Murray, Andrew - Die Schule des Gebets - Sechsundzwanzigste Lektion.

Murray, Andrew - Die Schule des Gebets - Sechsundzwanzigste Lektion.

„Nach Seinem Willen“ oder die Freimütigkeit im Gebet.

Und das ist die Freudigkeit, die wir haben zu Ihm, dass, so wir etwas bitten nach Seinem Willen, so hört ER uns. Und so wir wissen, dass ER uns hört, was wir bitten, so wissen wir, dass wir die Bitte haben, die wir von Ihm gebeten haben.
1. Joh. 5,14.15.

Eine der größten Schwierigkeiten, durch welche die Kinder Gottes vom Glaubensgebet zurückgehalten werden, ist sicher dies, dass sie oft nicht wissen, ob das, was sie begehren, wirklich nach Gottes Willen ist. So lange sie darüber in Unsicherheit sind, haben sie keine Freimütigkeit, und können nicht glauben, dass Gott geben wird, was sie verlangen. Sie meinen, wenn sie ihr Begehren vor Gott gebracht haben, müssen sie es Seinem Gutfinden überlassen, was ER tun will. Die Worte des Apostels Johannes: „Wenn wir etwas bitten nach Seinem Willen, so hört ER uns“ nehmen ihnen alle Sicherheit über die Erhörung ihrer Gebete, weil sie denken, dass Johannes von dem verborgenen, ihnen unbekannten Willen Gottes rede. Wie sollten sie denn wissen können, was nach Gottes Willen ist?

Die Absicht des Apostels Johannes ist aber gerade die entgegengesetzte. Er will uns zur Freimütigkeit und zur Glaubensgewissheit im Gebet aufwecken. Er sagt: „Das ist die Freudigkeit, die wir haben zu Ihm, dass, so wir etwas bitten nach Seinem Willen, so hört ER uns.“ Wir sollen sagen können: „Vater, Du weißt, dass ich nach Deinem Willen bitte; ich weiß, dass Du mich erhörst.“ Darum fügt Johannes bei: „So wir wissen, dass ER uns erhört, so wissen wir, dass wir die Bitte haben, die wir gebeten haben.“ Johannes will haben, dass, wenn wir bitten, wir herausfinden sollen, ob unsere Gebete nach dem Willen Gottes sind. Und wenn sie nach dem Willen Gottes sind, kommt die Erhörung manchmal nicht gleich, manchmal nicht ohne anhaltendes Glaubensgebet. Aber durch das Glaubensgebet sollen wir Mut und Kraft bekommen, zu harren, sobald wir wissen, dass unsere Gebete nach Gottes Willen sind, und ER uns darum sicher erhört.

„Aber dies ist gerade die Schwierigkeit,“ antworten manche Christen, „dass ich nicht weiß, ob, was ich begehre, nach Gottes Willen ist. Gottes Ratschluss ist verborgen, es ist unmöglich, herauszufinden, ob Gott nicht etwas Anderes für besser achtet, als was ich begehre, ob ER nicht weise Ursachen hat, um mir zu versagen, was ich verlange.“ Jeder fühlt, dass solche Gedanken das Glaubensgebet, wie Jesus es darstellt, unmöglich machen. Man kann im Vertrauen auf Gottes Weisheit und in Unterwerfung bitten, aber das ist nicht jenes Gebet des Glaubens.1)

Es ist ein Irrtum, wenn Kinder Gottes nicht glauben, dass sie wissen können, ob ihr Begehren wirklich nach Gottes Willen sei, oder wenn sie sich nicht die Mühe geben, es ausfindig zu machen. Unser großes Bedürfnis ist es, klarer darüber zu werden, auf welchem Weg der Vater sein bittendes Kind leiten will, und wie herrlich dieser Weg ist, weil er zur Gewissheit im Gebet führt. Durchs Wort Gottes, das wir ins Herz, ins Leben und in den Willen aufgenommen haben, und durch den Geist Gottes, wenn wir uns an Seine Inwohnung und Leitung übergeben, soll uns bekannt gegeben werden, ob unsere Begehren nach Gottes Willen sind.

Durchs Wort. Der kindliche Glaube hält sich einfältig an die Versicherung des Vaters, dass ER erhört, was im Glauben an Sein Wort, welches der Ausdruck Seines Willens ist, gebeten wird. Der Vater hat in diesem Wort die großen Grundzüge Seines Willens bekannt gemacht. Das Kind soll diesen Willen in den besonderen Fällen seines Lebens, auf die es sich bezieht, anzuwenden wissen. Was sich in den Grenzen dieses offenbarten Willens bewegt, darum darf das Kind bitten, das darf es erwarten. In Seinem Wort macht Gott uns mit Seinem Plane und mit Seinem Willen, mit uns, Seinem Volk, bekannt; ER gibt die herrlichsten Verheißungen in Beziehung auf die Gnade und Kraft, wodurch ER in Seinem Volk Sein Werk zur Ausführung bringen will. Zur Aufklärung kann dienen, was Johannes in seinem ersten Brief, Kap. 5, V. 16, sagt: „Wenn Jemand sieht seinen Bruder sündigen, eine Sünde nicht zum Tode, der mag bitten, so wird ER das Leben geben dem, der da sündigt nicht zum Tode.“ Dies ist ein offenbarter Gotteswille. Der Gläubige, der auf Grund dessen bittet, hat Freimütigkeit, um zu glauben und zu wissen, dass er seine Bitte bekommt. Doch die Offenbarung von Gottes Willen ist geistlich und kann allein geistlich unterschieden werden. Jeder Christ hat nicht dieselbe Gabe und nicht denselben Beruf, und während der allgemeine Wille Gottes für alle derselbe ist, so hat ER auch für jedes Einzelne einen unterschiedenen besonderen Willen. Und darin besteht die christliche Weisheit, diesen besonderen Gotteswillen zu erkennen, darin zu wandeln, und das zu erbitten, was Gott gerade für diese und jene Person als möglich bestimmt hat. Dazu ist der Heilige Geist gegeben. Die persönliche Anpassung der allgemeinen Verheißungen des Wortes nach den besonderen Umständen und Bedürfnissen das ist Sein herrlich Werk, das will der Heilige Geist geben. Die Mühe, die viele Christen haben, Gottes Willen, sei es fürs Bitten oder fürs Wirken, zu erkennen, ist eine doppelte: Einige suchen diese Erkenntnis in einer Überzeugung ihres Herzens oder im Gefühl anstatt im Wort. Andere suchen sie im Wort, aber ohne lebendigen Glauben in die Leitung des Heiligen Geistes. Wir müssen Beides festhalten: im Wort und durch den Heiligen Geist und nicht anders sollen wir den Willen Gottes kennen lernen. Wer denselben auf diesem Wege sucht, kann darauf rechnen, dass er ihn erkennen wird.

Aber vergessen wir nicht, auf welchem Weg der Geist uns Seine Belehrung zu Teil werden lässt, nämlich durch Inwohnung. Das Wort muss in uns wohnen und in uns bleiben. Herz und Leben muss von Tag zu Tag unter die Herrschaft des Worts kommen. Nicht von außen, sondern von innen kommt die Erleuchtung des Geistes. Nur der, welcher sich dem Willen Gottes in Seinem Wort ganz übergibt, kann hoffen, deutlich zu sehen, was in besonderen Fällen nach Gottes Willen gebeten werden kann. Denn das Wort und der Geist wollen nicht nur bei besondern Gelegenheiten zu Rate gezogen werden, sondern sie müssen ununterbrochen. unser Leben sein, dann kann Verstand und Gemüt dazu erzogen und fähig gemacht werden, Gottes Willen zu erkennen. Christen! Wenn ihr dem Gedanken Raum gebt: „Ich weiß nicht, ob das, was ich bitte, nach Gottes Willen ist, darum will ich mich zufrieden geben, wenn ich auch nicht erhört werde,“ so tut ihr euch Schaden. Gottes Wort sagt: „Ihr bittet und ihr empfangt nicht, darum, dass ihr übel bittet.“ Das wird so viel heißen, als: in eurem Bitten ist Vieles, das gebrechlich und sündig ist. Es geschieht nicht wirklich im Namen Jesu, im Glauben, im Begehren nach der Ehre Gottes, noch ist die Sache selber nach Seinem Willen. Dadurch, dass der Vater euch nicht antwortet, will ER euch näher ziehen, euch auf das Verkehrte in eurem Leben und Bitten hinweisen, und euch reinigen und heilen, euch das wahre, kräftige Glaubensgebet lehren. Aber das kann ER nur, wenn ihr euch zur Selbstuntersuchung willig finden lasst in Beziehung auf die Ursachen, warum ER euer Gebet nicht erhört. Die zeitweise Verweigerung einer Antwort ist der Ofen, darin die Bewährung eures Glaubens vorgenommen wird, und diese ist viel köstlicher als die des Goldes, das im Feuer geläutert ist. Durch dieselbe wird euer Glaube stark und rein werden. Diese Absicht Gottes wird aber vereitelt, wenn ihr sprecht: „ER erhört mich nicht; es scheint also nicht Sein Wille zu sein, mir diese Sache zu geben.“ O, werft doch die Schuld der Nicht-Erhörung eures Gebets nicht länger auf den verborgenen Willen Gottes, sondern erkennt eure Trägheit und Unreinheit. Glaubt es doch, dass ihr wissen könnt, ob eure Bitte nach Gottes Willen ist. Nehmt euch die Zeit und die Mühe, euch das Wort der Verheißung wirklich zuzueignen. Werdet aufrichtig in der ungeteilten Übergabe an die Herrschaft und Leitung des Geistes. Haltet an im Gebet vor dem HErrn, damit ER euch durch Sein Wort und durch Seinen Geist entweder „nein“ sagt, oder euch sehen lässt, dass euer Verlangen innerhalb der Grenzen der Verheißung steht. Lasst Sein Wort: „Ihr kriegt nicht, darum, dass ihr übel bittet“, uns wie eine Leuchte durchsuchen und uns dazu dienen, dass wir bereuen und verlassen, was in unserem Gebet Verkehrtes ist. Ihr sollt verstehen, wie herrlich das Wort des Johannes ist, als eine Versicherung, dass unser Gebet im Himmel erhört ist, noch ehe wir die Antwort selbst vernommen haben: „So wir wissen, dass ER uns hört, was wir bitten, so wissen wir, dass wir die Bitte haben, die wir von Ihm gebeten haben.“

HErr! lehre uns beten!

O mein HErr; von Herzen danke ich Dir für diese Lektion, dass der Weg zur sicheren Gebetserhörung der ist, nach Gottes Willen zu bitten. HErr, lehre mich diesen Willen recht erkennen, und in allen meinen Bitten auf diesen Willen bauen, als auf den festen Grund meines Glaubens. Lehre mich im Gebet gebrauchen, was ich von Deinem Willen erkannt habe, so werde ich dazu heranwachsen, Deinen Willen in Allem zu erkennen.

Es ist der Wille des Vaters, dass Sein Kind Seine Hilfe und Seine Gegenwart genieße. Es ist der Wille des Vaters, dass Alles im Leben Seines Kindes nach Seinem Wort eingerichtet sei, und dazu will ER ihm die Leitung Seines Geistes schenken. Es ist der Wille des Vaters, dass Sein Kind jeden Tag Gebetserhörungen erfahre, damit es in der lebendigen Gemeinschaft mit Seinem Gott bleibe. Ich weiß, dass dies Alles der Wille des Vaters ist, und gewiss geschehen soll, sobald der Glaube diesen Willen ergreift, und sich damit den Weg eröffnet, zu wirken vor Ihm!

HErr, lehre mich an die Herrlichkeit dieses Willens glauben. Dein Wille ist die ewige Liebe; die mit göttlicher Kraft ihren Rat vollbringt, sobald sich der menschliche Wille nur dazu hergibt. O mein Heiland! Du kannst mir dies lehren. Du kannst mich zur Einsicht bringen, dass Gebot und Verheißung in der Schrift von Gott ist, und Seinen Willen ausdrückt, dessen Erfüllung ER mir damit Selber verbürgt. Möchte also der Wille Gottes der Felsgrund werden, auf dem mein Glaube und mein Gebet stets ruht. Amen.

1)
Anm. d. übers. Viele meinen, sie bitten im Glauben, der die Berge versetzt, und sie bitten im Eigenwillen. Da hat ein Gebet im Vertrauen auf Gottes Verheißung und in Unterwerfung unter Gottes Ratschluss doch mehr Wert, als ein eigenwilliges Drängen, mit Berufung auf die Verheißungen. Der Verfasser hat eben nur herangereifte Christen im Auge, die geübte Sinne haben, das Gute und das Böse zu unterscheiden, Ebr. 5,14. Diese können dann allerdings den Willen Gottes unterscheiden, und wird ihrem Glaubensgebet auch die nüchterne Unterwerfung nicht fehlen.
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