Monod, Adolphe - Abschiedsworte - Der für das Wohl der Kirche leidende Hirte

(Den 4. November 1855)

Welche große Gnade erweist uns Gott, dass er uns im Abendmahl ein so einfaches und zugleich so tiefes Bild von der unsichtbaren Gnade des Herrn gibt! Die ganze Fülle des Evangeliums, wenn wir die hierauf bezüglichen Lehren der heiligen Schrift zusammenfassen, ist uns auf diesem Tisch vorgelegt; denn wir finden hier zweierlei: erstens Jesum Christum, der für uns stirbt, und sein Tod, sein Blut, sein Sühnopfer ist ja die einzige Hoffnung unserer Seligkeit, wodurch er Alles vollkommen erfüllt hat den Auserwählten Gottes zu gut; sodann abermals Jesum Christum, der gestorben ist, der in uns eingeht und uns speist, der uns durch seinen Leib und sein Blut das Leben mitteilt, und uns also teilhaftig macht seines Wesens, wie er selbst Teil hat an dem Wesen seines Vaters. Uns selbst sterben und Jesu Christo leben durch den heiligen Geist, nachdem Jesus Christus für uns am Kreuz gestorben ist, das ist das ganze Evangelium, der ganze Glaube, das ganze Leben des Christen.

Ich will noch zwei Worte hinzufügen, wobei ich nicht meine persönliche Lage meine, sondern dasselbe wie der heilige Paulus, wenn er sagt: „Dass Niemand müde werde um meiner Trübsal willen, die mich für Euch leide.“ Sicherlich kommt es mir nicht in den Sinn, mit so großen und unmittelbar im Dienst des Herrn erduldeten Trübsalen diejenigen zu vergleichen, womit er mich heimgesucht hat. Aber mein brennender Wunsch ist es, durch den Geist, in dem ich sie hinnehme, eine Trübsal daraus zu machen, welche für das Evangelium und auch nach meinen schwachen Kräften für Euch erduldet wäre. Ich wünsche, dass Niemand sich niederschlagen lasse. Vielleicht sind einige meiner guten Freunde betrübt in dem Gedanken an meine Leiden. Ich bitte Euch, seid es nicht. Gebt mir diesen Beweis brüderlicher Liebe, dass ihr nicht betrübt, sondern auf eine heilsame Weise ermuntert und erweckt seid. Nicht als ob ich nicht litte, oder es nicht Wort haben wollte, dass ich leide. Ich bin kein Stoiker; durch die Gnade Gottes bin ich Christ, und ich schäme mich nicht zu gestehen, dass es Augenblicke gibt, in denen ich weniger bete, als unter Tränen schreie: da erinnere ich mich, dass mein Heiland starkes Geschrei mit Tränen ausgestoßen hat. Aber mag dies auch dem Fleisch schmerzlich sein, so ist es doch von so großen Segnungen begleitet, dass das Gefühl der Dankbarkeit in meinem Herzen und in den eurigen alle anderen beherrschen muss. Welche Gnade für mich, meine teuren Freunde, dass Gott, da er Einen aus unserer Mitte nehmen wollte, um den Andren die Gebote des Lebens, die Gedanken an den Tod, an die Sünde, an die Gnade und an die Heiligung in's Gedächtnis zurückzurufen, mich seine Wahl gewürdigt hat! Welches Vorrecht, dass er, indem er mich nimmt, meine Brüder verschont hat, und welches Vorrecht, dass er mich erwählt, um Euch diese Lehren des ewigen Lebens zu geben! Und dann denkt, wie das, was mir begegnet, geeignet ist, mich einen christlichen Tod wertschätzen zu lassen, in welchem Augenblick er auch für mich kommen mag. Lasst uns Alle nur Gott zu preisen suchen: wenn es ihm gefällt, mich zu heilen, so bitte ich ihn, dass dies zu seinem Preise sei; wenn er mich abrufen will, so werde ich mich glücklich preisen, in seinen Schoß aufgenommen zu werden. Ich kann nicht wissen, was für mich oder für die Kirche besser wäre: ich überlasse mich ganz und gar ihm. Aber welche Gnade ist es nicht für mich, dass ich vorgezogen worden bin, um so durch Leiden zu reifen! Ihr habt also Grund, Euch für mich zu freuen. Und was Euch selbst betrifft, ist es nicht wahr, dass mein Leiden dazu beigetragen hat, Eure Gedanken auf den Tod, auf die Ewigkeit und die Heilswahrheiten zu richten? Ist es nicht wahr, dass ihr durch die brüderliche Liebe, die uns vereinigt, zum Gebet getrieben worden seid? Ich fühle es, dass das Volk Gottes mich beständig auf den Armen des Gebetes trägt, und das erfüllt mich mit Freude, durchdringt mich mit Dankbarkeit. Liegt denn nun darin nicht ein großer Segen für Euch? fühlt Ihr nicht, dass Alles, was mir begegnet, dazu beiträgt, in meiner nächsten Umgebung, in meiner Familie insbesondere einen Geist des Friedens und der Heiterkeit zu verbreiten, und dass unser Haus in einem weniger unvollkommenen Maß als bisher ein Bethaus ist, wo der Name des Herrn beständig angerufen wird, wie man ihn beständig für dasselbe anruft? Seht, solche Segnungen sind hier zu ernten! Findet Ihr es nun begreiflich, welche Seligkeit ich in dem Gedanken finde, für Euer Wohl zu leiden, da Nichts meine Leiden denen meines Heilandes ähnlicher machen kann? So sage ich also im Geist desselben heiligen Paulus, den ich schon angeführt habe: „Nun freue ich mich in meinem Leiden, das ich für Euch leide, und erstatte an meinem Fleisch, was noch mangelt an Trübsalen in Christo, für seinen Leib, welcher ist die Gemeine.“

Wunder der Gnade Gottes! O Macht des Evangeliums! O Bitterkeit der Sünde! O unbewegliche Festigkeit der Gnade! Auf, zum Kampf gegen die Sünde, meine Freunde! Das ist das einzige Übel, das einzige Übel! Und jetzt, da ich mich von der Sünde umgeben finde und der Ruf an mich ergeht, vor Gott alle Sünden meines Lebens durchzugehen und ihn dafür um Vergebung anzuflehen, jetzt fühle ich, wie schrecklich dieser Kampf ist, wie tief eingewurzelt die Sünde, und wie unsinnig es von uns wäre, über die Leiden, welche Gott uns schickt, zu klagen; da selbst diese Leiden nicht hinreichen, diesen unglücklichen Hochmut, diese schreckliche Selbstsucht, und vor allem diesen abscheulichen Unglauben mit der Wurzel auszureißen. Der Friede Gottes sei mit uns! Lasst die persönlichen Gefühle bei Seite. Seht in mir nicht den Vater und den Freund, in mir; seht vor allem in mir den Diener Jesu Christi, und bittet Gott, dass ich durch seine Kraft bis zum letzten Atemzug in diesem Amt getreu bleibe. Seht in mir nicht den Menschen, sondern das Werk, welches Gott in mir und in Euch vollbringen will.

Mut gefasst! Lasst uns Gott bitten, dass er uns mit seinem Geist erfülle, dass er uns fähig mache, das Fleisch durch den Geist zu beherrschen, bis er uns vor dem Übel hinwegnimmt und uns durch Jesum Christum in einem geistlichen Leib und in einer geheiligten Seele die Freude, die Wonne und die Herrlichkeit kosten lasse, welche das vergossene Blut Jesu Christi uns ganz allein erworben hat!

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