Krummacher, Gottfried Daniel - Die Wanderungen Israels durch die Wüste nach Kanaan (Ritma).

Krummacher, Gottfried Daniel - Die Wanderungen Israels durch die Wüste nach Kanaan (Ritma).

Sieben und zwanzigste Predigt.

Vierzehnte Lagerstätte: Ritma.
(Fortsetzung.)

4. Buch Mosis 13,1.2.3.

Groß müssen die Bedrängnisse sein, welche den Verheißenen, bessern Zeiten vorhergehen, und die Jes. 49,24 in den Fragen ausgedrückt werden: kann man auch einem Riesen den Raub nehmen, oder kann man dem Gerechten seine Gefangene losmachen? Und es ist eine nicht geringe Aufgabe für den Glauben, wenn er nach dem folgenden dafür halten soll, dass dem Riesen seine Gefangene genommen, und des Starken Raub los werden soll. Es kann einerlei sein, wen wir unter dem Riesen und Gerechten, welcher gleich darauf ein Starker oder Furchtbarer genannt wird, verstehen – das Vorbild des Nebukadnezar oder das Gegenbild der Teufel, den Antichrist, oder sonst etwas – es bezeichnet auf jeden Fall etwas, das das Volk Gottes in nicht geringe Drangsal setzt. Diese Drangsal ist umso empfindlicher, da bei derselben eine Gerechtigkeit bemerkbar ist, und sie demnach als eine wohlverdiente erscheint. Um desto mehr Werk trifft hier der Glaube an, der sich aus der Tiefe emporarbeiten soll. Die Gerechtigkeit soll er durch eine andere höhere Kraft überwinden, dergleichen darf sich der Gläubige nicht befremden lassen. Er kann berufen sein, einen nackten, d.i. einen solchen Glauben zu üben, der, wie Christus zum Thomas sagt, nicht sieht und doch glaubt, oder der gar, wie Abraham, wider Hoffnung hoffend, glauben soll. Ist er dazu berufen, was vielleicht nicht allen Gläubigen geschieht, so versteht’s sich von selbst, dass er aller natürlichen und sinnlichen Stützen beraubt, auch zugleich mit den bedeutendsten Schwierigkeiten umringt, in Umstände versetzt wird, wo die Fragen unsers Spruches in Kraft treten. Ging’s nicht Paulo so in Asien, wo er eben deswegen so über die Maßen und über Macht beschwert wurde, dass er sich schon des Lebens begab, damit er nicht auf sich selbst, sondern auf Gott sein Vertrauen stellte. – Freilich möchte man von solchen Führungen wohl sagen: das widerfahre dir nur nicht. Aber Gott will auch solche haben, die ihn also anbeten. Doch laufen solche enge Wege zuletzt in den weiten Raum aus, der V. 23 angekündigt wird: Du wirst erfahren, dass ich der Herr bin, an welchem nicht zu Schanden werden, die mein harren, denn ich bin der Herr, dein Heiland, und der Mächtige in Jakob, dein Erlöser.

Auf solche Führung mag sich indessen ein jeder Christ wohl gefasst halten, und dann gilt’s Glauben. Doch der Herr hält Treue und Glauben. Er wirke in uns das Werk des Glaubens mit Kraft, und segne dazu auch die Fortsetzung unserer Betrachtung der Wanderungen Israels.

Wir befinden uns noch zu Ritma, ganz nahe an Kanaan. Lasst uns jetzt der Betrachtung der Begebenheiten daselbst näher treten, welche von hoher Wichtigkeit sind, und worauf die heil. Schrift sich mehrmals bezieht, und es als ein warnendes Exempel für alle Zeitalter vorstellt. Zuerst erwägen wir die Geschichte selbst.

In der Nähe Kanaans, und namentlich derjenigen Gegend, wo Juda sein Erbteil bekam, angelangt, ward es für gut befunden, zwölf Kundschafter nach der Zahl der zwölf Stämme Israels auszusenden, die sollten das Land genau erkundigen, und sodann einen genauen Bericht abstatten von der Beschaffenheit desselben, seinem Boden, seiner Fruchtbarkeit, der Beschaffenheit seiner Städte und Dörfer, und ihrer Einwohner, auch einiges von den Landesfrüchten mitbringen. Diese Idee ging nach 5. B. M. 1. von dem gesamten Volke aus, nach 4. B. Mos. 13 aber befahl es der Herr. In der Sache selbst also stimmten beide, das Volk und der Herr mit einander überein. Das Verfahren war sehr vernünftig und wohl überlegt. Wie es Leute gibt, welche alles auf dem Wege der Vernunft und Überlegung auszurichten gedenken, so gibt’s andere, die ihren Mund gleich zum Tadeln spitzen, wenn davon die Rede ist, seine Vernunft zu brauchen. Beides ist gleich tadelnswert. Wie sollte man nicht gehörig überlegen, und warum sollte das nicht auf eine fromme, Gott gefällige Weise geschehen können? Es gibt auch einen religiösen Aberwitz und der gehört mit zu der Verdrehtheit des menschlichen Herzens. Wollte Gott, wir wären alle recht vernünftig, und mit den Galatern hätten die Leute aufgehört, die ein Apostel Unverständige nennt! Es war sehr vernünftig und wohlgetan, dass Moses seinen Schwager Hobab, obschon er ein Mohr war, dringend bat, mit ihnen durch die Wüste zu reisen, deren er sehr kundig war, wiewohl ihnen die Wolkensäule den Weg genugsam weiß. Es war sehr vernünftig aber übel getan, dass sich mehrere Israeliten Manna im Vorrat sammelten. Der Gedanke Kundschafter ins Land zu senden, war sehr vernünftig und wohlgetan.

Es hat einer kleinen Anstrengung bei mir bedurft, euch nicht auch mit einer Auslegung der Namen der zwölf Kundschafter aufzuhalten, wie ich die der zwölf Heerführer Israels gab. Indessen stand ich doch umso mehr davon ab, da ihre zwölf Namen wohl meistens schöne Bedeutungen haben, diejenigen aber, die sie führten, schlimme Leute waren. Da sie nun überdas ansehnliche Ämter bekleideten, so waren sie umso gefährlicher, je größer das Zutrauen war, das man zu ihnen hegte. Wir müssen es uns auch nicht anfechten lassen, dass es unter den Feinden der Wahrheit berühmte Namen gab und gibt, und dass im Ganzen die höheren Stände auch durchgängig zugleich die üppigsten sind. Das ist freilich ein schweres Gericht. Wenn Professoren, wenn Prediger und Schullehrer selbst wider die Wahrheit sind, so sieht es vollends übel aus, dies ist aber nichts seltenes. Glaubt auch irgendein Oberster oder Pharisäer an ihn? fragten die jüdischen Herren ihre Diener, sondern das Volk, das nichts von Gesetz weiß, und dachten damit der Lehre Jesu allen Einfluss auf ihre Herzen abgeschnitten zu haben. Der alte Mensch verdirbt sich die Lüste in Irrtum und unsere Wachsamkeit und Nüchternheit mag sich wohl vervielfältigen, da die Versuchungen so scheinbar sind. - Zwei Namen muss ich aber doch nennen, weil sie eine ehrwürdige Ausnahme machen, und die Einzigen sind, welche von allen den 600,000, die aus Ägypten zogen, Kanaan erreichten. Der Eine hieß Caleb, d.i. gut Herz; und gewiss kommt nichts Böses, sondern nur das gute Herz nach Kanaan. Es sei denn, dass jemand von Neuem geboren werde, kann er das Reich Gottes nicht sehen. Fleisch und Blut können das Reich Gottes nicht ererben. Es war ein Sohn Jephunne, d.h. abgewandt. Nicht einverstanden, sondern abgewandt war er von den Gesinnungen der Andern, mochten ihrer auch mehr an der Zahl sein, mochten sie auch den allgemeinen Beifall erlangen, mochten sie auch in hohem Ansehen stehn und heißen, wie sie wollten. Caleb war in seiner Gesinnung von ihnen abgewandt, und bewies sich auch so in seinem Verhalten. Der zweite hieß: Hosea, Moses aber gab ihm den Namen Josua, oder ganz ausgesprochen: Jehoschua. Die Bedeutung dieser beiden Namen ist die nämliche, denn er bezeichnet einen Heiland oder Seligmacher. Aber in dem zweiten Namen Jehoschua ist, wie es sich dem Gehör kund tut, der Name Jehovah, wenigstens die beiden ersten Silben desselben, mit eingewebt, so dass er nun so viel heißt als: Jehovah der Seligmacher, und das ist nichts anders, als der Name Jesus. Dies ist höchst bemerkenswert. Josua war es auch, und nicht Moses, der die Gemeine ins Land Kanaan einführte; das Gesetz vermag es nicht, sondern nur Jesus. Josua war auch der rechte Mann noch nicht, worauf uns der Apostel Ebr. 4 aufmerksam macht; er war es nicht, der zur Ruhe brachte, dies blieb einem anderen vorbehalten, der zwar den nämlichen Namen führte, aber ein ganz anderer war. So schimmert überall das Evangelium durch, wie die köstliche Kerne aus dem Ritz eines Granatapfels. Übrigens, wer kommt in den Himmel als Josua und Kaleb, Jesus und das gute Herz? Den Namen eines von den Mitausgesandten will ich doch mit seiner Bedeutung auch noch anführen, er hieß Gaddi Susi: meine Rüstung ist mein Pferd. Das mag mir der Rechte gewesen sein, wenn, wie zu vermuten steht, Sinn und Name miteinander übereinstimmten. Ein anderer hieß freilich Gadiel: meine Rüstung ist Gott, aber so recht auch die Bedeutung dieses Namens ist, wenn er weiter nichts als ein Name ist, so macht’s auch nichts aus. Einer hieß Juel: Zustimmer. Und freilich stimmt man leicht dem zu, was die meisten für gut finden, und glaubt die Menge der Teilnehmer rechtfertigen die Sachen; das ist aber sehr armselig, wie der Name des Vaters dieses Zustimmers Minhi andeutet.

Diese Männer zogen denn aus. Ihr Unternehmen war nichts geringes. Sie mussten sich ganz auf den Schutz Gottes verlassen, denn wenn sie entdeckt wurden, so sah es schlimm mit ihnen aus, und die Kanaaniter würden ihrer nicht verschonen. Aber wer aus göttlichem Auftrag etwas unternimmt, der mag nur getrost sein, er steht unter seinem Schutz. Das erfuhren auch diese Männer, denen kein Ungemacht widerfuhr, und man sollte ordentlich bedauern, dass wir nichts umständliches davon wissen, wie es ihnen denn gegangen, wobei sich ohne Zweifel manches Merkwürdige zugetragen, und die göttliche Vorsehung sich oft sehr deutlich erwiesen haben wird. Sie übereilten sich in ihren Nachforschungen auch so wenig, dass sie ganzer 40 Tage außen blieben, binnen welcher Zeit sie vieles auskundschaften konnten. Man kann denken, mit welcher gespannten Erwartung, und mitunter auch mit vieler Sorglichkeit man ihrer Rückkehr im israelitischen Lager entgegengeharrt haben wird, wie oft sie der Gegenstand des Gesprächs der Menge, und der Fürbitte der Frommen gewesen sind. Endlich kamen sie wieder. Was das für eine Freude gewesen sein wird, was für eine Neugier, was für ein Fragen! Zuerst sahen sie den herrlichen Tatbeweis von der Beschaffenheit des Landes auf ihren Schultern, welches sich in der dürren Wüste herrlich ausnehmen musste. In dem Tal Eskol nämlich hatten sie eine Weinrebe mit einer Traube, die eben auf Hebräisch Eskol heißt, und wovon sie dem Tal den Namen gaben, abgeschnitten, welche sie von Zween, an einem Stecken tragen ließen. Wenn wir auch aus dem Umstande, dass sie also getragen wurde, gerade keinen Schluss auf ihre Schwere und Größe machen können, sondern in dieser Maßregel vielmehr einen Beweis ihrer Vorsichtigkeit finden, weil dies die beste Weise ist, leicht verletzliche Trauben unversehrt eine bedeutende Strecke zu transportieren, so ist es doch gewiss, dass in Asien die Trauben zu einer solchen Größe gedeihen, welche uns unglaublich vorkommen möchte. Sie werden nämlich häufig so groß, dass ein zwölfjähriger Knabe sich hinter einer einzelnen Traube verbergen kann, und die einzelne Beere so dick ist, wie der dickste unserer Äpfel. Zwei Menschen konnten also wirklich an einer einzigen von solchen Trauben auf die Dauer genug zu tragen haben. Was musste das denn nicht für ein Anblick für die Kinder Israel sein, zumal da sie nun im Begriff waren, in ein solches Land einzuziehen. Außer diesen Trauben brachten sie auch Granatäpfel und Feigen mit, alles von seltener Größe und Schönheit. Der Granatapfel ist eine ebenso angenehme und erfrischende, als gesunde und schöne Frucht. Ihre Schale ist von den zierlichsten Streifen und Farben, und wenn sie reif ist, bekommt sie einen Ritz, durch welchen purpurrote, saftige Kerne und Beeren einladend hervorblicken, die man mit leichter Mühe aus dem Schlitz zum Genuss hervordrücken kann. Im Hohenlied wird dieser Ritz im Granatapfel etliche Mal als ein Bild der Schönheit genannt. Nun diese herrliche Sachen wurden ihnen nicht so sehr zum Genuss als zum Anschauen dargebracht, um dadurch ihre Sehnsucht nach diesem herrlichen Lande desto mehr anzufeuern. Es waren Erstlinge, worauf die volle Ernte folgen sollte, als deren Unterpfand sie ihnen eingehändigt wurden. Etwas ähnliches geschieht noch im Geistlichen. Wir haben auch des Geistes Erstlinge. Es werden uns auch zuweilen köstliche Trauben aus dem himmlischen Kanaan entgegen getragen, und wir mit Kräften der zukünftigen Welt erquickt, müssen wir gleich im Ganzen mit dem täglichen Manna der Gnade vorlieb nehmen, so gibts auch zuweilen etwas Besonderes und Ausnehmendes. Der Teufel zeigte Christo auf eine lügenhafte Weise in Einem Augenblick alle Reiche dieser Welt, und sprach: dies Alles will ich dir geben, so du niederfällst und mich anbetest. Christus macht es auf eine ähnliche Weise mit den Seinigen, indem er ihnen einen Blick in die Herrlichkeit seines Reiches, einen Vorschmack desselben schenkt, und ihnen sagt: dies alles und noch weit mehr will ich dir geben, so du niederfällst und mich anbetest, worauf die Seele mit tausend Freuden und unumschränkter Bereitwilligkeit antwortet:

Alles will ich geben hin,
Wenn ich dich nur kann besitzen;
Weg mit allem Weltgewinn,
Hierauf will ich mich nicht stützen.
Mein Erlöser ist mein Gold,
Das ist nicht vertauschen wollt.

Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde, wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil. Und so ist denn der Bund gemacht.

Mit diesem Tatbericht verbanden die Kundschafter auch einen mündlichen, gegen dessen Wahrheit sich nichts einwenden ließ. Sie sagten, das Land ist gut, es fließt Milch und Honig darin, dies ist seine Frucht, wonach ihr’s selbst beurteilen könnt. Weiter setzten sie hinzu, die Einwohner seien stark, und etliche unter ihnen Riesen, ihre Städte groß und fest. Dies machte das Volk bedenklich, deswegen nahm Caleb das Wort und sagte: lasst uns nur getrost über die Grenze gehen, und das Land in Besitz nehmen, wir können es recht gut überwältigen. So verhielt es sich mit Kanaan, so verhält es sich auch mit dem Christentum. Es ist eine selige Sache. Wer leben und gute Tage sehen will, der wird, was er heißt, ein Christ. Unaussprechlich groß, unvergleichlich und ewig sind die damit verknüpften Vorteile, außer demselben aber nichts als Elend, Verderben, Untergang. Es ist aber nicht leicht ins Reich Gottes zu kommen; ein groß, stark Volk, worunter etliche Riesen, sind wider dich; der Völker sind mehr als eins, und wenn du mit dem Einen fertig bist, wird sich dir das andere entgegenstellen. Da sind nicht nur Amoriter: Schwätzer, sondern auch Hethiter: Zerbrecher und Jebusiter: Übertreter und Kanaaniter: Kleinmütige oder Krämer, die kaufen und verkaufen wollen, und allerhand schlechten Kram bei euch anzubringen, und euch eure gute Sachen abzuhandeln suchen, euch auch selbst ans kaufen für Geld, wo ihr doch nicht satt von werden könnt, zu bringen beflissen sind. Da sind auch, dem Äußern nach treuherzige Leute, die dich treuherzig machen und mit ihren zerrissenen Kleidern und verschimmelten Brot dir eins aufbinden, dass du dich unvorsichtiger Weise mit ihnen in einen Bund einlässt, der nicht gut ist. Außerdem sind da noch große, sehr befestigte Städte und kleine, feste Nester und Höhlen, deren Einnahme große Kunst und Kraft erfordert. Manches verbirgt sich auch heimlich vor dir, und verursacht dir allerhand Verdruss und Schande, während du nicht einmal recht weißt, wo es herkommt, und Gott dir mit Hornissen zu Hilfe kommen muss, die das dir Verborgene ausfindig zu machen und zu zerstören wissen. – Gleichnisreden, die du dir schon wirst zu deuten wissen oder lernen. Doch lasst uns getrost hineingehen, und das Land einnehmen. Wir können’s wohl.

Aber um diesen letzten Punkt: wir können es wohl überwältigen, ging es sich eben. Die zehn Mitkundschafter mahlten die erstaunlichen Schwierigkeiten noch weiter aus, und brachten das Land in einen sehr bösen Ruf. Sie schilderten die Einwohner als sehr kriegerische Leute, welche einander auffräßen, also erschreckliche Barbaren, die mit jedem einen kurzen Prozess machen. – Aber wie waren sie denn lebendig wieder aus dem Lande herausgekommen? Dies war entweder ein sichtbarer Beweis von der göttlichen Bewahrung, oder die Leute mussten doch solche Menschenfresser nicht sein, wie sie sie schilderten. Sie kamen ihnen alle sehr groß vor, und etliche waren eigentliche Riesen, und wir waren, sagten sie, gegen sie zu rechnen, vor unseren eigenen Augen wie die Heuschrecken, und so waren wir auch vor ihren Augen. Mochten bei dieser Beschreibung auch einige Übertreibungen stattfinden, so war sie doch im Ganzen wahr. Moses bestätigt sie auch selber und führt das Sprichwort an: wer kann gegen die Kinder Enak bestehen. Enack muss ein Riese gewesen sein, dessen Nachkommen auch lauter Riesen waren. Das Wort bedeutet einen Halsschmuck. Ich weiß nicht, ob ihr dem eine Deutung geben wollt. War nicht der Teufel vor seinem Fall, so zu reden, ein Halsschmuck Gottes, so dass er sogar nach seinem Fall noch eine Majestät genannt wird. Wird ihm nicht Riesenstärke beigelegt, und er deswegen ein Starkgewappneter, auch ein Löwe, ja sogar ein Gott genannt? Wird nicht Offenb. 13. von dem Tier, das seine Geburt ist, gefragt: wer kann mit ihm kriegen? Die Nachkommen dieses Enaks heißen Nephilim, d.h. die Gefallenen, auch Missgeburten, deren schon vor der Sündflut gedacht wird. Sollte das nicht auch auf dem Fall der Engel und Menschen deuten, welche dadurch zu wahren Missgeburten geworden sind? Genug, wir haben alle Ursache zu glauben, dass die Einnahme des wahren Kanaan, wovon jenes nur eine Abbildung war, dass das Eindringen ins Reich Gottes eine Sache ist, welche die allergrößten Schwierigkeiten hat, die keineswegs leicht wegzuräumen sind, weder was das Ganze noch was einzelne Teile betrifft. Es darf uns nicht unnötig dünken, uns diese Schwierigkeiten von Zeit zu Zeit zu vergegenwärtigen, damit wir uns dadurch bewegen lassen, die rechten Maßregeln zu ergreifen. Welche Schwierigkeit ins Himmelreich einzugehen erwächst für uns Menschen, die wir Sünder sind, schon aus dem göttlichen Gesetz. Die Forderungen desselben stehen doch nicht da für die Langeweile, dass es uns doch überlassen bleibt, ob und in wiefern wir dieselben in Ausübung zu bringen für gut finden oder nicht. Es heißt: tue das, und das geht von einem solchen aus, welcher das Recht hat hierin zu bestimmen, und bei dessen Bestimmung es sein notwendiges Verbleiben hat und haben muss. Was ist das aber für eine unübersteigliche Schwierigkeit, die sich unserem Eingang in das Himmelreich entgegenstellt! Wer wird auf diesem Wege in dasselbe eingehn können, da kein Mensch das Gesetz zu halten im Stande ist? Es muss aber erfüllt, vollkommen erfüllt werden. Wie soll das denn nun geschehen? – Dies Gesetz lässt es aber nicht bei Geboten, sondern es befestigt dieselben auch noch mit dem Fluche, über alle die es nicht ganz erfüllen, und dieser Fluch, der sich wie ein reißender Löwe über den Weg gelagert hat, muss notwendig zuvor weggeschafft werden, ehe derselbe von uns betreten werden kann. – Dazu gesellt sich die Sünde, die unsere Natur durch und durch vergiftet hat, und uns ebenso untüchtig zu einigen Guten macht, als geneigt zu allem Bösen. Sie darf nicht in uns herrschen, das wird jeder leicht einräumen; aber was soll sie bei uns vom Thron stoßen, da sie und wir nicht zwei, sondern schrecklicher Weise eins und dasselbe sind? Soll die Finsternis, welche das Licht nicht einmal begreift, das in sie hineinscheint, dasselbe aus sich selbst wieder ihre Natur erzeugen? Sollen Disteln Feigen, und Dornen Trauben erzeugen, und auf bösen Bäumen gute Früchte wachsen? Kann ein Mohr seine Haut wandeln, oder ein Parder seine Flecken? Wie soll es zugehn, dass des Teufels Reich im Menschen sich entzweie, und wenn es das täte, was könnte es nützen? Wie mag es zugehen, dass ein Ungläubiger gläubig werde? das hieße ja Eisen schwimmen machen.

Mehr als diese drei Schwierigkeiten will ich diesmal nicht namhaft machen. Es sind deren noch weit mehr, sie müssen aber weggeräumt werden. Ist uns selbst da überlassen, so sind wir wie die Heuschrecken gegen ein Kamel, und wir mögen nur getrost mit den zehn Kundschaftern sagen: wir vermögen nicht hinaufzuziehen gegen das Volk, denn sie sind uns zu stark. Es kann uns auch nichts helfen, wohl aber viel schaden, wenn wir uns auf die Seite derer schlagen, welche rufen: Friede, Friede, wo doch kein Friede ist, welche die Verderbnis der menschlichen Natur, wo nicht gar leugnen, doch als unbedeutend und, so weit nötig ist, leicht wegzuräumen vorstellen, welche die Forderungen Gottes in seinem Gesetz sehr herabstimmen, und von dem ihm angehängten Fluch vollends nichts wissen wollen. Das führt eben so wenig zu etwas Gutem, als diejenigen Auszehrenden darum ihrer Gesundheit aufhelfen, dass sie ihren Zustand für gar nicht bedenklich halten. Wir handeln weit vernünftiger, ja wir handeln nur dann vernünftig, wenn wir die Wahrheit über und wider uns gelten lassen, wenn wir unseren Schaden für verzweifelt böse, und unsere Wunden für unheilbar halten, und nun sehen, ob denn bei so bewandten Umständen noch Rat und Rettung da sei. – Ist es denn wahr, dass Riesen im Lande wohnen, wogegen wir nur wie Ameisen sind, ist es wahr, dass die Städte vermauert sind bis an den Himmel, nun wohlan denn: so wollen wir uns das gesagt sein lassen, und uns nach zweckdienlichen Maßregeln umsehen, nicht aber uns verleiten lassen diese zu versäumen, weil wir nichts von Riesen wissen wollen, die doch wirklich da sind. –

Hier erhub sich nun ein sehr wichtiger Wortwechsel und Streit, zwischen Josua und Caleb auf der einen, und den zehn Kundschaftern auf der anderen Seite, im Beisein des ganzen Volks. Jene Beiden behaupteten nämlich: wir vermögen das Land zu überwältigen, und diese sagten: es ist unmöglich. Jene Beiden leugneten die Aussagen der Übrigen von Riesen und Festungen keineswegs, sie waren nicht gesonnen, das Volk irgend auf eine Weise zu täuschen, und ihnen falsche Begriffe von den Schwierigkeiten zu machen, die sie antreffen würden, das sei ferne. Aber aufklären wollten sie dieselben über den wahren Stand der Dinge, das Schwere leicht und das Unwahrscheinliche wirklich werden möge. Aber die lieben Männer hatten einen schweren Stand. Sie konnten ihre Vorstellung nicht der Vernunft demonstrieren und beweisen, sondern mussten sich an den Glauben wenden. Sie fanden aber keinen Glauben, der auch das Unsichtbare mit in Rechnung bringt, sondern bloß die Vernunft, die beim Sichtbaren und Natürlichen stehen bleibt.

Kein Wunder, wenn sie niemand und ihre Gegner alle für sich gewannen. Die ganze Gemeine fuhr auf, und erhub ein lautes Geschrei, und weinte, und das dauerte die ganze Nacht durch. An den Grenzen Kanaans stieg ihre Not auf den höchsten Gipfel, und nie hatten sie sich demselben so fern geglaubt als jetzt, da sie ihm so nahe waren. Es ging ihnen hier auf eine ähnliche, aber noch weit schlimmere Weise, wie zu Mara, wo sie in ihrem großen Durst wohl Wasser fanden, aber wie sie’s trinken wollten, war’s bitter und ungenießbar. Jetzt lag Kanaan wohl unmittelbar vor ihnen, aber nun war keine Möglichkeit da hinzukommen. Welch ein Jammer! Wohl wars stockfinstere Nacht von keinem Stern beleuchtet! Es ging ihnen wie den Gottlosen allen, die sich lauter Gutes träumen, bis sie von den Schrecken der ewigen Verdammnis ereilt werden, der sie sicher und sorglos entgegenwandelten. – Mit Tagesanbruch offenbarte sich erst recht die Finsternis, die in ihnen war. Sie murrten wider Mose und den Herrn selbst. Sie wünschten sich den Tod, und beschwerten sich über den Herrn, dass er sie in ein Land führe, wo ihre Weiber durchs Schwert fallen und ihre Kinder ein Raub werden würden, und beschlossen sich einen Hauptmann zu wählen, der sie zurück nach Ägypten führen solle.

Nur vier Männer setzten sich dem Sturm entgegen, Moses und Aaron schweigend, indem sie vor den Augen des ganzen Volks mit dem Angesicht zur Erde niederfielen, dadurch ihre große Betrübnis zu erkennen zu geben, und zugleich zu Gott zu beten. Doch Mose redete auch, und hielt ihnen eine schöne Glaubenspredigt: entsetzt euch nicht, sprach er, und fürchtet euch nicht vor ihnen. Der Herr euer Gott zeucht vor euch hin, der wird für euch streiten. Der Herr wird dich tragen, wie ein Mann seinen Sohn trägt. Aber seine Anweisung zum Vertrauen auf den lebendigen Gott, war vergeblich und prallte an dem Fels ihres Unglaubens ab. Josua und Caleb waren auch tief erschüttert und zerrissen vor lauter Schmerz ihre Kleider. Auch sie ermahnten das Volk zum Glauben, wodurch sie sicherlich alle Schwierigkeiten besiegen würden, und um ihren guten Zweck desto gewisser zu erreichen, bedienten sie sich der kräftigsten Art zu reden. Wie Brot wollen wir sie fressen. Denn wenn die Not an den Mann geht, und die Seelen wir durch tiefe Wasser müssen, und Wellen über ihr Haupt gehen, ist es an der Zeit, das kräftigste, was das Evangelium an Aufmunterung zum Glauben darbietet, offen zu legen. So machte es Mose am roten Meer, so Christus beim Jairus, so beim Thomas. Dazu gibt das Wort Gottes den reichsten Stoff, wenn es z.B. von blutroten Sünden redet, die schneeweiß, und von rosinfarbenen, die wie weiße Wolle werden sollen; wenn Paulus ganz im allgemeinen hinfragt: wer will beschuldigen, wer verdammen? und so schreit die Kirche: und wenn die Welt unterginge, so fürchten wir uns nicht, und Hiob fragt: wenn du mich auch töten wolltest, sollte ich nicht auf dich hoffen. Einen solchen Kraftglauben bewies Abraham, als ihm befohlen wurde, die Sterne anzusehen und zu glauben, also würde sein Same sein, obschon er nicht nur noch keinen Sohn, sondern auch gar keine Aussicht hatte, einen zu bekommen.

Aber hier war alles vergeblich, die Rede und Aufmunterung der beiden Männer tat eine ganz entgegengesetzte Wirkung. Ihr Unglaube brach in Feindschaft und Zorn aus, und sie riefen von allen Seiten: man solle sie steinigen.. Gräuliche Bosheit des menschlichen Herzens! Aber eine solche Behandlung hat die Wahrheit schon oft gefunden. Wo sie nicht aufgenommen wird, da rüstet man sich feindselig zum Streit, und stößt sie erbittert von sich. Als sie persönlich auf Erden erschien, fand sie keine Herberge, und da sie doch nicht wich, nagelte man sie an ein Kreuz. Da man sie selbst nicht verdrängen konnte, räumte man ihre Boten aus dem Wege und quälte ihre Bekenner mit allen erdenklichen Martern. Es ging und geht noch immer, wie im israelitischen Lager. Die Zahl der Widersacher ist bedeutend. Sie führen das große Wort. Was sie sagen, ist, wie schon Assaph klagt, wie vom Himmel geredet. Ihnen fällt der Pöbel zu, denn Pöbel sind alle, die der Wahrheit nicht gehorchen. Ist aber unser Evangelium verdeckt, so ist es in denen, die verloren werden, verdeckt. Wir aber sind nicht von denen, die da weichen und verloren gehen, sondern von denen, die da glauben und selig werden. So wir aber in ihm bleiben, und seine Worte in uns bleiben, werden wir die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird uns frei machen. Alles aber, was aus Gott geboren ist, überwindet die Welt, und unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat. Diesen Glauben wirke der Herr in uns in Kraft. Amen.

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