Schlatter, Adolf - 02. Wort und Schrift - Was gibt uns die Bibel?

I. Das göttliche Gesetz

Was die Schrift uns zuträgt, ist die Kenntnis des göttlichen Gebots. Die Bibel begann mit den beiden Tafeln, die die Zehn Gebote enthielten; ihrem Anfang entsprach ihre ganze Geschichte bis hinaus zum letzten Buch des Neuen Testaments. Alles, was an Erinnerungen aus der Väterzeit vorhanden war, wird dadurch zum unvergänglichen Erbe der Gemeinde des alten und des neuen Bundes, daß der sterbende Mose zum Verkündiger des göttlichen Gesetzes wird; ohne das fünfte Buch Mose wären die Bücher Moses nicht zum heiligen Buch der Gemeinde geworden. Warum sind die Erinnerungen an die Propheten in der Gemeinde unvergänglich gewesen? Haben sie in Jeremia etwa den Mystiker gesehen? Als der Zeuge des göttlichen Willens, als der Bringer des göttlichen Gebots steht der Prophet vor dem Volk; so lebt er in der Erinnerung, so spricht er zu uns. Wenn Samaria untergeht, so ist die Frage die: was will der Herr und was will er von uns? Wenn die Kunde durch Babylonien fährt, daß die Perser marschieren, so ist die Frage wiederum die: Was will der Herr? Was will er von uns? Das jesajanische Trostbuch kam nicht zustande ohne das Schlußwort: Heraus aus Babel! Wenn die nach Jerusalem zurückgekehrte Gemeinde vor der Tempelruine steht und sagt: es ist nicht Zeit, des Herrn Haus zu bauen, dann kommt der Prophet zu ihr. Aus diesem Grunde entstand der Prophetenkanon und darauf die Vereinigung des Prophetenkanons mit den mosaischen Büchern. Kanon — damit ist ausgesprochen, weshalb es eine Bibel gab; hier wird Gottes Wille vernommen. Nur deshalb gab es heilige Rollen, nur deshalb eine heilige Lade und nur deshalb heilige Orte, Synagogen, Stätten des Gebets. Das göttliche Gesetz wird das Heiligtum, um das sich die Gemeinde sammelt. Das göttliche Gesetz ist der Grund, der sie trägt und ihr mitten im Gewoge eines Weltverkehrs die Unüberwindlichkeit gab.

Und im Neuen Testament? Wenn uns Jesus nichts anderes ist als der Gesetzgeber, ist freilich eine Einrede dringend nötig. Aber auch wenn wir uns das Herrlichste verdeutlichen, was uns das Neue Testament gibt, — seine Gabe bekommt ihre Herrlichkeit wesentlich dadurch, daß sie besiegelt ist mit dem göttlichen Gebot. Wir tragen nicht eine harte Last, wenn uns der Geist den Glauben gewährt; aber zum Glauben gehört auch, daß wir in aller Deutlichkeit wissen: Du mußt glauben; du glaubst deshalb, weil das der göttliche Wille ist; hier vollzieht sich ein Gesetz, das dir vor Gott den Platz des Glaubenden gibt. Jedesmal, wenn wir es wagen, den zu bitten, der einfältig gibt, ist unsere Stütze die Gewißheit: das ist der göttliche Wille, das ist dir geboten, du darfst nicht anders. Jedes christliche Liebeswerk fällt zusammen, wenn es nicht völlig klar ist: unsere quellende Liebe, unsere frei gebende Hilfsbereitschaft ist Gottes Gebot, und wir stehen unter Gottes Gesetz dadurch, daß wir in der Liebe stehen. Also: keiner von uns kann irgendwo mit der Schrift in Berührung kommen, ohne daß er vor ihrem Gebot steht, vor einem Befehl, der die völlige Absolutheit des göttlichen Willens an sich hat.

Damit ist zugleich ausgesprochen, warum die Schrift mit der Natur zu einem einheitlichen Wirken Gottes zusammenwächst. Die Frage, die sie im Menschen voraussetzt, ist die: was soll ich tun? Gewiß, sie weckt unser Denken; aber das Charakteristische an der Weise, wie die Schrift mit uns umgeht, ist, daß sie uns nie die Frage nach der Erkenntnis, nach dem Gewinn von Gedanken für sich allein stellt, sondern immer so, daß über dieser Frage die andere steht: Mensch, was willst du? Du hast etwas zu tun; was tust du? Vom Fleisch sagt Paulus, es mache uns voll von Begehrungen, erzeuge fortwährend Wollungen in uns. Nun wird uns ein Wille gezeigt, der unser Wille werden darf über das hinaus, was jene Begehrlichkeit schafft, die wir von Natur in uns tragen. Die Schrift bietet uns Gottes Willen an, damit wir den Willen Gottes tun. Daraus entsteht freilich oft ein Anstoß, der uns den Verkehr mit der Schrift zur Not macht. Aber auch unsere Historiker, die gerne vielerlei alte Nachrichten von ihr empfingen, müssen sich darein finden, daß sich die Schrift mit unserem Willen beschäftigt und uns Gottes Willen kundtut.

Worin liegt das Neue am Gebot, das die Schrift uns vorhält? Weil das Gebot hier mit der Erinnerung an Gott verbunden ist, ist es gegen jeden Bruch, jede Zerspaltung geschützt. Gott ist der eine, nicht einer unter den vielen, der eine über den vielen, der eine über allen. Das Gebot richtet hier unseren Blick auf den einen, der der Erste und der Letzte ist und das Ganze schafft. Darum gibt es hier keine erzwungene Unterwerfung unter die Satzung, die unseren Willen nicht mit ihr einigt. Das Gebot der Schrift läßt keine zerrissene Zerspaltung unseres Willens zu. Die Schrift packt uns in jedem Wort restlos und vorbehaltslos: entweder — oder! Israel hat das in herrlicher Beharrlichkeit und Treue darin zur Geltung gebracht, daß in der neutestamentlichen Zeit jeder fromme Jude den Tag begann und den Tag beschloß mit dem Wort: du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deiner ganzen Kraft. Sie haben, sagt Paulus einmal, damit nur die Form, die die Erkenntnis der Wahrheit dem Menschen geben kann. Aber die Schrift schafft nicht nur diejenige Religion, die durch Dressur, Erziehung und Formung des Menschen zustande kommt, sondern die Gabe Jesu besteht darin, daß hier nicht nur eine Formung des Menschen von außen her versucht wird, sondern daß — deshalb sprach Jesus vom Geist — der Mensch im Kern seines persönlichen Lebens, im Kern seines Wollens und Denkens erfaßt und mit dem göttlichen Denken und Willen geeinigt wird. Eben darum ist der herrliche Zentralsatz des Evangeliums, daß unsere Gerechtigkeit vor Gott unser Glaube ist. Damit ist das Hin und Her der vielen Begehrungen, die sich selbst und Gott gleichzeitig suchen und die Freundschaft der Welt und die Freundschaft Gottes kombinieren wollen, vergangen. Glaube ist vom Willen erfaßtes, den Willen schaffendes Wort. Dadurch wird uns die dem Gottesbewußtsein entsprechende Einheitlichkeit unseres inneren Lebens gewährt, und das ist das Ziel der Schrift in allen ihren Teilen. Ein Zweites: Der, dem wir mit ganzer Seele gehören, kann nie zum Privateigentum des einzelnen werden. „Ich bin der Herr, dein Gott“ — wer ist in diesem ersten Stück der zur Schrift gewordenen Bezeugung Gottes angesprochen? Es wäre völlig schief, zu sagen: das Volk, aber ja nicht der Israelit. Der Israelit, der einzelne soll seinen Vater und seine Mutter ehren. Ebenso schief wäre es, zu sagen: der Israelit, aber ja nicht das Volk. Das Du geht die Gemeinde an, aber damit selbstverständlich ohne irgend einen kunstvollen Brückenbau jedes Glied der Gemeinde. Das Gebot, das mit dem Blick auf Gott vereint ist, spricht nicht zu isolierten einzelnen. Es verlangt Gerechtigkeit, das heißt die Richtigstellung unserer Beziehungen zu den anderen, und schafft den gemeinsamen Kult, wie es auch die gemeinsame Verschuldung und die gemeinsame Buße schafft. Das ist nicht nur in den Zehn Geboten so. Gewiß gibt der Prophet, wenn Eselinnen verlorengegangen sind, dem Saul die Auskunft. Aber wir haben auch bei den Propheten keine Zersplitterung des göttlichen Worts in eine Vielheit von individuellen Normen vor uns, sondern die Gemeinde hat ein gemeinsames Leben, und der Prophet spricht zu einem Ihr, das alle umfaßt, in jedes Gewissen hineinspricht und jeden Willen bewegt. Und nun vollends im Neuen Testament! Dieses Ihr, das wir bei den Propheten finden, kehrt wieder im Bußwort des Herrn und in der apostolischen Unterweisung. Tut Buße — wir können dieses Ihr nicht zerreißen in einen Gegensatz zwischen Sozialethik und individueller Ethik; daß dieser Gegensatz entstand, zeigt nur die Unchristlichkeit der herkömmlichen Ethik. Ihr — das geht hinein in das Gewissen des einzelnen und ordnet das Verhalten der ganzen Gemeinde. Paulus sorgte dafür, daß Onesimus nicht mit einem sauren Gesicht empfangen wurde, und er hat sich sicher oft mit der Regelung persönlicher Anliegen beschäftigt. Wir sind aber nicht darüber erstaunt, daß die anderen Briefe keine derartigen singulären Normen und kasuistischen Entscheidungen geben, sondern der vereinigten Gemeinde zeigen, was für sie der göttliche Wille sei. Die Gemeinde entstand als die Genossenschaft derer, die vereint den Willen Gottes tun und unter dem sie einigenden Gesetz Gottes stehen.

Die Allgemeingültigkeit des Gebots wird von der Schrift nicht dadurch hergestellt, daß jedem die gleiche Regel gegeben würde. Wir stehen an einer wichtigen Stelle, die unsere besondere Aufmerksamkeit fordert, weil hier unser Verkehr mit der Schrift häufig unrichtig und schädlich wird. Das Gebot tritt in der Schrift stets in einen bestimmten Moment hinein; daher ist es nie auf andere übertragbar, nie nachahmbar. Das trägt in das Schriftganze die reiche Bewegung hinein. Wir sind von der vorchristlichen Tradition her gewohnt, entweder die Allgemeinheit der uns verbindenden Ziele dadurch zu erreichen, daß wir sie zur Abstraktion erheben, das gibt die allgemeinen Formeln, mit denen wir immer wieder geplagt werden; oder wenn die Unfruchtbarkeit dieser Art von Willenszielen und die Unfertigkeit dieser Willensregungen empfunden wurde, dann setzte — zu allererst mit großem Ernst innerhalb Israels — die Kasuistik 1) ein, der Versuch, für jeden einzelnen Vorgang, der in unserem Leben vorkommen kann, eine fertige Vorschrift herzustellen. Weder das eine noch das andere begegnet uns irgendwo in der Schrift. Vielleicht liegt vom Alten Testament her der Einwand nahe, daß doch im Kultgesetz, teilweise auch in der Rechtspflege Kasuistik vorliege. Gewiß ist hier die Norm bestimmt für einzelne Fälle ausgeprägt; aber auch hier fehlt die Absicht völlig, das Ganze des Handelns zu umspannen und für jede mögliche Wendung in der Geschichte auch eine sittliche Regel bereit zu halten. Und wenn wir zum prophetischen Wort gehen oder zum Bußwort des Herrn oder zur Unterweisung des Herrn an seine Jünger oder zu dem, was als Kirchenrecht, als kirchliche Sitte, als Ziel der Gemeinde unter der Leitung der Apostel herausgearbeitet wird, so begegnet uns weder die dünne Abstraktion noch die herrische Kasuistik, die die sittliche Entscheidung dem einzelnen abnimmt, wohl aber die Überzeugung: Gottes Führung begleitet dich auf deinem jetzt von dir zu gehenden Weg; deine Aufgabe ist nicht die, daß du irgend etwas tust, was einst getan wurde, daß du dies oder jenes in dir nachbildest; dir naht sich Gottes Gebot, deiner Lage gibt es das lösende Wort, deiner Kraft zeigt es den von Gott gewollten Gebrauch. Daher bekommen wir innerhalb der Schrift die große Mannigfaltigkeit zwischen der priesterlichen Verwaltung des Rechts und der prophetischen Bezeugung des göttlichen Willens, zwischen der vorexilischen Schar und der nachexilischen Gemeinde, vor allem den Unterschied zwischen dem Alten und dem Neuen Testament, und hier wieder stehen nebeneinander der Zöllner Matthäus, der Zelot Johannes, der Pharisäer Paulus, und doch, diese Aufzählung reicht nicht aus; denn sie erweckt den Eindruck, daß diese Mannigfaltigkeit nur aus der natürlichen Unvollkommenheit, nur aus der vor der Berührung mit dem Evangelium liegenden Geschichte stamme. Freilich kommt auch das Geflecht unserer natürlichen Erlebnisse in der uns gestellten göttlichen Auf gäbe zur Geltung; aber es ist auch Gottes uns selbst zugewandter Wille, der die Mannigfaltigkeit schafft. Darum bekommen wir nicht nur ein Maß von Unverstand und Schwachheit, sondern auch ein Maß des Glaubens und ein Maß der Liebe als uns gegeben in bestimmter Grenze, mit konkreter Beziehung auf das Jetzt. Deshalb entsteht durch den Eintritt des göttlichen Gebots in unseren Willen die bewegte, zum Ziel hin wandernde Geschichte.

Dürfen wir von einer Entwicklung des Gesetzes sprechen? Im Alten Testament Simson mit dem Eselskinnbacken, der mit Vergnügen Philisterschädel entzweischlägt, — Jesaja: wenn ihr nicht glaubt, so bleibt ihr nicht; Stillesein ist eure Rettung, — dann weiter hinauf zur Bergpredigt, hinauf zum Abschiedswort des Herrn, der die Seinen als die Reben mit sich, dem Weinstock, verbindet, hinauf vielleicht zu Paulus, der uns den Glauben als unsere Gerechtigkeit beschreibt, — wollen wir von Entwicklung reden? Dieses aus der Natur geschöpfte Bild ist immer lehrreich; die Bewegung des Gewächses vom Samen zur Frucht, die Bewegung des Tieres und unseres eigenen Leibes ist uns nicht umsonst als Gesetz unseres Lebens gegeben; darin liegt ein Aufschluß über das göttliche Wirken. Aber das von der Natur her genommene Gleichnis reicht nicht aus, um vollständig zu verdeutlichen, wie Gott seinen Willen in unserer Geschichte wirksam macht. Zusammenhang besteht; das spätere Geschlecht steht auf der Schulter des vorangehenden; der jetzt von mir getane Gehorsam ermöglicht dir den Gehorsam; es geht von Gehorsam zu Gehorsam, von Gebot zu Gebot. Allein die Einordnung der in der Schrift vor uns stehenden und in der Erfahrung sich zeigenden Fülle des göttlichen Willens in das Schema, das uns die Entwicklung des Samens zum Gewächs und zur Frucht darreicht, bleibt ein Kinderwerk. Was die Schrift uns deutlich zeigt, ist, daß der Wille Gottes nicht jenseits unseres Zeitlaufs bleibt, daß er nicht über unserem Bedürfen und Können, nicht über unserer Lage schwebt, sondern uns für den göttlichen Willen so in Anspruch nimmt, daß die durch unsere Lage geformte Tat entsteht.

Noch ein weiteres Merkmal der gebietenden Schrift tritt immer in unseren Blick, sowie wir mit ihr verkehren. Ihr Gebot steht vor unserem natürlichen Begehren als das ganz andere, als das, was unser Verlangen und Wünschen ablehnt. Die Schrift spricht das große Nein zu allen unseren Wünschen. Was wir in Kraft unserer natürlichen Art begehren, dazu sagt das göttliche Gebot: Nein. Darin erweist es sich als Bestandteil des göttlichen Wortes. Darum entsteht an der Schrift das Bewußtsein der Schuld, nicht nur das Bewußtsein des Unglücks und der Schwachheit, sondern der Schuld. Hören wir auf sie, so tritt der göttliche Wille und unsere menschliche Begehrung miteinander in Streit. Das bereitet uns doch wohl an der Schrift den tiefsten Anstoß. Wir können das Schriftwort nicht in uns einlassen, ohne daß wir daran schuldig werden. Am Schriftwort sterben wir; und das wird in unserem Verkehr mit der Schrift immer wieder von uns erlebt. „Das Geschriebene tötet.“ Dies Wort des Paulus wird gewöhnlich mit Leichtsinn mißhandelt; „der Buchstabe tötet“ — das ist nicht die Meinung des Paulus. „Die Schrift tötet.“ Es gehört zum mächtigen Merkmal der Göttlichkeit der Schrift, daß sie uns die Geschichte des ersten Menschen als die Geschichte seines Sterbens beschreibt, und zwar deshalb, weil das göttliche Gebot zerrissen wird. Und dann begleiten wir, wenn wir durch das Alte Testament gehen, Israel auf seinem Sterbensweg und müssen mit Jeremia hinein in das brennende Jerusalem. Ebenso beschreibt uns das Evangelium den sterbenden Christus; das Neue Testament ist Kreuzeswort. Und es ist nicht so, daß jetzt, nachdem das Urteil Gottes am Kreuz sich vollzogen hat, die Schrift zum Zeugnis des Lebens würde. Auch die neutestamentliche Gemeinde ist gestorben, nicht nur die, die den Dienst in Jerusalem auszurichten hatte, nicht nur die, denen die Aussendungsrede Matthäus 10 gegeben war, sondern auch die paulinische Gemeinde — wo ist sie im nächsten Jahrhundert? Das Neue Testament zeigt uns nicht eine unsterbliche Kirche, sondern eine Kirche, die unter dem Gesetz des Sterbens stand. Derselbe Prozeß vollzieht sich bis in die Gegenwart hinab; wir stehen vor zerbrochenem Kirchentum, vor sterbenden evangelischen Kirchen, vor unserem eigenen mit Schuld beladenen Christenstand. Ist das nicht Grund genug, die Schrift zu meiden?

Aber nun geschieht das Große und Wunderbare: im Verkehr mit der Schrift lernen wir willig sterben, lernen wir das Urteil Gottes ehren, lernen wir das, was dem schuldigen Menschen gebührt, auf uns zu nehmen. Darum wird aus dem Kreuzeswort Evangelium. Denn das göttliche Urteil besitzt die volle Herrlichkeit des göttlichen Willens. Eben darum enthält die Schrift noch anderes als nur das göttliche Gebot; darum tritt sie zu uns auch als die Trägerin göttlicher Verheißung und zeigt uns noch mehr, den gebenden Gott.

II. Die göttliche Verheißung

Die Schrift gibt uns die göttliche Verheißung, und darum hängen wir an ihr. Sie tritt mit dem göttlichen Gebot an uns heran, uns innerlich bindend, und sie zeigt uns die göttliche Gabe. Das hängt zusammen, aber nun nicht so, wie die übliche Deutung der Schrift es darstellt. Da wird die Verheißung zum Spiegelbild des Jammers, und aus der Sehnsucht des Darbenden entsteht die Erwartung der kommenden Seligkeit. Freilich ist die Verheißung ein ergänzendes Parallelbild zu unserer menschlichen Not. Wenn die Schrift uns in das Sterben führt, so fügt sie als Gegenstück die Verheißung des Lebens hinzu und bringt zur Träne die Hand, die sie aus den Augen wischt. Und doch ist es falsch, daß das, was die Schrift uns als Verheißung gibt, nur das Kind der Schmerzen sei, die uns quälen. Freilich gibt es im Menschenleben Hoffnung genug, die nichts anderes ist als das Spiegelbild des Elends. Aber die Verheißung der Schrift vermag es, sichtbar zu machen, daß hier nicht nur die Übersetzung eines negativen Bildes in ein positives geschah. Das zeigt sich zunächst an der Ruhe, in der alle Männer, mit denen die Schrift uns in Verkehr bringt, leben, reden und handeln.

Wenn wir, sei es in der Gegenwart, sei es in vergangenen Geschlechtern, auf aufgeregte Religiosität stoßen, so ist das ein sicheres Kennzeichen dafür: die Schrift fehlt, man steht nicht in innerer Gemeinschaft mit der Schrift, man denkt nicht schriftmäßig. Sowie die Schrift sich im Menschen heimisch macht, entsteht eine innerlich gefestigte Ruhe. Das Paradies ging verloren — endet der Bericht nun mit einem Schrei des Jammers, mit einem großen Klagelied, mit sehnsüchtiger Rückschau? In der Kirche kam das später, nicht in der Schrift; der Schluß der Paradiesesgeschichte schaut vorwärts, nicht rückwärts. Ich stelle daneben einen Abschnitt der Schrift, der in besonderem Maße die poetische Art und Kraft der Bibel an sich hat: Mose in Ägypten. Alles, was die Natur zur Vernichtung des Menschen bereit hält, bricht herein, von der Mücke bis zum himmlischen Verderber, der die Erstgeburt tötet. Schreit hier der Haß? Kein Wort wird hörbar, das daran erinnerte. Spricht die wilde Lust, die sich am Sterben der Erstgeborenen freut? Kein Wort nach dieser Seite. Ruhe, feierliche Stille liegt über dem Ganzen. Mose steht vor Pharao, allein, ohne Waffe, des Sieges gewiß, gesammelt und befestigt in seinem Gott.

Freilich die Ruhe, diese befestigte Stille der Seele, bedeutet nicht Ertötung des inneren Lebens, nicht Abstumpfung, die Freude und Leid auf ein Mittelmaß reduziert. Wir würden die Schrift nicht als göttlich werten können, wenn sie uns eine solche Dressur als Gottes Werk vorhielte. Hier wird gelitten und gejubelt. Aber unerschüttert steht ein Zentrum in dieser Lebensbewegung; ein Halt ist da; ein Grund ist gefunden. Lesen Sie Jeremia unter diesem Gesichtspunkt! Was gab es für die erste Christenheit Schmerzhafteres als das Versinken Israels in die Gottlosigkeit des gegen den Christus sich aufbäumenden Widerstandes? Daher hören wir: Ich trage Jammer ohne Unterlaß in meiner Seele; aber die Betrachtung dieses Geschichtslaufs endet mit dem Wort: O welch eine Tiefe des Reichtums und der Erkenntnis und der Weisheit Gottes. Stille, starke Gewißheit! Oder wenn ich zu Römer 11 noch Philipper 3 stellen darf: Paulus in seinem — von der Kirche nicht verstandenen — Testament; er beschreibt uns sich selbst im Lauf, mit der Spannung jeder Faser seines Wesens, in höchster Erregtheit. Woher kommt diese Bewegung? „Ich laufe, weil ich ergriffen bin“; sein Lauf ist der des Glaubens, und der paulinische Glaube ist Gewißheit gewesen.

Wenn wir uns fragen, was den Männern der Schrift ihre Festigkeit gab, so liegt der Grund sofort in unserem Blick. Was verlieh dem Gebot der Schrift die Majestät des Gesetzes? Das Bild Gottes erscheint; der Wille Gottes berührt unseren Willen. Das gibt die Gewißheit; das gibt die Ruhe; das gibt den befestigten Stand. Das ist das Gegenstück zur Ableitung der Verheißung aus dem Schmerz, der nach Hilfe schreit. Die Verheißung entspringt nicht nur der Sehnsucht, sondern steht vor uns als die Enthüllung des göttlichen Willens.

Damit kommt ein zweites Merkmal der Schrift zur Geltung: Wir treten, wenn wir in den Kreis der biblischen Männer treten, unter Getröstete. Die Schrift ist das Trostbuch, das wir durch nichts anderes ersetzen können. Nicht dadurch, daß sie uns irgendwie einen schmerzfreien Zustand verhieße. Es gehört zum Werk der Schrift, weil zum Werk Gottes, daß das, was seinem Gebot widersteht, in uns stirbt, womit die Schmerzen in ihrer ganzen heiligen Majestät in unser Leben hineingepflanzt sind. Sie kommen auch in der Schrift fortwährend ans Licht, in jedem Teil derselben, und doch benutzen wir dieses mit Leiden angefüllte Buch als ein Trostbuch, — mit vollem Recht und mit sicherer Wirkung. Die Erfahrung der Christenheit hat darüber gesprochen. Denn die Schrift zeigt uns den, der gegen alles, was uns verdirbt, die Abwehr und die Schutzmacht ist und das, was unser menschliches Dasein zerstört, zum Werkzeug seiner Segnung macht.

Damit stehen wir an einer zweiten Stelle, an der sich Schrift und Natur, göttliches Wort und schöpfungsgemäßer Bestand des Menschen aufs innigste verschlingen und einen. Wir bekommen nie einen geordneten Gang für unser Leben, wenn wir nicht einen „Willen haben, der ein anderer ist als der Wille des Fleisches. Aber ebenso unzerstörlich sitzt in unserer Seele das Verlangen nach Glück. Daran knüpft die Schrift an; denn sie verheißt uns Glück, sie gibt uns Glück. Wir stehen im Verkehr mit der Schrift im Kreis der Seligen.

Aber nun geschieht das Große, daß wir mit der Bestätigung unseres auf Glück gerichteten Begehrens zugleich von jener Regelung unseres Lebens erlöst sind, die kein anders Ziel zuläßt als unser Glück und uns dadurch zu Sklaven unseres Glückes macht. Sdiriftmäßig denken schließt völlig aus, daß wir in unserem Glück das Ziel unseres Lebens haben und Knechte unseres Glücksverlangens bleiben, — zunächst sind wir es ja. Die Schrift gibt uns Glück, aber nicht so, daß es uns verdirbt, sondern so, daß es uns wirklich selig macht, und das geschieht dadurch, daß sie uns niemals zuläßt, daß wir uns einzig um unser Glück kümmern. Immer steht majestätisch die Unbedingtheit des Gebots: Du sollst! vor uns. Das Ziel des Lebens ist für jeden, der mit der Schrift im Verkehr steht, über das eigene Glück hinausgehoben. Die Frage ist nicht: was gewinne ich für mich?, sondern das erste Ziel bleibt: deinen Willen tun, gehorchen. Dadurch, daß der gehorchende Wille für uns der Weg zum Glück wird, lernen wir, uns zu freuen, ohne daß unser Himmel für uns zur Hölle wird und unser Glück uns zerstört.

Die Seligen, die uns die Schrift in langer Reihe kennen lehrt, obenan der, der im Vater selig war am Kreuz, sind Hoffende. Es ist noch ein Schritt über das hinaus, was wir uns bisher an der Schrift verdeutlichten. Denn die Verheißung Gottes besteht nicht nur darin, daß die Tränen abgewischt und das Verderben von uns genommen wird, sondern aus dem Reichtum Gottes kommt Gabe um Gabe, aufwärtssteigende Lebensfülle. Es ist jedem Schriftleser bekannt, wie völlig einheitlich durch alle Teile der Schrift hindurch dieser Tatbestand sich herstellt. Es gibt gar kein Wirken Gottes, das nicht der Keim einer Verheißung würde. Sowie irgendwie göttliches Wirken hervortritt, — gleich öffnet sich die Perspektive, und es entsteht ein Ausblick in neue, ungeahnte Höhen. Das Paradies stellt sich wieder an das Ende des Weltlaufs. Der eine wird berufen, Abraham, und sofort geht der Blick auf den unzählbaren Samen. Die Knechte verlassen das Diensthaus Ägypten, aber der Auszug richtet den Blick auf den Einzug in das ihnen bestimmte Land, und der Einzug öffnet den Blick sofort wieder in ungeahnte Weiten. Das Volk wird zur Einheit zusammengefaßt durch den König, und sofort steht darüber das Bild des kommenden Königs. Jerusalem zerbricht, und aus den Trümmern entsteht die Gewißheit des Neubaus bis hinaus zu seinem ewigen Bestand. Denn Christus geht ans Kreuz, damit er lebt. Er sendet seine Jünger zu Jerusalem, damit sie die Völker gewinnen. Die neutestamentliche Gemeinde wird gesammelt, damit sie Gottes ewige Gemeinde werde. So steht beständig über dem, was geschieht, eine Zukunft. Es gibt in der biblischen Geschichtsbetrachtung nicht ein einziges Jetzt, das nicht einen Morgen anzeigte, keine Gegenwart, die nicht die Zukunft schüfe. Damit wir hoffen können, brauchen wir, wie zu jeder Bewegung unseres persönlichen Lebens, Gedanken. Der in die Zukunft sich streckende Wille hat ein Bild vor sich, das er schaut, und bekommt ein Wort, in dem er sich auszudrücken vermag. Nun stehen wir wieder an einer Stelle, an der die, die nur Gedanken in der Bibel suchen, murren. Läßt sich die Verheißung der Schrift zusammenstellen zu einer lückenlosen Lehre von den Letzten Dingen? Kann ich die Weissagung Jesajas, Ezekiels, Jesu, des Johannes zu einer befriedigenden Ausschau auf das letzte Geschehen zusammenstellen? Aber nur die, die nichts anderes sein möchten als Denker, murren deswegen, freilich keineswegs nur die an den Universitäten. Wir müssen uns daran gewöhnen — und das ist kein Verlust —, daß Gott sich um unser Herz kümmert, um den entscheidenden zentralen Vorgang unseres Lebens; er will dir und mir ein Hoffen geben, nicht nur eine Theorie. Und wenn ihr noch so eifrig euch in den Daniel und in die Offenbarung Johannis versenkt, habt ihr deshalb eine lebendige Hoffnung? Wenn ihr sie habt, habt ihr sie jedenfalls nicht durch eure Schriftgelehrsamkeit. Das hat auch die mit den Letzten Dingen sich beschäftigende Schwärmerei in der Praxis oft gezeigt; eifrige Verliebtheit in prophetische Worte und gleichzeitig sehr kräftige Diesseitigkeit haben sich häufig zusammengefunden. Ein Gedanke, der sich in die Zukunft hinaufhebt, überschreitet unvermeidlich die Bedingungen unseres Erkennens. Unser Erkennen ist notwendig gebunden an den uns bereiteten Lebensstand, an das, was an Erfahrung uns zufließt. Aber wir können über diese Grenzen unseres Wissens hinaus denken, sollen es auch. All das, was wir Poesie heißen, löst sich von der Wahrnehmung, überschreitet den uns faktisch gegebenen Bewußtseins- und Lebensstand, schaut hinaus auf Künftiges und läßt eine Verheißung vor uns aufleuchten. Das ist nicht nur die natürliche Ordnung unseres inneren Lebens, sondern wir haben an der Schrift überall vor Augen, daß sich die Weissagung und die Poesie als verwandt erweisen. Der Prophet wird Poet, und er muß es sein, weil er in die Zukunft schaut. Die Kirche hat sich lange eifrig dagegen gesträubt, das poetische Element in der Weissagung, das die ganze Schrift durchzieht, eben weil die Verheißung die ganze Schrift durchzieht, anzuerkennen. Die Poesie galt ihr als das Kind der verdorbenen Phantasie; wenn eine Leidenschaft den Dichter entzündet, nur dann gebe es einen dramatischen Stoff und seine ästhetisch wirksame Bearbeitung. Aber ist es wirklich so, daß es keine Poesie geben darf als die der Sünde? Ist uns nicht die Schrift gerade dazu gegeben, damit wir merken, daß es eine andere Begehrung gibt als die Leidenschaft der unreinen Lust, eben jene, die nach dem bei Gott Zukünftigen verlangt? Unsere Christenheit hat es dringend nötig, ihr wogendes und schwankendes Begehren an der Poesie der Schrift zu reinigen; wodurch nicht nur unsere Ästhetik, sondern auch die zentralen Vorgänge unseres inneren Lebens neu werden.

Allein auch dem Poeten und vollends dem Propheten halten wir die „Wahrheitsregel vor, damit er ihr willig gehorche. Was heißt „Wahrheit“ dann, wenn der Gedanke in die Zukunft schaut und noch Unwirkliches verkündet? Der das Zukünftige erfassende Gedanke hat seine Wahrheit daran, daß er im geschehenen Werk Gottes seine Begründung hat. Eben deshalb, weil er auf dem steht, was Gott getan hat, wird der Blick in die Zukunft kein Traum, keine zerfahrene, zerflatternde Poesie, sondern echte, weissagende Vorausschau dessen, was Gott tun wird. Weil es eine von Gott gegründete Gemeinde gibt, darum ist der Blick auf die kommende Gottesstadt Wahrheit. Weil es den Auferstandenen gibt, ist unsere Lebensgewißheit wahr. Darum, weil Gottes Gnade uns besucht hat, sprechen wir von jener Stunde, in der jede Träne abgewischt sein wird. Das ergibt die große, einfache Regel für unsere Behandlung der Weissagung, die all denen vorzulegen ist, die gerne des Trostes der Schrift teilhaft und von ihrer Hoffnung getragen sein möchten. Nicht so bekommen wir eine gewisse und deutliche Hoffnung, daß wir Schriftstellen zusammensetzen und nun mit unserer eigenen Phantasie aus ihnen Zukunftsbilder schmieden. Wollen wir die Verheißung verstehen, so verstehen, daß sie in uns lebt, so haben wir Gottes Werk in unserem eigenen Leben zu empfangen und zu erfassen. Im Anschluß an den lebendigen Herrn wird der Todesschauer überwunden und nicht durch irgend eine Seelenlehre. Dadurch, daß wir Glieder der Gemeinde werden, die unter uns erbaut wird, gewinnen wir die Hoffnung auf das himmlische Jerusalem. Darin, daß wir die Macht des Bösen in unserem eigenen Herzen und in dem der anderen schauen und die reinigende und überwindende Kraft göttlichen Vergebens empfangen, wird die Rede vom Antichrist mehr als eine Kinderei, mit der wir uns selbst und andere lahmen, sondern eine unser Handeln richtig machende Einsicht in Gottes Regiment.

Aber ein Gedanke muß noch hinzugefügt werden, damit die Schrift nicht verstümmelt werde. Im Blick auf Gott ist gegeben, daß sein Auge und sein Regiment alles umfaßt, auch das, was wir in eigenster Vollmacht, im Freiheitsgebrauch souveräner Willensentscheidung hervorbringen. Darum geht auch der Blick in die Zukunft nicht nur auf die Vollendung des göttlichen Werkes, sondern auch auf die kommende Antwort Gottes zu unserem Werk. Das heißt: die Schrift verheißt uns Gottes Gericht. Wir pflegen zunächst zu sagen: sie bedroht uns mit Gottes Gericht. In der altkirchlichen Kinderstube machten sie mit dem Gerichtsgedanken ihren unartigen Kindern Angst. Es gehört aber zum Großen an der Schrift, daß sie unsere Furcht so reinigt, daß unser Herz nicht mehr „bebt, wie die Bäume schwanken im Wald“, sondern den festen Stand bekommt, den uns der Prophet gerade dann zeigt, wenn er Gottes Gericht kundtut. Es ist Verheißung, daß Gottes Urteil über das, was menschlicher Freiheitsgebrauch hervorbringt, offenbar werde, und offenbar bedeutet immer wirksam. Gottes Gericht ist nicht ein papierener Spruch, nicht eine Erklärung, die am Tatbestand nichts änderte. Gottes Gericht ist ein wirksamer Akt, und wir begehren darnach, daß Gottes Urteil alles aufhebe, was wir in unserer menschlichen Torheit und eigensüchtigen Verkehrtheit in der Welt Ungöttliches wirkten. In unabsehbarer Folge rollen die Konsequenzen unseres Handelns durch den Weltlauf, jenseits unseres Bewußtseins, für unser Auge unerkennbar; wir müßten erschrecken, wenn wir nicht wüßten, einmal: du darfst dir das Handeln nicht ersparen, du hast zu tun, was Gott will, sodann: für das, was aus deiner Willensmacht Verderbliches und Widerwärtiges entsteht, ist der Richter vorhanden; er wird abtun, was seiner Absicht nicht entsprach; in seiner königlichen Schöpfermacht wird er wegschaffen, was jenseits seines Willens entstand. Das ist das, was wir begehren, daß Gott das, was wir in seinem Geiste tun, erhalte und, was wir selbst ohne ihn, wider ihn hervorbringen, aus seinem ewigen Reich verschwinden mache. Dadurch bindet uns die Schrift an einen einzigen Maßstab, der uns von jedem anderen Urteil befreit; nun warten wir auf den, der allein der Richter ist, durch dessen Urteil allein das Leben und das Sterben entsteht.

Der Gedanke liegt nahe: was du als Merkmal der Schrift zeigst, haben die anderen Religionen auch. Haben nicht auch sie ins Herz dringende Weisungen und die Zukunft ahnende Bilder mit glänzender Farbengebung? Aber der Verkehr mit der Schrift wird uns zeigen, daß alle ihre Aussagen ihre Wurzel an derselben Stelle haben; sie erwachsen alle aus dem Blick auf Gott, der im ersten Vers der Schrift und im letzten in derselben großen Klarheit leuchtet, auf den einen Gott. Deshalb darf ich sagen: es mangelt mir nichts, Gewißheit des Schutzes ist da. Deshalb darf ich sagen: ich lebe; denn er lebt. Deshalb darf ich sagen: der Schluß von allem wird sein: Gott alles in allem. Die Verheißung der Schrift bekommt ihre Wahrheit durch ihren Grund, und sie hat ihren Grund in der unerschöpften Herrlichkeit des Einen, der da war und ist und kommt.

III. Den Anblick des gebenden Gottes

Wenn uns die Bibel nicht den Anblick des wirkenden, uns begnadenden Gottes gäbe, wäre das bisher Ausgeführte für uns unglaublich. Ihr Gebot tritt mit dem Anspruch an uns heran, daß es sich uns mit unserem ganzen Willen Untertan mache; wenn der allmächtige Wille nur forderte, könnten wir ihm nicht gehorchen. Allein indem er fordert, beweist er sich zugleich als den Gebenden. Wenn die Verheißung der Schrift in unserer Seele wirksam wird, bringt sie uns in Berührung mit dem göttlichen Werk; denn die Verheißung wächst beständig aus dem heraus, was Gott getan hat. Sie gibt kein Zukunftsbild, das in den Wolken schwebt, sondern spricht von dem, der das vollendet, was er begann. Damit stehen wir bei dem gebenden, wirkenden Gott.

Was zeigt uns die Schrift als Gottes Werk? Erstlich: „Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde.“ Wenn jemand über das Alte Testament murrt, so hat er den ersten Vers der Bibel noch nicht gelesen. Was gibt es in unserer deutschen Geschichte für einen Vorgang, der neben jene Stunde gestellt werden könnte, in der ein israelitischer Priester schrieb: „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde?“ Aber wenn die göttlichen Gaben durch den Dienst der Schrift an uns kommen, so geschieht immer wieder, was Römer l steht: Gott zeigt seine Kraft und Herrlichkeit, aber der Mensch will nicht danken. Bald öffnen wir das Ohr für das stolze Wort des trotzigen Menschen: dazu brauche ich nicht meine Bibel; bald spricht das verzagte, müde, träge Menschenherz: was für eine Last legt mir deine Gnadengabe auf, ich mag mich nicht so hoch erheben lassen. Die trotzige Einrede sagt: das zeigt uns schon die Vernunft; ich brauche ja nur die Welt anzuschauen; wozu soll ich es mir von einem alten Juden sagen lassen, wie ich Himmel und Erde anzuschauen und mich innerhalb der Welt zu bewegen habe, nämlich so, daß ich mich darin bewege als in Gottes Eigentum und mit den Seraphen sage: „Was die Erde füllt, ist Gottes Eigentum, das ihn verherrlicht“? Wunderschön, wenn wir das können; aber es ist immer eine törichte Einrede dabei, wenn wir meinen, daß unsere Freude an der Welt und unser Heimischsein in der Welt uns ohne die Schrift zuteil geworden sei. Wenn wir heute ernste, fruchtbare Naturwissenschaft haben, einen Verkehr mit der Natur, der mit offenem Auge das um uns her Stehende betrachtet bis in seine Gründe hinein, ohne daß uns Geister dabei stören oder ein Ohnmachtsbewußtsein uns zerquetscht, weil wir nur die uns zermalmende Maschine wahrnehmen, — wenn wir vor der Wirklichkeit mit dem schauenden Auge stehen, das sie in den Dienst des Menschen zu stellen vermag, woher das? 1. Mose l, 1; ohne jenen jüdischen Priester gäbe es das alles nicht. Aber wir haben auch die Müden und Verzagten unter uns, die klagen: Was für eine Aufgabe legst du mir auf; nun soll ich so in die Welt hineinschauen, daß ich nicht nur Natur, sondern auch Gott, nicht nur Wirkungen, sondern auch den Wirker vor Augen habe; also darf ich mich nicht flüchten vor dem, was mit der Allmacht des natürlichen Geschehens mich erfaßt, darf mich nicht flüchten vor dem Sinnesbild und seiner Lust. Wir wollen mit tiefer Ehrfurcht von allen Äußerungen jener Frömmigkeit reden, die aus der Welt herausstrebt und der Natur zu entrinnen sucht, und wollen doch mit großer Dankbarkeit uns sagen lassen: Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde; du bist Kreatur und lebst in Gottes Kreatur.

Der Teil der Schrift, der zuerst Schrift wurde, der Dekalog, beginnt mit den Worten: „Ich bin der Herr, dein Gott, der ich dich aus dem Hause der Knechte, aus Ägypten, ausgeführt habe.“ Da steht ein zweites Werk Gottes vor uns, das uns die Schrift in ihrem ganzen Bestand bis hinaus zu den letzten Worten zeigt: Gott schafft seine Gemeinde. Es entsteht nicht nur ein Haus der Knechte, über die Pharaonen regieren, sondern es entsteht ein Haus Gottes, eine ihm gehörende Gemeinde. Aber nun entsteht wieder der Jammer: wenn Gott Geschichte schafft — und Gemeinde gibt es nur so, daß ihr Leben als Geschichte verläuft —, dann bekommen wir Arbeit. Ebenso verhält es sich ja auch bei der Natur; wenn uns die Welt als Gottes Werk gezeigt wird, dann verlangt sie Arbeit von uns; dann muß das Mikroskop her, und der Mathematiker und der Techniker müssen an ihr Geschäft. Ebenso hier: wir stehen in einer Verbundenheit mit den vor uns und mit uns Lebenden, die nicht nur durch die natürlichen Zusammenhänge hergestellt wird, sondern ein von oben empfangenes Besitztum hat und weiterträgt; das bedeutet Arbeit, zunächst einmal intellektuelle Arbeit. Gibt es Geschichte, so gibt es mit Notwendigkeit auch Geschichtsforschung, mit Notwendigkeit auch Kritik; das bedeutet den Beginn einer intellektuellen Arbeit, die nie zu Ende kommen kann. Daran entsteht gegenwärtig der Schrift gegenüber viel Unmut, viel Faulheit, viel Angst. Es ist aber durch Gottes Ordnung zu einem Grundgesetz der Geschichte gemacht, daß sich die Erinnerung vom Geschehenen sondert. Es ist nicht möglich, irgendeinen Geschichtslauf in allen seinen Momenten festzuhalten. Auch unsere eigenen Erinnerungen halten im besten Fall nur ein ganz kleines Stück von dem fest, was wir erlebten. Und wenn die Erinnerungen durch die Geschlechter hindurchgehen und geschichtsbildend wirken, dann trennen sich vielleicht mit zunehmender Entfernung der geschichtliche Vorgang und das geschichtliche Bild. Jetzt stehen wir an der Stelle, bei der der Geschichtsforscher uns unentbehrlich wird. Denn wir besorgen die von der Geschichte uns aufgegebene Arbeit dadurch, daß wir uns so weit wie möglich das Verhältnis des Geschichtsbildes zum geschichtlichen Ereignis verdeutlichen. Dies ist beim ganzen biblischen Bericht unsere Pflicht, weil auch in ihm die Distanz zwischen der historischen Erinnerung und dem historischen Geschehen überall deutlich ist. Im Grunde regt sich in diesem Murren doch nur der Undank, der das, was uns gegeben ist, mißachtet und das begehrt, was wir nicht haben und nicht haben können. Es ist uns nicht eine Geschichte des Auszugs aus Ägypten gegeben, bei der wir den Ereignissen Schritt um Schritt folgen können. Gewiß besitzen wir Erinnerungen an Mose mit unermeßlichem „Wahrheitsgehalt und nie sich erschöpfender Segensmacht; aber der Auszug hat sich jedenfalls anders vollzogen, als die Beschreibung im Exodus es sagt. Allein nicht das Geschehene, das innerhalb der natürlichen Sphäre und jenseits des Bewußtseins liegt, ist schon für sich Offenbarung Gottes; sondern dasjenige Geschehen, das in unser persönliches Leben hineingreift, das Erkenntnis und „Willen schafft, ist wirkliche Geschichte, ist das Ziel und Ergebnis der die Geschichte schaffenden göttlichen „Wirksamkeit. Sie bringt aber nicht nur einen einzelnen Moment hervor und bewegt nicht bloß eine einzelne Periode, sondern schafft das Gesamtleben der Gemeinde. Für diese hat es aber die größte Bedeutung, wie die Erinnerung sich gestaltet, was sich aus den einst abgelaufenen Ereignissen als Frucht herausbildet. Darum ist die „Weise, wie der Rückblick auf die Erzväter und die mosaische Zeit uns gegeben ist, wieder ein Offenbarungsvorgang tiefster Art, den wir auf das dankbarste in uns wirksam machen dürfen, unbeschadet der Frage, wie sich das Geschichtsbild zu den Ereignissen verhalten habe. Soweit wir dieser Frage nachgehen können, wollen wir es mit großem Fleiß tun, so gut wir können. Zunächst aber haben wir das zu benützen, was als der Ertrag jener Ereignisse in der Schrift vor uns steht. Dieselbe Erwägung gilt für das Neue Testament. Gewiß, was der Herr selbst gesagt und getan hat, ist der Beginn und Inhalt des Evangeliums. Aber zu diesem Beginn gehört weiter, wie er in der Erinnerung seiner Jünger weiterlebt, was ihr Christusbild in sich aufnahm und widerstrahlt. Das „Werden der Evangelien gehört wesentlich zu jener Geschichte, durch die Gott der Welt seinen Christus gab.

Aber es sind doch nicht nur aus der intellektuellen Aufgabe entstehende Seufzer, die hier hörbar werden. Ist nicht damit, daß wir durch die Schrift in der Geschichte stehen, auch inhaltlich für unsere Ethik und unsere Dogmatik eine Belastung geschaffen? Da richtet Israel, nachdem es über den Jordan gegangen ist, unter den Kanaanitern ein Blutbad an, und das soll heilige Geschichte sein, Geschichte, die mich berührt, in der ich Gottes „Willen, Gottes „Werk, Gottes gebende Gnade schaue? Freilich, was sich zwischen uns Menschen abspielt, hat nie bloß feiertägliche Lieblichkeit. Innerhalb des menschlichen Lebens entsteht Gedränge; der eine nimmt dem anderen den Platz weg. So gehört es freilich auch zur Geschichte Israels, daß ihm Platz geschaffen wurde und es einen Boden erhielt, der keinem anderen gehörte als ihm allein, und es bleibt bei dem Urteil der Schrift, daß es mit zur Verschuldung Israels gehörte, daß es sich diesen freien Raum nicht ausreichend geschaffen hat. „Wenn nun aber gesagt wird, das gebe ja die Religion des Raubtiers, — ist die Bibel wirklich ein Buch, in dem die Waffen klirren und gemordet wird und nichts als gemordet? Freilich, ein Goliath erscheint und bekommt seinen Stein. Aber am Anfang und am Schluß und darum auch überall waltet in der Schrift der Friede Gottes. Am Anfang; denn die Geschichte der Väter hat Israel von Anfang an die Berufung zum Frieden gegeben; ihre Geschichte war ein Friedensweg. Ebenso steht über dem wilden Kampf, der zweifellos auf die mosaische Zeit zunächst folgte, durch den der freie Raum für Israel entstand, unerschüttert eine Frieden schaffende Macht, weil der ganze Kampf unter der Obhut des göttlichen Willens steht. Da darf nicht Eigensucht zu unbegrenzter Machtgier sich erheben; das gegebene Land wird erobert, darüber hinaus kein Zoll. Und daraus, daß im Gedräng der Völker, im Ringen mit Edom und den Philistern die Gemeinde ihr Leben fristen muß, entsteht die Verheißung für den, der der Friedensfürst sein wird. Ist aber nicht schon das das Unerträgliche, daß es ein heiliges Volk geben soll, ein erwähltes Volk? Diese Einrede trifft natürlich ebenso das Neue Testament; denn die neutestamentliche Schar, die sich um Jesus sammelt, steht mit derselben Gott preisenden Zuversicht vor der Völkerwelt: wir sind die von Gott Erwählten. Es wäre widernatürlich, wenn hier kein Murren sich regte; selbstverständlich lehnt sich der Mensch auf, wenn Wahl Gottes sichtbar wird. Die Bibel sagt uns: daß ihr in einer Gemeinde Gottes lebt und in einer Kirche steht, — vielleicht wißt ihr es selbst nicht; aber wenn ihr es nicht wisset, so kann die Schrift es euch zeigen; sie kann euch das Auge öffnen dafür, daß ihr in einer Gott gehörenden Gemeinde lebt. — Das ist ganz und gar und völlig der Wille dessen, der regiert. Eine heilige Gemeinde entsteht nicht dadurch, daß wir zusammentreten und eine Gemeinschaft gründen, die wir stifteten. Gemeinschaft ist immer Gottes Werk; sie ist es schon im natürlichen Gebiet und ist es vollends dann, wenn er die Gemeinde zu seinem Haus macht und das hier entstehende Gebilde sein Tempel wird, in dem er die Gegenwart seines Geistes sichtbar macht. Da kann es gar keinen Streit geben, warum nicht die Germanen das heilige Volk geworden seien. Warum murrt der Ton gegen den Töpfer? Was hast du, Mensch, zu fordern von dem, der Geschichte schafft mit dem Wink seiner allmächtigen Hand? Aber es gibt noch ein drittes Werk Gottes, ohne das weder das erste noch das zweite uns eine Erkenntnis Gottes bereitet, die über Rätseln, über Fragen und Problemen stände. Scheinbar unentwirrbar treten uns in der religiösen Gemeinschaft beständig die Rätsel entgegen: sündig ist sie und zugleich von der Schuld befreit, durch Gottes Recht in den Tod gestellt und zum Eigentum Gottes gemacht und ins Leben gerufen, mit der gegenwärtigen Dienstpflicht ausgerüstet und zu ewigem Leben im vollendeten Reiche Gottes wandernd. Darum zeigt uns die Schrift den Sohn, den Grund und das Ziel der Gemeinde. Damit wird uns erläutert, weshalb es Kirche gibt. Im Sohn wird uns der Träger der göttlichen Liebe gezeigt, durch den sie zu uns kommt. Nun kennen wir den, der uns eint, so daß es Gemeinschaft gibt, die nicht durch Druck und Zwang entsteht, sondern in der Freiheit des gemeinsamen „Willens begründet ist, und kennen den, der aus der Ewigkeit kam und in die Ewigkeit geht und in die Zeit kam und dadurch auch in unserem Leben das Heute und das Morgen, Irdisches und Ewiges, unseren jetzigen Gottesdienst und unsere ewige Anbetung in eins zusammenbindet. Weder der Blick auf die Natur noch der auf die Kirche wird uns zur Erkenntnis Gottes, wenn nicht über beiden der uns gezeigt wird, in dem alles geworden ist und alles besteht und der als das Haupt der Gemeinde die Gott gehörende Menschheit in sich einigt und versöhnt. — Aber nun murren wir natürlich wieder: gib uns einen himmlischen Christus, einen ewigen Christus, aber nicht einen irdischen Jesus; was soll ich machen mit einem Irdischen und einem Himmlischen? Und nun suchen wir eine Nadel, um zusammenzuflicken, was doch erst dadurch des Flickens bedürftig wird, daß wir es zerrissen haben. Wenn wir Jesus nennen, muß der Blick rückwärts gehen; wir müssen ihn dort suchen, wo er seinen Platz auf Erden hat. Aber das ist gerade seine Aufgabe und seine Kraft, daß dieser Blick rückwärts zu ihm gleichzeitig aufwärts geht und uns in diejenige Bewegung versetzt, die in das himmlische Heiligtum hineintritt und im Menschen Jesus den schaut, in dem die Gottheit wohnt.

Noch ein viertes Werk Gottes brauchen wir, damit wir Erkenntnis Gottes haben, und dieses vierte Werk Gottes liegt uns ebenfalls in der Schrift vor. Wir sollen ja miteinander zusammenwachsen nicht nur durch Gesetz, nicht nur durch Naturzwang, wobei immer wir selber einander fremd bleiben und die Gemeinschaft nur gesucht, aber nicht gefunden wird. Wir sollen auch mit dem Willen Gottes nicht nur dadurch verbunden sein, daß die richtende und gebietende Majestät seiner Forderungen uns zerbricht. Sein Wille soll unser Wille werden. Das heißt: wir brauchen, damit Gottes Gesetz uns zur lebendigmachenden Kraft wird und damit die Kirche, in der wir leben, nicht eine unsichtbare wird, das für unsere Gegenwart letzte und höchste Werk Gottes, die Sendung des Geistes. Gott schreibt seinen Willen in unser Herz; das ist Geist. Gottes Wirken führt uns zu Jesus im Glauben; das ist Geist. Gottes Wirken führt uns zusammen in der Liebe; das ist Geist. Und die Schrift zeigt ihn uns. Vielleicht können wir im Blick auf uns selbst mit schwerer Bedrängnis fragen: Ist denn wirklich Geist Gottes da? Wir spüren ihn nicht. Aber in der Bibel ist er sichtbar, wie er Glauben schafft, wie er Buße wirkt, wie er vom sündigen Trieb frei macht, wie er zum Dienst Gottes rüstet, wie er zur Erkenntnis Gottes emporhebt. Wir können göttliches Wirken nie anders wahrnehmen als so, daß das Gewirkte vor uns steht als Zeuge dessen, von dem es stammt. Wir können auch den Geist Gottes nicht anders schauen als in seinem Werk. Wir können ihn nicht neben unser Leben stellen als ein davon abzusonderndes Quantum. In demjenigen Menschen, der sein Leben aus Gott empfangen hat und für Gott führt, wird er offenbar. Der für Gott lebende Mensch, den er zu sich ruft dadurch, daß er den Namen Gottes in seiner Seele lebendig macht und den Willen Gottes in sein Herz schreibt, ist das Werk des Geistes; und diesen zeigt uns die Schrift.

Die Einrede lautet: kann ich das nicht auch an den anderen sehen, wenn nicht an mir, so doch an den anderen? Ganz gewiß, wenn wir nicht an den anderen um uns her immer wieder wahrnehmen, was der Geist Gottes macht, was es bedeutet, wenn göttliches Schaffen in unseren inwendigen Lebensstand hineintritt, was Glaube ist, was Buße ist, was Liebe ist, dann wären wir zum Lesen der Schrift schwerlich imstande. Das ist die große Aufgabe, die die Christenheit immer wieder hat: sie hat die Schrift zu verdeutlichen, nicht bloß dadurch, daß sie den Spruch der Schrift wiederholt, sondern dadurch, daß sie das wirkt und ist, was die Schrift als die gnädige Bezeugung Gottes darstellt. Aber stellen wir uns doch nüchtern vor die Frage: Wie wird irgendwie religiös erwecklicher Einfluß von anderen uns zugeleitet? Wie ist irgendwie Christentum zu uns gekommen? Nach der Erfahrung, die wir alle beständig machen, hängt alles, was uns durch den Dienst der anderen zuteil wird, ganz sichtbar und unbestreitbar an der Schrift. Das ist nun einmal der Tatbestand, in dem wir Gottes hohe Regierung lobpreisend und dankbar zu ehren haben. Aus dieser Quelle strömen alle Bächlein des Segens, die in unser Leben hineinflössen und durch unser Volk fließen. Wo gab es je Glauben, ohne daß das Schriftwort ihn weckte? Wo gab es je Liebe, ohne daß die Erinnerung an den sie schuf, der für uns das Kreuz trug? Wo gab es je gewisse, den Tod überwindende Hoffnung, ohne daß das Wort der Verheißung lebendig ward? Sicherlich, die Kirche ist die lebendige Verdeutlichung des Neuen Testaments und hat darin ihren hohen Beruf. Aber sie wird das, was sie für jedes ihrer Glieder und für unser ganzes Volk zu leisten hat, doch nur dann leisten, wenn sie die Verdeutlichung der Heiligen Schrift bleibt und dasjenige Werk Gottes in sich trägt, das in der Schrift sein Zeugnis gefunden hat.

1)
Vgl. Schlauer, Das Werden der Kirche in der Urchristenheit. Freizeiten-Verlag. S. 33 f.
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