Murray, Andrew - Der Geist Jesu Christi - 5. Der Geist Jesu Christi. Der Geist Jesu des Verklärten.

Murray, Andrew - Der Geist Jesu Christi - 5. Der Geist Jesu Christi. Der Geist Jesu des Verklärten.

Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von des Leibe werden Ströme des lebendigen Wassers fließen. Das sagte er aber von dem Geist, welchen empfangen sollen, die an Ihn glaubten; denn der Heilige Geist war noch nicht da, denn Jesus war noch nicht verklärt.“ (Joh. 7,38.39).

Hier verheißt unser HErr, dass diejenigen, die zu Ihm kommen und trinken, die an Ihn glauben, nicht nur nicht mehr dürsten werden, sondern sie sollen selbst Quellen werden, aus denen lebendiges Wasser, Leben und Segen fließen soll. Indem Johannes diese Worte aufzeichnet, erklärt Er, dass die Verheißung eine noch zukünftige sei, deren Erfüllung erst nach der Ausgießung des Geistes zu erwarten sei. Er gibt auch zwei Gründe dieses Aufschubs an: „Der Heilige Geist war noch nicht da“; „denn Jesus war noch nicht verklärt.“ Jener Ausdruck: „Der Geist war noch nicht da“, mag befremdlich lauten, aber er kann uns zum Verständnis dessen verhelfen, was der wahre Sinn des andern Ausspruchs ist, dass der Geist nicht kommen konnte, ehe Jesus verklärt war.

Wir haben bereits gesehen, dass Gott sich auf zweifache Weise offenbart hat, zuerst im Alten Testament, als Gott, und dann im Neuen, als Vater. Wir wissen, wie der Sohn, der von Ewigkeit her bei dem Vater war, eine neue Stufe seines Lebens betrat, als Er Fleisch wurde. Als Er in den Himmel zurückkehrte, war Er noch derselbe eingeborene Sohn Gottes, und doch nicht mehr ganz derselbe. Denn nun war Er auch, als Menschensohn, der Erstgeborene von den Toten, mit jener verklärten Menschlichkeit bekleidet, die Er selbst zur Vollkommenheit gebracht und geheiligt hatte. Ebenso war der zu Pfingsten ausgegossene Geist Gottes etwas ganz neues. Im Alten Testament hieß Er immer: Der Geist Gottes, oder: Der Geist des HErrn; den Namen „Heiliger Geist“ hatte Er bis dahin noch nicht getragen.1)

Erst in Verbindung mit dem Ihm obliegenden Werk, dem Heiland Bahn zu machen und Ihm einen Leib zu bereiten, kommt sein Eigenname zur Anwendung. Als Er an Pfingsten ausgegossen wurde, da kam Er als der Geist des verklärten Jesu, der Geist des fleischgewordenen, gekreuzigten und erhöhten Christus, als der Träger und Vermittler des Lebens Gottes, so wie es in der Person Jesu Christi mit unserer menschlichen Natur verwoben wurde, auf uns. In dieser Eigenschaft vornehmlich trägt Er den Namen des Heiligen Geistes. Von diesem Geist nun, wie Er in Jesu wohnte, als Er noch im Fleisch war, und auch in unserem Fleisch wohnen kann, ist es buchstäblich wahr: Der Heilige Geist war noch nicht da. Der Geist des verklärten Jesu, des zum Gottessohn erhobenen Menschensohnes - das konnte Er nicht sein, bis Jesus verklärt war.

Dieser Gedanke erschließt uns ferner auch den Grund, weshalb nicht der Geist Gottes als solcher, sondern der Geist Jesu uns gesandt werden konnte, um Wohnung in uns zu machen. Die Sünde hatte nicht nur unser Verhältnis zu Gottes Gesetz, sondern zu Gott selbst gestört; mit dem göttlichen Wohlgefallen hatten wir auch das göttliche Leben verscherzt. Jesus ist gekommen, um uns Menschen nicht nur von dem Gesetz und seinem Fluch zu erlösen, sondern um unsere menschliche Natur wieder in die Gemeinschaft mit Gott zu bringen und uns teilhaftig zu machen der göttlichen Natur. Dies konnte Er nicht dadurch erreichen, dass Er mit göttlicher Macht auf den Menschen einwirkte, sondern nur auf dem Pfade freier, sittlicher und durchaus menschlicher Entwickelung. Durch seine eigene Persönlichkeit, da Er unser Fleisch an sich genommen hatte, sollte Er unser Fleisch heiligen und es empfänglich und tüchtig machen für die Innewohnung des Geistes Gottes. Hierauf musste Er, dem Naturgesetz entsprechend, da eine niedrigere Form des Lebens nur durch Verwelkung und Tod zu einer höheren Stufe emporsteigen kann, in seinem Tod den Fluch der Sünde tragen, und sich selbst als Samenkorn hingeben, um in uns Frucht hervorzubringen.

Aus seinem durch die Auferstehung und Himmelfahrt verklärten Wesen strömte nun sein Geist aus, damit Er uns alles dessen teilhaftig mache, was uns Jesus erwirkt und erworben hatte. Als Frucht der Versöhnungstat hatte von nun an der Mensch ein Anrecht auf die Fülle des göttlichen Geistes und auf seine Innewohnung wie niemals zuvor. Und weil Er uns zu gut in seiner Person eine neue heilige menschliche Natur dargestellt hat, so konnte Er, was vorher unmöglich gewesen wäre, uns nun ein Leben mitteilen, das zugleich menschlich und göttlich ist. Von nun an konnte der Geist das persönliche Leben der Menschen werden, gerade so wie Er das persönliche, göttliche Leben ist. Wie der Geist in Gott selbst der persönliche Lebenstrieb ist, so kann Er es auch im Kinde Gottes sein, der Geist des Sohnes Gottes kann nun in unseren Herzen rufen: „Abba, lieber Vater!“ Von diesem Geiste kann in Wahrheit gesagt werden: „Der Geist war noch nicht da, denn Jesus war noch nicht verklärt.“

Nun aber ist Jesus verklärt, nun ist der Geist des verklärten Jesu da, und die Verheißung kann erfüllt werden: Wer an mich glaubt, von des Leibe sollen Ströme lebendigen Wassers fließen. Die große Umwandlung, die damals stattfand, als Jesus verklärt wurde, ist nun zur ewig gültigen Tatsache geworden. Als Jesus, in unserer menschlichen Natur, in unserem Fleische, in das Allerheiligste eingegangen war, da geschah das, wovon Petrus spricht: „Nun Er durch die Rechte Gottes erhöht ist, hat Er empfangen die Verheißung des Heiligen Geistes vom Vater.“ An unserer Stelle und um unsertwillen, als Mensch, ja als Haupt der Menschheit, ist Er der vollen Herrlichkeit der göttlichen Natur teilhaftig geworden und kann nun den Heiligen Geist mitteilen. Und der Heilige Geist konnte herabkommen als der Geist des Gottmenschen Er war in der Tat der Geist Gottes und doch ebenso wahrhaftig der Geist des Menschen. Er war nun der Geist des verklärten Jesu, der in dem Herzen eines jeden Gläubigen wohnen will als das persönliche Leben Jesu und zu gleicher Zeit auch als das persönliche Leben des Gläubigen selbst. Als Jesus auf den Thron der Herrlichkeit erhöht wurde, da war die vollständige Vereinigung Gottes und des Menschen vollkommen zustande gebracht, und Er betrat nun eine neue Stufe, eine bis dahin ungekannte Herrlichkeit; im Zusammenhang damit trat auch das Leben und Wirken des Heiligen Geistes in eine neue Bahn. Er kommt nun als Zeuge der vollkommenen Vereinigung zwischen der göttlichen und menschlichen Natur, und indem Er den Sitz unsers Lebens einnimmt, macht Er uns dieser Vereinigung teilhaftig. Nun ist Er da, der Geist des verklärten Jesu. Er hat Ihn ausgegossen; wir haben Ihn empfangen als einen Strom, der uns durchfließen und in Strömen des Segens aus uns fließen will.

Die Verklärung Jesu und die Ausströmung seines Geistes stehen im genauesten Zusammenhang; durch eine Lebensgemeinschaft sind die beiden unzertrennlich verbunden. Wollen wir nicht nur den Geist Gottes, sondern diesen Geist Jesu Christi, der einstmals „nicht da war,“ nun aber da ist, den Geist des verklärten Jesu empfangen, so muss unser Glaube sich hauptsächlich an den verklärten Jesum wenden. Wir dürfen uns nicht einfach zufrieden geben mit dem Glauben, der durch das Kreuz die Vergebung der Sünden erfasst; sondern es muss uns ein Anliegen sein, das neue Leben kennen zu lernen, das Leben der Herrlichkeit und der göttlichen Kraft im menschlichen Leben, dessen Zeuge und Spender der Geist des verklärten Jesu ist.

Dies ist das Geheimnis, das verborgen gewesen ist von der Welt her und von den Zeiten her, das uns aber durch den Heiligen Geist kund gemacht worden ist, nämlich: Christus in uns, wie Er tatsächlich sein göttliches Leben in uns, die wir noch im Fleische wohnen, führen kann. Es ist für uns persönlich von der höchsten Wichtigkeit, dass wir wissen und verstehen, was das bedeutet, dass Jesus verklärt ist, dass die menschliche Natur Anteil hat an dem Leben und der Herrlichkeit Gottes, dass der Geist noch nicht da war, ehe Jesus verklärt war. Und dies nicht nur, weil wir Ihn einst sehen und mit Ihm sein werden in seiner Herrlichkeit. Nein, jetzt schon, Tag für Tag sollen wir dies an uns erleben; der Heilige Geist kann uns gerade so viel sein, als wir von Ihm und dem Leben des verklärten HErrn haben oder empfangen wollen.

„Das sagte Jesus von dem Geist, welchen empfangen sollten, die an Ihn glaubten; denn der Heilige Geist war noch nicht da, denn Jesus war noch nicht verklärt.“ Gelobt sei Gott! Nun ist Jesus verklärt; nun ist der Geist des verklärten Jesu da; wir haben Ihn empfangen. Im Alten Testament hatte sich Gott als eine Einheit offenbart; wenn der Geist genannt wurde, so geschah es immer in dem Sinne, dass Er die Kraft sei, durch die Gott wirke; als göttliche Person war Er auf Erden unbekannt. Im Neuen Testament ist uns die Dreieinigkeit offenbart; am Pfingsttage kam der Heilige Geist herab, um als göttliche Person in uns zu wohnen. Das ist die Frucht des Werkes Jesu, dass wir jetzt die persönliche Gegenwart des Heiligen Geistes auf Erden haben. Gerade wie in der Person Christi Jesu der Sohn zu uns kam, um den Vater zu offenbaren, der in Ihm wohnte und durch Ihn sprach; ebenso kommt der Geist, die dritte Person der Gottheit, um den Sohn zu offenbaren, der durch Ihn in uns wohnt und wirkt. Dies ist die Herrlichkeit, womit der Vater des Menschen Sohn verklärt hat, weil der Sohn Ihn verklärt hatte, dass in seinem Namen und durch Ihn der Heilige Geist persönlich in den Herzen der Gläubigen wohnen kann, um die Gegenwart des verklärten Jesu in ihnen zur Wirklichkeit zu machen. Hiervon spricht Jesus, wenn Er sagt, dass, wer an Ihn glaube, nimmermehr dürsten werde, sondern dass Ströme lebendigen Wassers aus ihm fließen sollen. Dies allein, die persönliche Innewohnung des Heiligen Geistes, der die Gegenwart des verklärten Jesu offenbart, dies ist es, was den Durst der Seele stillt und sie zu einer Quelle des Lebens auch für andre machen kann.

„Wer an mich glaubt, von des Leibe werden Ströme. des lebendigen Wassers fließen. Das sagte Er aber von dem Geist.“ Hier finden wir wieder den seligen Schlüssel zu allen Schätzen Gottes: „Wer an mich glaubt.“ Der verklärte Jesus tauft mit dem Heiligen Geist: Lasst uns an Ihn glauben. Wer nach dem vollkommenen, hier verheißenen Segen verlangt, der glaube. Lasst uns an Ihn glauben, dass Er verklärt ist, und dass alles, was Er ist und tut und ausführen will, in der Macht göttlicher Herrlichkeit geschieht. Gott kann nun in uns wirken, nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit. Lasst uns glauben, dass Er seinen Heiligen Geist gegeben hat, dass wir die persönliche Gegenwart des Geistes auf Erden und in unseren Herzen haben. Durch diesen Glauben wird die Herrlichkeit Jesu im Himmel und die Macht des Geistes in unseren Herzen unzertrennlich zusammengefügt. Lasst uns glauben, dass sich in der Gemeinschaft mit Jesu der Strom des Geistes immer stärker und völliger in uns ergießen und von uns ausfließen wird. Ja, lasst uns glauben an Jesum! Aber wir müssen wohl bedenken, dass an diese Verheißungen denken, sie verstehen, sich über den völligen Einblick in ihre Bedeutung freuen und derselben gewiss sein, so notwendig alles dies sein mag, doch an sich noch nicht glauben ist.

Glaube ist Hingabe: Glaube ist jene Macht der erneuerten Natur, wodurch sie sich selbst verleugnen und sterben kann, um dadurch dem göttlichen Wesen, ja Gott und dem verklärten Jesu selbst, Raum zu machen, damit Er kommen und Besitz von dem Herzen ergreifen und dann sein Werk vollführen könne. Der Glaube an Jesum beugt sich stille, demütig und arm im Geist vor Ihm, erkennt, dass das eigene Ich nichts ist und nichts hat, und dass ein andrer, der unsichtbare Geist nun gekommen ist, um das Ruder des Lebens selbst in die Hand zu nehmen, seine Kraft und sein Alles zu sein. Der Glaube an Jesum wartet in tiefer Stille der Hingabe auf Ihn und weiß gewiss, Er wird den Strom des Lebens fließen lassen.

Lieber Herr Jesu! Ich glaube, hilf meinem Unglauben. Du, der du bist der Anfänger und Vollender unsers Glaubens, vollende das Werk des Glaubens auch in mir. Lehre mich, ich bitte dich, in dem Glauben, der das Unsichtbare erfasst, zu erkennen, was deine Herrlichkeit ist, und wie ich jetzt schon Anteil bekommen kann an deinem Wort: „Ich habe ihnen gegeben die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast.“ Zeige mir, dass der Heilige Geist und seine Macht die Herrlichkeit ist, die du uns gegeben hast, und dass wir deinen Ruhm. dadurch verkündigen können, dass wir uns seiner heiligen Gegenwart auf Erden und seiner Innewohnung in uns freuen. Lehre mich vor allem, lieber HErr, diese herrliche Wahrheit nicht nur mit dem Verstand, sondern mit meinem Geist und Herzen zu erfassen, und vor dir auf die Fülle des Geistes zu warten.

O mein verklärter HErr! In diesem Augenblick beuge ich mich in demütigem Glauben vor deiner Herrlichkeit. Während ich vor dir liege und dich anbete, lass das eigene Fleisch schweigen und zu Grunde gehen. Möge der Geist der Herrlichkeit mein Leben werden, möge seine Gegenwart alles Selbstvertrauen zerbrechen und dir Raum schaffen in mir. Mein ganzes Leben sei ein Leben im Glauben des Sohnes Gottes, der mich geliebt hat und sich selbst für mich dargegeben. Amen.

  1. Wir sehen in Jesu zuerst einen nach außen niederen Stand in Knechtsgestalt, der seinem herrlichen Stand als König voranging. Seine Treue im ersteren führte Ihn zum zweiten. Jeder Gläubige, welcher danach verlangt teil zu haben mit Jesu an seiner Herrlichkeit, muss Ihm zuerst in der Selbstverleugnung getreulich nachfolgen; zu rechter Zeit wird dann der Geist auch die Herrlichkeit an ihm offenbaren.
  2. Jesu Herrlichkeit war zunächst die Frucht seines Leidens und seines Kreuzestodes. Indem ich den Tod am Kreuze von seinen zwei Seiten, Jesu Kreuzigung für mich, meine Kreuzigung mit Jesu, erfahre, wird das Herz aufgeschlossen für des Geistes Offenbarung von dem verherrlichten Jesu.
  3. Nicht die herrlichen Gedanken und Eindrücke, die ich zu Zeiten haben mag über die Herrlichkeit des HErrn, können meine Seele sättigen. Wenn Jesus selbst in mir, in meinem persönlichen Leben verklärt wird dadurch, dass Er in göttlicher und himmlischer Macht sein Leben der Herrlichkeit mit dem meinigen verbindet nur dann kann sein Herz und mein Herz befriedigt werden.
  4. Aufs neue rufe ich: Gott sei gelobt, dieser Geist, der Geist des verklärten Jesu ist in mir. Er hat von meinem innersten Leben Besitz genommen. Durch seine Gnade will ich mich zurückziehen von den Wegen der Selbstsucht und der Sünde, und in festem Vertrauen anbetend darauf warten, dass Er mein Herz völlig durchdringen und meinen HErrn in mir verklären möge.
1)
Die zwei einzigen Stellen (Ps. 51,13; Jes. 63,10.11), wo Er in unserer Übersetzung „Heiliger Geist“ genannt wird, heißt eigentlich im Hebräischen (s. Stiers Kommentar) „der Geist seiner Heiligkeit“.
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