Murray, Andrew - Die Schule des Gebets - Achte Lektion

Murray, Andrew - Die Schule des Gebets - Achte Lektion

Um seiner Unverschämtheit willen, oder: Die Freimütigkeit der Freunde Gottes.

Und ER sprach zu ihnen: Welcher ist unter euch, der einen Freund hat, und ginge zu ihm zu Mitternacht und spräche zu ihm: Lieber Freund, leihe mir drei Brote, denn es ist mein Freund zu mir gekommen von der Straße und ich habe nicht, dass ich ihm vorlege. Und er darinnen würde antworten und sprechen: mache mir keine Unruhe; die Türe ist schon zugeschlossen, und meine Kindlein sind bei mir in der Kammer; ich kann nicht aufstehen und dir geben. Ich sage euch, und ob er nicht aufsteht und gibt ihm, darum, dass er sein Freund ist, so wird er doch um seines unverschämten Geilens willen aufstehen und ihm geben, wie viel er bedarf.

Die erste Unterweisung des HErrn an Seine Jünger, das Gebet betreffend, finden wir in der Bergpredigt. Einige Zeit später verlangten die Jünger, dass der HErr sie beten lehre. Nachdem ER ihnen das „Unser Vater“ aufs Neue gegeben und sie dadurch angewiesen hatte, was sie zu bitten hätten, wollte ER sie auch lehren, wie sie bitten müssten, und weist sie vor Allem an, festes Vertrauen zu fassen. ER wiederholt die Versicherungen von der Gewissheit der Erhörung und von der Vaterliebe Gottes, die wir aus der Bergpredigt bereits kennen. Aber ER fügt das schöne Gleichnis hinzu von dem unverschämten Freund, der um Mitternacht anklopft, damit wir daraus zweierlei lernen sollen, nämlich: dass Gott will, wir sollen nicht nur allein für uns selbst, sondern auch als Freund der Elenden für Andere bitten, und dass bei solcher Fürbitte das ernstlichste Andringen bei Gott als unserem Freund nötig, erlaubt, ja selbst Gott angenehm sei. Das Gleichnis enthält einen Schatz der reichsten Unterweisung behufs der rechten Fürbitte. Da ist zuerst die Liebe, die den Hungrigen zu helfen sucht. „Mein Freund ist zu mir gekommen.“ Dann die Not, die ruft: „Ich habe nichts, das ich ihm vorsetzte.“ Darauf folgt das Vertrauen, das Mut einflößt. Er hat einen Freund und will zu ihm sagen: „Freund, leihe mir!“ Nun das unerwartete Hindernis in der Entgegnung: „Ich kann nicht aufstehn.“ Dann das Verharren, das keine Weigerung annimmt, „um seines unverschämten Geilens willen wird er ihm geben;“ und endlich der reiche Segen: „so viel er bedarf.“ Welche herrliche Darstellung von dem wunderbaren Weg des Gebets durch Streit, durch Glauben zur Überwindung, auf welchem Weg der Segen Gottes je und je gesucht und gefunden worden ist.

Doch wir wollen uns auf die Hauptsache beschränken, die Gott uns lehren will, nämlich: das Gebet ist ein Freundschaftsverkehr mit Gott. Indem wir Gottes Freunde sind und als solche Seine Hilfe begehren, müssen wir auch die Freunde der Elenden sein, und ihr Bedürfnis vertreten. Und kommen wir einmal zu diesem Punkt, so können wir mit der größten Freimütigkeit um eine Antwort auf unsere Gebete anhalten. Wir können auf zweierlei Art Gebrauch vom Gebet machen. Erstens, um Segen und Kraft für unser eignes Leben zu bekommen. Die andere Weise, die höhere, in der sich die eigentliche Herrlichkeit des Gebets offenbart, ist die Fürbitte, weil das Gebet die Kraft ist, die ein Kind Gottes befähigt, den Himmel zu öffnen, zur Ausbreitung von Gottes Reich, und Gnade zu empfangen zur Rettung Anderer. An Abraham und Mosis und an all' den andern alten Gottesmännern sehen wir, was das ist, die Kraft des Glaubens in der Fürbitte auszuüben. Vor Allem dann, wenn wir als Freunde der Elenden auftreten, haben wir Freimütigkeit, uns auf Gottes Freundschaft zu berufen. Aber dann müssen wir auch als Freunde Gottes leben. Kind bleibe ich, auch wenn ich abirre, aber die Freundschaft hängt von dem Betragen ab. „Ihr seid Meine Freunde, wenn ihr tut, was Ich euch gebiete.“ Abraham glaubte Gott, und ist ein Freund Gottes genannt. O, welche Seligkeit, sagen zu können: „Ich bin ein Freund Gottes, ich kann allezeit bei Ihm Hilfe erlangen, ER gibt mir, was ich bitte, um so viel mehr, wenn ich sagen kann: „HErr, ich bitte nicht für mich selbst, sondern für Andere. Es ist nicht die Selbstsucht dieser Erde, die sich auf die Freundschaft des Himmlischen berufen will, nein, sondern die Liebe. zu den Bedürftigen dieser Erde, von Deinem Geist in mir gewirkt, beruft sich auf Deine Freundschaft für mich. Ich suche den Segen, um ihn sofort wieder auszuteilen.“

Solch' Bitten wird sicher erhört. Wenn ich zu Gott komme, Ihn um Kraft, um Freude, um Segen, um Seinen Geist zu bitten, so sieht ER darauf, was ich damit tun will. Ist's zu meinem eigenen Behagen oder Ruhe, dann empfang' ich nichts. Kann ich aber sagen: „Mein HErr, Du siehst, dass ich trotz meiner Armut und Schwachheit die Pflege dieser bedürftigen Seele auf mich genommen und dass ich Dich nun um drei Brote für sie bitten muss,“ dann empfang ich gewiss Antwort. Ich muss dann nicht erst die Kraft des Segens suchen, um weiter zu wirken, ich muss in meiner Schwachheit beginnen in der festen Hoffnung auf meinen Freund; ich muss mich anbieten und bereit halten, den Segen mitzuteilen; solch einen Bittenden lässt Gott nicht zu Schanden werden. Vielleicht kommt die Erhörung nicht immer sogleich. Das Eine, was der Mensch Gott anbieten kann, um Ihn zu ehren und zu erfreuen, ist: Glaube. Auch die Fürbitte ist eine Glaubensschule. Da wird sowohl unsere Freundschaft mit den Menschen als mit Gott auf die Probe gestellt. Da soll man sehen, ob meine Liebe zu meinem Freund so stark ist, dass ich nicht weggehe, bis ich Hilfe für ihn habe, ob ich wirklich in der Mitternacht meine Ruhe aufopfern kann, um Lebensbrot für ihn zu finden. Da wird. offenbar, ob meine Freundschaft zu Gott so wesenhaft ist, dass ich gewiss bin, ER kann mich unmöglich abweisen, und dass ich darum anhalte, bis ER mir gibt.

O, was ist das anhaltende Gebet doch für ein himmlisches Geheimnis! Der Gott, der verheißen hat, den es verlangt zu geben und der schon den festen Vorsatz hat zu segnen der hält zurück. ER setzt solchen Wert darauf, dass die Liebe Seiner Freunde zu ihren armen Freunden auf Erden sich in ihrer ganzen Stärke zeige, dass ER dieselbe auf die Probe stellt, damit sie durch Überwindung alles Widerstandes, selbst durch die Überwindung der scheinbaren Unwilligkeit Gottes, nur stärker in die Erscheinung trete. Wir sollen unseren reichen Freund im Himmel immer besser kennen lernen, und Ihm ganz vertrauen, damit sie, wenn ER sie in der Schule des anhaltenden Gebets übt, die Erfahrung machen, welche wesentliche Kraft sie in Ihm haben, so sie sich mit festem Willen zu Ihm stellen.

HErr, lehre uns beten!

O, mein teurer HErr und Lehrer! Ich muss wieder im Gebet meine Zuflucht zu Dir nehmen. Dein Unterricht ist so herrlich, aber zu hoch für meinen Verstand. Mein Herz ist zu klein, um den wunderbaren Gedanken zu fassen, dass Dein Vater mein Freund sein will. HErr Jesus, ich vertraue Dir, dass Du mit Deinem Wort auch Deinen Geist in mein Herz geben willst, und ich halte Dein Wort fest: „um seines unverschämten Geilens willen, wird ER ihm geben, so viel er bedarf.“

HErr! Ich bitte Dich, lehre mich mehr und mehr die Erfahrung machen von der Kraft des anhaltenden Gebets. Ich weiß, dass der Vater sich darin zu uns herabneigt, damit Seine himmlische Gnade in uns feste Wurzel fassen und von unserem Gemüt ganz Besitz nehmen kann. Ich weiß, dass ER die heilige Freimütigkeit und Gemeinschaft mit Ihm in uns entwickeln will, damit wir begreifen, wie wesentlich ER Sein Werk auf Erden, das Austeilen Seiner Gaben an diese Gemeinschaft mit Ihm gebunden hat. O HErr, mach' das in mir Leben und Wahrheit! Ja, HErr, lehre mich mit der größten Freude, meinen Anteil an allen Hungrigen und Elenden auf mich zu nehmen, und in der Mitternacht ihretwegen zu Dir zu kommen, um Dich als meinen Freund kennen zu lernen, Der, wenn ich nur anhalte, um meines Zudringens willen, mir geben wird, so viel ich bedarf. Amen.

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autoren/m/murray/murray-die_schule_des_gebets/murray_-_die_schule_des_gebets_-_8.txt · Zuletzt geändert: von aj
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