Passavant, Theophil - Naeman, oder Altes und Neues - 20. Ein Bedenken.

Passavant, Theophil - Naeman, oder Altes und Neues - 20. Ein Bedenken.

Chasida hat wohl öfters vom Glauben Israels, von Jehovah, Israels Erbtheil, von den schönen Gottesdiensten der Väter in Naemans Hause erzählet, denn sie scheinet nicht zu einer abgöttischen Familie in Israel gehört zu haben. Hier aber könnte mancher liebe Freund staunen und fragen: Nun denn, warum mußte gerade dies arme Kind das Unglück treffen, und nicht die Abgöttischen in Israel allein, und so Viele, die den großen Gott Israel und Seine Herrlichkeit für ihre dummen Götzen verließen? Warum mußten Chasida's Eltern, wenn sie gottesfürchtig waren, von ihrem Kinde getrennt, einsam zurückbleiben und trauern?

Was soll ich antworten? Erstens, liebe Leute, ist der, der da spricht, Keiner, der euch Bescheid geben könnte über Alles, was Gott, der HErr thut, und warum Er es also, und nicht anders thut. Unser Gott ist in den Himmeln, Er schaffet Alles, was Er will. Ps. 115, 2.

Zweitens, wissen wir nicht, wie weit die Frömmigkeit der Eltern Chasida's in ihrem zerrütteten Vaterland reichte, und ihre Glaubens-Treue dem HErrn wohlgefiel; noch wissen wir, wie weit ihr Kind noch zuletzt gediehen wäre bei ihnen, vor jeder späteren Verführung bewahret, und rein.

Drittens, ist's ein eigen Ding mit den schönen Worten: Unschuld, unschuldig. Ach, Wer ist denn vor Gott unschuldig und rein? Wir suchen freilich diese Perlen mehr bei Kindern, bei Jungfrauen und Jünglingen, denn bei erwachsenen Menschen; sie sind noch von treuer Pflege bewacht und umschirmt; mancher Zunder der Sünde ist noch nicht entzündet worden in ihnen; die Gelegenheit fehlt, die bösen Keime schlummern, aber sie sind eben, diese bösen Keime, vorhanden, nur schlummern sie noch; jede Sünde hat ihre Zeit, jedes Alter hat seine Versuchung, und bald jede Stunde ihre Verführung; und darum haben schon manche Eltern in diesem kindlichen Vertrauen einen großen Trost gefunden: Wer weiß, Gott hat unser Kind noch zur rechten Zeit wieder zu Sich genommen, und es vor der Stunde der Versuchung bewahrt.

Vor wenigen Tagen sagte mir eine glückliche Mutter lieber Kinder: „Ach, welche Mutter, die auf ihre Kindlein siehet, könnte die angeborene Sünde alles Fleisches läugnen?“ So oft ich kleine Kinder sah, munter und schön an der Mutter Hand gehen, oder unter sich spielen, war mir: Wie köstlich und schön I und bald wieder: Eine kleine Welt voll Ungerechtigkeit! Und doch bin ich, je sündlicher ich bin, und je älter ich werde, unter Kindern so gern, wie der einherwandelt unter Frühlings-Blumen; es ist ein frisches Wehen des neugeborenen Lebens, fröhlich und rein, ein Duft aus blühenden Mai-Tagen; die Sünde ist in diesen zarten Wesen noch nicht groß gewachsen, diese Welt ist nicht alt. Werden dann die schönsten dieser zarten Blüthen vor der Zeit, wie man spricht, dahin gemähet, dann fällt mir ein der liebe Grab - Gesang:

Wenn kleine Himmels Erben
In ihrer Unschuld sterben,
So büßt man sie nicht ein;
Sie werden nur dort oben
Vom Vater aufgehoben,
Damit sie unverloren sein.

Wie leichtlich geht bei Kindern,
Wie bei erwachsenen Sündern
Das fremde Feuer an!
O Glücke, wenn wir wissen
Daß nichts mehr einzubüßen,
Daß sie kein Tod mehr tödten kann!

O wohl auch diesem Kinde!
Es stirbt nicht zu geschwinde;
Zeuch hin, du liebes Kind!
Du gehest ja nur schlafen,
Und bleibest bei den Schafen,
Die ewig unsers Jesu sind.

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