Kohlbrügge, Hermann Friedrich - „Aus tiefer Not“ - Zwölfte Predigt.

Gehalten den 12. Dezember 1858, abends.

Gesang vor der Predigt.

Psalm 71, Vers 10 und 11.

Ich harr auf dich in allen Dingen
Und melde täglich mehr
Von deinem Ruhm und Ehr.
Ich will dein hohes Recht besingen,
Von deinem Heil erzählen,
Wiewohl mir Kräfte fehlen.

Ich wag es kühn, einher zu treten
In meines Gottes Kraft,
Der Hilf' allein verschafft.
Ich will sein heilig Recht anbeten,
Dem Herrn die Ehre geben
Und seinen Ruhm erheben.

Meine geliebten Brüder und Schwestern! Ich sagte in der Morgenstunde, dass derjenige, der von Gott geliebt ist, von selbst wiederum ewig liebt. Diese Liebe ist nicht so sehr eine Liebe zum Herrn, wie man gewöhnlich Liebe zum Herrn heuchelt; denn Er kann uns wohl lieben, aber wir ihn nicht; und Er liebt, weil er liebt. Wenn wir ihn aber lieben, so lieben wir ihn also, dass diese Liebe zugleich übergeht auf den Nächsten, auf alle, die aus Gott geboren sind. Sein Bild können wir nicht sehen, aber wir sehen ihn in den Brüdern und Schwestern. Es ist daher dieser Liebe eigen, allererst freigebig zu sein, welche Freigebigkeit darin besteht, dass man segnet, das ist, dass man gut heißt die, welche des Herrn sind, welche aus Gott geboren sind, dass man sie willkommen heißt, und das nicht allein, sondern dass man aus der Fülle Gottes frei mitteilt, was man selbst aus dieser Fülle empfangen hat.

Gottes Volk ist ein armes Volk; das macht ihr Elend. So arm es jedoch ist, so reich ist es auch. Aber es weiß oft nicht, wo der Reichtum steckt. Da macht es denn der Herr so, dass, wo der eine weint, der andere sich freut; wo bei dem einen der Mut ausgeht, da bekommt der andere Mut, um es dem Bruder mitzuteilen: Es steht droben im Himmel doch gut für uns Arme! Daher diese Worte: „Wir segnen euch, die ihr vom Haus des Herrn seid“, die ihr also Hausgenossen Gottes, Kinder des Allerhöchsten seid, die ihr aus der Wahrheit seid. Es ist des Herrn Gottes Gesinnung: gütig zu sein; es soll seinen Kindern wohl geben! Und so ist es denen, die aus Gott geboren sind, auch eigen, darauf aus zu sein, dass es den Brüdern wohl gehe, sie sollen es gut haben. Von dieser Freigebigkeit, dass sie aus der Fülle des Herrn mitteilen, kommt es auch, dass sie trösten, dass sie nicht anders können als solche trösten, die aus dem Haus des Herrn sind. Dieser Trost ist ausgesprochen in den Worten, die wir nun weiter lesen im siebenundzwanzigsten Vers des hundertachtzehnten Psalms:

Der Herr ist Gott.

Dies haben wir eigentlich schon vorigen Sonntag betrachtet, aber das Wort „Gott“ ist ein Baum, an dem der Früchte viele hangen; und so möchte ich denn an diesem Abend nochmals diesen Baum und seine Äste schütteln und so noch einige Früchte gewinnen.

Es versteht sich von selbst, wird die Vernunft sagen, dass der Herr „Gott“ ist. Aber im Leben? im täglichen Leben? Wer ist da Gott? Ist es Baal und Astaroth? Ist es der Moloch? der Mammon? Ist es Mann und Weib, Haus und Kind, Geld und Gut? Von den zehn Geboten wird das erste Gebot: „Ich bin der Herr, dein Gott“, so zu sagen, weggeblasen. Dieses „Ich“ Gottes, ja, dass wir das im Gedächtnis behalten könnten! ja, dass das verdammte und verfluchte Ich des Fleisches und alle die „Ich“ anderer nicht dazwischen kämen! Seht, wenn wir das glauben und annehmen könnten, dann würden wir nicht traurig sein, sondern des Glaubens voll unsere Pilgerfahrt fortsetzen, dann wäre alles, alles fortwährend gut. Aber in dem armen Menschenherzen steht anstatt des Wortes „Herr“ alles mögliche, was in der Welt ist, und dieses ist dann „Gott“; und statt dieses „Der Herr ist Gott“ steht in dem Herzen: er ist nichts, der Herr ist nichts!

Lasst uns acht darauf haben, dass das bestimmt eine gräuliche Sünde von uns ist, dass wir nicht merken auf das erste Gebot und dieses so gering halten. Es steckt in uns allen der Gedanke: Wir sind es, wir werden sein wie Gott, und wir sind Gott. Ihr könnt es finden in jeder Zeitung; da sind die Menschen, da sind die Fürsten Gott; sie tun und bestimmen alles, wie sie es wollen, und was sie wollen, und es lebt kein Gott, der Himmel und Erde gemacht hat. Ihr könnt aber dasselbe jeden Tag auch finden auf den Blättern eures Lebens und täglichen Tuns; da sehen wir, dass wir fortwährend danach streben, Gott aus allen Dingen hinweg zu setzen. Es liegt einmal so im Menschen, dass er denkt: der Zufall ist Gott; der Tod, die Sünde, das Gesetz, der Mammon oder Moloch ist Gott, oder man ist selbst Gott.

Nun kommt da ein Kreuzträger heran und geht den armen Kreuzträgern entgegen, wie Melchisedek dem Abram entgegenkam und ihn segnete im Namen des allerhöchsten Gottes, der Himmel und Erde besitzt (1. Mos. 14,19). Die einen Kreuzträger denken bei sich selbst: Sollten wir wirklich Gesegnete sein des allerhöchsten Gottes? Sollten wir in Wahrheit solche sein, auf welche Gott in Gnaden herabblickt? Sollte es wahr sein, dass uns die Sünden vergeben sind? Und die anderen Kreuzträger sagen: Ja, es ist wahr! es verhält sich also! Ihr sollt nicht der Verdammnis und der Verfluchung anheim fallen, sondern es ist Einer da, - der, von dem wir gesungen haben: Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn! Er ist nun da! Haben wir euch nicht gesagt, dass er kommt? Die Verheißung wird doch zu ihrer Zeit kommen; und ob sie verzieht, so harre ihrer, sie wird gewiss kommen und nicht verziehen. Nunmehr ist es erfüllt, und ihr sollt wissen, dass droben alle Schätze der Gnade und des ewigen Lebens für euch aufbewahrt sind! Und nun bringen wir euch die Erstlinge: Der Herr ist Gott! - So lange als Abram im Siegeszug einher ging, dachte er wohl, er wäre der Mann, er hätte die Könige erlegt und der Beute viel gewonnen; aber bald musste ihm der Mut entsinken und er steckte in großer Gefahr, von Sodom etwas zu nehmen, von der Beute etwas zu behalten. Da wurde er aber gesegnet, auf dass er über den Segen sich mehr freue als über alle Schätze, und in dem Worte dessen, der Himmel und Erde besitzt, vernehme: Du hast es alles genug!

„Ich bin der Herr“ oder: „ich der Herr“ - das lesen wir fast allerwärts (3. Mos. 19,37; 20,8; 1. Mos. 28,13; 2. Mos. 15,26; 20 Vers 2; Ps. 81,11; Jes. 41,4; 42,8; 45,5-8; Jer. 17,10 usw.) „Sie sollen wissen oder erfahren“, lesen wir hundertmal bei den Propheten, „dass ich der Herr bin“. (2. Mos. 8,22; Jes. 49,23.26 usw.) Und wiederum: „Ich bin der Herr und will meine Ehre keinem anderen geben, noch meinen Ruhm den Götzen“ (Jes. 42,8). - In seiner vollen Bedeutung finden wir dieses „der Herr ist Gott“ im zweiten Buch Moses. Daselbst lesen wir, wie der Herr zu Mose spricht, dass er zu Pharao hingehen und ihm sagen solle, dass der Herr ihm gebiete, das Volk ziehen zu lassen. Und nun heißt es Kap. 6, Vers 2-8: „Und Gott redete mit Mose und sprach zu ihm: Ich bin der Herr! und bin erschienen Abraham, Isaak und Jakob, dass ich ihr allmächtiger“ oder: allgenugsamer „Gott sein wollte, aber mein Name Herr ist ihnen nicht geoffenbart worden. Auch habe ich meinen Bund mit ihnen aufgerichtet, dass ich ihnen geben will das Land Kanaan, das Land ihrer Wallfahrt, darinnen sie Fremdlinge gewesen sind. Auch habe ich gehört die Wehklage der Kinder Israels, welche die Ägypter mit Frönen beschweren, und habe an meinen Bund gedacht. Darum sage den Kindern Israels: Ich bin der Herr und will euch ausführen von euren Lasten in Ägypten und will euch erretten von euren Frönen und will euch erlösen durch einen ausgereckten Arm und große Gerichte, und will euch annehmen zum Volk und will euer Gott sein, dass ihr es erfahren sollt, dass ich der Herr bin, euer Gott, der euch ausgeführt habe von der Last Ägyptens, und euch gebracht habe in das Land, darüber ich habe meine Hand gehoben, dass ich es gäbe Abraham, Isaak und Jakob; das will ich euch geben zu eigen, ich, der Herr!“

Abraham, Isaak und Jakob haben ja freilich den Herrn mit Namen gekannt, aber was alles in dem Namen „Herr“ lag, das war ihnen nicht geoffenbart worden. Es war für sie nicht an der Zeit, sondern was in diesem Namen lag, das wurde noch reichlicher den Kindern Israels geoffenbart. Gerade so heißt es auch von den Vätern Ebr. 11,39: „Sie haben die Verheißung nicht empfangen“, während wir doch lesen, dass Abraham den Tag des Herrn Jesu gesehen und sich dessen gefreut habe; aber er hat doch das nicht gesehen, was Natanael sah, da er Jesum erblickte und dieser sagte: „Ehe dich Philippus rief, da du unter dem Feigenbaume warst, sah ich dich!“ Darum sagt auch der Herr Jesus selbst (Matth. 13,17): „Könige und Propheten haben begehrt zu sehen, was ihr seht, und haben es nicht gesehen, und zu hören, was ihr hört, und haben es nicht gehört“. So lange Abraham, Isaak und Jakob lebten, ist die Souveränität Gottes nie so an den Tag gekommen, wie zu der Zeit, da er sein Volk aus Ägypten führte. Die Offenbarung des Namens „Herr“ geht stufenweise. Immer völliger und immer herrlicher und herrlicher geht sie durch alle Propheten hindurch für einen jeden, der Ohren hat zu hören, bis er im Geist am Meer Tiberias steht und den Johannes sagen hört: „Es ist der Herr!“ (Joh. 21,7.)

Wenn du hörst alle die Verheißungen, die Gott seinem Volk gegeben hat, so wirst du sagen: Das ist herrlich! Das ist prächtig! Aber wenn du selbst im Ofen, im Feuerofen des Satans dich befindest, dich in der Macht des höllischen Pharao siehst, wenn du die Verheißung hast und mit der Verheißung zu Grunde gegangen bist, dass es heißt: Philister über dich, Simson! wenn du dir nicht mehr helfen kannst, und es wird schlimmer und schlimmer - was dann? Du hast vor langen Jahren wohl gehört: „Der Herr sei der Herr“, aber welchen Trost hast du heute davon? Nun, da achte denn darauf, dass Gott dieses Wort „Ich bin der Herr“ nicht geredet hat, als die Kinder Israels bereits durch das rote Meer hindurch waren, nicht als alle Feinde ersoffen (Ps. 106,11) drin lagen, sondern da alles Volk fragen musste: „Ist Er der Herr, warum geht es uns denn also?“

Ich bin der Herr, der treue Bundesgott! Wer ist das? Ist es Gott der Vater, der den verachteten Stein als Eckstein hervorgebracht? Ist es Gott der Sohn, der verachtete und verworfene Stein? Ist es Gott der Heilige Geist, der Tröster, durch welchen Christus spricht: Es sage nun Israel: Seine Güte währt ewiglich. Wir nennen drei, weil Gott sich also in seinem Worte geoffenbart hat, dass diese drei unterschiedliche Personen der einige, wahrhaftige, ewige Gott sind. „Ich bin der Herr“, das will sagen: Ich halte Wort und Treue, ich halte meinen Bund; der Bund meines Friedens wankt nimmer: mehr. Abraham, Isaak und Jakob, meinen Auserwählten, habe ich hundert Dinge gezeigt, aber nunmehr will ich mich aufmachen und will euch noch ganz andere Dinge zeigen, die sie nicht gesehen haben. „Ich habe gehört“ das soll die Seele lesen, die in den Banden der Sünde, der Hölle und der Welt war, die aber zu allen Götzen gesagt hat: „hinweg!“ und nun um so mehr von allen höllischen Mächten gepeinigt wird, - das soll sie lesen: „Ich habe gehört die Wehklage“ - ich habe gehört, wie du beschwert bist, ich habe aber meines Bundes nicht vergessen, sondern habe daran gedacht. Ich bin der Herr! In mir ist kein Schatten von Veränderung. „Berge sollen weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer! Ich habe dich einen kleinen Augenblick verlassen, aber mit großer Barmherzigkeit will ich dich sammeln. Ich habe mein Angesicht im Augenblick des Zorns ein wenig vor dir verborgen, aber mit ewiger Gnade will ich mich deiner erbarmen, spricht der Herr, dein Erlöser. Denn solches soll mir sein wie das Wasser Noahs, da ich schwur, dass die Wasser Noahs sollten nicht mehr über den Erdboden gehen“. (Jes. 54,7-10.) Ich will euch ausführen und erretten von der Last eurer Sünde und von eurer Wehklage: „Elender Mensch ich, wer wird mich erlösen von dem Leib dieses Todes?“ Ich will euch erretten von euren Frönen und harter Arbeit, worin ihr kein Leben finden konntet. Ich will euch erretten durch einen ausgereckten Arm, den ich am Kreuz ausgereckt habe, und durch große Gerichte, die stattfanden auf Golgatha, wo Tod, Sünde, Teufel und Welt zunichte gemacht sind. Ich will euch annehmen zum Volk und will euer Gott sein. Er, der Himmel und Erde erschaffen hat, Er ist es, der da spricht: „Ich will euer Gott sein“, und da sagt er denn weiter: Ich will es so sein, dass ihr erfahren sollt, dass ich der Herr euer Gott bin, der ich euch ausgeführt habe aus dem Feuerofen und errettet von der Last der Sünde, und euch gebracht habe in das verheißene Land, darüber ich habe meine Hand gehoben, dass ich es gebe Abraham, Isaak und Jakob; das will ich euch geben zu eigen, ich, der Herr!

Dieses „Ich, der Herr“ ist nicht hoch gehalten in der Welt. So war's dem Abraham oft bange, und er nahm seine Zuflucht zu Fleisch, zu dem Werk, zu der Sünde.

So war es auch dem Isaak bange, so war es der Rebekka bange, dass sie sagte: „Warum geht es mir denn so?“ Und Jakob - ihr wisst, was er von seinem Leben gesagt hat: „Wenig und böse ist die Zeit meines Lebens“. Und da er seinen Joseph nicht mehr hatte, wollte er trotz aller seiner Erfahrungen sich nicht mehr trösten lassen? Und wie ging es nun dem Volke Israel samt Moses und Aaron, da der Herr sich aufmachte ihnen zu helfen? Da musste Moses selbst sagen: „Ach, Herr Gott, seitdem du mich gesandt hast, geht es dem Volk noch einmal so übel“ (2. Mos. 5,22.23). Was haben alle Heiligen von jeher gedacht? „Ich komme noch eines Tages um! Ich werde noch einst in die Hände Sauls fallen!“ (1. Sam. 27,1.) Dass es einen Gott gibt, das glaubt alle Welt. Millionen Türken schreien dreimal des Tags: Gott ist Gott! Aber Gottes Volk, das errettet ist von den Götzen, das hat keinen Gott, wie die Welt ihn hat, es hat den Gott der Welt nicht, anbetet und huldigt ihm nicht mehr, es ist vielmehr errettet aus dem Gefangenhaus aller dieser Götzen, und hat den allein wahrhaftigen und lebendigen Gott.

Dieser Eine, dieser lebendige Gott, ist er Gott? „Ja“, antwortet die ganze Christenheit mit dem Munde; „nein“, antwortet sie mit ihrem Tun. Die Götzen, wie viel ihrer sind, versprechen und vermögen alles. Wo der Rabsake seinen Mund auftut im Namen Sanheribs und seine Götter rühmt, wie die alle anderen zunichte gemacht haben, da wird Hiskia, der König selbst, der tagtäglich mit dem Propheten umging, so eingeschüchtert, dass er allen Mut verliert, ja, dass er Gott gleichsam verliert und meint, er habe nicht Hände und Füße mehr und könne nicht mehr helfen (Jes. Kap. 36 und 37). Aber eben da können wir auch wiederum sehen, wie er in seinem Seufzen geworfen wurde auf den lebendigen Gott.

Es gibt kein Menschenkind und kein Volk, das nicht einen Gott hat, denn jeder malt sich diesen Gott nach seiner Phantasie; aber das Volk, das sich fluchwürdig fühlt, das Volk, das man wie ein krankes Kind auf den Händen tragen muss, das ist das einzige Volk, das keinen Gott hat! Eben das Volk, dem der wahrhaftige Gott mit einem Eidschwur zugesagt hat: Ich bin der Herr, dein Gott, der ich dich aus der Hölle errettet habe und aus der Macht der Finsternis. Wie? Sollte dieses Volk keinen Gott haben? Ich spreche von der Erfahrung, wie es im Herzen aussieht; ich spreche davon, wie es zugeht in der Not; ich spreche von der Hurerei, dass ein Mensch stets von seinem Gott abweicht und sich vor anderen Göttern neigt, in der Meinung, diese können etwas, aber der Herr könne nichts! Es soll aber gepredigt werden, ihnen zum Trost: Ich Jesus! (vgl. Offenb. Joh. 22,16) und: Der Herr ist Gott! Alle Götter der Völker sind prächtig und haben eine schöne Gestalt, aber unser Gott, der ist verachtet und verkannt, sogar von denen, die da prahlen, dass sie ganz besonders „reformirt“ seien. Er ist und bleibt der Gott, von dem der Prophet gesagt hat: Er hatte keine Gestalt noch Schöne; wir sahen ihn, aber da war keine Gestalt, die uns gefallen hätte. Er ist die Schmach der Leute und eine Verachtung des Volks, und vor der Welt gilt er nichts. So kommt unser Gott, so kommt der Herr Jesus. Warum das? Ja, er will den Teufel fangen, und weil er den Teufel fangen will, kommt er mit List und geht einher in der Schwachheit des Fleisches. Er will den Armen gut sein, und deswegen ist er ihnen gleich geworden, um ihnen Mut zu machen. Seine Augen schauen nach dem Glauben; wo er nun kommt, ist das Wort da, und er ist in dem Wort. So offenbart er sich. Was wird nun das Wort vermögen? Ja, ich habe wohl gehört, dass es Himmel und Erde gemacht habe - doch das ist was Kleines; - aber dass ich die hundert Taler bekomme, die ich nötig habe, das ist größer! Ja, ich habe wohl vernommen, was das Wort vermag, aber ich weiß doch, es hängt von diesem oder jenem Menschen ab, und wenn er mir die Tür nicht öffnet, so gibt es nichts. Unser Herr kommt, und wo er kommt, kommt er mit dem Wort; er offenbart sich in Worte, er steckt im Wort. „Herr“ ist sein Name, aber Pharao, der mächtige König, hat gesagt: Der Herr, wer ist der? Ich kenne keinen Herrn! Ich kenne den Jehovah nicht, und lasse das Volk nicht ziehen! (2. Mos. 5,2.) Willst du, Moses, kommen mit deinem kleinen Gott? Wir haben andere Götter! Komm in unsere Tempel, da kannst du sie sehen! Ich mache mit meinen Sachen, was ich will! Was frage ich nach deinem Gott!: „Wer ist der Herr?“ das fragt der Mensch. „Wer ist der Herr?“ das gilt im Herzen! aber der Herr gilt nichts! Mancher junge Mann und manche junge Tochter hört mich augenblicklich, und ich frage sie, was denn in ihrem Herzen stecke: Gott oder etwas anderes? Ach, es sieht aus, als wäre es eine Schmach, den Herrn zu kennen. Nein, denkt die Jugend, das wollen wir einstweilen auf die Seite legen, und über Jahr und Tag, ja, dann wollen wir tun, was der alte Vater oder die alte Mutter sagt! So schämt man sich des Herrn!

„Dieser Herr aber ist Gott“ - das ist der Trost, womit ein Kreuzträger den anderen tröstet. Dieser Herr, der von Kaiser und Königen, von Papst und Kardinälen verachtet und unter die Füße getreten wird, der ans Kreuz gehängt, der auf den Scheiterhaufen geführt wurde, und der von jeher die Ketzermütze tragen musste, er, der von allen geschmäht und verworfen wird, an den keiner der Obersten je geglaubt hat, sondern nur das dumme Volk, das vom Gesetz nichts weiß - dieser Herr ist Gott! Ist er Gott - was will das sagen? Das will sagen, dass er erhöht ist, dass er mit Ehre und Schmuck gekrönt ist, dass er dort oben im Himmel anders aussieht, als er hienieden aussah, dass er souverän ist und mit dem Seinigen tut, was er will. Sein Rat ist allein ewig, er ist in allen Stücken gerecht, er tut niemand Unrecht; er ist allein heilig, allein weise, allein gut!

Wenn ihr nun steht in den Vorhöfen Gottes vor dem Brandopferaltar und hört die Posaune und denkt in eurem Herzen: Ach, in meinem Haus sieht es anders aus! und denkt an eure Leiden, an eure Schmerzen, an Tod und Grab; denkt an so manche Verheißung, die doch nicht gekommen zu sein scheint, wie des Herrn Wege so ganz anders sind als unsere Wege, und seine Gedanken andere als unsere Gedanken, so sollt ihr doch für gewiss halten: Dieser Herr ist Gott. Ist dieser Herr „Gott“, so ist euer Schmerzensweg der gerade Weg zum Himmel, zum ewigen Frieden, der gerade Weg, um desto eher zu erblicken das himmlische Jerusalem, dessen Glockentöne wir wohl mal vernommen haben. Ist der Herr „Gott“, so lasst ihn schalten und walten mit dem Euern. Er hängt zwar am Kreuz, und ihr werdet mit ihm ans Kreuz geschlagen, und alles schreit: Komm herab, wenn du kannst! Aber ist der Herr, der am Kreuz hängt, Gott, dann werden die Baalspfaffen doch noch alle geschlachtet. Ist der Herr, der ins Grab hineingeht, Gott, dann kommt ihr, die ihr mit ihm hineingegangen seid, auch mit ihn aus dem Grab wieder hervor!

Also kommt die Liebe und tröstet: Wie Jesus ist, so ist auch sein Volk; und wie sein Volk ist, so ist auch der Herr Jesus. Das geht aber stets den untersten Weg; das geht alles so, dass es heißt: Eure Wege sind nicht meine Wege, und eure Gedanken nicht wie meine Gedanken! Das geht alles so, dass es Glaubenssache ist und nicht Sache des Schauens, so dass auch die letzte Hoffnung ausgeht, und nur an der Liebe erkannt wird: Ich bin doch mit ihm verbunden, ich bin doch mit ihm vermählt ewiglich! Arm geht man einher und ohne Schmuck, aber einen Ring hat Er an den Finger gesteckt, der glänzt; und daran wissen wir, dass Er reich ist.

Wir haben dieses durch die ganze Schrift hindurch. So zum Beispiel in dem hundertsten Psalm: „Erkennt, dass der Herr Gott ist; er hat uns gemacht und nicht wir“, - nun, so weiß er auch, was den Seinen fehlt, er wird zu rechnen wissen, wird für uns Sorge tragen, es hängt alles von ihm ab und von seiner Gnade, wir haben uns nicht gemacht. Auch im hundertachtunddreißigsten Psalm lesen wir Vers 1 ff.: „Ich danke dir von ganzem Herzen; vor den Göttern will ich dir lobsingen. Ich will anbeten zu deinem heiligen Tempel und deinem Namen“ deinem verachteten und verkannten Namen, womit die Feinde meiner Seele mich höhnen und sagen: Wo ist nun dein Gott? was vermag er? - „ich will deinem Namen danken um deiner Güte und Treue; denn du hast deinen Namen über alles herrlich gemacht“ nicht mit Donner und Blitz, sondern: „durch dein Wort!“ Dein Wort hast du wahr gemacht, dass es dennoch alles noch so gekommen ist, wie du gesagt hast. „In meinem Anrufen erhörst du mich, du gibst meiner Seele große Kraft“, indem du in ihrem Elend deinen Arm ausreckst, so dass sie sagt: Mein Herr und mein Gott! Vers 6: „Der Herr ist hoch“ - so niedrig, wie er saß um meinetwillen, „er ist hoch und sieht auf das Niedrige und kennt den Stolzen von ferne“ als einen Schatten, in dem keine Kraft ist. „Der Herr“ denn er ist Gott „der Herr wird es ein Ende machen um meinetwillen. Herr, deine Güte ist ewig. Das Werk deiner Hände wollest du nicht lassen“. Und Ps. 146,10: „Der Herr ist König ewiglich! dein Gott, Zion, für und für!“ Und Ps. 68,33: „Ihr Königreiche auf Erden, singt Gott“, sonst hat es mit eurer Macht bald ein Ende - „lobsinget dem Herrn! Sela. Dem, der da fährt im Himmel allenthalben“ aufzurichten sein Reich, auszuführen seinen Rat „von Anbeginn. Siehe, er wird seinem Donner“ seinem Wort, seinem Evangelium, das wie ein Donner ist - „Kraft geben. Gebt Gott die Macht!“ - Er hat sie allein. „Seine Herrlichkeit“ die Herrlichkeit seiner Gnade, welche er bei seinem Volk entfaltet „ist in Israel, und seine Macht“ - über die Teufel und bösen Geister, die der Seele, wo sie auffährt gen Himmel, nach sind, um sie herunter zu ziehen, - „in den Wolken. Gott ist wundersam“, - wo er bauen will, da bricht er ab; wo er erhöhen will, da tunkt er in den Kot; wo er sein Wort und seine Verheißung verherrlichen will, da geht es ins Grab hinein, so dass nur das Widerspiel gesehen wird, dass es aber dennoch am Ende gut geht. „Gott ist wundersam in seinem Heiligtum“. Er, der verachtete Gott, ist Gott des Volkes, das da sagt: Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn! das den neuen Namen bekommt, - und er nennt sich nach seinem Volk: „Gott Israels. Er wird dem Volk“ für und für in aller Machtlosigkeit „Macht und Kraft geben“, um zu bleiben bei seinem Kreuz, bei dem Namen Jesus von Nazareth, - um trotzdem, dass alles nicht wahr zu sein scheint, dennoch zu bleiben bei seinem Wort; dazu wird er Mut und Kraft geben, um endlich im letzten Stündlein, wo es eingeht in seine Herrlichkeit, in sein ewiges Licht, zu sagen: Verflucht seid ihr, ihr Teufel alle, Gott sei gesegnet und gelobt in Ewigkeit!

Amen.

Schlussgesang.

Psalm 68, Vers 17.

Gott! furchtbar in dem Heiligtum,
Erschütternd strahlet hier dein Ruhm!
Wir fallen vor dir nieder!
Der Herr ist Gott, der Herr ist Gott!
Der Herr ist seines Volkes Gott!
Er, er erhebt uns wieder!
Wie er sein Volk so zärtlich liebt,
Den Schwachen Kraft und Stärke gibt!
Kommt, heiligt seinen Namen!
Sein Auge hat uns stets bewacht,
Ihm sei Anbetung, Ehr und Macht!
Gelobt sei Gott, ja, Amen!

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