Kohlbrügge, Hermann Friedrich - „Aus tiefer Not“ - Achte Predigt.

Gehalten den 7. November 1858, abends.

Gesang vor der Predigt.

Psalm 41, Vers 6 und 7.

Ich merk daran, dass ich dir wohlgefall:
Mein Feind sucht's überall,
Und dennoch jauchzt er noch nicht über mich.
Ich seh und wart auf dich
Und wandle fort in Redlichkeit und Treu;
Du stehst mir immer bei
Und führest mich - ich folge deinem Licht -
Bis vor dein Angesicht.

Der Herr ist groß in Majestät und Macht,
Ihm werde Lob gebracht!
Lobsinget ihm, dem Gotte Israels;
Denn er ist uns ein Fels.
Von Ewigkeit zu Ewigkeit erschall
Sein Loblied überall!
Und wo man je von seinem Ruhme sprach,
Folg „Amen, Amen“ nach.

Wir behandelten in der Morgenstunde aus dem hundertachtzehnten Psalm den einundzwanzigsten Vers: „Ich danke dir, dass du mich demütigst und hilfst mir“, oder: „Ich will dich preisen, dass du mich beugst, dass du mich erhörst und wardst mein Erretter“. Lasst uns nun nach Anleitung des folgenden 22. und 23. Verses sehen, worin denn namentlich diese Errettung bestanden habe. Daselbst vernehmen wir die Worte:

Der Stein, den die Bauleute verworfen, ist zum Eckstein geworden. Das ist vom Herrn geschehen und ist ein Wunder vor unseren Augen.

Meine Geliebten! Dass Gott zwar beugt oder demütigt, aber auch der Armen und Elenden Rettung sein will immerdar, dass er treulich Wort hält, wenn er gesagt hat 1. Sam. 2,30: „Wer mich ehrt, den will ich auch ehren; wer aber mich verachtet, der soll wieder verachtet werden“, - das finden wir mit anderen Worten auch 1. Sam. 2,1-10 ausgesprochen. Da spricht die von der Peninna hart angefochtene Hanna, deren Gebet Gott erhörte, nachdem sie lange gedemütigt worden war: „Mein Mund hat sich weit aufgetan über meine Feinde, denn ich freue mich deines Heils. Es ist niemand heilig wie der Herr, außer dir ist keiner; und ist kein Hort wie unser Gott ist. Lasst euer großes Rühmen und Trotzen. Lasst aus eurem Mund das Alte; denn der Herr ist ein Gott, der es merkt, und lässt solches Vornehmen nicht gelingen. Der Herr tötet und macht lebendig, führt in die Hölle und wieder heraus. Der Herr macht arm und macht reich; er erniedrigt und erhöht. Er hebt auf den Dürftigen aus dem Staub und erhöht den Armen aus dem Kot, dass er ihn setze unter die Fürsten und den Stuhl der Ehren erben lasse. Denn der Welt Ende sind des Herrn, und er hat den Erdboden darauf gesetzt. Der Herr wird richten der Welt Ende und wird Macht geben seinem König und erhöhen das Horn seines Gesalbten!“

Die Worte, meine Geliebten, die wir gelesen haben, sind ein Glaubensartikel, wie die Worte: „Ich glaube Vergebung von Sünden, ich glaube Auferstehung des Fleisches und ein ewiges Leben“, oder wie: „Ich glaube in Jesum Christum, der da sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters, von dannen er wiederkommen wird zu richten die Lebendigen und die Toten; alsdann wird er alle seine und meine Feinde in die ewige Verdammnis werfen, mich aber samt allen Auserwählten zu sich in die himmlische Freude und Herrlichkeit nehmen“. - Gott demütigt. Da treibt denn der Geist Gottes alle Gedemütigten zum Gebet, und da gibt er auch Antwort auf das Gebet, er erhört es; es ist aber eine solche Erhörung, dass man zuerst nur in der Antwort, in der Verheißung, in dem Wort Gottes das bekommt, was man der Wirklichkeit nach noch nicht hat, von dem man aber im Glauben sieht, dass es bei Gott ist. Das Gebet macht gleichsam einen Riss durch die für unser Auge geschlossenen Tore der Gerechtigkeit, so dass man bei Gott erblickt: Ehre, Heil, Gerechtigkeit, Erhöhung, - und da sagt der Glaube es aus: So und so liegt es bei Gott! Da wird denn der Glaube gestärkt, um alles durchzumachen, in der gewissen Zuversicht: Es kommt, was Gott verheißen hat!

Das können wir aus diesen Worten am allerbesten entnehmen; denn es ist doch dieser Psalm vornehmlich von Christo gesagt, und es hat unser teurer Herr und Heiland - ich muss es noch einmal wiederholen - diesen Lobgesang gesungen in der Nacht, da er verraten ward. Da sah also der Herr nichts von Hilfe und Errettung; was er sah von dem, was ihm bevorstand, war nur die erste Hälfte des Spruchs, nämlich: die Bauleute haben den Stein verworfen. Also hatte er auch zuvor gesagt: Des Menschen Sohn muss verworfen werden (Luk. 9,22). So hat er denn vor Augen Verwerfung und Verkennung, Züchtigung und Tod; und das nicht allein, sondern auch, dass er gekommen ist die Last des ewigen Zornes Gottes, der auf uns hätte kommen sollen, für uns zu tragen, - für uns zu tragen die Verwerfung von Gottes Angesicht. Und da singt er nun von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und aus allen Kräften: „Der Stein, den die Bauleute verworfen, ist zum Eckstein geworden! Das ist vom Herrn geschehen und ist ein Wunder vor unseren Augen“.

Denn dass dieses von Christo hauptsächlich gesagt, und er es von sich will verstanden und ausgelegt haben, wissen wir aus seinen eigenen Worten und den Aussagen seiner Apostel. Schlagen wir zum Beweise auf, was wir finden Matth. 21,37 ff.: „Danach sandte er seinen Sohn zu ihnen und sprach: Sie werden sich vor meinem Sohn scheuen. Da nun die Weingärtner den Sohn sahen, sprachen sie unter einander: Das ist der Erbe, kommt, lasst uns ihn töten und sein Erbgut an uns bringen. Und sie nahmen ihn und stießen ihn zum Weinberg hinaus und töteten ihn. Wenn nun der Herr des Weinberges kommen wird, was wird er diesen Weingärtnern tun? Sie sprachen zu ihm: Er wird die Bösewichter übel umbringen und seinen Weinberg anderen Weingärtnern austun, die ihm die Früchte zu rechter Zeit geben. Jesus sprach zu ihnen: Habt ihr nie gelesen in der Schrift: Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden. Von dem Herrn ist das geschehen und es ist wunderbarlich vor unseren Augen. Wer auf diesen Stein fällt, der wird zerschellen; auf welchen er aber fällt, den wird er zermalmen“.

So finden wir auch im Buche Josua bereits, dass dieses Steines Erwähnung geschieht. Daselbst lesen wir im letzten Kapitel von Vers 22 an: „Da sprach Josua zum Volk: Ihr seid Zeugen über euch, dass ihr den Herrn euch erwählt habt;. dass ihr ihm dient. Und sie sprachen: Ja. So tut nun von euch die fremden Götter, die unter euch sind, und neigt euer Herz zu dem Herrn, dem Gott Israels. Und das Volk sprach zu Josua: Wir wollen dem Herrn, unserem Gott, dienen und seiner Stimme gehorchen. Also machte Josua desselben Tages einen Bund mit dem Volk. - Und Josua nahm einen großen Stein und richtete ihn auf daselbst unter einer Eiche, die bei dem Heiligtum des Herrn war. Und sprach zum ganzen Volk: „Siehe, dieser Stein soll Zeuge sein zwischen uns, denn er hat gehört alle Rede des Herrn, die er mit uns geredet hat, und soll ein Zeuge über euch sein, dass ihr euren Gott nicht verleugnet“.“ Ihr könnt euch leicht denken, meine Geliebten, wie dieser Stein später den Kindern Israels, da sie doch gesprochen hatten: „Wir wollen dem Herrn unserem Gott dienen“, und dennoch die fremden Götter nicht wegtaten, zum Anstoß und Ärgernis werden musste, und wie sie ihn haben verwerfen müssen.

So lesen wir weiter in dem Propheten Jesajas von diesem Stein Kap. 28,16: „Darum spricht der Herr Herr: Siehe, ich lege in Zion einen Grundstein, einen bewährten Stein, einen köstlichen Eckstein, der wohl gegründet ist. Wer glaubt, der flieht nicht“. Und bei dem Propheten Sacharja geschieht dieses Steines dreimal Erwähnung, Kap. 4,7: „Wer bist du, du großer Berg, der doch vor Serubabel eine Ebene sein muss? Und er soll aufführen den ersten Stein, dass man rufen wird: Glück zu! Glück zu!“ oder: „Auf ihm ruht die Gnade! auf ihm ruht die Gnade!“ Und Kap. 3,9: „Denn siehe, auf dem einigen Stein, den ich vor Josua gelegt habe, sollen sieben Augen“ - Wunden, Löcher, dass die anderen Steine mit Bolzen daraufgelegt und dadurch befestigt werden - „sollen sieben Augen sein; aber siehe, ich will ihn ausbauen, spricht der Herr Zebaoth, und will die Sünde desselben Landes wegnehmen auf Einen Tag“.

Und so schreibt der Apostel Paulus an die Epheser Kap. 2,20 und 21: „So seid erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist, auf welchem der ganze Bau, in einander gefügt, wächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn“. Und 1. Petr. 2,1 ff.: „So legt nun ab alle Bosheit und allen Betrug und Heuchelei und Neid und alles Afterreden“, - denn solches alles ist wider den Glauben - „und seid begierig nach der vernünftigen, lauteren Milch, als die jetzt geborenen Kindlein“, - haltet euch also nicht für so klug, als hättet ihr bereits die ganze Lehre inne, - „auf dass ihr durch dieselbe zunehmt“, - das geschieht aber nicht durch falsche Lehre, sondern durch die reine wahre Lehre - „wo ihr anders geschmeckt habt, dass der Herr freundlich ist“, dass er also Sünde vergibt. „Zu welchem ihr gekommen seid als zu dem lebendigen Stein, der von den Menschen verworfen, aber bei Gott ist er auserwählt und köstlich. Und auch ihr, als die lebendigen Steine, baut euch zum geistlichen Haus und zum heiligen Priestertum, zu opfern geistliche Opfer“, - Opfer des Herzens - „ die Gott angenehm sind“ nicht durch euch selbst, sondern „durch Jesum Christum. Darum steht in der Schrift: Siehe da, ich lege einen auserwählten, köstlichen Eckstein in Zion; und wer an ihn glaubt“ - wer also arm und elend ist und klagt, es wolle nichts wachsen, aber im Glauben aushält, „der soll nicht zu Schanden werden! Euch nun, die ihr glaubt, ist er köstlich“ euch, die ihr wartet auf seine Erhörung, die ihr alles über euch hergehen lasst, die ihr im Stillen dahergeht und in dem Wort bleibt, „euch ist er köstlich. Den Ungläubigen aber ist der Stein, den die Bauleute verworfen haben und zum Eckstein geworden ist, ein Stein des Anstoßes und ein Fels der Ärgernis“.

Wir vernehmen also, dass dieses Wort im eigentlichen Sinn von Christo als dem wahrhaftigen Eckstein gesagt ist. Wir haben hier eine bildliche Redeweise. Es ist die Rede von einem Gebäude, Steine werden zusammengetragen, und darunter ist nun ein Stein, den die Bauleute verwerfen; dieser Stein ist ein auserwählter und köstlicher Stein vor Gott, nicht aber vor den Menschen, und eben darum wird er verworfen. Der Herr fasst in diesem Spruch sein Leiden und seine Erhöhung zusammen, und spricht darin ganz klärlich seine Liebe aus zu uns verlorenen Menschen, seine Liebe zu allen Steinen, die mit ihm um seinetwillen und um seines Zeugnisses willen verworfen werden. Denn indem er spricht: „Tut mir auf die Tore der Gerechtigkeit, dass ich da hineingehe und dem Herrn danke“, befindet er sich gleichsam im Himmel und fährt nun fort: „Ich danke dir, dass du mich demütigst, dass du mich durch Leiden vollendest, erhörst und wardst mein Erretter. Und so bist du auch Erretter aller derer, die an mich glauben werden zum ewigen Leben; auch diese lässt du das Kreuz tragen, auch diese demütigst du und erhörst sie, und bringst auch sie zu Ehren wie mich“. So jauchzt er also vor Gott, dass er ihn, den Stein, den die Bauleute verworfen haben, zum Eckstein gemacht hat; er jauchzt also, dass er der Eckstein ist. Man trägt sonst nicht gerne, was vor der Welt verachtet ist, aber noch weniger möchte man tragen, was im Himmel verdammt ist; nun will dieser Stein aber tragen alle Steine, die von Gott Vater durch die Gnade des Heiligen Geistes auf ihm erbaut werden; er will tragen als Eckstein und Schlussstein beide, Juden und Heiden, alle Völker, samt all ihren Sünden und Gottlosigkeiten; er will ihre Sünde und ihren Fluch auf sich nehmen und ihnen geben die Gnade des Heiligen Geistes, auf dass auch sie darüber jauchzen, dass Gott Vater ihn zu solchem Eckstein gemacht hat. Daran erkennen wir seine große wunderbare Liebe gegen uns, dass er uns in Gnaden tragen will, dass er um unsertwillen solch ein Stein sein will.

Lasst es uns nicht vergessen, meine Geliebten, sondern es in unserem Herzen wohl aufbewahren, dass dieses ein Glaubensartikel ist. Als unser Herr zu den Hohenpriestern, Schriftgelehrten und Pharisäern sprach: „Habt ihr nicht gelesen, was die Schrift sagt: Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden“, da stand er ja vor ihnen als ein Verkannter und Verworfener, als wisse und verstehe er nichts, und als seien sie allein die Weisen; und so musste er ihnen eben die Schrift ins Gedächtnis rufen, auf dass sie erkennen möchten, wer er sei. Da hat der Herr also nichts anderes gesehen als bloß die eine Hälfte des Spruchs; die andere Hälfte hat er, da er dies vor den Hohenpriestern aussprach, und da er es sang in der Nacht, da er verraten ward, geglaubt. Nunmehr ist und bleibt es noch ein Glaubensartikel. Das ist gewiss: alle, die Christen sind, die gewillt sind gottselig zu leben, müssen verfolgt werden. Ihr frommer Wandel wird teils geliebt, teils gehasst, namentlich von den Heuchlern, und es ist und bleibt wahr, was der Herr gesagt hat: „Ihr werdet gehasst werden um meines Namens willen“. Es kann kein Mensch gewillt sein, allein von Gnade zu leben, aus Gnaden selig zu werden, sondern der arme Mensch, sich selbst überlassen, will durch eigene Kraft, durch eigene Weisheit es erlangen; der arme Mensch kann nichts anderes erwählen, als was vor Augen ist, was in den Augen des Fleisches, was vor der Welt etwas gilt. Es ist ein Glaubensartikel, auf dass alle, die um der Wahrheit und Gerechtigkeit willen, und weil sie bestehen auf Gottes Wort, verworfen werden, dennoch gutes Mutes sein und des gewiss bleiben sollen: Ich komme wieder zu Ehren, wie der Herr gesagt hat: „Die mich ehren, will ich wieder ehren“.

So bleibt es denn also wahr, erstlich von Christo, unserem Haupt, sodann von allen seinen Gliedern: „Der Stein, den die Bauleute verworfen, ist zum Eckstein geworden“. Nicht als ob die Gläubigen in der Weise zum Eckstein würden, wie Christus es geworden ist; denn er trägt unsere Sünde und Gottlosigkeit und hält uns alle zusammen; sondern also, dass, wo sie um Christi willen verworfen werden, sie dennoch wieder aufkommen. Alles was falsch und erheuchelt ist, alle Kraft und Gerechtigkeit des Menschen wird zu Schanden; aber was wahr, was gerecht ist, was sich zu Gott und seinem Wort hält, still seinen Weg geht und bei dem Worte bleibt, das kommt zu Ehren, ob es auch eine Weile verkannt wird. Das soll der Aufrichtige zu seinem Trost wissen -: er wird verworfen. Das schmeckt dem Menschen nicht, dass er sich sollte fügen nach Gottes Wort und beugen unter sein Gebot; ja: glauben, in den Himmel kommen, selig werden, als ein guter Christ gegrüßt werden, - das will der Mensch, aber sich beugen unter Gottes Wort, dazu gehört Selbstverleugnung, dazu gehört wahrhaftiges Drangeben seiner Lust und seiner Kraft und das Bekenntnis: Gott ist Gott, sein Gebot ist sein Gebot, sein Gesetz sein Gesetz. Alle solche Steine werden von dem Menschen verworfen, sie sind ihm nicht wohlgefällig. Sage dem Menschen, dass er selig wird, und dass er dabei doch seine Lust und seinen Willen haben kann, das gefällt dem Fleisch; aber nicht, wenn ihm nicht geschmeichelt, sondern ihm von dem Weg gesagt wird: Dies ist der Weg, sonst weder zur Rechten noch zur Linken! Aber Recht wird doch Recht bleiben, wie auch die Wahrheit verkannt und mit Schmutz beworfen werde; Redlichkeit und Treue kommt doch empor, sie kann nicht unter dem Grabstein gehalten werden; und so ist und bleibt es auch von allen Gliedern am Leib Christi wahr: „Der Stein, den die Bauleute verworfen, ist zum Eckstein geworden“.

Es ist der Aufrichtigen Arbeit vor Gott und Menschen doch nicht vergeblich; sie gehen still dahin und seufzen zu Gott für diesen und jenen, und wie sie denn auch verkannt werden, am Ende erfahren sie es doch, und sei es erst bei ihrem Ableben: „Selig sind die Toten, die in dem Herrn sterben, von nun an; sie ruhen von ihrer Arbeit, ihre Werke aber folgen ihnen nach“. (Off. 14,13.) Hast du mit Tränen gesät, so wird deine Aussaat gewisslich noch emporkommen, wenn du auch bereits im Grab liegst. (Ps. 126,5.6.) Aber, meine Geliebten, das lernen wir am besten verstehen, wenn wir von Gott gedemütigt werden; denn wenn es wahr ist, dass Gottes Weg, Wahrheit und Zucht dir nicht gefallen, der du Gott kennst, dann ist es gewiss auch wahr, dass sie dem nicht gefallen, der Gott nicht kennt.

Auf dass wir uns aber nicht ärgern, wie der Herr Jesus gesagt hat: „Selig ist, wer sich an mir nicht ärgert“, - auf dass wir uns also nicht ärgern, sondern bei der Wahrheit, Gerechtigkeit und Treue, bei Gottes Wort bleiben, haben wir wohl aufzumerken, welche es sind, die da verwerfen. Sie heißen in der Schrift „Bauleute“; es sind Leute, die im Amt sitzen, die sich aufs Handwerk verstehen, die es gelernt haben; es sind nicht ungelehrte Leute, nicht gemeine Leute, sondern es sind die ersten, hochwürdigsten, gelehrtesten, weisesten; reichsten und mächtigsten. „Bauleute“ heißen sie; und zwar ist hier nicht die Rede von einem politischen Gebäude, sondern von dem Bau des Hauses Gottes, d. i. von der Kirche. Dass diese „Bauleute“ hohe Leute sind, von Gott selbst in das Amt eingesetzt, das finden wir im 82. Psalm, wo wir also lesen: „Gott steht in der Gemeine Gottes und ist Richter unter den Göttern“ das sind die Bauleute; so sind demnach die Bauleute wie Götter. „Ich habe wohl gesagt: Ihr seid Götter und allzumal Kinder des Höchsten“; Gott hat sie also so hoch gestellt; wer zu Gott kommen will, ihn zu fragen, muss zu ihnen kommen; wer auferbaut werden will, muss von ihnen in die Hand genommen werden, sonst bleibt er liegen. „Ihr seid Götter“, - sie haben göttliche Macht und Würde, sie haben die Schlüsselgewalt, den Himmel auf- und zuzuschließen, das ganze Land in den Bann zu tun. Sie sind Götter und allzumal Kinder des Höchsten, das ist, dass ich es euch deutlich mache: geistliche Barone. Und so finden wir sie denn im hohen und höchsten geistlichen Adel, in den höchsten Würden, wie wir lesen Apostelgeschichte Kap. 4,5 ff.: „Als es nun kam auf den Morgen, versammelten sich ihre Obersten und Ältesten und Schriftgelehrten gen Jerusalem; Hannas, der Hohepriester, und Kaiphas und Johannes und Alexander, und wie viele ihrer waren vom hohenpriesterlichen Geschlecht“. Das waren Leute, die mit einander mehrere Millionen zu verzehren hatten, die an Würde und Gelehrsamkeit hoch geachtet waren und den Fürsten im Lande gleich standen, ja sogar über ihnen. Wer möchte den Mut haben, wider diese zu reden? Wir können das nun wohl so lesen und denken: Ja, Petrus, das war der Mann, jene aber waren verworfene Leute! Es waren aber Götter in der Gemeine Gottes, und der Mensch nimmt daran ein Ärgernis, von solchen Göttern verworfen zu werden. Petrus selbst würde nicht den Mut gehabt haben, vor ihnen die Wahrheit zu sagen, da öffnet aber der Heilige Geist, welcher der Höchste ist und Christum, den Sohn Gottes, in der Gemeine verherrlicht, ihm den Mund, so dass er, voll des Heiligen Geistes, zu ihnen sprach: „Jesus Christus von Nazareth, das ist der Stein, von euch Bauleuten verworfen, der zum Eckstein geworden ist. Und ist in keinem Andern Heil, ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, darinnen wir sollen selig werden“.

Das ist den Armen und Elenden zum Trost geschrieben, auf dass sie diese Bauleute wohl erkennen, es sei dass sie das Amt haben und in Hoheit sitzen, es sei dass sie sich unter dem frommen Volk als die Ersten und als Lehrer und Leiter der Blinden hervortun und sich als solche aufdrängen. Da sollen alle Elenden und Dürftigen, die kein Leben in eigener Hand finden können, wo sie nun mit Christo von solchen Bauleuten verworfen werden, die Hoheit, Ehrwürdigkeit, Gelehrsamkeit, Macht, Herrlichkeit und Reichtum solcher Bauleute zu der Welt und den sichtbaren Dingen schlagen und sich an das Unsichtbare getrosten Mutes halten und des wohl bewusst sein, dass der Heilige Geist Herr und Gott bleiben will, er, der allein heilig ist, auch allein heiligt und Christum Jesum gehandhabt und verherrlicht wissen will.

Da möchte aber der eine und andere fragen: Wenn denn die Bauleute so viel Weisheit haben, in so hohen Ehren und Würden stehen, - sie gehen ja um mit Gottes Wort und der Heilswahrheit, sie arbeiten an den Seelen der Menschen, wie kommt es, dass sie den Stein verwerfen? Der ist sehr töricht, der also fragt. Man sollte doch lieber die Hand in den eigenen Busen stecken und fragen: Wie kommt es, dass ich das tue? Denn die Predigt hören, den rechten Glauben bekennen, das tut es nicht, sondern dass man in Wahrheit sich bekehrt habe zu Christo, dass man abgelegt habe den alten und angezogen habe den neuen Menschen. Das tut es nicht, dass man sich den Trost herausnehme aus dem Evangelium und doch zu gleicher Zeit sitzen bleibe auf seinen Sünden, in seinem Geiz, in seinem Eigenwillen, Eigensinn und eigener Lust, und also seinem Nächsten allerlei Betrübnis bereitet. Da möchte ich auch fragen: Woher kommt es, dass Gott und der Herr Jesus dem Herzen so fremd ist? Die Bauleute sollten ja bauen; aber was erwählt der Mensch? Liebst du es, dass ich dir die Wahrheit ins Gesicht sage: So und so wird dein Ende sein, wenn es nicht anders mit dir wird? Da nimmst du auch die ganze Schrift zu Hilfe, um dich festzuhalten in deinen eigenen verkehrten Geschichten. Fleisch kann nicht Geist erwählen, Fleisch erwählt glatte Steine, polierte Steine, Fleisch erwählt äußerliche Stärke, Weisheit, Gerechtigkeit und Macht. Das vernehmen wir aus demselben zweiundachtzigsten Psalm Vers 2: „Wie lange wollt ihr unrecht richten und die Person der Gottlosen vorziehen? Sela. Schafft Recht dem Armen und dem Waisen, und helft dem Elenden und Dürftigen zum Recht. Errettet den Geringen und Armen und erlöst ihn aus der Gottlosen Gewalt!“ Das bringt Fleisch nimmer fertig! Also der Stein, Christus, passt nicht zu den Steinen, womit die Bauleute bauen, er will sich nicht dazu schicken; das sind alles glatte, polierte Steine, aber Christus ist ein unpolierter, unansehnlicher Stein, wie Jesajas von ihm geweissagt hat: „Er hatte keine Gestalt noch Schöne; wir sahen ihn, aber da war keine Gestalt, die uns gefallen hätte. Er war der allerverachtetste und unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit. Er war so verachtet, dass man das Angesicht vor ihm verbarg; darum haben wir ihn nichts geachtet. Wir hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre“. (Jes. 53,2-4.)

Das wahrhaftige Kreuz, wer will es? Die wahrhaftige Selbstverleugnung, wer begehrt sie? Wer will von selbst Abstand tun von aller eigenen Gerechtigkeit und Heiligkeit? Mit dem Mund geht es an, aber mit dem Herzen? - nein! Wer will wahrhaftig bekennen: Gott allein ist groß, der die zahllosen Sterne ruft am Himmel und nennt sie alle mit Namen? Der Stein, Christus, schickt sich nicht zu Fleisch; und wenn auch die Bauleute sagen, dass sie auf diesen Stein bauen wollen, und es damit versuchen und alles anwenden und tun, um den Stein in ihrem Bau anzubringen, so will der Stein doch nicht sitzen, er liegt verkehrt und schickt sich nicht zu solchen glatten, polierten Steinen. So wird er denn von den Bauleuten als untauglich verworfen.

Wie nun dieser Stein ist, so will er auch die Steine haben, die auf ihm liegen. Das sind aber alles von Natur ganz unbrauchbare Steine. Gott jedoch ist barmherzig, so dass er nicht alsbald den Stab bricht über die Steine, die ihm in die Quere kommen, sondern er macht unter Arm und Reich überall sich Arme und Elende, denen es um Wahrheit geht, um Gerechtigkeit und Heiligkeit, denen es nicht sowohl darum geht, dass sie errettet seien, sondern dass Gottes Gesetz und sein Wort bleibe; - die richtet er sich zu, aber es sind unpolierte und rohe Steine. Diese alle legt er auf Christum, den wahrhaftigen Sünderheiland, und auf ihm werden sie gebaut, sie alle, denen in Wahrheit ihre Sünden leid tun, die da begehren heilig zu wandeln und wissen es doch nicht anzufangen; sie haben nicht Gerechtigkeit, nicht Tugend, nicht Heiligkeit, nicht Weisheit noch Kraft, und sind froh, dass Christus ihre Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligkeit und Stärke ist.

Die Bauleute verwerfen den Stein, Christum; das haben sie immer getan, die ganze Kirchengeschichte zeigt es uns. Indessen, die Bauleute bauen weiter, und ob Gott ihnen ihr Werk zehnmal niederreißt, sie bauen dennoch weiter und suchen ihren prächtigen Dom und Babelsturm immer herrlicher auszubauen. Aber wenn Gott kommt, - Gott hat seine Zeit und lässt oft lange warten, bis dass er kommt, - aber wenn Gott kommt und spricht: „Nun will ich mich aufmachen und Ehre einlegen!“ dann setzt er die verworfenen Steine auf einander, und sieht es auch roh aus, so soll dennoch der Teufel nichts daran auszusetzen haben; denn in Gottes Gnade, Wahrheit und Erbarmen wird das ganze Gebäude herrlich und rein gesprochen. An diesem Gebäude kann der Mensch nicht bauen, auch der bestgesinnte nicht, ja gerade der bestgesinnte wird es um so mehr erfahren, dass er dem Herrn Gott mehr im Weg ist, als dass er ihm hilft. Das hat Gott sich selbst vorbehalten, Christum zu Ehren zu bringen, die verworfenen Steine zu Ehren zu bringen, und es ist allemal in den Augen der Gerechten, die Gott so zu Ehren bringt, ein Wunder, dass sie sagen müssen: Es ist ein Wunder vor unseren Augen, und: Es ist vom Herrn geschehen! Gerade wie auch in einem anderen Psalm geschrieben steht: „Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird, dann werden wir sein wie die Träumenden; dann wird unser Mund voll Lachens und unsere Zunge voll Rühmens sein“ (Psalm 126). Denn das ist allemal ein Wunder vor den Augen der Angefochtenen, wenn Gott sich endlich aufmacht und die Bauleute totschweigt, wie sie die von Gott erwählten Steine totgeschwiegen haben, und zeigt, dass er nichts von ihrem Bau wissen will, und macht es offenbar, dass er seine Steine will unverworfen haben, und dass er die Verwerfer nicht kenne. Solches kommt doch in Fleisch und Blut, selbst der Allerheiligsten, nicht auf, dass Gott ihnen so gnädig ist, um sie mit Christo zu Ehren zu bringen, vielmehr werden sie oft hart durch die Gedanken angefochten: Gott wolle ihrer auch nicht und bekenne sich nicht zu ihnen, weil sie von den Bauleuten verworfen sind. Denn ob sie zwar glauben, Gott werde sich seiner und ihrer Sache endlich annehmen, so schreien sie doch durchweg: „Warum verstößt du uns?“ und das Fleisch ist zu schwach und die Kraft der Vernunft zu gering, um es für gewiss und wahr zu halten, was der Glaube glaubt, die Hoffnung erwartet, und warum die Seele kämpft und ringt. So ist es denn den Angefochtenen allemal ein Wunder, wenn nun Gott sich wirklich erhebt, seine „Verworfenen“ mit Ehren an und aufnimmt und sich zu ihrer Sache herrlich, königlich und väterlich bekennt. Ein Wunder ist es, gerade so wie damals, da Gott Himmel und Erde erschuf, da er sprach: Es sei Licht! und es ward Licht.

Dieses geschieht, meine Geliebten, aber also, dass die Bauleute nichts davon sehen, sondern sie bekommen den Starrsinn, werden in ihrem Unglauben verhärtet und ersinnen allerlei Schrauben, um ihr sinkendes Gebäude wieder in die Höhe zu schrauben, bis sie mit ihren Schrauben und dem ganzen Gebäude in die Finsternis und in die Tiefe versinken, wo sie in Ewigkeit schweigen müssen mit ihrem falschen Ruhm. So hörten auch die Hohenpriester zwar die Kunde, dass der von ihnen verworfene Stein zum Eckstein geworden sei, aber sie sahen doch nichts. Was sie sahen, war, dass diese beiden, Petrus und Johannes, ungelehrte Leute und Laien waren, obgleich sie das Wunder nicht leugnen konnten. So blieben sie denn in ihren verkehrten Geschichten, rieben sich unter einander auf, bis dass Gott kam, Stadt und Tempel über den Haufen warf, und die Römer des ganzen Landes Herr wurden.

Es soll aber niemand meinen, dass dieses Wort ihm gelte, wenn er seiner fleischlichen Begierde und gottlosen Lehre wegen, indem er die Zucht hasst, von den Menschen verworfen wird. Solche Ungeregelte, die sich selbst absondern von dem von Gott erwählten Stein und nun als verworfene Steine sich wollen Geltung verschaffen, sich einen Anhang zu machen, und nun auch, der eine so, der andere anders, auf eigene Faust zu bauen beginnen und rühmen sich, dass sie das Handwerk vor anderen verstehen, sie werden dieses Wunder nicht zu sehen bekommen; ein solcher soll nicht meinen, dass er nun ein Stein sei, von Gott angenommen; so verhält es sich nicht. Es ist vielmehr dies Wort zu denen gesagt, und sie werden dieses Wunder sehen, die sich selbst verleugnen, das Kreuz auf sich nehmen, zu Gottes Wort und Gebot sich halten -: sie werden verworfen und verfolgt, auch bis auf den Scheiterhaufen gebracht werden; aber aus der Asche geht's hervor, so dass die Krone, die Krone der Gerechtigkeit, keinem Aufrichtigen vorenthalten wird, so gewiss als Christus, ihr Haupt, zu Ehren und Herrlichkeit gekommen und zum Eckstein für sie geworden ist.

Amen.

Schlussgesang.

Psalm 118, Vers 11.

Der Stein, den einst die Tempelbauer
Verschmäht, ist Eckstein in der Höh';
Das bringt den denkenden Zuschauer,
Dass er nach ihm mit Ehrfurcht seh.
Von unserem Gott ist das geschehen,
Wie herrlich ist, was er getan!
Wir können dieses Wunder sehen
Und beten seine Allmacht an.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/k/kohlbruegge/aus_tiefer_not/kohlbruegge-aus_tiefer_not-8._predigt.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain