Müller, Heinrich - Von den Wegen Gottes und der Menschen.

Müller, Heinrich - Von den Wegen Gottes und der Menschen.

Gerade zu.

Ist der kürzste Weg. Eine gerade Linie hält man für die kürzste. Mein Herz, fehlt was? Drückt was? Gerade zu Gott, das trügt nicht. Du erdenkst einen Umweg nach dem andern, sprichst bald diesen bald jenen um Rath und Hilfe an, ach! das trügt oft. Menschen sind nichts, ihre Hilfe ist nichtig, die Hilfe kann nicht besser sein, als der Helfer, Menschen sind Lügner, wasserlose Brunnen, wer bei ihnen Rath und Trost sucht, dem gehts als einem Wandersmann, der in brennender Sommerhitze von ferne einen Bach erblickt, gedenkt sein mattes Herz mit einem Tröpflein kühlen Wassers zu laben, nimmt einen weiten Umweg, und wenn er hinzu kommt, ist kein Tropfen darin. Menschen sind böse und ist oft das Beste an ihrem Rath, daß er böse ist. Laß Menschen fahren und eile gerade zu Gott, der trügt dich nicht. Ich habe noch nie eine Seele gesehen, die in ihrem Vertrauen zu Gott wäre zu Schanden worden. Uns mags zuweilen wohl am Vertrauen mangeln, aber dem Vertrauen mangelts nimmer am glücklichen Succeß. Ja, sprichst du, wie hält denn Gott ein gläubiges Herz zuweilen so lange auf? Ich will dirs sagen, Gerader Weg, kurzer Weg. Gott aber geht selten den geraden Weg, er nimmt gemeiniglich einen Umweg und kommt doch zu seiner Zeit noch heim. Wenn wir zu Ehren kommen wollen, sprechen wir, gerade zu ist der beste Weg. Aber wie oft werden wir betrogen, suchen Ehre und finden Schande! Wenn Gott zu Ehren bringen will, gedenkt er, wer spät kommt, kommt auch; ein gut Ding will Weile haben und geht krumm um; schenkt erstlich Wasser darnach Wein, erstlich was Bitters, darnach was Süßes; führt durch Schande in Ehre, durch Armuth in Reichthum, durch den Tod ins Leben, durch die Hölle in den Himmel. Er geht oft so seltsame Gänge mit uns, daß wir kaum absehen können, was er im Sinn habe. Niemand kann das Ende aus dem Anfang ermessen. Wie er aus Finsterniß Licht hervorgebracht, so bringt er noch zuweilen des Menschen Ehre aus seinem Fall; der Löwe muß Honig geben, Gott weiß unser Schrecken in Wollust zu wandeln, und kann auch das Aergste zum Besten kehren. Der Teufel selbst muß unser Glück befördern, indem er uns durch seine Anläufe in steter Uebung hält. Gottes Gedanken sind sehr tief; wie gar unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege! Denn wer hat des Herrn Sinn erkannt? Röm. 11, 33. Er hängt seinen Kindern oft Schmach an und kränkt sie bitterlich, sucht doch damit ihre Ehre. Wer von Gottes Werken urtheilen will, wie gut und herrlich sie seien, muß nicht allein den Anfang sehen, sondern auch seine Augen auf das Ende richten. Wenn Gott seinen Sohn aus Kreuz heftet, das ist der Anfang, das Ende aber war Herrlichkeit, auch für die sonst verlornen Sünder. Ich will meinem Gott nicht vorschreiben, welchen Weg er mit mir gehen soll. Er wird wohl wissen, wer der beste sei; fängt ers seltsam mit mir an, führt ers doch herrlich hinaus. Wie trübe sichs ansehen läßt im Anfang, nimmts doch endlich ein gutes Ende. Ich habe es erfahren und danke ihm.

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