Passavant, Theophil - Naeman, oder Altes und Neues - 9. Ein gefährlich Ding.

Passavant, Theophil - Naeman, oder Altes und Neues - 9. Ein gefährlich Ding.

V. l. Naeman, der Feldhauptmann des Königs zu Syrien, war ein trefflicher Mann vor seinem Herrn, und hoch von ihm gehalten, denn durch ihn gab Jehovah Heil in Syrien.

Ben-Hadad wußte, obschon freilich nur sehr unvollkommen, welch einen Schatz er an seinem Freunde hatte; er konnte des klugen, treuen Dieners nicht entbehren, nicht des Heils eines Gottes, nach dem Er freilich nicht fragte; er hatte seinen Feldhauptmann auf seine Weise lieb, und ließ es an Preis und Ehren, an Silber, Gold und edeln Schätzen, an allerlei reicher, ausgezeichneter Belohnung nicht fehlen, die er ihm vor allem Volk werden ließ.

Das war nichts, denn billig Ding, doch auch gefährlich dem menschlichen Gemüth. Wird uns ja, uns einfachen Bürgern, nicht leicht, wenn es uns gut gehet, und wir in Ehren stehen, bescheiden zu bleiben, und sein demüthig und stille; weiß noch, als ich ein Knabe war, und den schönen Rock an den Sonntagen anzog, und die schöne Preis-Medaille auf der Brust, einherging, war ich um ein Gutes stolzer als ich an den anderen Tagen war; das heißt, an den anderen Tagen war ich's im Grunde nicht minder, nur fehlte die Stange, darum hing sich das Schild nicht aus. Wahrlich, wir wollen's gewissen trefflichen Leuten, einem Feldhauptmann, einem ersten Minister u. s. w. nicht so hoch nehmen, wenn sie mit der Orden Glanz und mit verdienten Ehren überdeckt, etwas stolzer scheinen denn andere, gewöhnliche, gemeine Leute thun; hat ja schon mancher Bürger den Schwindel bekommen, als er hoch stieg.

Unserem ehrenwerthen Naeman ging es nicht also, ob er wohl auch, als ein Adams Kind, nicht so ganz frei von Stolz gewesen sein mag. Es gibt Leute, welche das Köpflein gar hoch einhergehen, wenn sie auch auf keiner sehr erhabenen Stufe der Wesen hienieden stehen; wenn sie aber, z. B. das Straßburger-Münster hinaufsteigen, da wird dem Köpflein schwindlich, alles wird vor ihren Augen blau; sie taumeln, sie wanken, ihre schönste Kraft vergehet; sie vertragen es nicht. Andere steigen getrost und stille hinauf; sie leiden nicht Schwindel, sind droben eben so stark und stille, wie sie unten waren; sie sehen sich um, sie schauen hinunter in die Gassen und Märkte der großen Stadt; - o wie kommt ihnen Alles so ameisenklein vor in all diesem Hin- und Hergehen, diesem bunten Gewimmel der Leute, der Welt! Sie schauen weiter um sich herum: wie stattlich groß das weite und breite Rheinthal an den beiden Seiten des silbernen Stroms, wie groß und herrlich die grünenden Berge, die sich auf Hügel und Berge erheben, - des Schwarzwaldes zur Rechten, der Vogesen zur Linken! Das sind Gottes Werke, und doch nur ein Stäublein an dem großen Eimer Seiner Welten; - und die Himmel drüben, durch Sein Wort gemacht, und all ihr Heer durch den Geist Seines Mundes (Ps. 33,8.); - 0, sie fühlen sich so klein vor dieser Pracht des Allmächtigen, und doch so stark, von Seiner Hand geführet, und so groß, von Seiner Gnade getragen; sie beugen sich, und beten an den allein Guten; tiefer noch beugen sich die Erzengel vor Seinem Thron im Licht.

So mancher Gewaltige, manches gekrönte Haupt stehet auf dem Thron der Könige, oder auf dem Stuhl der Weisheit, der Wissenschaft, der Ehren; je höher gestellt, desto freier der Blick, desto heller die Augen und nüchterner der Sinn; der Weiseste der Heiden hat es ihnen vorgesagt: „Dieses Eine weiß ich nur, daß ich nichts weiß.“ Naeman hat lange vor Socrates gelebt; er trug aber auch den Keim dieser Weisheit der Demüthigen in ihm selbst. In dem stillen Jenseits, - nach seinem vielbewegten Leben hinüber gekommen, da sah er Den, Der sanftmüthig war, und von Herzen demüthig, den schönsten und höchsten der Menschenkinder, und bei diesem Meister lernte er erst die wahre Demuth, das selige Dienersein erkennen, und warum dieser Name Jesus über alle Namen ist. Matth. 11,29. Ps. 46. Phil. 2.

An hohen Bäumen halte dir,
Mein Herz, ein feines Gleichnis für:
Je höher sie sich tragen,
Je höher pflegt,
Wenn Sturm sich regt,
Das Wetter sie zu schlagen.

Die aber, welche niedrig sind,
Und in der Demuth Thal gegründ't.
Wird wohl kein Blitz verzehren.
Kein Donnerstrahl
Wird in dem Thal
Ihr stilles Blühen stören.

Drum, HErr! laß Deine Demuth rein
Zu unser Aller Herzen ein,
Daß wir nicht höher streben,
Als dort hinauf.
Wo unser Lauf
Eindringt in's ew'ge Leben.

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