Passavant, Theophil - Naeman, oder Altes und Neues - 10. Ein Pfahl in's Fleisch.

Passavant, Theophil - Naeman, oder Altes und Neues - 10. Ein Pfahl in's Fleisch.

So spricht der HErr: Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit; ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke; ein Reicher rühme sich nicht seines Reichthums; sondern Wer sich rühmen will, der rühme sich deß, daß er Mich wisse und kenne, daß Ich der HErr bin, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übet auf Erden; denn Solches gefällt Mir, spricht der HErr. Jer. 9, 23. 24.

Ernstes Wissen, seliges Erkennen, wie köstlich, dich empfangen an den Wasserbächen! Der treue HErr und Hüter der Seelen braucht aber Mancherlei, die Stolzen zu beugen, die Demüthigen in der Demuth zu gründen, und darf da nicht leicht Einer Seiner Zucht entgehen, denn wir sind doch Alle von Natur ein eitles Geschlecht. Er gab Naeman, was Paulus nannte: einen Pfahl in's Fleisch. Der große Apostel hat selber so Was erleiden müssen, und Satans Faust-Schläge, daß er, wie er selber spricht, sich der hohen Offenbarungen nicht überhübe. 2. Cor. 12.

Bist noch gesund und jung, weißt vielleicht nicht, was ein Pfahl in's Fleisch ist. Es ist Etwas, das, sichtbar oder unsichtbar, groß oder klein, Einem durch's Fleisch gehet, und eine Zeit oder immer wieder hemmet, oder beuget, oder brennet, oder sticht, oder bricht. Ein häufiges Zahnweh, schwere Kopfes-Schmerzen, ein Augen-Uebel, eine schwache Brust, eine eiternde Wunde, ein lahmes Glied, ein Abnehmen mancher Kraft und Schöne, auch ein Welken mancher Blume, ein Leiden mancher Liebe, ein Trauern mancher Lust, das wird Einem als Pfahl in's Fleisch, d. i. in seinen ganzen sündlichen Menschen gegeben. Das hält gebeugt und aufrecht zugleich vor Menschen und vor Gott; das dämpft die rohen Kräfte, und zähmt die sündlichen Triebe; das schlägt den Uebermuth, den Muthwillen, den Leichtsinn, Lust und Wollust darnieder; das machet, daß man in seiner Kraft und Schöne, und vor lauter Trotz und Wohlsein innerlich nicht verwildert; man nimmt nicht so leicht das Reiß-aus auf der Welt Auen, man macht nicht so große Sprünge zur Linken hin, zur Rechten; und gehet auch nicht so oft dem lieben Gott aus der Schule, denn so oft sich das Fleisch wieder regt, und fleischliche Gesinnung sich Was herausnehmen will, ruft's aus dem Fleisch heraus: „Halt! ich vermag es nicht.“ - Da wird Einer fromm, oder einstweilen zahm, und ist schon Was gewonnen, wenn man dabei die göttlichen Zügel spüret.

So hat der große Arzt der Seelen (2. Mos. 15, 26,) schon manche kranke Seele durch einen Pfahl in's Fleisch curirt; und hat auch schon mehr als Einer gelernet sprechen: Ich danke Dir, daß Du mich gedemüthiget hast, denn wenn Du mich demüthigest, machest Du mich groß. Ps. 18,36. s. 119,67. Hilft es aber nicht, so gesellet sich ein neuer Pfahl zu dem anderen hinzu, oder mit anderen Worten: Gott gebrauchet noch andere Mittel; Er erwecket uns neue Schmerzen; Er nimmt und führet uns in die Wüste, dort freundlich und ernstlich mit uns zu redet Er versenket uns in die Tiefen des Elends, bis daß wir sprechen mit Seinen Elenden: Aus der Tiefe rufe ich, HErr, zu Dir. HErr! höre meine Stimme, laß Deine Ohren merken auf die Stimme meines Flehens. So Du willst, HErr, Sünde behalten, Wer wird bestehen? Denn bei Dir ist die Vergebung, daß man Dich fürchte. Ps. 130.

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