Murray, Andrew - Der Geist Jesu Christi - 24. Der Tempel des Heiligen Geistes.

Murray, Andrew - Der Geist Jesu Christi - 24. Der Tempel des Heiligen Geistes.

Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid, und der Geist Gottes in euch wohnt?“ (1 Kor. 3,16.)

Wenn die Heilige Schrift das Bild des Tempels braucht als Darstellung der Wohnung Gottes in unseren Herzen, so fordert sie uns dadurch auf, nach dem Zusammenhang zwischen beiden zu forschen. Der Tempel wurde genau nach dem Vorbild gemacht, das Moses auf dem Berge gesehen hatte als einen Schatten des ewigen geistlichen Wesens, auf das er hindeuten sollte. Die göttliche Wahrheit ist überaus reichhaltig und kann sich auf die mannigfaltigste Art anwenden lassen, eine dieser Anwendungen, die im Vorbild des Tempels angedeutet wird, bezieht sich auf des Menschen dreifaches Wesen: Leib, Seele und Geist. Weil der Mensch nach dem Ebenbild Gottes geschaffen war, so wird uns im Tempel nicht nur das Geheimnis offenbart, wie der Mensch sich zu Gott nahen könne, sondern ebenso wie Gott in den Menschen eingehen wolle, um dort seine Wohnung aufzuschlagen.

Die drei verschiedenen Abteilungen des Tempels sind uns wohlbekannt. Zunächst, allen Menschen sichtbar, war der äußere Vorhof, in den jeder Israelit Einlass fand, und wo der ganze äußerliche Teil des Gottesdienstes verrichtet wurde. Dann kam das Heilige, das nur die Priester betreten durften, um Gott das Blut oder den Weihrauch, das Brot oder das Öl, das sie von außen hereinbrachten, zu weihen. Aber ob diese wohl soweit sich nahen durften, so kamen sie doch nicht hinter den Vorhang; vor der unmittelbaren Gegenwart Gottes konnten sie nicht erscheinen. Gott wohnte im Allerheiligsten, in unerreichbarem Lichte, dem niemand wagen durfte sich zu nähern. Der kurze Augenblick, den einmal im Jahr der Hohepriester hineingehen durfte, sollte es dem Volk nur zu desto völligerem Bewusstsein bringen, dass da für die Menschen kein Platz sei, ehe der Vorhang zerrissen und hinweggetan wäre.

Der Mensch ist Gottes Tempel. Auch in ihm finden sich jene drei Teile. Im Leib haben wir den Vorhof, das äußere, sichtbare Leben, wo der ganze Wandel sich nach Gottes Gesetz zu richten hat, und wo der ganze Gottesdienst darin besteht, dass wir auf das blicken, was außer uns und für uns getan worden ist, um uns Gott nahe zu bringen. Dann kommt die Seele, mit ihrem inneren Leben, ihrer Kraft des Verstands, des Gefühls und des Willens. In dem wiedergeborenen Menschen ist dies das Heilige, in welchem die Gedanken, Regungen und Wünsche hin und her sich bewegen, gleich den Priestern im Heiligtum, die Gott im hellen Lichte und mit vollem Bewusstsein dienen. Und dann, hinter dem Vorhang, von allem menschlichen Licht und Anblick ausgeschlossen, kommt das verborgene innerste Heiligtum, wo Gott wohnt, das kein Mensch betreten kann, bis auf Gottes eigenen Befehl der Vorhang zerrissen wird. Der Mensch hat nicht nur einen Leib und eine Seele, sondern auch einen Geist. In der innersten Tiefe seines Wesens, das die Seele mit ihrem Bewusstsein nicht erreichen kann, da ist der Geist, der den Menschen mit Gott verbindet. So furchtbar ist die Macht der Sünde, dass in manchem dieses Geisteswesen dem Tode anheimgefallen ist: „Sie sind fleischlich und haben keinen Geist.“ In andern ist es nicht viel mehr als eine still gestellte Kraft; es ist aber da die Möglichkeit vorhanden, dass sie von dem Heiligen Geist ins Leben gerufen werde. In dem Gläubigen ist dies die innere Herzenskammer, von der der Heilige Geist Besitz ergriffen hat und worin Er sein herrliches Werk ausführen will, dass Seele und Leib dem HErrn geheiligt werden.

Aber diese Innewohnung bringt oft verhältnismäßig wenig Segen, es sei denn, dass sie anerkannt werde, dass der Mensch sich ihr hingebe und in anbetender Liebe sie festhalte. Was die Wahrheit, dass wir Gottes Tempel sind, weil sein Geist in uns wohnt, uns vor allem lehren muss, ist dies: Dass wir die heilige Gegenwart Gottes anerkennen, welche in uns Wohnung gemacht hat. Dies allein wird es uns möglich machen, den ganzen Tempel, bis zum äußeren Vorhof, als seinem Dienst geweiht, zu betrachten, und jede Fähigkeit unsers Wesens seiner Führung und seinem Willen zur Verfügung zu stellen. Das Allerheiligste des Tempels war die geweihte Stätte, um deren willen das ganze erbaut, und von welcher es abhängig war. Obschon die Priester niemals hineingehen, noch die dort thronende Herrlichkeit sehen durften, so wurde doch ihr ganzer Wandel geleitet, ihr Glaube belebt, durch den Gedanken an die unsichtbare Gegenwart Gottes, die darin wohnte. Dies war es, was der Besprengung mit Blut und dem dargebrachten Weihrauch seinen Wert verlieh. Dies war es, was ihnen das Herannahen zu einem Vorrecht machte, was ihnen die Zuversicht gab, hinauszugehen, um das Volk zu segnen. Es war das Allerheiligste, das den Ort, da sie dienten, ihnen zum Heiligtum machte. Ihr ganzes Leben war durch den Glauben an die unsichtbare, hinter dem Vorhang wohnende Herrlichkeit beeinflusst und geleitet.

Nicht anders ist es bei dem Gläubigen. Er wird es nicht Lernen, seinem heiligen Beruf mit der ihm geziemenden heiligen Ehrfurcht und freudigen Zuversicht sich hinzugeben, bis er im Glauben vor dem wunderbaren Geheimnis, dass er ein Tempel Gottes sei, weil Gottes Geist in ihm wohnt, mit Scheu und Zittern still gestanden ist. So lange er nur in das Heilige, in sein Herz blickt, insoweit ein Mensch sehen und wissen kann, was da vorgeht, so wird er oft umsonst nach dem Heiligen Geist ausschauen, oder nur eine Ursache tiefer Beschämung darin finden, dass seine Wirkungen so gering und schwach sind. Ein jeder muss lernen, dass es auch ein Allerheiligstes gibt in dem Tempel, der er selber ist; „die heilige Wohnung des Höchsten“ in uns, muss der Mittelpunkt unsers Tempeldienstes werden. Dies muss die tiefe Bedeutung unsers Bekenntnisses sein: „Ich glaube an den Heiligen Geist.“

Wie sollen wir nun zu diesem tiefgewurzelten Glauben an die verborgene Innewohnung des Geistes in uns gelangen? Auf dem Boden des Wortes Gottes stehend, müssen wir das, was es uns darüber lehrt, annehmen und uns aneignen. Wir müssen uns die Mühe nehmen zu glauben, dass Gott zu seinem Wort steht. Ich bin ein Tempel; ein Tempel wie Gott ihn zu bauen vor Alters befohlen hatte; Er wollte, dass ich in jenem Vorbild sehen sollte, was meine Bestimmung sei. Dort war das Allerheiligste der Mittelpunkt, die wesentliche Hauptsache. Es war dunkel, geheimnisvoll verborgen, bis dass der Vorhang hinweggetan wurde. Sowohl der Priester als das Volk mussten daran glauben. Das Allerheiligste in mir ist auch unsichtbar und verborgen, der Glaube allein kann es erfassen und damit umgehen. Wenn ich mich dem Hohen und Erhabenen nähere, so will ich mich in tiefer Ehrfurcht vor Ihm beugen; ich will Ihm sagen, dass ich glaube, wenn Er spricht: Dass der Heilige Geist, Gott, eins mit dem Vater und dem Sohn, schon jetzt Wohnung in mir gemacht hat. Ich will stille sein und mich darein vertiefen, bis ein Strahl der überwältigenden Herrlichkeit jener Wahrheit mich erleuchte und ich anfange es zu erfahren: Ich bin sein Tempel, und Er hat seinen Thron aufgeschlagen im verborgenen Heiligtum. Indem ich mich in stiller Andacht und Anbetung Tag für Tag Ihm hingebe, und mein ganzes Wesen vor Ihm aufschließe, und ihm darstelle, wird Er nach der Macht seiner lebendigen, göttlichen Liebe, das Licht seiner Gegenwart auch in mein Bewusstsein treten lassen.

Wenn dieser Gedanke das Herz erfüllt, so wird der Glaube an die innewohnende, obwohl geheimnisvolle Gegenwart des Heiligen Geistes seinen Einfluss ausüben: Das Heilige wird von dem Allerheiligsten beherrscht sein. Das ganze Gebiet der Seele, alle ihre Gedanken und Gefühle, ihre Regungen und Bestrebungen werden sich vor der im Innersten auf dem Thron sitzenden Macht beugen und sich ihr unterwerfen. Mitten in der schrecklichen Erfahrung der Sünde und des Mangels, wird die Morgenröte einer neuen Hoffnung aufgehen. Lange habe ich vergeblich gerungen, das Heiligtum meinem Gott zu bewahren, weil ich nicht wusste, dass Er sich das Allerheiligste selbst bewahrt. Wenn ich Ihm dort in der heiligen Anbetung des inneren Tempels, die Ehre gebe, die Ihm gebührt, so wird Er sein Licht und seine Wahrheit durch mein ganzes Wesen leuchten lassen, und mir seine Macht zu heiligen und zu segnen, offenbaren. Durch die Seele, die jetzt in immer zunehmender Macht unter seiner Leitung steht, wird sich seine Kraft auch dem Leibe mitteilen. Wo die Lüste und Leidenschaften, ja, wo alle Gedanken im Inneren Gott unterworfen sind, da wird der verborgene Heilige Geist durch die Seele auch immer tiefer den Leib durchdringen. Durch den Geist werden die Geschäfte des Fleisches getötet und der Strom lebendigen Wassers, der vom Stuhle Gottes und des Lammes ausgeht, wird auch das ganze äußere Leben mit seiner reinigenden und belebenden Kraft durchfließen.

O mein Bruder, glaube es doch, dass du ein Tempel des lebendigen Gottes bist und dass der Geist Gottes in dir wohnt! Du bist mit dem Heiligen Geist versiegelt; Er ist das Merkmal, die lebendige Versicherung deiner Kindschaft und des Vaters Liebe. Hat dir dieser Gedanke bisher wenig Trost gebracht, so siehe nach, ob der Grund etwa nicht hierin liegt: Du hast Ihn gesucht im Heiligen, in den Kräften und Regungen deines inneren Lebens, die im Bereiche deines Bewusstseins lagen. Du konntest Ihn aber dort kaum erkennen; deshalb konntest du dir auch den Trost und die Kraft nicht aneignen, welche der Tröster bringen sollte. Nein, mein Bruder, nicht dort, nicht dort! Tiefer im Innern, in den heiligen Wohnungen des Höchsten, im Allerheiligsten, dort wirst du Ihn finden. In dir! In deinem Innersten, dort findest du Ihn. Wenn dann der Glaube in heiliger Ehrfurcht vor dem Vater anbetet, und das Herz erzittert bei dem Gedanken dessen, was es gefunden hat, so erwarte in der Stille von deinem Gott, dass Er dir die mächtigen Wirkungen seines Geistes zu erfahren gebe; warte in heiliger Stille auf den Geist und du darfst dessen gewiss sein, Er wird sich aufmachen und seinen Tempel mit seiner Herrlichkeit erfüllen.

Beachte es wohl, der Vorhang war nur eine bestimmte Zeit vor dem Allerheiligsten. Als die Vorbereitungszeit vollendet war, da wurde der Vorhang des Fleisches zerrissen. Wenn du das innere Leben deiner Seele, dem allerinnersten Leben des Geistes unterordnest, wenn der Verkehr zwischen dem Allerheiligsten und dem Heiligen immer mehr wahrhaftig und ununterbrochen wird, dann wird auch für deine Seele „die Fülle der Zeit“ kommen (Gal. 4, 4). Wie durch Jesu Opfertod der äußere Vorhang zerrissen wurde, auf dass der Geist aus seinem verherrlichten Leibe ausströme, so wird auch über dich eine Kraft kommen, welche den Vorhang zerreißt, und das Allerheiligste mit dem Heiligen vereinigt. Die verborgene Herrlichkeit des Allerheiligsten wird in dein bewusstes, tägliches Leben ausströmen: Aller Dienst des Heiligtums wird geschehen in der Kraft des ewigen Geistes.

Mein Bruder, lass uns niederfallen und anbeten! „Alles Fleisch sei stille vor dem HErrn, denn Er hat sich aufgemacht, aus seiner heiligen Stätte.“

O allerheiligster Gott! In anbetendem Staunen sinke ich vor dir nieder, wenn ich dies wunderbare Geheimnis der Gnade betrachte: Mein Geist, meine Seele und mein Leib dein Tempel.

In Stille und Anbetung erfasse ich diese herrliche Offenbarung, dass auch in mir ein Allerheiligstes ist, und dass da deine verborgene Herrlichkeit wohnt. O mein Gott, vergib mir, dass ich dies bisher so wenig erkannt habe.

Mit Zittern nehme ich jetzt die selige Wahrheit an: Gott der Geist, der Heilige Geist, der da ist der allmächtige Gott, wohnt in mir.

O mein Vater, offenbare meinem Innern, was dies heißt, auf dass ich nicht wider dich sündige, indem ich es ausspreche und doch nicht danach lebe.

Lieber Herr Jesu! Dir, der du auf dem Stuhle sitzt, dir übergebe ich mein ganzes Wesen. Auf dich traue ich, dass du dich aufmachen und deine Herrschaft über mich aufnehmen werdest. Von dir erwarte ich die Ströme lebendigen Wassers.

O hochgelobter Geist! Heiliger Lehrer, der du unsre Heiligung bist: Du bist in mir. Auf dich warte ich den ganzen Tag. Ich gehöre dir. Nimm völligen Besitz von mir und gib mich dem Vater und dem Sohne. Amen.

1. Geist bezeichnet jene wunderbare Kraft des Menschen, durch die er mit der göttlichen Welt in Gemeinschaft treten kann. Er ist der Sitz der inneren Sammlung, das Heiligtum, wo der wahre Gottesdienst gefeiert wird. „Der Gott, dem ich in meinem Geiste diene“ (Röm. 1,9). Godet.

2. Es ist zu beachten, dass Paulus mehr als einmal, wenn er die Korinther ermahnt, sich aus ihrem groben fleischlichen Zustand aufzuraffen, dies tut, auf Grund der Wahrheit, dass sie Tempel des Heiligen Geistes seien. In unsern Tagen meinen viele, dass von der Innewohnung des Heiligen Geistes nur mit weit vorgeschrittenen Christen sollte gesprochen werden. Lasst uns aber im Gegenteil lernen, dass jeder Gläubige den Heiligen Geist hat, dass er es wissen sollte, und dass diese Erkenntnis der wirksamste Hebel sein wird, um ihn aus dem niederen fleischlichen Leben herauszubringen. Lasst uns danach streben, dass jeder Gläubige zu der Erkenntnis dieses seines himmlischen Geburtsrechts komme.

3. Der Leib ist der Tempel des Heiligen Geistes (1 Kor. 6,19). Ist unser Geist erfüllt mit dem Geist Gottes, so wird es sich auch in unserem Leibe beweisen. „Wo ihr, durch den Geist, des Fleisches Geschäfte tötet, so werdet ihr leben.“ Lasst es uns glauben, der Heilige Geist ist uns vornehmlich dazu gegeben, dass Er unsre Leiber zu seinem Dienst durchdringe, reinige und kräftige. Seine Innewohnung in dem Leibe macht diesen zu einem Samenkorn, das da Teil haben kann an dem Auferstehungsleben.

4. Wisst ihr nicht? Wisst ihr es bestimmt, bleibt ihr völlig bei diesem Wissen? Wisst ihr es durch den Glauben? Jaget ihr danach, dass ihr es aus Erfahrung wissen möget, so dass das tiefste Bewusstsein eurer Seele unwillkürlich es aussprechen kann: „Ja, ich bin ein Tempel Gottes; der Geist Gottes wohnt in mir. Sein heiliger Name sei hochgelobt.“

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