Müller, Heinrich - Von der Heuchelei.

Müller, Heinrich - Von der Heuchelei.

Gesehen und doch nicht gekannt.

Ach wie ist die Welt so voll Heuchler! Wer sieht sie? Ich und du. Wer kennt sie? Gott allein. Vor Menschen kann man den Schalk bergen, vor Gott nicht. Menschen sehen den Schein der Werke, Gott auf den Grund des Herzens. Doch höre, ich will dir weisen, wo der Heuchler zu finden. Nicht in den Haaren, auch nicht im Rock; denn die Platten- und Kappenträger sind die ärgsten Schälke; sondern im Herzen. Ein Jeder, sagt Luther, trägt einen ungeschornen Mönch im Busen. Ist wohl geredet. Und ein Jeder trägt einen Pharisäer im Herzen. Was suchst du den Pharisäer in Jerusalem? Er ist dir so nah, als du dir selber bist. Merk eins: wo sich der Mensch verliert, da findet sich gewiß der Heuchler. Wie sagt jener Pharisäer? Ich danke dir Gott, daß ich nicht bin wie andere Menschen. Luc. 18, 11. Erkennst du auch das, was Menschliches an dir ist? Fehlen ist menschlich; erkennst du auch, daß du ein Sünder bist und fehlen kannst? Wer sich ausnimmt aus der Zahl der Sünder, der nimmt sich aus der Zahl der Menschen. Denn es ist kein Mensch auf Erden, der Gutes Thue und nicht sündige. Pr. Sal. 7, 21. Hier ist kein Unterschied, wir sind allzumal Sünder und mangeln des Ruhms, den wir an Gott haben sollten. Röm. 3, 23. Kein Mensch ist besser als der andere; hältst du dich für einen Heiligen, so bist du gewiß ein Heuchler. Merk noch eins: wo Gott und der Teufel eins sind, da ist gewiß ein Heuchler. Gott ist ein Richter. Der HErr ist es, der mich richtet. 1 Cor. 4, 4. Der Teufel ist ein Ankläger. ER verklagt die Frommen Tag und Nacht vor Gott. Offb. Joh. 12, 10. Jener Pharisäer war des Zöllners Richter und Ankläger, Gott und Teufel. Du unterstehst dich den Nächsten zu richten; sag mir, kennst du auch seines Herzens Grund? Sprichst du nein: warum richtest du denn? Wer hat dich heißen richten ohne Grund? Sprichst du ja, machst du dich selbst zum Gott. Die Ehre hat Gott bisher allein gehabt, daß er Herzen und Nieren prüft. Ps. 7, 10. Jerem. 17, 10. Du verklagst deinen Nächsten bei Gott; sag mir, was bewegt dich? Die Liebe kanns nicht thun, denn die ist mitleidig und deckt zu der Sünden Menge; wie vielmehr, daß Gott schone als strafe. Thuts der Haß und Neid? Woher kommt der? Vom Teufel. Ein Mensch, der seinem Nächsten die Seligkeit nicht gönnt, ist ein Teufel. Ist denn Gott und der Teufel in dir eins worden? So bist du der ärgste Heuchler unter der Sonne. Darnach prüfe dich, mein Christ, und so noch ein Schalk in dir steckt, befleißige dich, denselben gründlich zu erkennen, innig zu empfinden, eifrig zu bestreiten, tapfer zu übermannen. Gott helfe dir.

Quelle: Müller, Heinrich - Geistliche Erquickstunden

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