Schule der Wahrhaftigkeit. In der Schule der Menschen lerne ich Verstellung und Falschheit. Du aber bist der Weg für mich, weil du die Wahrheit bist. Amen.

Ich aber, weil ich die Wahrheit sage, so glaubt ihr mir nicht.
Johannes 8,45

Sei nicht feige, sondern sieh hinab in die Tiefe der menschlichen Unart, auch wenn dich ihr Anblick erschüttert. Ein Mensch, der deshalb nicht glaubt, weil ihm die Wahrheit gesagt ist, ist ein schrecklicher Anblick. An was glaubt er dann? Was bewegt ihn, wenn er das, was sich ihm als Wahrheit erkennbar macht, von sich stößt? Hat er sich nicht in die Luft hinaufgestellt ohne Halt und ohne Standort? Ist er nicht von der Wirklichkeit gänzlich geschieden, damit aber auch von Gott gelöst? Der Wahrheit nicht glauben, das ist Selbstverneinung, Selbstverstümmelung, Selbstmord in der schwersten Form. Dieser Dolchstoß verletzt das Innerste in uns. Damit ist die Grenze zwischen Unwissenheit und dem Glauben überschritten. Für die Unwissenheit ist die Wahrheit verhüllt, dem Unglauben ist sie gezeigt. Auch unsre Unwissenheit verführt uns zum Streit gegen die Wahrheit und darum ist sie eine Gefahr. Sind wir gewohnt, ihr zu widersprechen, weil sie uns verhüllt war, so ist die Gefahr ernst, dass wir uns auch dann gegen sie wenden, wenn die Hölle von der Wahrheit fällt und ihr Strahl in unser Inneres dringt. Können wir aber der Wahrheit glauben? Ist sie nicht schrecklich? Müssen wir sie nicht fürchten und hassen? Wer wagt es, sich selbst anzusehen? Wer hält es aus, die Menschen zu sehen, wie sie sind? Stirbt nicht die Freude und stirbt nicht die Liebe da, wo die Wahrheit erscheint? Ich sage euch die Wahrheit, sagt uns Jesus, und ich sage euch nicht im Dienst des Zorns, der das Verborgene enthüllt, um euch zu schänden, und das Versteckte ans Licht zieht, um euch zu richten. Ich sage euch die Wahrheit im Dienst der Gnade, die nicht erniedrigt, sondern erhöht. Ich zeuge euch die Wahrheit nicht, damit ihr an ihr sterbet, sondern damit ihr durch sie lebt. Denn die Wahrheit, die Jesus uns sagt, zeigt uns nicht nur, was im Menschen ist, sondern zeigt uns auch Gott in seiner wahrhaften Gerechtigkeit und seiner wahrhaften Gnade, und darum ist die Wahrheit, die Er uns sagt, die uns belebende Macht.
Licht des Lebens, Herr Jesus, ist Dein Name, rettende Wahrheit Dein Geschenk. Die menschlichen Künste, die die Wahrheit verhüllen, kenne ich wohl; ich sehe sie nicht nur an den anderen, sondern finde sie auch bei mir. Wenn ich mich aber zu Dir halte, fallen sie ab. Ich stelle mich ohne Vorbehalt und Ausflucht unter Dein Urteil und empfange ohne Widerrede Deine Gabe und bitte: Gib mir Teil am Geist der Wahrheit, durch den Du die Deinen regierst. Amen.

Kap. 9

Jesus antwortete den Juden: „Mein Vater wirkt bisher und ich wirke auch.“
Johannes 9,17

Die Juden starrten Jesus an: wie kommst du dazu, den Sabbat zu übertreten? Du weißt doch, dass niemand am Sabbat etwas tragen darf, und hast dem von dir geheilten Menschen geboten, sein Bett wegzutragen. Für sie war das Gesetz das Band, das den Menschen bei Gott festhielt; wer dieses zerriss, stürzte in den Abgrund der Gottlosigkeit hinab. Darum zeigt Jesus den Juden, was ihn mit dem Vater verband. Mein Vater wirkt, sagte er, Er gebietet nicht bloß, dass ich wirke, als wäre einzig der Mensch der Wirkende und Gott nur der Zuschauer, der die Werke des Menschen betrachtet, prüft und straft oder belohnt. Gott spricht auch nicht nur, als wäre sein Wort von der Kraft geschieden. Seine Worte sind Werke; denn sie geschehen. Daraus, dass Gott wirkt, folgt für Jesus: darum wirke ich. Das wäre nicht möglich, wenn Gott nicht der Vater wäre. Wäre er in dem Sinn der Einzige, dass er nichts neben sich ertrüge, sondern seine Macht dadurch offenbarte, dass er alles entkräftete und fesselte, so entstände aus seinem Wirken nicht das Wirken des Sohnes. Nun ist er aber der Vater, der dem Sohn Leben gab, und mit dem Leben gab er ihm das Vermögen zu wirken. Sein Beruf ist nicht Untätigkeit, auch nicht nur die anbetende Betrachtung dessen, was der Vater wirkt. Er wirkt selber; aber wie könnte er wirken, wenn nicht der Vater wirkte? Wie ihm die Untätigkeit unmöglich ist, weil der Vater wirkt, ebenso unmöglich ist ihm ein eigenmächtiges Handeln, das nicht durch das Wirken des Vaters begründet ist. Sein Verhältnis zum Vater ist Gemeinschaft, die sich in der Gemeinsamkeit des Wirkens offenbart, so dass im Wirken des Sohnes das Wirken des Vaters geschieht. Eine solche Gemeinschaft mit Gott ist aber nicht nur für die Juden, sondern für uns alle ein uns überraschender Anblick. Denn wir empfinden den Gegensatz, der zwischen Gott und uns steht, und dieser hat zur Folge, dass wir uns selbst überlassen und auf unseren eigenen Willen beschränkt sind und deshalb nur wirken, was wir begehren und vermögen. Das ist aber der Stand des unversöhnten Menschen, den Gott von sich fern hält, weil der Mensch sündigen muss. Gerade in dem, wovor die Juden in ihrem unversöhnten Stand erschraken und was sie Sünde heißen, machte Jesus die Herrlichkeit seiner Sohnschaft und die Herrlichkeit Gottes offenbar, die das weit überragt, was wir mit dem, was die Natur und das Gesetz uns geben, zu denken und von uns zu sagen imstande sind.
Gib mir, o Jesus, einen Blick in Deine Gemeinschaft mit dem Vater, damit mir Gott nicht fern und fremd bleibe, der Erhabene, den ich nicht kenne, der Heilige, von dem ich geschieden bin, der Richtende, den ich fürchten muss. Du warst bei uns als Deines Vaters Sohn und hast uns den mit ihm versöhnten Stand bereitet, damit auch wir den Vater finden, an ihn glauben und wirken, was Er durch uns wirkt. Amen.

Kap. 10

Ein guter Hirte lässt sein Leben für die Schafe. Ein Mietling aber, der nicht Hirt ist, dessen die Schafe nicht eigen sind, sieht den Wolf kommen und verlässt die Schafe und flieht und der Wolf erhascht und zerstreut die Schafe.
Johannes 10,12

Während der, der im Taglohn eine Herde hütet, vor dem Wolf flieht, flieht der Hirte nicht, sondern er kämpft. Damit sagt mir Jesus, warum ihn jenes weichliche Ideal von Sanftmut und Friedfertigkeit nicht gelockt hat, das wir so oft mit seinem Namen schmücken. Wie oft haben wir unsere Maler aus Jesus eine kraftlose Figur gemacht, die nur empfinden, leiden und seufzen kann, ganz und gar ein Mietling, der, wenn der Wolf in der Nähe ist, fortspringen muss, weil ihn der Wolf fräße. In Wahrheit ging Jesus, ohne zu schwanken, dem Wolf entgegen und hat ihn dadurch erlegt, dass er sein leben für seine Schafe ließ. Das sieghafte Wort, mit dem er hier erläutert hat, warum er das Kreuz erfasst, steht völlig im Einklang mit den zahlreichen Worten, mit denen jesus das Schwert des Geistes gewaltig handhabt, herrlich in seinem richtenden Zorn, wahrlich der zum Kampf Bereite, der den Wolf nicht machen lässt, was er mag, sondern seine Herde schützt und ihrem Feind den tödlichen Streich versetzt. Sie rieten ihm alle: Flieh! Er aber sagt ihnen, warum er dem Rat ihrer kranken, eigensüchtigen liebe nicht gehorcht. Die Schafe sind sein eigen. Aus seinem königlichen Recht entsteht sein Griff nach dem kreuz, nicht aus seiner Schwachheit die sich nicht zu schützen weiß. Die Liebe, mit der er sein Eigentum an sich zieht und sich mit den Seinen eint, macht ihn streitbar und aus seiner Gnade strömt sein zürnender Eifer hervor, mit dem er mit Wort und Tat die Werke des Teufels zerstört. Er hieß den Verkläger den Menschenmörder von Anfang an. Denn er ist der Feind des Lichts, das er verdrängt, indem er den Menschen lügen lehrt, und der Feind des Lebens, das er dem Menschen raubt, indem er ihn schuldig macht. Darum vernichtet Jesus mit seinem Kreuz die Lüge und begräbt mit seinem Tod die Schuld. Nun ist der Wolf verjagt. Die Festigkeit seiner Liebe beruht darauf, dass sie völlig eins mit seinem Gehorsam gegen den Vater ist. Er hat ja die Schafe nicht mit eigener Kunst und Macht für sich erworben, sondern sie sind deshalb sein, weil sie Gottes Eigentum sind, und sein königliches Recht ist nicht die Einbildung seines Eigenwillens, sondern gehört ihm deshalb unverlierbar, weil er der Sohn des Vaters ist. Dass er seine Herde nicht verlässt und dass er den Vater nicht verlässt, das ist ein und derselbe Wille, eine und dieselbe Tat. Er verschloss sich für das Teuflische dadurch, dass er sich Gott ergab, und hat den Satan dadurch geschlagen, dass er Gott gehorcht.
Du stellst, Herr Christus, Deinen Gehorsam ohne Flecken und Lücken zwischen uns und unseren Verkläger und bist dadurch unser Schutz, in dem wir ewiglich geborgen sind. Weil Du Deine Gnade durch Dein vergossenes Blut vollendet hast, gibt es für uns keine Verdammung. Darum preisen wir Deinen zerbrochenen Leib als unsere Speise und dein ausgeschüttetes Blut als unseren Trank und folgen Dir, dem Hirten, der für seine Schafe sein Leben ließ, dem Lamm, das für uns geschlachtet ward. Amen.

Meine Schafe hören meine Stimme und ich kenne sie und sie folgen mir.
Johannes 10,27

Er kam in sein Eigentum, sagt Johannes. Jesus bewegte sich in der Natur nicht wie in einem fremden Land, sondern war in ihr heimisch; denn sie ist Gottes Werk. Er ging auch mit den Menschen nicht so um, als seien sie ihm fremd, als gäbe es zwischen ihnen nichts Gemeinsames. Denn der Vater gibt ihnen das Leben, nährt sie und kleidet sie. Er gibt ihnen auch sein Wort, durch das sie ihn kennen, und sein Gesetz, durch das sie ihm dienen. Seine Söhne sind sie, auch wenn sie trotzig von ihm weglaufen oder ihm nur widerwillig dienen. Und wenn sein Wort im Menschen Raum hat, dann sagt er nicht: von jetzt an bist du mein, sondern: du warst mein, und weil du mir gehörst, hast du meinen Ruf vernommen und meine Stimme erkannt. Darum verglich er sich mit dem Hirten, dem die Schafe gehören. Er erwirbt sie nicht erst, sondern sie sind sein. Das gab Jesus die ruhige Sicherheit, in der er mit allen verkehrt. Er greift nicht nach künstlichen Mitteln, um sie an sich heranzuziehen, und wirbt nicht um ihre Zustimmung, als ob ein Schaf den Ruf seines Hirten nicht kennte und seine Stimme mit der eines Fremden verwechselte. Diese innere Vorbereitung für ihn hat der Mensch darum, weil er als Gottes Werk an Gott gebunden ist. Darum erkennt er auch in dem, der in der Sendung Gottes zu ihm kommt und ihm Gottes Willen sagt, den, dem er gehört. Ehe uns Jesus begegnet, wissen wir nicht, worauf wir warten, sondern wissen nur, dass wir auf etwas warten, das uns fehlt. Was uns Geheimnis blieb, wird aber deutlich, wenn uns Jesus sichtbar wird. An die Stelle der Sehnsucht nach dem unbekannten Gott tritt nun der Glaube, der dem rufenden Christus folgt. An der sicheren Ruhe Jesu hat auch alles teil, was wir, seine Christenheit, zu tun haben. Wir können und sollen nicht fremdes Eigentum an uns raffen, sondern die Stimme des guten Hirten denen hörbar machen, die sein sind. Wir dürfen uns nicht stellen, als ob wir mit schöpferischer Macht die Menschen umbilden könnten. Vielmehr bleibt unser ganzer Dienst Gottes von Gottes Wirken umfasst, in dem er seine Voraussetzung hat und durch das er seine Vollendung bekommt. So ist freilich alles, was wir tun, von einem Geheimnis umgeben, in das wir nicht eindringen. Aber dieses Geheimnis gibt unserem Verkehr mit den Menschen die unvergleichliche Tiefe, die Paulus mit dem Wort aussprach, dass wir Gottes Mitarbeiter seien.
Wunderbarer König, Du gibst uns das Ohr, das den Ruf unseres Hirten hört, damit wir ihm folgen, wann und wohin Er uns ruft. Ihm hast Du uns zum Eigentum gegeben. Dafür sei Dein Name gelobt. Amen.

Kap. 11

Jesus spricht zu Martha: „Ich bin die Auferstehung und das Leben.“
Johannes 11,25

Um zu erfassen, was geschah, als Jesus das Kreuz trug, muss ich auf die herrliche Gewissheit des Lebens achten, die Ihn trägt. „Wir wollen mit ihm sterben“ sagten die Jünger. Aber das ist nicht der Sinn, mit dem Jesus nach dem Kreuz greift. Er ging als der Lebendige in den Tod und hat darum an den Eingang seines Leidens die Erweckung des Lazarus gestellt, durch die Er sich uns als die Auferstehung und das Leben bezeugt. Sein Gang nach Golgatha war sein Bekenntnis zur Auferstehung, seine Ehrung Gottes als dessen, der die Schlüssel zum Ort der Toten hat, dessen Werk am Tod keine Schranken hat, dessen Gnade nicht endet, wenn menschliche Hände oder die Natur ihr Leben zerbrechen. Jesus hat aber nie nur an sich selbst gedacht und nicht davon mit Martha gesprochen, wie er sich selbst erhalte und für sich selbst die Vollendung erlange. Er und sein Amt sind eins und sein Werk ist von seinem Leben nicht geschieden. Darum ist er die Auferstehung nicht so, dass sie nur ihm selbst zuteil wird, und das Leben nicht so, dass er es in sich selber hat, sondern er ist die Auferstehung als der, der sie uns bereitet, und das Leben als der, der es uns schenkt. Daher zerfallen die Ziele Jesu nicht in einen zwiespältigen Gegensatz, so dass er zwar jetzt stürbe, dennoch aber lebte, sondern weil er uns das Leben gibt, darum stirbt er. Sein Ziel ist, aus unserem Sterben für uns das Heil und das Leben zu machen. Daraus, dass er sich als das Leben in die Gemeinschaft mit uns stellt, entstand seine Gemeinschaft mit uns im Todeslos. Das legte auf ihn die Pflicht zu sterben. Er ist dadurch das Leben, dass er uns unsere Schuld von uns nimmt, und tut dies als Gottes Lamm, das für Gott das Leben lässt.
Deine mit Gottes Kraft gefüllte Hand einigt, was für uns geschieden ist. Für uns führt aus dem Sterben kein Weg in das Leben; denn für uns gibt es keinen Weg aus der Schuld in die Gnade. Du aber verwandelst Tod in Leben; denn Du verwandelst durch Dein Vergeben Schuld in Gerechtigkeit. Darum verkündigt deine Gemeinde Deinen Tod und empfängt durch das Wort von Deinem Kreuz Gottes Evangelium. Amen.

Kap. 12

Wahrlich, wahrlich ich sage euch: es sei denn, daß das Weizenkorn in die Erde falle und ersterbe, so bleibt es allein, wo es aber erstirbt, so bringt es viele Früchte.
Joh. 12,24.

Wir feiern oft Gedenktage, aber bei jedem Gedenktag wird der große Unterschied sichtbar zwischen dem, was der Gefeierte selbst erreicht hat, und dem, was seither als Ernte aus seiner Arbeit erwachsen ist. Die Anerkennung, die er selber fand, und der Erfolg, der ihm nachher beschieden war, sind weit von einander verschieden. Es gilt von allem, was groß ist und bleibt: erst muß das Weizenkorn in die Erde hinein. Sprich hier nicht von einem harten Schicksal. Gottes Gnade schützt dich gegen dich selbst, indem sie vor deine Ernte das Sterben des Weizenkornes stellt. Würdest du dich, wenn du deine Ernte selber sähest und zu sammeln vermöchtest, nicht zu jenen Weingärtner gesellen, die sich selber die Frucht des Weinberges zueigneten? Ständest du nicht plötzlich an der Seite Nebukadnezars, der in Babel seine Stadt sah, die er erbaut habe? Was dich vor dir selber schützt, wehrt nicht nur Fall und Verderben ab, sondern hat schaffende Kraft in sich. Das, was am Weizenkorn wie ein Sterben aussieht, ist die Bewegung und Entfaltung des lebendigen Keims, der Anfang jenes Prozesses, der die Frucht hervorbringt. Aus der Entsagung entsteht der Erfolg, aus dem Gehorsam die Macht und darin, daß ich in mir selbst nichts bin, besteht meine Fähigkeit zu Gottes Dienst. Unter diese göttliche Ordnung hat sich jesus mit entschlossener Festigkeit gestellt. Das Wort vom Weizenkorn, das sterben muß, stellt Johannes damit zusammen, daß einige Griechen nach Jesus fragten. Wie lockend war für ihn der Blick hinüber zu den Griechen! Während er am galiläischen See wohnte, hatte er die griechischen Städte fortwährend vor Augen und bei jedem Fest in Jerusalem sah er auch Männer, die aus den griechischen Ländern gekommen waren. Sein Blick auf sie war von jüdischem Stolz völlig frei. Er sah mit dem leuchtenden Auge der göttlichen Gnade auf die Völkerwelt. Die reiche Ernte kommt! Sie kommt aber nicht dadurch, daß er vor dem Kreuze flieht und die Gemeinschaft mit Jerusalem zerbricht. Nur dadurch, daß er den Gehorsam vollendet bis zum Tod auf Golgatha, kommt der große Erntetag, der aus Griechen Kinder Gottes macht. Er sagte seinen Jüngern: es gibt auch für euch keinen anderen Weg zur Ausrichtung eures Amts. Sie bauten die Kirche in Jerusalem. Das war nicht mehr als ein in der Erde sterbendes Weizenkorn. Allein so und nur so entstand die Kirche, die für alle Völker offen ist.
Ich preise dich, unser Herr und Haupt, daß du den Weg all der Deinen anders ordnest, als sie selber es sich wünschten. Uns alle umringen hemmende Schranken und Unvermögen ist das Kennzeichen unseres Tuns. Denn das, womit wir Gott ehren, soll unser Gehorsam sein. So bleiben wir bei der Schar, die sich um dein Kreuz versammelt, den Ort, an dem das Weizenkorn in die Erde fiel, die Stätte, wo du bis zum Tod gehorsam warst. Amen.

Jetzt geht das Gericht über die Welt. Nun wird der Fürst dieser Welt ausgestoßen werden.
Johannes 12,31

Der Hirt tritt dem Wolf entgegen und stirbt. Wie ist dies aber der Sieg über den Wolf und der Schutz der Herde? So hätte Jesus nicht sprechen können, hätte er nur auf das geachtet, was das Kreuz uns allen zeigt, und sein Urteil aus dem gewonnen, was sichtbar ist. Er stand aber nicht nur im Verkehr mit den Menschen, sondern auch mit Gott und nahm darum nicht nur die irdischen Vorgänge wahr, sondern ist auch an derjenigen Geschichte beteiligt, die über der irdischen steht, weil sie vor Gott im Himmel geschieht. Vor seinem Tod findet nicht nur eine Gerichtsverhandlung vor Kaiphas und den Häuptern der Judenschaft statt, auch nicht nur vor Pilatus mit der Mitwirkung des jüdischen Volkes, sondern es wird auch im Himmel vor Gott Gericht gehalten. Jetzt, sagt Jesus, da er zum letzten Mal im Tempel ist und ihn verlässt und damit den Gang in den Tod antritt, ergeht über die Welt Gericht. Jetzt wird ein göttliches Urteil gesprochen. Dieses stellt aber nicht nur fest, dass die Welt in ihrer Gottlosigkeit den nicht erkannte, der ihr den Vater zeigte, und dass die, die die Seinen waren, den Treubruch an ihm begingen und ihn nicht aufnahmen, sondern das Gericht ergeht auch über den, der die Welt beherrscht und sich als unser Widersacher und Verkläger vor den Richterstuhl Gottes stellt. Nicht nur die Welt, sondern auch ihr Fürst, nicht nur der Mensch, sondern auch sein Verkläger wird gerichtet, und das göttliche Urteil, das über ihn ergeht, treibt ihn fort und stößt ihn aus. Der menschliche Richter stößt Jesus aus, verflucht ihn und lässt ihn am Fluchholz sterben. Der göttliche Richter dagegen stößt den Verkläger aus. Der menschliche Richter erfüllt mit seinem Urteil den Willen des Satans. Gott dagegen vernichtet den Willen des Satans und tut den Willen Jesu, der als unser Anwalt vor Gott steht und aus seiner Seele das Lösegeld für uns macht. So wird aus dem menschlichen Gericht, das Jesus verdammt, das göttliche Gericht, das uns freispricht. Das schuf Jesus durch seinen leuchtenden Gehorsam bis zum Tod. Ausstoßung des Teufels, das heißt, uns ist Vergebung gewährt. Die Abweisung seiner Klage ergibt die uns geschenkte Rechtfertigung. Indem Jesus mit seinem Tod der Verdammung das Ende bereitet, beginnt der neue Bund, dessen Grundgesetz lautet: es gibt für die, die in Christus sind, keine Verurteilung.
Alle meine Lasten darf ich, Vater, niederlegen vor Jesu Kreuz und aus Deiner Hand die Gerechtigkeit empfangen, die Du dem Glauben gibst. Deine erlösende Gnade, die meinen Willen aus seinen Fesseln löst, suche ich bei Dir, beim unerschöpflichen Schutz Deiner Erbarmung. Amen.

Und ich, wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich sie alle zu mir ziehen.
Johannes 12,32

Jesus sah mit der Gewissheit auf sein Kreuz, dass er von dort aus alle Widerstände überwinden werde, die uns von ihm trennen. Auf uns liegt der dunkle Schatten, den das Sterben über uns breitet, in mir erweckt. Lohnt es sich, auf dem Weg zum Grab einen Heiland zu suchen? Gibt es denn Gemeinschaft mit Gott für uns, die Sterbenden? Auf diese Frage gibt uns Jesus dadurch die Antwort, dass er ans Kreuz erhöht wurde. Dort geht der Lebende in den Tod, der Auferstehung gewiss, und macht im Sterben die Herrlichkeit des Lebens offenbar. Uns beschwert das Leiden, verzehrt unsere Kraft und macht uns totwund. Können wir denn glauben, mit der Beschränktheit unseres Bewusstseins, die uns zum Irren zwingt, und der Fesselung unseres Vermögens, die uns kein tüchtiges Handeln zulässt? Sieh auf den ans Kreuz Erhöhten! Er macht aus dem Leiden die wirksame Tat und aus den Schmerzen die Verkündigung des göttlichen Ruhms. Aus der leeren Nichtigkeit unseres Lebens entsteht die Menge der unechten Dinge, die auswendig glänzen und innen nichts sind als lügender Schein. Sie rauben uns die Fähigkeit zum Glauben. Wer hat denn Jesus zum Kreuz gehängt? Ein Volk, das scheinbar fromm war, Priester, die scheinbar Priester waren, ein Regent, der scheinbar regierte und log, wenn er sich einen Richter nannte. Sieh aber nicht nur auf die, die neben dem Kreuz stehen, sieh auf Ihn.
Dort siehst du echtes, mit der Wahrheit geeintes Leben, Gemeinschaft mit Gott, im heißen Feuer erprobt, Gehorsam, in hartem Kampfe errungen und vollendet, Liebe, die das göttliche Gebot in Wahrheit erfüllt, Gott über alles ehrt und den Bruder ganz zu sich erhebt. Hier siehst du nicht Schein und kannst hier nicht zweifeln. Hier kannst und sollst du glauben. Die stärkste Hemmung, die uns von Jesus trennt, entsteht aber aus dem Fluch der Schuld. Wir tragen heimlich die Angst vor Gott in uns und unser Blick auf ihn gleicht dem lauernden Blick dessen, der sich nach seinem Verfolger umsieht. Aber der ans Kreuz Erhöhte zieht uns zu sich, uns alle, die wir uns vor Gott flüchten, weil er gerecht ist, und das Licht nicht ertragen, weil es unsere Verwerflichkeit enthüllt. Dort am Kreuz treibt die Liebe die Furcht aus. Weil ich nicht zu ihm komme, kommt er zu mir, tritt an meine Stelle und leidet, was mir gebührt. Weil er vergibt, zieht er mich zu sich. Nun kann ich glauben.
Es ist mir heilsam, dass ich, Herr Christus, an Deinem Kreuz verweile. Dort weichen die Einbildungen und ich werde still. Dort sprichst Du zu mir. Dort kann ich hören, was mir Deine wahrhaftige Gnade sagt. Amen.

Doch der Obersten glaubten viele an ihn; aber um der Pharisäer willen bekannten sie es nicht, dass sie nicht in den Bann getan würden. Denn sie hatten lieber die Ehre bei den Menschen als die Ehre bei Gott.
Johannes 12,42+43

Je höher wir stehen, desto enger ist unsere Berührung mit dem Evangelium. Wenn eine große Verantwortlichkeit auf uns liegt, die das Schicksal vieler von unserem Verhalten abhängig macht, so wissen wir, was wir dem zu verdanken haben, der uns als sicherer Führer dient. Wächst die Pflicht, so wächst auch unsere Schuld und damit unsere Bedürftigkeit, die uns für die vergebende und helfende Gnade empfänglich macht. Mit der hoch gehobenen Stellung wird unser Sehfeld und der Einblick in das, was der Mensch ist und bedarf, deutlich. Mit der Klarheit des Blicks ist uns aber zugleich die Befähigung zum Glauben gegeben. Dies haben viele von denen gespürt, die Jerusalem damals regierten, als die Stadt über ihr Verhältnis zu Jesus und damit über ihr Schicksal die Entscheidung traf. Diese Vielen wussten, dass Jerusalems Heil oder Unheil an der Weise hing, wie sich Jerusalem zu Gott stellte, und das war das große Thema, über das Jesus mit ihnen sprach. Die Lage gab den Regierenden Grund zu bangen Sorgen, weil die Seele des Volks, umworben von verschiedenen Stimmen und nach entgegengesetzten Seiten gezerrt, in stürmischer Erregung war. Mit jedem Wort, das Jesus sprach, berührte er das Tiefste von dem, was die Regierenden bewegte, und brachte Licht in das, was sie quälte. Daher gab ihnen ihre Lage in besonderem Maß den Anlass zum Glauben. So wird auch heute jeder, der in hoher Stellung steht, durch einen besonders kräftigen Zug zu Jesus gezogen. Wenn er diesem Zug gehorcht, dient seine Macht ihm selbst und den anderen zum Heil; widersetzt er sich dagegen diesem Zug, so entsteht aus seiner Macht sein Fall und für die, die er führt, wird sie zur Not. An der hohen Stellung entsteht aber nicht nur die stark Berufung zum Glauben, sondern auch ein besonders schweres Hemmnis, das ihn unmöglich macht. Für niemand ist die Ehre unentbehrlicher als für die Regierenden. Ehrlos können sie nicht regieren. Trifft sie der Bann, der sie von der Gemeinde trennt, so sind sie in Ohnmacht versetzt. Die Menschen ehren sie aber nicht dafür, dass sie Jesus folgen und Gott untertan sind. Sie verlangen von ihren Regierenden die menschliche Größe, die Ehrung und Verherrlichung des eigenen Volks, die Darstellung dessen, was der Mensch zu leisten vermag. Weil mit der großen Macht die Gefahr groß wird, dass wir uns selbst bewundern und an uns selber glauben, darum macht der Besitz der Macht uns den Glauben an Jesus schwer. Als sich der Jüngling, der gehofft hatte, Jesus werde ihn ins ewige Leben führen, von Jesus trennte, nannte es Jesus unmöglich, dass ein Reicher ins Reich Gottes trete. Mit großer Macht verhält es sich nicht anders als mit großem Besitz. Als aber die Jünger erschraken, weil sie nur an das Vermögen des Menschen dachten, sagte er: Was bei den Menschen unmöglich ist, ist möglich bei Gott.
Aus Deinen guten Gaben, großer Gott, bereiten wir uns den Fall, weil wir das, was Du uns gibst, unserer Eigensucht übergeben und unsere Begehrlichkeit damit sättigen, und doch ruft mich jede Deiner Gaben, auch die, die Du mir durch die Natur verleihst, zu Dir. Ist es mir unmöglich, Dir ist es möglich, mir Deine Gnade so zu zeigen, dass sie mich durch Deine Gaben zu Dir führt. Amen.

Kap. 13

Wie er hatte geliebt die Seinen, die in der Welt waren, so liebte er sie bis ans Ende.
Johannes 13,1

Jeder Schritt dem Ende zu steigerte den Anspruch an die Liebe Jesu. Der Groll des Judas wuchs, der das Verhalten Jesu Wahnsinn hieß. Die Schwermut des Thomas wuchs, der sagte: wir wollen mit ihm gehen, um mit ihm zu sterben. Das Selbstbewusstsein der Jünger wuchs und ihr Eifer nahm zu, mit dem sie erkunden wollten, wer von ihnen der Größere sei. Je näher das Kreuz kam, um so deutlicher wurde es, dass sich die Jünger an ihm ärgerten, und um so fraglicher wurde es, ob sie beieinander bleiben, wenn er nicht mehr bei ihnen war, und sie sein Wort behalten, dem ihre eigenen Gedanken heftig widersprachen. „Ich habe für dich gebetet“, sagte Jesus zu Petrus, „damit dein Glaube nicht aufhöre. “ Aber nicht nur der Anspruch an die Liebe Jesu, sondern auch seine Liebe wurde immer größer. Er liebte uns bis zuletzt, sagte Johannes. Er vollendete, was er begonnen hatte, ließ seine Liebe nicht ermatten, sondern gab sie ihnen auch jetzt in unverminderter Vollständigkeit. Er tat dies dadurch, dass er sie am letzten Abend zum festlichen Mahl um sich sammelte, durch seine letzten Worte seine Gemeinschaft mit ihnen über seinen Tod hinaus befestigte und aus seinem einzigen Eigentum, das er hatte, aus seinem Leib und seinem Blut, die Gabe machte, die er ihnen verlieh. Dass er seine Liebe zu den Seinen vollendete, das war sein Sieg über die Welt, sein Triumph über den Satan, die Durchdringung des Kreuzes mit Freude, die Grundsteinlegung zur Kirche, die Vollendung seines Heilandsamtes. Nun hatte er die Seinen für immer für sich gewonnen; sie waren nun für immer seiner Liebe gewiss und keine Länge der Zeit löschte in Johannes diese Erinnerung an sie aus und keine schmerzhafte Erfahrung, die ihm das apostolische Werk brachte, verdunkelte sie. Als das Große, was der letzte Verkehr Jesu mit den Jüngern ihnen gab, erkennt er das, dass Jesus seinen Liebe denen gab, die in der Welt waren. Dadurch erhält das, was die Jünger erlebten, die weltweite Größe. Sie, die Empfänger dieser unüberwindlichen Liebe, waren in der Welt und trugen alles an sich, was unser Anteil am menschlichen Leben aus uns macht. Das nahm ihnen aber seine Liebe nicht. Indem er sie ihnen gab, offenbart er, dass die Liebe des Vaters ihn der Welt gegeben hat.
Deine Liebe geht, Herr Jesus, bis zum letzten Ende mit uns und trägt uns bis ans Ziel. Ich bete Dich an als den Anfänger des Lebens, Du wirst auch sein Vollender, als den Anfänger des Glaubens, Du wirst ihn auch vollenden zum Schauen, als den Anfänger und Eckstein Deiner Gemeinde; Du wirst sie auch vollenden zur ewigen Gottesstadt. Du bist A und O. Amen.

Jesus antwortete Petrus: „Werde ich dich nicht waschen, so hast du kein Teil mit mir.“
Johannes 13,8

Petrus wollte nicht, dass sich Jesus vor ihm und für ihn erniedrigte. War ihm denn noch eine Waschung nötig? Die Antwort Jesu stellt aber fest, dass nur die die Seinen sind, die er gewaschen hat. Deshalb entfernt er aus seinem Verkehr mit den Seinen alle königliche Pracht und tritt zu ihnen herzu als der, der sich leer und niedrig macht; denn so macht er sie rein. Sträubt sich Petrus gegen die Erniedrigung Jesu, die ihn bis zum Kreuz hinunterführt, so trennt Jesus ihn von sich. Unter dieses Wort sind wir alle gestellt; es ordnet unseren ganzen Verkehr mit Jesus, daher auch unseren ganzen Umgang mit der heiligen Schrift. Alles ist hier dem einen Ziel untertan: wie werde ich rein, von der Schuld gelöst, der Vergebung teilhaft und mit Gott versöhnt? Ich darf kein anderes Anliegen über dieses Ziel stellen, dass ich nicht von der Hand Jesu gewaschen, rein und frei vom Bösen werde. Im Verkehr mit der Bibel regen sich immer auch unsere intellektuellen Wünsche lebhaft. Das Ziel kann uns locken, ein Ganzes von Erkenntnis zu gewinnen, die das ganze Werk Gottes von der Schöpfung bis zur Vollendung betrachtet und uns den Einblick in seine Gründe und Ziele gewährt. Ebenso kann es uns zu einem Anliegen werden, dass wir mit heißem Verlangen pflegen, das Ganze unserer Verpflichtung und Arbeit durch eine festgefügte Reihe von Regeln zu beschreiben. Die Schrift weist aber alle diese Wünsche zurück und stellt uns immer wieder vor das eine große Thema, wie uns die Waschung bereitet werde, die das von uns nimmt, was uns für Gottes Reich untauglich macht. Damit dient die Bibel dem Willen Jesu, der seine Jünger vor seinem Sterben wusch und ihnen dadurch zeigte, was Er ihnen gab. Wenn wir uns mit dieser Haltung Jesu und der Schrift nicht einigen und aus der Bibel entweder ein Lehrbuch oder ein Gesetzbuch machen, wird der Ausgang unvermeidlich der sein, dass wir Jesus gern vergessen und uns von der Bibel lösen, weil ein solcher Gebrauch der Schrift in seinem innersten Grund dem widerspricht, was sie uns sagt und gibt. Aber die Sammlung der ganzen Kraft in das eine Ziel, uns von der Schuld zu befreien, macht Jesus nicht arm und sein Evangelium nicht eng. Er hat damit, dass Er im leinenen Schurz mit dem Waschwasser zu Petrus trat, nicht auf sein königliches Recht verzichtet, das ihm alles untertan macht. Vielmehr erwirbt er es und übt es aus eben jetzt, da er vor dem Jünger kniet, um ihm die Füße zu waschen. Durch seine Erniedrigung erwarb Er sich die Erhöhung, und dem, der sich von Ihm waschen lässt, sagt er: „Nun ist dein Teil bei Mir.“
Weil Du, Herr Christus, Dich erniedrigt hast, können wir, die Deinen, uns nicht erhöhen. Weil Du uns waschen willst, müssen wir es Dir gestehen, dass wir Deiner Waschung bedürfen, und es Dir glauben, dass Du Dein reinigendes Werk an uns vollbringst. Dann leuchtet auch uns Deine Verheißung: Dein Teil ist bei Mir. Amen.

Nun ist des Menschen Sohn verklärt und Gott ist verklärt in ihm.
Johannes 13,31

Damals war Gott verklärt, als Judas vom Mahl des Herrn wegging und sich zu den Priestern begab und ihnen sagte: Er weiß alles, weiß, dass ich ihn verraten habe, worauf sie erklärten: jetzt muss gleich gehandelt werden; sonst sind wir nicht sicher, dass er uns nicht entrinnt. Damit, dass Jesus zu Judas sagte: was du tust, das tue gleich, begann er seinen Gang in den Tod. Darum ist Jesus jetzt verklärt und Gott in Ihm verklärt, weil jetzt durch Ihn Gottes Größe, Ruhm und Herrlichkeit sichtbar geworden sind. Jesus hätte nicht nach dem Kreuz begehrt, wenn er nicht durch sein Kreuz die Verherrlichung Gottes erreicht hätte. Der Sohn hat den Vater lieb und geht deshalb ans Kreuz, weil er dadurch Gott verherrlicht, und der Vater hat den Sohn lieb und sendet ihn deshalb ans Kreuz, weil er den Sohn dadurch verherrlicht. Wieso wurde der Glanz der Herrlichkeit Gottes in jener Stunde offenbar? Muss ich noch fragen? Siehe ich nicht, dass hier, nur hier, hier aber auch vollständig Gott als Gott behandelt wird? Hier wird Gott seine ganze Ehre gegeben. Als Jesus das Kreuz aus Gottes Hand nahm, wurde wie niemals sonst in Wahrheit gesagt: dein Wille geschehe, du allein sollst es sein. Ohne Murren und Widerstreben, nicht nur mit Worten, sondern mit der Tat wurde hier bezeugt: du bist gerecht, wenn du richtest, und mit ebenso unbedingter Gewissheit wird zur Tat gemacht: du bist der, der vergibt. Wann wurde Gott wirklich zugestanden, dass ihm alle Dinge möglich sind? Damals, als Jesus aus sich den Sterbenden machte. Damals hat er sich zu Gott bekannt als zu dem, der den Toten ruft, damit er lebe. Es gibt keinen Gottesdienst, der Gott völliger und herrlicher gepriesen hätte als jene Stunde, in der Jesus zu seinen Jüngern sagte: „Der Fürst dieser Welt kommt. Steht auf, lasst uns gehen.“ Wer aber Gott verklärt, ist selbst verklärt. Für den Menschensohn gibt es keine andere Größe, Ehre und Erhabenheit als die, dass Gott durch ihn verherrlicht werde, und weil Jesus dies mit seinem kreuz gewann, sprach er: Mein Kreuz ist meine Herrlichkeit.
Du, Herr Jesus, bist anders als wir und so muss es sein. Du darfst nicht unserem dunklen Herzen gleichen. Du sprichst von Herrlichkeit, wo wir von Verderben reden und freust dich am Sieg, wo es uns scheint, deine Sache sei verloren. Darum dankt Dir Deine Schar, weil Du anders bist als wir und das tust, was wir nicht können, Gott wahrhaft ehren. Weil Du den Vater verherrlicht hast mit Deinem Blut, bist Du der Heiland der Welt. Amen.

Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr euch untereinander liebet, wie ich euch geliebt habe, dass auch ihr einander lieb habt.
Johannes 13,34

Als Jesus zu seinen Jüngern sagte: Ich habe euch lieb gehabt, sagten sie mit ganzem Herzen: Ja, so ist es, du hast uns lieb gehabt. Wir haben aus deiner Fülle Gnade um Gnade genommen. Alles, was du sagtest, war Hilfe für uns, und was du tatest, geschah uns zugut. Du hast nicht dich in der Überlegenheit deiner Einzigkeit über uns erhoben, sondern hast zwischen dir und uns die Gemeinschaft gestiftet und uns an dem teilgegeben; was dein eigen ist. Dieses Bekenntnis hat keiner der Jünger Jesu verweigert außer dem einen, der meinte, er sei von Jesus betrogen worden, weil er zum Kreuz ging. Nun sagt ihnen Jesus, wozu er sie geliebt habe, dazu, damit sie einander lieben, und das ist sein Gebot für sie, das er ihnen jetzt gibt, weil er von ihnen scheidet. Jetzt ist es Zeit, dass sie erfahren, was er von ihnen verlangt, womit sie seinen Willen tun und ihm gehorsam sind. Er gab ihnen keine Vorschrift für ihre Lehre und keine Verfassung für die Kirche, die sie gründen, und keine Gesetzgebung, die ihnen ihr Handeln vorschriebe. Mit einem einzigen Gebot sagt er ihnen, was er von ihnen will: einander lieben! Sie, die vereint seine Boten sind und in gemeinsamem Wirken sein Wort zur Menschheit bringen, sollen einander schätzen und werthalten und jeder dem anderen zu Diensten stehen, Petrus dem Johannes und Johannes dem Petrus, Philippus dem Matthäus und Matthäus dem Philippus, und dies ist ihr Weg und sein Gebot, weil er selbst sie alle lieb gehabt hat, nicht den Petrus allein und den Johannes allein, sondern sie alle, die nun miteinander leben und miteinander arbeiten. Das ist ein neues Gebot; denn vorher gab es noch keine Apostelschar mit dem Beruf, den Christus der Welt zu zeigen. Die neue Lage schafft neue Pflicht und verlangt neue Liebe. Als er bei ihnen war, hielt er sie beieinander und war ihr Friede. Weil er nun geht, ist ihre Gemeinschaft an das gebunden, was sie selber tun. Hoch steht diese neue Pflicht über allem, was ihnen bisher geboten war. Aber dieses neue Gebot ist keine neue Last, sondern entsteht aus dem, was er ihnen getan hat, und verlangt von ihnen das Eine, dass seine Liebe in ihnen wirksam sei.
Aus Deiner Gnade entsteht Dein Gebot und darum macht es uns selig. Es wird mir zu schwer, wenn ich auf mich sehe, und süß, wenn ich auf Dich blicke. Es hat heilige Notwendigkeit, das erkenne ich wohl. Wie können wir Dein Werk treiben, wenn wir, die wir uns zu Dir halten, einander nicht lieben? Das ist das, was uns fehlt und was wir bedürfen. Erbarme Dich unser und vergib uns. Amen.

Spricht Simon Petrus zu ihm: Herr, wo gehst du hin? Jesus antwortete ihm: Da ich hingehe, kannst du mir diesmal nicht folgen; aber du wirst mir hernachmals folgen.
Joh. 13,36.

Auch in diesem Wort leuchtet die Herrlichkeit Jesu mit unbegreiflich hellem Glanz. So völlig ist Jesus mit seinem Kreuz eins, daß er es auch seinem Jünger versprach, nicht als schweres Los, nicht als Zusammenbruch, der seine apostolische Sendung widerlegt und vernichtet, sondern als das Beste und Größte, was Jesus ihm verleiht, als die Krönung seiner Gemeinschaft mit ihm. Beides hat Petrus von Jesus empfangen, die Kraft, die wirken kann, tapfer, unbezwinglich mit siegender Macht, und den Verzicht, der allem entsagt, leidet und stirbt in Schmerz und Hohn Gott zum Preis. Damals freilich, als Jesus zum Kreuz ging, war Petrus noch nicht imstande, sein Begleiter zu sein und neben ihm das Kreuz zu tragen. Das tat Petrus bitter leid. Er ließ sich nicht gern von Jesus trennen. Darum hat ihm Jesus verheißen: später darfst du denselben Weg gehen wir ich und darfst dein Apostelwerk damit beenden, daß du mir nach zum Kreuz gehst. Zuerst aber muß Petrus erkennen, wie groß und tief der Abstand ist, der ihn von Jesus trennt. Jetzt ist er noch mit seinen eignen Wünschen angefüllt und hat darum ein unruhiges Herz, das imstande ist, sich gegen das Kreuz Jesu aufzulehnen und sich zu schämen, weil er in der Jüngerschaft eines Gekreuzigten steht. Seine Liebe hat noch viel Eigensucht in sich und sein Gehorsam ist mühsam errungen durch die Selbstverleugnung hindurch, die das mit Wucht auf die Seite drängt, was Petrus für Jesus und sich selbst begehrt. Das Kreuz ist aber kein heiliger Ort, wenn es widerwillig getragen wird. Es wird nur dann zum Opfer, wenn es durch Glauben geheiligt wird. Solange Petrus noch so, wie er es jetzt tut, auf die Stimme seines Herzens horcht und seiner Liebe traut und auf seinen Glauben baut, ist das Kreuz noch nichts für ihn. Zuerst muß er seine Liebe dadurch heiligen, daß er tut, was ein Jünger tun soll. Jesus hat Dienst und Arbeit für ihn. „Weide meine Lämmer“. Erst nach der vollendeten Arbeit ist er zum Letzten und Größten berufen. Dann darf er der Christenheit zeigen, daß Jesus ihn fähig gemacht hat, am Kreuz Gott zu preisen.
Herr, du verklärst nicht nur das Werk, sondern auch das Leiden der Deinen und offenbarst die Fülle deiner Gnade und Wahrheit dadurch, daß du auch ein Sterben am Kreuz zur seligen Gabe Gottes machst. Gib mir nach dem Maß meines Glaubens, daß auch mein Handeln und mein Leiden, mein Arbeiten und mein Sterben dich ehre. Amen.

Kap. 14

Spricht zu ihm Thomas: „Herr, wir wissen nicht, wo du hingehst, und wie können wir den Weg wissen?“ Jesus spricht zu ihm: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater denn durch mich.“
Johannes 14,5+6

Solange nur die Natur zu uns spricht, gibt es für uns kein Ziel, und wenn es kein Ziel gibt, so gibt es auch keinen Weg. Wir brauchen einen Weg erst dann, wenn es ein Ziel gibt, zu dem wir wandern. Thomas aber kannte das Ziel. Wie könnte er Jünger sein, ohne dass ihm das Ziel mit seinem leuchtenden und lockenden Glanz erschienen wäre? Zum Vater kommen, das ist das Ziel. Jetzt wird aber die Frage dringend: was ist der Weg? Ein Ziel vor Augen haben, ohne einen Weg zu sehen, das ist nicht Hilfe, sondern vertiefte Not. Jesus sagt zu Thomas: wie blind bist du! Du siehst den Weg nicht? Ich bin der Weg. Der ist mein Weg, der mich zum Vater bringt. Das tue ich dir, sagt Jesus, und darum bin ich dein Weg. Wie gehe ich den Weg? Wann bin ich auf jener seligen Wanderung, die der entlaufene Sohn antrat, als er sich entschloss, zum Vater zu gehen? Ich bind er Weg, sagt Jesus; weil du mit mir in Verbindung bist, wanderst du auf dem Weg. Weichst du von mir, so verlässt du den Weg; bleibst du bei mir, so bist du auf dem Weg. Was von Jesus zu uns kommt, bewegt uns. Sein Wort erstarrt nicht in uns, als wäre es eine ruhende, unbewegliche Habe. Es zieht, treibt, drängt mich. Ist Jesu Wort das, was mich bewegt, dann schreite ich auf dem Weg voran, auf dem Weg zu Gott. Sein Wort beschäftigt mich nicht einzig mit Gottes Werk, das ich beschauen und verstehen darf. Sein Wort ist Gebot und beruft mich zur Tat und Tat ist Bewegung, die nach dem Ziel strebt. Wann ist mein Handeln wirklich eine voranschreitende Bewegung, die auf dem Weg bleibt und daher auch zum Ziel führt und mich zum Vater bringt? Ich bin der Weg, sagt Jesus; bewahre mein Gebot; tue, was ich dich tun heiße; folge mir nach. Du läufst umsonst und mühst dich mit deinem Werk vergeblich ab, wenn es deinen Willen erfüllen soll. Du baust dir nicht selbst die Straße, die dich zum Vater bringt. Du kommst durch mich zu Ihm.
Die Wege des Menschen, Herr, heiliger Gott, führen nicht zum Ziel. Bewahre mich davor, dass ich Zeit und Kraft auf eigenem Weg verzehre. Ich wende mich zu Deiner Gnade, die mir verspricht, Du wollest mich führen, weg vom Schein hinein in die Wahrheit, weg vom Tod hinein in das Leben und mich ans Ziel bringen. Von Dir kommt unser Leben, zu Dir strebt es. Du bist das Ziel. Amen.

Spricht zu ihm Philippus: „Herr, zeige uns den Vater; so genügt es uns.“ Jesus spricht zu ihm: „Philippus, wer mich sieht, der sieht den Vater.“
Johannes 14,8+9

Was Philippus begehrt hat, war die Sehnsucht manches Frommen: wenn es doch nur irgend eine Stelle gäbe, an der Gott sichtbar würde! Wenn zwischen dem natürlichen Geschehen irgendwo Gottes Finger greifbar herausragte, wenn über der Geschichte irgendeinmal Gottes Gestalt sichtbar schwebte, wenn uns im Verlauf des inwendigen Erlebens dann und wann ein Anblick Gottes zuteil würde, wäre das nicht ungleich mehr als das, was uns gegeben ist? Wäre uns nicht dadurch die gesamte Führung des Lebens mächtig erleichtert? Zeige uns den Vater, sagte Philippus; dann bleibt mein Herz fest, auch wenn du geschändet und gemartert am Kreuz hängst. Wenn der Vater über dir sichtbar wird, dann wollen wir glauben, wollen leiden, wollen warten. Wer Gott geschaut hat, wohnt in fester Burg. War dies nicht auch die Sehnsucht der alttestamentlichen Frommen? Worin bestand die Herrlichkeit des Paradieses? Nicht darin, dass Gott dort sichtbar mit dem Menschen verkehrte? Hat nicht Mose nach allem, was ihm zum Zeichen Gottes geworden war, gebeten: lass mich dein Angesicht schauen? Du begehrst, sagt Jesus zu Philippus, nach dem, was du nicht bekommen kannst, weil du dir nicht aneignest, was dir gegeben ist. Es gibt freilich nichts Herrlicheres, als den Vater zu sehen. Du kannst nicht bei meinem Kreuz stehen, wenn du ihn nicht siehst, sondern nur die Menschen siehst und den Tod beschaust.
Kindschaft Gottes kannst du nicht empfangen und bewahren, wenn du den Vater nicht siehst. Du siehst ihn aber; denn du siehst mich. Davon wendest du dich weg und schaust sehnsüchtig nach dem Himmel, dass sich dir Gott dort zeige. Gott wird sichtbar durch sein Werk. Er selbst, der Wirker, bleibt verborgen; aber sein Werk zeigt ihn uns; denn es ist sein Bild. Dasjenige Werk und Bild Gottes, das uns ihn in seiner ganzen Gnade und Größe sichtbar macht, ist sein Sohn, der, der im Fleisch das Wort Gottes ist, der, der in unserer Gestalt Gottes Gestalt besaß. Das ist das Sichtbarwerden Gottes, das mir bereitet ist. Auch hier ist die Hülle, die Gottes Gegenwart bedeckt, nicht weggetan. Über das Himmlische ist das Natürliche gebreitet und Gottes Wille wird uns in der Geschichte eines Menschen offenbart. Denn Gott bleibt auch dann Gott, wenn seine Gnade zu uns strömt. Darum steigt aus dem Christenstand die große, gewaltige Hoffnung hervor: „einst werden wir einander sehen, wie Er ist.“ Dieses Ziel kann ich aber nicht erlangen, wenn ich den Vater nicht da sehe, wo er zu sehen ist, und mir Jesu Wort unverständlich bleibt: Der sieht den Vater, der Mich sieht.
Wie wird es sein, wenn wir von unserem Irrweg heimgekehrt an Deinem Halse hängen! Das sah kein Auge und hat kein Ohr gehört. Unser Hoffen kommt aber, Vater, aus Deiner Gabe. Du hast uns Deinen Sohn gegeben, damit wir an ihm sehen, was Du in Deiner Gnade für uns bist. Amen.

Was ihr bitten werdet in meinem Namen, das will ich tun.
Johannes 14,14

Das Wirken und das Bitten bindet Jesus zu einer festen Einheit zusammen. Uns liegt es näher, die Not und das Bitten miteinander zu verbinden und für die Bitte den Stoff aus dem zu gewinnen, was uns fehlt. Das ist kein verwerflicher Vorgang; denn das aus dem Schmerz geborene Gebet steht unter Gottes väterlicher Güte und Barmherzigkeit. Jesus spricht aber zu den Jüngern vom Gebet in seinem Namen und die Beziehung zum Namen und zur Sendung Jesu bekommt ihr Gebet dadurch, dass es in ihrem Dienst und Werk seine Wurzel hat. Die Jünger sprachen im Namen Jesu als die von ihm Beauftragten, die nicht ihr eigenes Wort sagen, sondern das seine, und wie sie in seinem Namen redeten, so handelten sie auch in seinem Namen und stellten nicht sich selber als die Helfer und Bringer der göttlichen gaben dar, sondern richteten den Blick aller auf Jesus, warben für ihn und schufen den Glauben an ihn. Wie sie im Namen Jesu reden und wirken, so sollen sie auch im Namen Jesu bitten, als die, denen er ihre Stellung vor Gott gab, die in seinem Auftrag handeln und das tun, was er sie tun heißt. Wie können sie wirken, wenn sie nicht um das bäten, was ihr Handeln schaffen soll? Wirksamkeit ohne Gebet wäre ein selbstisches Handeln, das heißt Sünde. Sie wollen ja nicht ihre Ehre bewirken, nicht ihre Herrschaft ausdehnen oder ihren Besitz vermehren. Sie sind Knechte und wollen das tun, was er sie tun heißt. Dies übersteigt aber beständig ihr eigenes Vermögen und kann nur dann gelingen, wenn Christus selber für sie und durch sie wirksam wird. Sie bringen sich das zum Bewusstsein und zu kraftvoller Wirklichkeit, indem sie Schritt um Schritt ihr Wirken in ihrem Bitten begründen und dabei im Namen Jesu den Grund und die Regel haben, die ihr Wirken und Bitten trägt. Deshalb versieht Jesus ihr Gebet, weil es in Seinem Namen geschieht, mit einer Verheißung, die keine Beschränkung hat. Er macht seine Verheißung so unbedingt wie seine Zuversicht zu seiner Sendung und setzt ihr keine Schranken, weil sein königliches Amt ihn zum Herrn über alles macht. Für das, was in seinem Namen den Grund und die Regel hat, tritt Gottes Gnade und Regierung ein. Damit erläutert und bestätigt er seine Verheißung, die dem Glauben, soweit er vorhanden ist, die die Berge bewegende Macht Gottes verhieß.
Alle Deine Gaben, Herr Christus, sind wunderbar groß, auch die, dass Du uns beten lehrst. Dein Name bedeutet für uns Glauben, der sich in Gottes Gnade hineingesetzt weiß und Murren und Zweifel vom Gebet wegtreibt. Dein Name bedeutet Gehorsam, der den Willen Gottes tun will und unserem Eigensinn ein Ende macht. Dein Name bedeutet Liebe, die nicht das Ihre sucht und uns samt unserem Gebet von der lüsternen Begehrlichkeit befreit. Mit deinem Namen verbindest Du Deine Verheißung, die in unser Gebet die Gewissheit und Freudigkeit hinein trägt und aus ihm allezeit die Danksagung macht. Amen.

Ich will den Vater bitten und Er soll euch einen anderen Anwalt geben, dass er bei euch bleibe ewiglich, den Geist der Wahrheit.
Johannes 14,16+17

Diese Verheißung Jesu ragt so hoch wie das Kreuz auf Golgatha und strahlt in der Herrlichkeit, die unseren sterblichen Herrn verklärt. Er hinterließ seinen Jüngern keinen greifbaren Besitz, keine Waffen, kein Machtmittel irgendwelcher Art. Zu ihrem Anwalt, der für sie sprach, auf dessen Zeugnis ihre Sache stand, machte er einzig den Geist. So spricht das Lamm Gottes, das für uns arm wurde, damit wir durch seine Armut reich würden. Indem Jesus den Geist für die Jünger zu dem machte, was ihre Stärke und Hilfe ist, gründete er ihr Werk nicht auf ein Gesetz, nicht auf eine Lehrvorschrift, nicht auf eine Verfassung, die sie der von ihnen gesammelten Kirche zu geben hatten. So ging der in den Tod, der sich zum Lösegeld machte, durch das Er uns die Freiheit erwarb. Freiheit gibt uns die Gnade dadurch, dass sie Leben schafft. Er machte aus seinen Jüngern seine Zeugen und das wurden sie durch das, was sie waren, nicht nur durch das, was sie sagten, sondern durch die Weise, wie sie lebten, weil sie ihr Leben von oben empfingen. Leben zu schaffen ist aber einzig das Werk des Geistes. Nun aber merke auf das, was Jesus dir als das Merkmal und die Gabe des Geistes zeigt. Er ist der Geist der Wahrheit, der die, zu denen er kommt, wahrhaftig macht. Wo das Gesetz regiert, entsteht der Schein, der das Wirkliche verhüllt, und die Vorstellung, die das vor Gott und den Menschen verdecken möchte, was in uns ist. Von dorther kommen die Worte ohne Kraft und die träumerischen Ziele; dort benehmen wir uns so, als ob wir fromm wären. Diesem unserem Unwesen macht der Geist ein Ende, weil das, was er ist und gibt, Wahrheit ist. Darum ist er auch der Anwalt, der allein dem Dienst der Christenheit die Wirksamkeit und Fruchtbarkeit verschafft. Denn es gibt nichts, was den Menschen innerlich bände und zum Glauben fähig machte, als die Wahrheit allein. Damit die Wahrheit in uns sei, dazu ist Jesus gekommen und dazu ist er gestorben, weil er allein bewirken kann, dass die Wahrheit nicht schrecklich ist und uns verdammt. Durch Ihn gibt es aber für uns eine Wahrheit, die uns Gott so zeigt, wie er ist, und den Menschen so, wie er ist, und dies so, dass daraus Gerechtigkeit, Friede und Freude entsteht. Darin wird offenbar, dass der Geist der Wahrheit bei uns ist.
Was ich habe, habe ich aus Deiner Fülle empfangen, herrlicher Vater und heiliger Gott, der Du Deine Hand mit Deinen großen gaben füllst, mit dem, was Dein Geist in unsere Seelen trägt, der Feind alles Scheins, der Pfleger aller Wahrheit, der Schöpfer des Lebens, das nicht stirbt, weil es aus Dir geboren ist. Amen.

Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch.
Johannes 14,27

Es ist ein wunderbarer Friede, den uns Jesus in der Stunde, da er nach Gethsemane ging, an sich zeigt. Wann gab es je einen Kampf wie den, in dem er stand? Er hat die Welt und ihren Fürsten gegen sich; an den Jüngern hatte er keine Hilfe und hat auch, wenn wir auf das Sichtbare sehen, Gott gegen sich, da er seinen Sohn nicht schonte. Dennoch steht Jesus im Frieden, ist vom Vater nicht getrennt und in keinem Zwist und Aufruhr gegen Gott, ist von den Jüngern nicht getrennt, eint sie vielmehr eben jetzt mit sich und ist mit der Welt nicht im Streit, sondern ihr Versöhner. Wie kann ich diesen Frieden nach seiner Höhe und Tiefe, nach seiner in Gott hineingesenkten Begründung und nach seiner in die Welt hineintretenden Wirkung, ausmessen? Diesen Frieden hinterlasse ich euch, sagt Jesus seinen Jüngern; das ist mein Geschenk und Erbe, das ich euch sterbend übergebe. Nun reißt euch nichts von Gott los, weil mich nichts von ihm geschieden hat, und von mir trennt euch nichts, weil ich euch nicht fallen ließ. Auch euch kann nun nichts entzweien; denn ich kann vom Vater von euch erbitten, dass ihr eins seid. Weil ich euch mit mir vereine, habt auch ihr einander lieb. Die Reben des Weinstocks bleiben beisammen, so lange sie mit dem Weinstock verbunden sind. Nun macht euch auch nichts zu Menschenfeinden; denn ihr bleibt bei mir und ich bin nicht der Feind des Menschen, sondern sein Heiland, der ihm Gottes Gnade bringt. Kenne ich aber nicht Stunden, in denen ich mich ängstige? Gewiss; denn der Friede, von dem Jesus spricht, ist nicht mein Erwerb und nicht die Eigenschaft meiner Seele, sondern wird mir von ihm geschenkt. Verweile ich bei mir, so fasst mich die Angst; ich bin nur dann im Frieden, wenn ich bei Ihm bleibe. Ist aber mein Leben nicht ein beständiger Kampf? Gewiss; denn wir empfangen den Frieden von dem, der an das Kreuz gegangen ist, und das war ein heißer Streit, sowohl mit Fleisch und Blut als mit Sünde und Gottlosigkeit. Wenn ich aber bei ihm bleibe, dann legt sich auch in meinem Kampf, der mich mit mir selbst oder anderen Menschen ringen macht, Sein Friede. Unfriede verbitterte mir den Kampf, wenn sein Ausgang ungewiss wäre und sich mit dem Ringen der Zweifel mischte, ob ich nicht erliege. Ich kann darum seinen Frieden nur dann von ihm empfangen, wenn ich es ihm glaube, dass Er die Welt überwunden hat.
Dir, Vater, sei Dank gesagt, dass Du uns den Sieg gegeben hast. Von Dir ist er uns bereitet, auch wenn wir die Härte des Kampfes schwer spüren und durch ihn wund werden. Dennoch stehen wir, weil Du uns zu Jesus gerufen hast, in Deinem Frieden. Amen.

Kap. 15

Ich bin der rechte Weinstock und mein Vater ist der Weingärtner; ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun.
Johannes 15,1.5

Der Weingärtner pflanzt den Weinstock; das bedeutet: der Vater gibt der Welt seinen Sohn. Der Weinstock bringt aus sich die Reben hervor; das bedeutet: Jesus gibt den Jüngern an dem Teil, was er selber ist, und macht sie durch sich zu dem, was sie sind. Die Reben tragen die Frucht; das bedeutet: aus den Aposteln entsteht die Gemeinde. Hier entsteht eine vollendete Gemeinschaft, die alle füreinander unentbehrlich macht. Jesus ist für die Apostel unentbehrlich und die Apostel sind es für ihn und die Apostel sind für die Gemeinde unentbehrlich und die Gemeinde ist es für die Apostel. Wie der Weinstock durch die Reben die Frucht erzeugt, so war es für Jesus unmöglich, dass er allein bleibe. Er ist dazu gesandt, damit er die für Gott geheiligte Gemeinde schaffe. Dazu bedarf er der Jünger und der Vater hat sie ihm gegeben und er freute sich, als er ins Leiden ging, an ihnen, und machte sie mit sich eins und sandte sie als seine Boten aus. Menschen zu Jesus führen und aus ihnen eine Gemeinde Jesu machen, also Frucht tragen, das können die Jünger nicht durch sich selbst. Dazu reicht auch nicht diejenige Verbindung mit Jesus aus, die auf dem natürlichen Wege entsteht, dadurch nämlich, dass sie Erinnerungen an ihn besitzen und sich in ihren Verkehr mit Ihm zurückversetzen können, sondern Jesus rüstet sie zu ihrem Dienst dadurch, dass er in der gottheitlichen Weise, die durch nichts gehemmt wird, bei ihnen gegenwärtig und in ihnen wirksam ist. Ebenso untrennbar ist auch die Verbindung zwischen den Jüngern und denen, die sie zu Jesus führen. Wie die Rebe um der Frucht willen entsteht, so kann der Jünger nicht allein bleiben und bloß sein eigenes Leben pflegen. Er wird von Jesus verworfen, wenn er nur für sich selber lebt. Aber auch die Kirche kann nicht für sich allein bestehen und sich nicht von den Aposteln lösen. Denn es gibt für sie keinen anderen Weg zu Jesus als den, dass sie die Botschaft Jesu von denen empfängt, denen er sie übergeben hat. Damit ist mir gesagt, was ich in der Schrift zu suchen habe. Ich habe auf die Apostel zu hören, damit ich Jesus finde, und habe zu Jesus zu kommen, damit ich Gott finde. Der Platz der Frucht ist an der Rebe und die Rebe führt ihr den Saft des Weinstocks zu und der Weinstock ist vom Weingärtner gepflanzt und trägt seine Frucht für ihn.
Alle, die ihren Platz in der Gemeinschaft gefunden haben, die Du, Vater, uns durch unseren Herrn bereitest, danken Dir jetzt und ewiglich und dienen Dir mit Freude jetzt und ewiglich. Amen.

Eine jegliche Rebe an mir, die nicht Frucht bringt, wird der Weingärtner wegnehmen und eine jegliche, die da Frucht bringt, wird er reinigen, dass sie mehr Frucht bringe.
Johannes 15,2

Der Weingärtner pflanzt nicht nur den Weinstock, sondern widmet ihm bleibend seine Arbeit. Sein prüfendes Auge ruht auf den Reben und misst ihren Wert nach ihrer Fruchtbarkeit. Er vollzieht aber nicht nur sein richtendes Werk an denen, die keine Frucht bringen, indem er sie vom Weinstock entfernt, sondern schenkt auch denen, die er in der Verbindung mit dem Weinstock erhält, seine Zucht; denn er reinigt sie. „Ihr seid rein“, sagte Jesus den Jüngern, „wegen des Wortes, das ich euch gesagt habe“, und darum hat Er ihnen, ehe Er schied, noch die Füße gewaschen, damit sie wüssten, sie seien rein. Nun sollen sie aber nicht stolz und träge sagen: Was fehlt uns noch? Wir sind rein; vielmehr verheißt ihnen Jesus, dass der Vater sie eben deshalb, weil sie mit seinem Weinstock verbunden sind und Frucht tragen, reinigen wird. Warum bedürfen wir für unseren Dienst immer wieder der Reinigung? In uns vermischt sich Empfangenes und Eigenes, das, was von Jesus stammt, und das, was wir selber aus seiner Gabe machen und von anderen erhalten. Wir sind zu Verwaltern über das gemacht, was Jesus uns gegeben hat. Durch die Weise, wie wir das Empfangene verwalten, entsteht aber mancherlei Trübung in unserem Wort und viel Anstoß in unserem Dienst. Geschickt, Gottes Gnade anderen zu bringen und sie im Glauben zu Jesus zu führen, sind wir aber nicht durch unser Eigenes, sondern durch das, was von oben kommt und aus der lebendigen Verbundenheit mit Christus stammt. Wir selber können an dem, was wir für wahr und richtig halten, die Scheidung nicht vornehmen; wir haben das, was aus uns selber stammt, viel zu lieb. Aber das scharfe Messer des Weingärtners kommt uns zu Hilfe und macht, dass in der Christenheit das immer wieder sterben muss, was sie aus sich erzeugt. Darum sollen wir nicht davor erschrecken, dass in der Kirche vieles, was ihr einst als gewiss und heilig galt, zerfällt, sondern davor sollen wir erschrecken, wenn die Christenheit unbußfertig wird und alles behalten will, was sie jetzt meint, und nur das bleiben will, was sie schon ist. Denn so widersetzt sie sich der sie reinigenden Hand des Weingärtners und wird unfruchtbar. Die Rebe aber, die nicht mehr imstande ist, Frucht zu bringen, wird weggetan.
Ich greife, gnädiger Gott, mit der Hand des Glaubens nach Deiner Verheißung, dass Du auch mich in deine uns reinigende Pflege nimmst und mir nicht zulässest, dass mich mein Eigenes blende. Damit ich dieser Deiner Gnade teilhaftig sei, muss ich auf das Gebot unseres Herrn hören, der uns sagt: Bleibt in Mir. Wenn ich in Ihm bleibe, dann bin ich mit dem Weinstock verbunden, dessen Reben du nach Deiner großen Gnade von dem befreist, was Dein Werk hindert. Amen.

Kap. 16

Ich habe euch noch viel zu sagen; aber ihr könnt es jetzt nicht tragen. Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, der wird euch in alle Wahrheit leiten. Johannes 16,12+13

Die ganze Wahrheit verheißt mir Jesus und die Größe jener Verheißung bringt mich wieder zum Staunen. Denn ich weiß ja, was für eine Mischung ich in mir trage, Richtiges und Verkehrtes, Wahres und Einbildung. Ich erlebe es beständig, dass meine Gedanken durch den Fortgang der Ereignisse berichtigt werden und die Dinge später anders aussehen als dann, wenn ich handle. Aber mein Staunen hat wieder seinen Grund darin, dass ich mich selbst beschaue und in mir selbst meinen Stützpunkt suche. Jesus hat nicht seinen Jüngern gesagt, dass sie die ganze Wahrheit in sich tragen. Das sagt er vom Geist Gottes, der sie führt. Nun ist deutlich: hier gibt es nur Grund zum Danken und nur die entschlossene Willigkeit, der Leitung des geistes zu gehorchen. Gerade weil die Christenheit nur schrittweise voran kommt und in ihrem inneren Leben ein beständiges Sterben erfährt, da ihre Gedanken verwelken und ihr Verhalten sich wandeln muss, hat ihr Jesus gesagt: Ich lasse euch nicht allein, sondern gebe euch einen Führer, und dieser ist nicht halbblind und nur mit einem Stück der Wahrheit eins, sondern die ganze Wahrheit ist sein Eigentum. Wir haben dringend einen Maßstab nötig, an dem wir die Gaben des Geistes erkennen. Wahrheit, nichts als sie, lautere, ungemischte Wahrheit, sagt uns Jesus, ist das, wodurch der Geist euch regiert. Alles, was unecht und künstlich ist, stammt nicht aus dem Geist. Darum gibt es aber auch keine Lage, in der uns der Geist nicht leiten könnte, die etwas anderes von uns forderte, als dass wir seiner Führung gehorsam seien. Folge dem Geist; er führt dich nicht in Selbsttäuschung, sondern befreit dich von ihr, und leitet dich nicht auf schwankende, unsichere Wege, sondern macht deinen Gang gerade und sicher. Darum gib gern deine Meinungen und Gewohnheiten auf, wenn der Geist dir sagt: tu sie weg; du verlierst nichts; und öffne seine Seele mit herzlichem Begehren für das, was der Geist dir zeigt. Denn das, was er dir gibt, ist Wahrheit und nichts als sie.
Dich, der Du das Licht der Welt bist, will ich loben und meine dunkle Seele zu Dir bringen, damit Du Deinen Schatz in sie legst, Deine Wahrheit, die meine Eitelkeit vertreibt und meine falsche liebe reinigt, dass ich in der Leitung Deines Geistes Deinen Willen tue. Amen.

In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.
Johannes 16,33

Die Welt, sagt Jesus seinen Jüngern, ist gegen euch; sie unterstützt euch nicht, sondern drängt euch in die Ecke und leistet euch entschlossen Widerstand. Daran haben die Jünger damals, als Jesus es ihnen vor seinem Abschied sagte, nicht gezweifelt. Sie erlebten damals, dass sich alle gegen Jesus verbündeten, die Priester und die Lehrer, die Frommen und das Volk, die Juden und die Römer; mit einem Wort, „die Welt“ war gegen ihn. Damals war dies buchstäblich wahr. Wie steht es aber heute? Gibt es nicht christliche Völker? Sind sie auch der kleinere Teil der Menschheit, so sind sie doch der regsamere und mächtigere Teil derselben. Ist es nun nicht mehr richtig, dass die Welt denen widerstehe, die sich zu Jesus halten? Gilt dies heute nur von einem Teil der Welt, etwa von der heidnischen Welt? Die Erfahrung der Christenheit lehrt aber, dass Jesus nicht nur damals recht hatte, sondern recht hat und recht behalten wird bis zum jüngsten Tag. Auch in unseren christlichen Völkern besteht ein schroffer Gegensatz zwischen dem, was Jesus ist und dem, was wir Menschen sind, zwischen dem, was Jesus über Gott sagt, und dem, was wir über Gott sagen, zwischen dem, was Jesus gebietet, und dem, was wir für uns wünschen und für richtig halten. Zwischen diesen beiden Wegen gibt es keinen Ausgleich und darum bleib das Wort Jesu immer wahr: Keiner sieht euch gern, ihr seid alle unbequem; darum bemüht sich jedermann, dass ihr nichts erreicht. Was wollen wir tun? Wollen wir Frieden schließen und die Waffen niederlegen und zu den anderen sagen: ihr habt recht, Auferstehung gibt es nicht; der Mensch stirbt, und Geist Gottes gibt es nicht; denn das seelische Leben verläuft einzig nach seiner natürlichen Gesetzmäßigkeit, und von der Liebe reden nur die Toren; wer vorankommen will, muss seine Fäuste gebrauchen? Jesus sagt uns aber: habt keine Angst. Haben wir denn die Macht, die Welt zu überwinden? Das wäre wahnsinnige Selbstverblendung. Aber Jesus sagt: Ich habe die Welt überwunden und habe alle ihre Einreden zunichte gemacht und alle ihre Angriffe abgeschlagen. Auch wenn es nicht nur menschliche Waffen waren, mit denen sie focht, sondern die satanische Macht sie in Bewegung brachte, blieb ich unerschüttert, Gott treu bis zum Kreuz, Gott gewiss in der Gottverlassenheit, Gott zum Dienst ergeben, auch als er seinen Sohn nicht schonte. Ich bin Sieger und das genügt für euch. Nun steht fest und bleibt in Mir.
Herr, mach uns Deines Sieges froh. Du bist der Unüberwindliche. Du warfst es in deiner irdischen Gestalt und bist es jetzt in deiner himmlischen Herrlichkeit und wirst es in deiner neuen Offenbarung sein. Lass es uns schauen, dass die Welt nichts gegen uns vermag, weil Du Dich zu uns hältst und das Lichtlein unseres Glaubens mit Deinen schützenden Händen deckst. Amen.

Kap. 17

Ich bitte nicht allein für sie, sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden, auf dass sie alle eins seien, gleich wie der du, Vater, in mir und ich in dir, dass auch sie eins seien, auf dass die Welt glaube, du habest mich gesandt.
Johannes 17,20+21

Gott einigt uns. Wer sich von Gott löst und sich selbst zum Herrn über sein Leben macht, ist mit niemand mehr eins. Nun misst er alle Dinge nach seinem eigenen Mass, sieht nur auf seine Zwecke, arbeitet, wirbt und kämpft für sich. Da dies die anderen ebenso tun, ist der Streit da. Wir machen den Versuch, ihn dadurch zu verhüten, dass der eine den anderen unterjocht. So entsteht eine um ihn gescharte Gruppe, die ihm dienen muss. Aber Einigung ist das nicht; denn Einigung gibt es nur zwischen Freien. Die Natur kommt uns zu Hilfe, weil sie uns die anderen unentbehrlich macht. Sie zwingt uns, Frieden zu halten, weil wir uns selbst zerstören, wenn wir die anderen verderben. Aber auch dieser erzwungene Friede ist noch nicht Einigung. Gott dagegen einigt uns; denn er ist derselbe für uns alle und macht uns von uns selber frei. Weil Gott uns einigt, macht Jesus aus der Einheit der Seinen seine Bitte. Sie muss erbeten sein, weil Gott sie wirkt. Solange wir mit unseren eigensüchtigen Gedanken ausgefüllt sind, wissen wir nicht einmal, was Einheit ist. Deshalb zeigt sie uns Jesus an seiner Verbundenheit mit dem Vater. „Du Vater, in mir und ich in dir.“ Das war nicht Unterjochung, sondern Geeintheit in der Gemeinsamkeit des Willens. Der Vater steht in seiner herrlichen Einzigkeit auch über dem Sohn und der Sohn steht in seiner eigenen Lebendigkeit vor dem Vater. Dies trennt sie aber nicht, der Vater ist der im Sohn Redende und Wirkende und der Sohn ist mit allem, was er will und tut, in die gebende Gegenwart des Vaters hineingestellt. Diese Einheit ist das Vorbild für die, die nun Jesus für seine Gemeinde erbittet und für sie empfängt. Sie kann ihren Beruf nicht erfüllen, wenn sie in eine gegeneinander kämpfende Schar zerbricht. Sie soll der Menschheit zeigen, dass ihr Herr die Sendung vom Vater empfangen hat, die ihn zum Schöpfer und Herrn der in Gott geeinten Gemeinde macht. Sie ist aber keine Gemeinde, wenn sie die Einheit verliert. So gleicht sie der Welt, in der jeder gegen den anderen sich wehrt, und hat die Kraft verloren, die die Welt zum Glauben führt.
O barmherziger Gott, mache uns eins. Wir finden den Weg zueinander nicht, weil wir das Unsrige suchen. Aber Du vergibst Deiner Christenheit alle ihre Eigensucht und machst uns Deinen Namen groß, der uns von ihr befreit. Um dieses Wunder deiner allmächtigen Barmherzigkeit bitte ich Dich. Amen.

Kap. 18

Jesus antwortete: „Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit zeugen soll. Wer aus der Wahrheit ist, hört meine Stimme.“ Spricht Pilatus zu ihm: „Was ist Wahrheit?“
Johannes 18,37.38

Nur, was umstritten ist, wird durch Zeugnis festgestellt. Was offenkundig ist, bedarf nicht der Zeugen. Braucht denn die Wahrheit einen Zeugen? Leuchtet sie nicht als Sonne in unser aller Auge hinein und macht sie nicht jeden von uns zu ihrem Mund? Die Welt, die Jesus zum Kreuz verurteilte, machte sichtbar, wie weit sie von der Wahrheit entfernt war. Die Priester, diese Reinen, die nicht ins Schloss des Pilatus hineingehen konnten, damit sie nicht unrein wurden, die sich vor Gottes Majestät tief beugen und darum gewiss wissen, dass Gott unter den Menschen keinen Sohn hat, die für Gottes Ehre mit glühendem Eifer streiten und die Gotteslästerung dessen nicht ertragen, der sich auf dem Weg zum Kreuz den König Israels hieß, die es nicht hören können, wenn Pilatus Jesus den König der Juden nennt, weil sie kaisertreu durch und durch so keinen König ertragen als den Kaiser, sie sind der Wahrheit feind. Alles, was sie sagen und tun, ist hohler Schein. Das Volk, das jetzt vergisst, wie es über die Priester denkt und wie es früher über Jesus dachte, und als scheinbar einträchtige Streiterschar für Gottes Gesetz und Ehre kämpft, hat ebensowenig als die Priester in der Wahrheit den Stern, dem es folgt. Und der Römer mit seiner königlichen Gebärde, mit der er sich als den Besitzer der Macht darstellt, während ein Wink des Tiberius bewirkt, dass er im Elend verschwindet, mit seinem feierlichen Zeremoniell der Rechtsprechung, während ihm jede innerliche Bindung an die Gerechtigkeit fehlt, der keine Marter spart, um das Verbrechen zu ahnden, wahrlich ein Hasser des Bösen im Grund seiner Seele, der den Juden verhöhnt und ihn gleichzeitig fürchtet und vor Jesus bangt und ihn gleichzeitig kreuzigt, er zeigte nicht erst durch seine Frage, dass er fern von der Wahrheit war. Und mitten in dieser schauspielernden Schar, in der alles Lüge ist, steht der Zeuge für die Wahrheit, der ans Licht bringt, dass Gott der Wirkliche ist, jetzt, da die Menschen gegen ihn wüten und toben, dass Gott der Gerechte ist, jetzt, da die Sünde vollendet wird, dass Gott die Gnade ist, jetzt, da er in der Verlassenheit von Gott steht, dass Gott der Lebendige ist und das Leben gibt, jetzt, da ihm Gott das Kreuz auferlegt. Dafür zeugte er nicht nur mit seinem Wort, sondern mit seinem Blut. Darum ist das Kreuz Jesu der Ort, von dem aus die Wahrheit in die Welt hinein strahlt.
Wenn wir es lernten, Vater, Dich in Wahrheit anzubeten, wenn wir es lernten, im Licht zu wandeln, wenn wir es lernten, vom Geist der Wahrheit uns strafen und leiten zu lassen, welch ein unbeschreiblich großer Segen wäre das. Rette uns, deine Schar, in der Gnade des Kreuzes, das Du uns geschenkt hast, von allem, was Schein und Falschheit ist. Amen.

Kap. 19

Also ging Jesus heraus und trug eine Dornenkrone und Purpurkleid. Und Pilatus spricht zu ihnen: „Seht, welch ein Mensch!“
Johannes 19,5

Was im Römer edel war und das Raubtier in ihm bändigte, war Humanität, die Ehrung des Menschlichen im Menschen, auch wenn er in den Staub getreten wird. Mochte der Christusname Jesu der Traum eines Wahnsinnigen sein, mochte er, am jüdischen Gesetz gemessen, todeswürdige Schuld sein, wie die Priester es behaupteten, Mensch war Jesus. Sogar der Jude ist für den Römer noch Mensch, sogar der mit Dornen gekrönte Christus ist es. Achtet den Menschen, sagt Pilatus, entehrt ihn nicht noch mehr; er hat genug gelitten. Aber an den Juden prallt der Appell an die Menschlichkeit ab. „Gott!“, das ist der Kampfruf, der Pilatus entgegentönt. Gottes Ehre wird verteidigt, Gottes Gesetz gehandhabt. Der, der sich an Gott vergangen hat, muss sterben. Diese Spannung kehrt in der menschlichen Geschichte immer wieder, Irregelöste Menschlichkeit und unmenschliche Religiosität wechseln miteinander ab und ringen miteinander. Auf der einen Seite steht der Humanismus, der den Menschen pflegt, dem aber an Gott nichts liegt, auf der anderen Seite der Fanatismus, der um Gottes Willen den Menschen zertritt. Wer hat in diesem Streit die Einigung? Jesus hat sie. Für wen starb er, für Gott oder für uns? So darf ich nicht fragen, ich würde so zerteilen, was Er geeinigt hat. Er ehrt den Vater, eifert für seine Ehre und bleibt unerbittlich von denen geschieden, die Gott das Seine rauben und ihm den Gehorsam versagen. Er dagegen verklärt den Vater, denn er bekennt sich zu ihm als dem Allmächtigen und allein Gerechten und barmherzig Vergebenden. Zugleich aber ehrt er den Menschen, bewahrt die Gemeinschaft mit ihm und nimmt die Schande seiner Sünde weg. „Seht, welch ein Mensch!“ Dem widersprach Jesus nicht; er bekennt sich zu uns. Ist nun sein Tod ein Opfer, das Gott mit uns versöhnt, oder ist er eine Wohltat, die uns mit Gott versöhnt? Er opfert sich dem Vater und begnadet uns mit einer und derselben Tat. Der Zorn weicht und die Schuld vergeht und der Glaube entsteht. Das ist ein einheitliches gnadenvolles Gotteswerk.
Herr, Du stellst Dich ganz zu uns und trittst an den Ort, der uns Menschen gebührt, und tust dies in der Sendung des Vaters mit Seiner Gnade. Darum bist Du unser Friede mit Gott. Amen.

Kap. 20

Spricht Jesus zu ihr: „Maria.“ Da wandte sie sich um und sprach zu ihm: „Rabbuni.“
Johannes 20,16

„Sie hat viel geliebt; deshalb wird ihr viel vergeben“, hat einst Jesus von einer anderen Frau gesagt. Er hat aber auch mit dieser Maria nach derselben Regel gehandelt. Mit ihren Gefäßen voll Salben war sie am Morgen zum Grab gewandert zu seinem getöteten Leib, und als sie ihn nicht mehr fand, jammerte sie bitterlich. Nun war ihr das Letzte genommen, was sie noch von Jesus hatte, der tote Leib. Und als die beiden Jünger, von ihr gerufen, das Grab beschauten und Johannes „sah und glaubte“, blieb sie in ihrer Trauer gebunden und weinte aufs neue. Sie tat es nicht erst deshalb, weil der Leichnam Jesu ihr entrissen ward. Wie hat sie vollends dann geweint und gelitten, als Jesus nach Golgatha geführt wurde und am Kreuz hing! Nicht einmal vor den Engeln fällt ihr die Hülle von den durch die Tränen gefüllten Augen und sogar der Anblick Jesu hat sie nicht sofort aufgeweckt. Hier war viel zu vergeben, viel Menschliches zuzudecken, was die Schwachheit des menschlichen Herzens offenbart. Aber kein Vorwurf trifft sie. „Maria“, sagt ihr Jesus und damit ist alles bedeckt und vergeben, alles Zweifeln, Klagen und Weinen. Er kam nicht als Zuchtmeister zu ihr, sondern als ihr Herr, der sie einst zu sich berufen hat und jetzt aufs neue zu sich beruft. Sie gehörte ihm. Maria hat dies erkannt und sagt: „Mein Herr!“ Es gab Zeiten in der Kirche, in denen man Marias Wort überbieten wollte: „Du Freund meiner Seele, mein Bräutigam, du bist mein und ich bin dein.“ So sprachen nicht die, die ihn selber kannten, und nicht nur in ihrer Fantasie mit seinem Bilde spielten. Solche Worte stehen tief unter dem, was Maria sagte. Denn sie legen die Festigkeit der Gemeinschaft Jesu mit uns in die Innigkeit unserer Liebe, die sich an Ihn klammern will. Das hat Jesus den Seinen immer unmöglich gemacht und am Ostermorgen war kein solcher Gedanke in Maria. Auf ein zerbrochenes Herz kann man sich nicht stützen, und wenn die Liebe nur noch klagen und weinen, aber nicht mehr glauben und hoffen kann, so wirkt sie nicht mehr als sicheres Band: „Mein Herr“, sagte sie; das gab ihrer Gemeinschaft mit Jesus die Festigkeit. Weil er ihr Herr war und damit sie es wisse, dass er es sei, kam er zu ihr. Dieses Band zerreißt nicht; denn der Herr verliert nicht, was sein eigen sei.
Über dem Ostertag leuchtet die ewige Hoffnung. Wirst du, Herr, einst auch meinen Namen nennen, so liegt auch darin die Herrlichkeit deines Vergebens und dann darf auch ich Dir antworten: Mein Herr! Amen.

Spricht Jesus zu Thomas: Weil du mich gesehen, Thomas, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.
Joh. 20,29.

Jesus sieht auf Gottes Gaben, die er dem Menschen bringt, und hier sieht er noch etwas Größeres, als was er jetzt dem Thomas gewährt. Ihm reichte er seine durchbohrte Hand und zeigte ihm seine durchstochene Seite. „Sieh und glaube“, sagte er ihm. Das ist aber nicht das Größte und Herrlichste, was er uns geben darf. Was steht noch über dem, was Thomas empfing? Nicht sehen und glauben. Ist aber das Schauen nicht mehr als das Glauben? Verlangt nicht unser Glauben nach dem Schauen von Angesicht zu Angesicht, nach der Zeit, da wir nicht mehr in der Fremde, sondern dahim beim Herrn sind und darum nicht mehr im Glauben wandern, sondern vor die Gestalt gestellt sind? Aber dieses Schauen des Herrn, von dem die Verheißung spricht, das uns seine bei uns bleibende Gegenwart gewährt, war auch Thomas noch nicht beschieden; denn die Ostertage brachten es ihm noch nicht. Jesus reichte Thomas seine Hand nicht dazu, damit er sie für immer festhalte, und tritt nicht deshalb vor ihn, damit er Tag um Tag bei ihm sei. Was er ihm gewährte, hatte darin seinen Zweck, daß er glaube, und er konnte das, was er schaute, als Jesus wieder verschwunden und die Ostertage vorüber waren, nur dadurch festhalten, daß ihm der Anblick zum Glauben verhalf. Das ist aber nicht der einzige Weg, auf dem uns Jesus zum Glauben führt. Es entsteht der Glaube auch, ohne daß wir sehen, weil er aus dem Wort hervorwächst, und diesen Glauben pries Jesus als die größte Offenbarung der göttlichen Gnade. Das ist das Wunder, durch das der Geist sich kundgibt, daß das Wort von dem, den wir weder sahen noch sehen, in unser Inneres dringt, unwiderstehlich als Herrscher, der sich unser Denken und Wollen untertan macht und uns über uns selbst emporhebt zu dem, von dem das Wort zu uns kommt. So kräftig berührt uns Gott in unserem inwendigen Leben, so wirksam macht er in uns seine Gnade, so schöpferisch offenbart sich der Geist.
Du gründest, Vater, unser Leben nicht auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare, auf dich, den Unsichtbaren, auf dein Wirken, das im Verborgenen geschieht, auf deine Gnade, die uns in der Stille des Herzens heimlich besucht. Das ist dein Geheimnis, das wir nicht ergründen; denn es zeugt von dir. Amen.

Kap. 21

Da sie nun das Mahl gehalten hatten, spricht Jesus zu Simon Petrus: „Simon Jonas, hast du mich lieber, denn mich diese haben?“ Er spricht zu ihm: „Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe.“ Spricht er zu ihm: „Weide meine Lämmer.“
Johannes 21,15

„Erwirb mir eine Herde“, das war nicht das Gebot, das Petrus von Jesus empfing, als verschaffte Petrus Jesus die, die ihm gehören. Wenn es uns vorkommt, die Apostel hätten die Kirche hergestellt, so blieb uns das Wort Jesu unverständlich. Die Lämmer, von denen Jesus spricht, sind sein Eigentum, und deshalb, weil sie ihm gehören, verlangt Jesus von Petrus, dass er sie nicht darben lasse, sondern sie nähre und dafür sorge, dass sie geschützt und geleitet seien und zusammen bleiben. Wir dienen den Menschen nicht deshalb, damit sie durch unser Wirken Gottes Eigentum werden, sondern weil sie es sind. Wie können wir einander zur Buße, zum Glauben und zur Liebe helfen, wenn wir nicht von Christus teuer erkauft und zu seinem Eigentum erworben wären? Indem aber Jesus die Seinen seine Lämmlein nennt, sagt, er dass sie nicht für sich allein zurechtkommen, sondern den bedürfen, der sich ihrer annimmt. Zur Herde vereint und in die Gemeinschaft eingefügt, empfangen wir Gottes Gaben. Daher gibt es Ämter und Dienste und gegenseitige Hilfeleistung. Der erste und wichtigste Dienst, den Petrus allen zu leisten hatte, bestand darin, dass er die Erinnerungen an Jesus festhielt und sein Bild allen zeigte. Weil Petrus denen dient, die Jesus angehören, ist klar, was er für sein Amt nötig hat. Um das, was dem anderen gehört, bekümmern wir uns nur dann, wenn wir ihn lieb haben. Sonst sorgen wir nur für das, was uns selber nützt. Willst du, sagt Jesus zu Petrus, der Hirte meiner Lämmlein sein, so musst du mich lieb haben, und wenn ich dir das größte Werk, das Werk des Apostels, vor den anderen anvertrauen soll, so musst du mich mehr als alle anderen lieben. Der großen Liebe kann man den großen Dienst übergeben, und den größten Dienst empfängt der, der die größte Liebe hat. Hast du sie? fragt Jesus. Du weißt, sagt Petrus, dass ich dich lieb habe und nicht an mich denke und nicht für mich arbeite und nicht mich zum Herrn der Menschen mache. Du allein sollst es sein. Das war die Ausrüstung des Petrus zu seinem Werk.
Es gibt kein Glied in Deiner Schar, und wäre es das kleinste, schwächste Lämmlein, das nicht teil an Deinem Werke bekommt. Aber jedes Glied Deiner Herde fragst Du: hast du mich lieb? So wird aus dem, was wir tun, für einander ein heilsamer Dienst. Schöpfer der Liebe, gewähre sie uns, die wir lieblos sind ohne Dich. Amen.

Spricht Jesus zum dritten Mal zu ihm: „Simon Jonas, hast du mich lieb?“ Petrus war traurig, dass er zum dritten Mal zu ihm sagte: Hast du mich lieb? und sprach zu Ihm: „Herr, du weißt alle Dinge, du weißt, dass ich dich lieb habe.“
Johannes 21,17

Er, der alle Dinge weiß, fragt und wiederholt seine Frage, damit Petrus sich bewusst werde, wie es mit ihm steht, ob er Jesus lieb hat. Den Schmerz, den ihm die Wiederholung der Frage bereitet, hat Jesus nicht gescheut. Sei du nur betrübt, Petrus, dass man dich so fragen muss; Grund zu dieser Frage hast du reichlich gegeben. Petrus deutete sich den Sinn dieser Fragen richtig, als er sagte: Du weißt alle Dinge. Jesus fragt ihn deshalb, weil er weiß, dass er ihn lieb hat. Darum darf ihm Petrus seine Liebe bekennen, und darum antwortet Jesus seinem Bekenntnis damit, dass er ihm seine Lämmer übergibt. „Du weißt alle Dinge“, das vertreibt aus unserem Verkehr mit Jesus jeden Schein und alle Verstellung. Im Verkehr mit den Menschen mag es manchmal vernünftig scheinen, uns in Schein zu verkleiden. Sie verstehen oft falsch, verdrehen, was sie hören, und missbrauchen, was sie wissen. Vor boshaften Augen eine Maske zu tragen, mag ratsam sein, und es ist auch leicht, sie zu täuschen. Auch wenn wir in der Selbstbeurteilung die Wahrheit fürchten und uns selbst belügen, handeln wir noch einigermaßen mit Verstand, weil wir nicht ohne Grund den Anblick unseres Bildes vermeiden. Aber von dem, der alle Dinge weiß, wird jede Unwahrhaftigkeit zur hellen Unvernunft. Vor ihm sind wir an den Ort gestellt, wo wir nichts scheinen, sondern einzig das sind, was wir sind. Dafür sei Gottes herrliche Gnade gepriesen. Es ist ja eine uns erdrückende Last, wenn wir unsere Hilfe darin suchen müssen, dass wir scheinen, was wir nicht sind, und es ist Gottes seligmachendes Geschenk, dass wir vor ihm ohne diese Last als die stehen, die gekannt sind ganz und gar. Nun darf Petrus sagen: Ich liebe dich. Wer kann sich selber trauen? Wer urteilt richtig über sich? Weiß ich, ob mein Glaube Glaube und meine Liebe Liebe ist und nicht nur fromm gefärbte Eigensucht? Weil aber Petrus vor dem steht, der alle Dinge weiß, dessen flammender Blick jeden Selbstbetrug zerstört, wird er inne, wie es mit seiner Liebe steht, und weil er sie ihm jetzt zu bekennen vermag, übergibt der Herr die Seinen seiner Hut.
Du weißt alle Dinge und nimmst dennoch mein Bekenntnis an und erhältst mich dennoch in Deiner Gemeinschaft. Darum darf ich bitten: bin ich krumm, mache mich gerade; täusche ich mich, so mache mich wahr; ist meine Liebe krank, so heile sie. Amen.

Petrus wandte sich um und sah den Jünger, den Jesus lieb hatte. Da Petrus diesen sah, spricht er zu Jesus: „Herr, was soll aber dieser?“
Johannes 21,20+21

In der Vollmacht, die Jesus durch seine Auferstehung empfing, hat er Petrus gezeigt, was er ihm als seinem Apostel gab. Er hat ihm seine Herde übergeben, dass er sie weide, und hat ihm verheißen, er dürfe ihm zur Vollendung seines Amtes an das Kreuz folgen. Es gab aber noch einen zweiten Jünger, den Jesus neben Petrus und über ihn gestellt hatte, Johannes. Im Blick auf ihn kann Petrus die Frage nicht unterdrücken: Was soll aber dieser? Im gemeinsamen Wirken der beiden Männer hat sich dieselbe Frage oft vor sie gestellt. Sie stand vor ihnen, als Petrus vor den Hohen Rat Jerusalems trat, um die Sache Jesu zu führen. War es nur seine Pflicht, um Jesu willen zu leiden? Johannes stand mit ihm vor dem Hohen Rat. Dieselbe Frage kam, als Petrus Jerusalem verließ, weil sich die Judenschaft endgültig gegen Jesus entschieden hatte. Was soll nun Johannes? Ist auch für ihn die Zeit gekommen, dass er hinaus zu den Griechen gehe? Auch Johannes verließ Jerusalem und verband sich mit der griechischen Christenheit. Die tiefste Bedeutung erhellt diese Frage aber damals, als Petrus nach Rom und in den Tod ging. Was soll jetzt Johannes tun? Führt auch ihn sein Weg zum Kreuz oder soll er bleiben bis zur neuen Offenbarung des Herrn? Johannes ging nicht nach Rom, sondern blieb bei der Christenheit von Ephesus, auch als er der letzte noch lebende Apostel war. Dieselbe Frage entsteht unter uns, sowie andere mit ihrer besonderen Gabe neben uns stehen und den ihnen gegebenen Auftrag mit ihrer besonderen Gabe neben uns stehen und den ihnen gegebenen Auftrag mit kräftiger Tat vollziehen. Meinen Weg kenne ich und kenne meinen Dienst; er ist aber nicht auch der des anderen; was soll dieser? Ich ordne euren Gang, war die Antwort des Auferstandenen an seinen fragenden Petrus; Johannes bleibt, weil ich es will, so lange, als ich es will. Über allen seinen Knechten steht der Herr. Keiner hat Gewalt über den anderen; jeder gehört allein dem Herrn. Das macht sie alle frei. Sowie ich frage: was soll dieser? Kommt zwischen uns der Friede in Gefahr. Denn der andere kann sich nicht unter meine Leitung stellen und sich nicht an mein Urteil binden. Über solchen Reibungen und Spaltungen geht uns aber viel Kraft verloren und bleibt manche Arbeit ungetan. Darum hat der Herr seinen beiden Jüngern gleich schon in der Osterzeit gesagt: ich gebe jedem von euch seinen eigenen Dienst und ordne euren Lebenslauf allein.
Herr und Haupt Deiner Gemeinde! Zusammen tun wir unseren Dienst, nicht vereinzelt und zersplittert, sondern vereint. Weil Du allein die Herrschaft hast, machst Du jeden von uns zum freien Mann. Ich danke Dir, dass ich meinen Dienst durch Dich empfange und niemand untertan bin und niemand an mich binden darf. Denn Du allein bist unser aller Herr. Amen.

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