Knak, Gustav - Das Gebet im Namen Jesu

Knak, Gustav - Das Gebet im Namen Jesu

O Du Vater der Barmherzigkeit und GOtt alles Trostes, der Du der rechte Vater bist über Alles was Kinder heißt im Himmel und auf Erden, wir kommen vor Dein Vaterangesicht, nicht in unserm Namen, nicht im Vertrauen auf unsere Gerechtigkeit denn sie ist ein besudeltes und zerrissenes Kleid, sondern im Namen Dessen, den Du selbst aus Deinem Schoß herausgegeben und für uns zur Sünde gemacht hast, auf dass wir würden in Ihm die Gerechtigkeit, die vor Dir gilt. Ja, lieber Vater! im Namen Deines lieben Sohnes JEsu Christi, der unser Fürsprecher und Mittler ist und durch sein bittres Leiden und Sterben und durch seine siegreiche Auferstehung und Himmelfahrt uns einen freien Zugang zu Deinem Herzen bereitet hat in Seinem Namen und im Vertrauen auf Sein blutiges Verdienst treten wir vor Dich hin und bitten Dich: gieße Deinen Heiligen Geist aus Gnaden reichlich über uns aus! Vater! Du kannst uns unsre Bitte nicht versagen; Du kannst uns für das Brot, um welches wir Dich bitten, keinen Stein geben, das ist unmöglich; denn so wir, die wir arg sind, unsern Kindern gute Gaben geben, wie viel mehr wirst Du, lieber Vater, Gutes geben denen, die Dich bitten in dem Namen Deines Sohnes, der doch gesagt hat: Alles, was ihr den Vater bitten werdet in Meinem Namen, das wird er Euch geben. Wir berufen uns auf dieses Wort Deines heiligen Kindes JEsu. Wir fühlen, dass wir nicht wert sind, auch nur ein Brosamlein Gnade von Dir zu empfangen; aber Dein Sohn ist es wert; Sein Blut hat es uns verdient, und um Seinetwillen erbarme dich unser, und lass uns vor Deinem Angesichte im Segen beisammen sein! Herr, Du kennst alle diese Herzen, du kennst ihre tiefsten Bedürfnisse. O, gib doch Deinem armen untüchtigen Knecht viel Gnade, das Brot des Lebens recht zu teilen, und tue auf alle Herzen, die hier sind, Dein heiliges Wort recht zu hören und zu verstehen; ja, lass es nach Deiner Verheißung bei Allen ausrichten, was Dir gefällt und wozu Du es sendest. Um JEsu Christi willen erhöre uns! Amen.

Text Ev. Joh. 16,23-30.

Liebe Zuhörer! Wir stehen im Geist vor den Schatzkammern des ewigreichen, allein seligen Gottes, von welchem alle gute und alle vollkommene Gabe herab kommt. Wir fragen: haben wir in uns selbst und von uns selbst auch nur das kleinste Anrecht an irgend eine dieser guten und vollkommenen Gaben des Vaters der Barmherzigkeit und des GOttes alles Trostes? Wir müssen antworten: nein! und

Jeder Tropfen, jeder Bissen,
Den uns GOttes Hand beschert,
Rufet uns in das Gewissen:
Ihr seid keiner Wohltat wert.

Denn ach, liebe Zuhörer! wir sind allzumal Sünder, Übertreter der heiligen Gebote Dessen, der im Heiligtum und in der Höhe wohnt und nicht ein GOtt ist, dem gottloses Wesen gefällt; wer böse ist, bleibt nicht vor Ihm. Wir haben Seinen Zorn und Ungnade, Trübsal und Angst verdient; und wenn uns GOtt verhungern und verdursten, wenn Er uns verzweifeln und kein Tröpflein Trost uns zu Teil werden ließe, ja, wenn Er Sein Antlitz vor uns verbürge und uns dem ewigen Verderben Preis gäbe, so wäre uns nur nach unserm Verdienst gelohnt. Unsere Sünden haben die Schatzkammern des ewigreichen GOttes verschlossen und die Quellen des Heils verstopft, und sie würden ewig für uns verschlossen bleiben, wenn es keinen JEsus gäbe. Aber - o lobe den HErrn meine Seele! - der HErr unser GOtt hat uns in unserm Elend angeblickt in Gnaden. Es hat Ihn unser gejammert und Er hat Seinen Sohn gesandt, unsere Sünden auf Sich zu nehmen und die Strafe zu tragen, die wir verdient haben, auf dass Er die große Scheidewand niederrisse, die zwischen uns und Gott durch die Sünde aufgerichtet war, und den schrecklichen Damm zerbräche, der die Quellen des Heils verstopft hatte. „Ich bin vom Vater ausgegangen und gekommen in die Welt,“ so sagt der Sohn GOttes in unserm Text. Ja, Er ist gekommen in die Welt, in die verlorne, in die fluch- und verdammungswürdige Welt, nicht, dass Er sich dienen lasse, sondern dass Er diene und gebe Sein Leben zu einer Bezahlung für Viele, damit wir den Zugang zu GOtt wieder finden und durch Sein Verdienst der reichen Güter Seines Hauses teilhaftig werden möchten. Darum ist Er dem Vater gehorsam geworden an unserer Statt bis zum Tode, ja bis zum Tode am Kreuze, Phil. 2,8. Darum hat Er am Holz des Fluches gehangen in unserm Namen, als unser Stellvertreter, Blutbürge und Versöhner, auf dass Er uns erlöste vom Fluch des Gesetzes, und der Segen Abrahams über die Völker käme, Gal. 3,14. So gewiss und wahrhaftig wir demnach in uns selbst auch nicht das allergeringste Anrecht an irgend eine, wenn auch noch so kleine, Gabe unsers GOttes haben, so gewiss und wahrhaftig aber der Sohn GOttes sich unsere Missetaten hat zurechnen lassen, als wenn Er sie begangen hätte, und die bittern Früchte unserer Sünde geschmeckt hat, so gewiss und wahrhaftig sollen wir durch den Glauben an Seinen herrlichen JEsusnamen an Seine Stelle treten. Der Vater will uns den Gehorsam, die Unschuld, das Verdienst Seines lieben Sohnes anrechnen als unser Eigentum, und wir sollen die süßen köstlichen Segensfrüchte dieses stellvertretenden Gehorsams unsres HErrn JEsu Christi genießen durch den Glauben. In Christo JEsu öffnet sich uns der Himmel mit seiner ganzen Herrlichkeit; ja das Vaterherz GOttes steht uns offen in Ihm, dem Geliebten: denn, der Seines eingebornen Sohnes nicht verschont hat, sondern hat Ihn für uns Alle dahingegeben, wie sollte Er uns mit Ihm nicht Alles schenken?

Dies musste ich vorausschicken, geliebte Brüder in Christo, wenn die großen, erstaunlichen Worte unseres Textes uns verständlich werden sollen. Ich nenne sie groß, denn sie sind mir heute schier zu groß, ich kann ja nur ein klein wenig davon lallen und stammeln. Ich komme mir vor, wie ein kleines unmündiges Kind, wenn ich hineinblicke in diese Verheißung, in dieses tiefe Geheimnis der göttlichen Gnade, welches der Sohn der Liebe uns aufschließt in den Worten unseres Textes. Da steht Er vor uns, unser Mittler, unser Stellvertreter, unser Hohepriester, und hebt Seine Hände gleichsam gen Himmel und beteuert und beschwört uns eine Wahrheit, die so köstlich ist, dass, wenn wir sie ganz verständen, wir es vor Freude kaum mehr ertragen könnten in diesem Tränental. „Wahrlich, wahrlich, Ich sage euch“ Ich, der Ich die Wahrheit Selber bin, Ich, der Ich aus dem Schoß des Vaters kam und den Vater kenne, Ich, der Ich mit dem Vater Eins, das Ebenbild des Vaters und der Abglanz Seiner Herrlichkeit bin, Ich sage euch: „So ihr den Vater Etwas bitten werdet in Meinem Namen, so wird Er es euch geben. Bisher habt ihr Nichts gebeten in Meinem Namen. Bittet, so werdet ihr nehmen, dass eure Freude vollkommen sei.“ Zu wem sind diese Worte geredet, Geliebte in dem Herrn!? - denn es ist von der allergrößten Wichtigkeit, dass uns dies klar werde. Sie sind nicht geredet zu den armen unglückseligen Kindern dieser Welt, die sich um den Namen und das Kreuz des HErrn JEsu Christi nicht bekümmern, sondern an den Träbern der zeitlichen und vergänglichen Freuden und an dem glänzenden Elende dieser armseligen Welt sich ergötzen; denn diese verstehen auch nicht das Allergeringste von diesem Geheimnis, wie der Apostel bezeugt 1 Kor. 2,16.: „Der natürliche Mensch vernimmt Nichts vom Geiste GOttes, es ist ihm eine Torheit, er kann es nicht verstehen.“ Auch sind Seine Worte nicht geredet zu den selbstgerechten Sündern, die in ihrem eigenen Namen meinen vor den gerechten GOtt hintreten zu dürfen, in ihrer eigenen Gerechtigkeit, wie jener unglückselige Pharisäer, der da wähnte, er sei reich und habe gar satt, aber nicht wusste, dass er war elend jämmerlich, arm, blind und bloß. Ach nein, denn über die Pharisäer ruft der HErr das „Wehe!1)“ aus; der Fluch ruht auf ihnen2), und wenn sie beten, so ist ihr Gebet wie ein Schall in leere Luft und dringt nicht zum Himmel. Doch wen gehen denn jene köstlichen Worte an, liebe Zuhörer!? Wir wissen, dass unser lieber HErr JEsus Christus, als Er dieselben aussprach, in dem kleinen Kreise Seiner lieben Jünger sich befand und sie auf Seinen Abschied von ihnen vorbereitete. Sie sind demnach zu denen geredet, die den HErrn JEsum aufrichtig lieben und glauben, dass Er von GOtt ausgegangen ist, wie der HErr JEsus auch zu Seinen Jüngern sagt: „Er selbst der Vater hat Euch lieb, darum, dass Ihr Mich liebt und glaubt, dass Ich von GOtt ausgegangen bin.“ So sind denn also jene Worte gerichtet an die gläubigen Jünger des HErrn, an alle die, welche sich vom Heiligen Geist ihr Sündenelend haben aufdecken, zur Buße erwecken und zur Erkenntnis ihrer gänzlichen Armut und Unwürdigkeit vor GOtt bringen lassen und im lebendigen Glauben zu Dem hingeeilt sind, welchen GOtt hat vorgestellt zu einem Gnadenstuhle durch den Glauben in Seinem Blut, Röm. 3,25., an Alle die, so an Sein Joch gebunden sind mit Seel' und Leib, und Ihn über Alles lieb haben. Ja, zu Seinen lieben Auserwählten redet der HErr in den herrlichen Worten unsers Textes.

Und nun hört, liebe teure Freunde, was Er zu diesen spricht: Wahrlich, wahrlich, Ich sage Euch, (und Ihr könnt Euch darauf verlassen, was Ich Euch sage, denn Ich, der es sagt und verheißt, bin vom Vater ausgegangen und im Begriff zu Ihm zurückzukehren) Ich, der Ich alle Gewalt habe im Himmel und auf Erden, Ich sage Euch hört es, ihr gläubigen Seelen, ihr, in deren Geist kein Falsch ist und kein halbiertes Wesen, sondern die ihr, wenn der HErr JEsus Christus jetzt so vor Euch hinträte, wie Er einst zu Simon Petrus trat und mit Seinem allwissenden Auge in die tiefste Tiefe Eures Herzens hineinblickte und Euch fragte: Habt Ihr Mich lieb? - Ihm, wenn auch mit Scham, doch mit Aufrichtigkeit des Herzens antworten könntet: „Herr, Du weißt alle Dinge, Du weißt, dass wir Dich lieb haben!“ und von Herzen einstimmen dürft in die Worte:

Schatz über alle Schätze,
Jesu, höchster Schatz,
An dem ich mich ergötze,
Hier hab' ich einen Platz
In meinem treuen Herzen
Dir, Schönster, zugeteilt,
Weil Du mit Deinen Schmerzen
Mir meinen Schmerz geheilt.

mit Euch redet der liebe HErr JEsus Christus jetzt. O, so hört denn, liebe Seelen, tut auf Eure Ohren, ja bittet Gott, dass Er das geistliche Gehör Euch recht schärfe, damit Ihr diese großen Worte Eures Jesu versteht und sie Euch dann zu Nutze machet.

Wahrlich, wahrlich, Ich sage Euch, so Ihr, Meine lieben Jünger, Meine lieben Gläubigen, die Ihr Mich lieb habt und in Mir allein Friede sucht, so Ihr den Vater, der Mich gesandt hat, von dem Ich ausgegangen bin, den Vater der Barmherzigkeit und GOtt alles Trostes, Etwas, was es auch sein möge, bitten werdet in Meinem Namen, so wird Er's Euch geben. Bittet, so werdet Ihr nehmen, dass Eure Freude vollkommen sei.

Geliebte Zuhörer! was sind das für Worte!!

Meine Stimm' ist viel zu schwächlich
Und die Sache unaussprechlich;
Mein Gemüt auch viel zu blöde,
Dass ich würdig davon rede.

Doch ich will es versuchen in meiner großen Schwachheit, ob ich wenigstens ein klein wenig von dem tiefen, gottseligen Geheimnis, das in diesen Worten liegt, Euch mitteilen kann. Der HErr JEsus Christus fordert Seine Jünger, Seine lieben Auserwählten auf, Seinen Vater getrost zu bitten und sich mit all' ihrem Anliegen vertrauensvoll an Sein Herz zu werfen; aber sie sollen es tun in Seinem Namen. Was heißt das?

Wenn ich in Jemandes Namen etwas tue, so tue ich es an seiner Statt. Wenn ein König einen Gesandten irgendwo hinschickt in seinem Namen, so muss der Gesandte so geachtet werden, als wäre es der König selbst, der ihn gesandt hat.

Der HErr JEsus Christus hat einst vor GOtt in unserm Namen gestanden. Am Ölberg lag Er in unserm Namen, an unserer Statt auf den Knien, denn die Sünde der ganzen Welt war auf Ihn geworfen, und was die Sünder verdient hatten, das litt JEsus in ihrem Namen. Ja, am Kreuz hat Er gehangen in unserm Namen und an unserer Statt; denn GOtt hat Ihn, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, auf dass wir würden in Ihm, die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt. Sagt Er nun den Seinen: „sie sollen den Vater bitten in Seinem Namen,“ so heißt das nichts Anderes, als sie sollen an Seiner Statt sich dem Vater nahen, so, als wenn der HErr JEsus Christus Selber vor Ihn träte. Geht nur getrost hin, will Er sagen, zu Meinem Vater, und beruft Euch mit aller Zuversicht auf Mich; naht Ihm ja nicht in Eurem eigenen Namen, sondern ziehet Mein Kleid an, den Rock Meiner Gerechtigkeit, welchen Ich Euch am Kreuzesstamm durch Meinen stellvertretenden Gehorsam bereitet habe. Liebe Zuhörer! Als den Erzvater Jakob nach dem Erstgeburtsrecht seines Bruders Esau gelüstete, was tat er? zog seines Bruders Esau Kleider an, und trat in denselben Isaak hin. Isaak aber meinte, es sei sein Sohn Esau, und gab ihm den Segen der Erstgeburt. Das war freilich sündlicher Betrug von Jakobs Seite; denn, obwohl der HErr ihm solchen Segen zugedacht hatte, so ging er doch, um ihn zu erlangen, seinen eigenen Weg, und maßte sich sündlicher Weise an, was der HErr ihm aus Gnaden zu seiner Zeit geschenkt haben würde. Gleichwohl ist aber diese Geschichte ein treffendes Vorbild für uns und unser Verhältnis zu GOtt dem Vater, und wir können daraus lernen, was es heißt: in JEsu Namen vor den Vater treten. Der HErr JEsus ist der eingeborne Sohn des Vaters, welchem der Segen von Rechts wegen zukommt; denn Er hat ihn verdient und erworben. Nun befiehlt Er den Seinen: Kommt zu Meinem Vater und werft Euch an Sein Vaterherz in Meinem Namen, in Meinem Verdienst, in Meiner Unschuld, in Meinem Gehorsam; denn Alles, was Mein ist, das ist Euer durch den Glauben. Dann wird der Vater Euch so ansehen, als wenn Ich selbst es wäre, der Ihn bäte. Sagt's Ihm nur kindlich: Ich hätte Euch geboten, Ihr solltet zu Ihm flehen in Meinem Namen, und bittet dann getrost, um was es auch sei, mit aller Freimütigkeit und Zutraulichkeit eines Kindes! O, liebe Zuhörer, wie unaussprechlich groß ist diese Erlaubnis, dieses Vermächtnis unsers HErrn JEsu! Hier steht's geschrieben: bittet in Meinem Namen, bittet im Vertrauen auf Mein Verdienst und auf das Lösegeld, das Ich für Euch gezahlt und wodurch Ich alle Eure Sünden getilgt und Euch das Vaterherz GOttes wieder aufgeschlossen habe; ja tretet nur in Meinem Namen, im lebendigen Glauben an Mich vor den Vater hin, ohne Furcht und Grauen, denn der Vater selbst hat Euch lieb. Ich weiß nicht, geliebte Freunde, wie ich Euch diese süßen Worte recht auslegen soll; der heilige Geist wolle sie selbst verklären in unseren Seelen, denn es ist eine der erquicklichsten Verheißungen des Sohnes GOttes, wenn Er zu Seinen Gläubigen spricht: „Der Vater Selbst hat Euch lieb!“ und sie dadurch zur Freudigkeit im Gebet zu erwecken sucht. Fürchtet sich denn Euer Kind, mit seinen Bitten Euch nahe zu treten? Du, Mutter, denke einmal recht lebhaft daran! Sage, wie macht's denn Dein liebes, frommes Kind, wenn es gern eine Gabe von Dir erlangen will? Ach, es fällt Dir um den Hals, es bittet so innig, so kindlich, so zutraulich, und ist seiner Sache ganz gewiss, Du werdest seine Bitte erfüllen, wenn Du irgend kannst. Es denkt: Vater und Mutter haben mich lieb, und diese Liebesgewissheit macht das Kind so kühn, so mutig, dass es nicht ablässt, wenn auch die Eltern seine Bitte zuerst verweigern, sondern so lange anhält, bis es Erhörung findet. Und nun erwägt, Geliebte in dem HErrn, was das sagen will: „Der Vater selbst hat Euch lieb.“ Der Vater im Himmel, der der rechte Vater ist über Alles, was Kinder heißt im Himmel und auf Erden, umfasst die Kinder GOttes mit Seiner zärtlichsten Liebe; Er hat also auch mich Wurm, mich Staub und Asche lieb, der allmächtige GOtt, dessen Stuhl der Himmel, dessen Fußbank die Erde ist! Der Sohn sagt's, und ich darf nicht daran zweifeln, der Vater selbst hat mich lieb! Doch, warum liebt der Vater diejenigen so zärtlich, zu denen der Sohn die süßen Worte unseres Textes spricht? „Darum,“ sagt Er hier, „dass Ihr Mich liebt und glaubt, dass Ich von Gott ausgegangen bin.“

Er will sagen: Der Vater hat Mich, Seinen Sohn, so lieb als Sich Selbst, und die Mich lieben, die liebt Er mit der zärtlichsten Vaterliebe um Meinetwillen; die in Meinem Namen, im lebendigen Glauben an Mich und in dem Kleide Meiner Gerechtigkeit vor Ihn treten, denen kann Er nichts abschlagen, so wenig, als Er Mir, Seinem Sohne, etwas verweigern kann. Wer kann die Breite, die Länge, die Tiefe und die Höhe dieser Verheißung unsers JEsu ermessen? Ist uns nicht mit ihr der Schlüssel zum Vaterherzen GOttes, zu allem Trost und Frieden, zu aller Freude und zu allem Segen hienieden, und zu der unaussprechlichen Herrlichkeit des zukünftigen Lebens in die Hände gegeben? „Wahrlich, wahrlich, Ich sage Euch, so Ihr den Vater etwas bitten werdet in Meinem Namen, so wird Er es Euch geben.“ So bestimmt spricht sich der liebe Heiland aus. Bittet,“ fährt Er fort „so werdet Ihr nehmen die unerschöpfliche Fülle des Reichtums der göttlichen Barmherzigkeit, und was Ihr nur wünscht. Ja, bittet, so werdet Ihr nehmen, dass Eure Freude vollkommen sei.“ O, wer das recht glauben könnte, liebe Zuhörer, der könnte gar nicht mehr traurig sein, sondern müsste mit jenem herrlichen Liede vom Morgen bis zum Abend rühmen:

„Mein Herze geht in Sprüngen
Und kann nicht traurig sein,
Ist voller Freud' und Singen,
Sieht lauter Sonnenschein.“

Aber was sind es denn nun für Gaben, die wir uns vom Vater erbitten dürfen, in der festen Zuversicht, dass Er sie uns nicht versagen wird, so wir Ihn im Namen Seines Sohnes anrufen? - Bevor wir uns diese Frage beantworten, lasst uns noch einmal auf die Hauptsache hinblicken, und diese enthalten die Worte: in Meinem Namen; denn nichts kann ich vor GOtt ja bringen, als nur Ihn, das höchste Gut; aber es muss mir gelingen durch Sein rosinfarbnes Blut. Wenn ich aber bei irgend einem meiner armen Gebete dächte, ich wäre der erbetenen Gaben würdig, oder weil ich so dringend, so brünstig, mit so viel Tränen bäte, darum müsste der Vater meine Bitte erhören: wehe dann über solche Gedanken! Denn wenn wir etwas vom Vater empfangen, empfangen wir es ja lediglich um des Sohnes willen, der ein Pfleger ist der heiligen Güter, lediglich um Des willen, der die Handschrift, so wider uns war, aus dem Mittel getan und ans Kreuz geheftet hat durch sich selbst.

Darum lasst uns ja immer nur im Namen JEsu, im Aufblick auf Ihn und an Seiner Hand zum Vater treten, wie der selige Woltersdorf singt:

Im Rock des Erstgebornen
Erscheinen die Verlornen,
Und nehmen Seinetwegen
Vom Vater allen Segen.

GOtt ist in Christo JEsu für uns, Er, der auch Seines eigenen Sohnes nicht hat verschont, sondern hat Ihn für uns Alle dahingegeben, wie sollte Er uns mit Ihm nicht Alles schenken? Was dürfen wir denn nun aber vom Vater bitten mit voller, zweifelloser Zuversicht? Der HErr JEsus hat uns auch darüber nicht in Ungewissheit gelassen, nein, Er hat sogar die Bittschrift, die wir dem Vater in Seinem Namen vorlegen dürfen, verfasst und uns aufzeichnen lassen, so dass wir gewiss wissen, was dem lieben Vater gefällt, welche Bitten Ihm angenehm und wohlgefällig sind in Christo JEsu. Oder kennst Du jenes Gebet nicht, jenes süße, köstliche Gebet des HErrn, das liebe, heilige Vaterunser?

Siehe, da hat der Sohn GOttes Alles hineingelegt, was der Vater uns geben will, wenn wir es vor Ihn bringen in JEsu Namen. Dieses heiligste, köstlichste aller Gebete können aber nur die, welche an den Sohn glauben und Ihn lieben, in Wahrheit beten; denn wer dürfte sich wohl unterstehen, den Richter der ganzen Welt „Abba!“ zu nennen, wenn er nicht in seliger Gemeinschaft mit dem großen Mittler stände?

Aber die gläubige Seele darf getrost rufen: „Vater unser“; denn sie weiß, dass GOtt mit ihr versöhnt ist durch den Tod Seines Sohnes, und die gnädige Versicherung: „der Vater selbst hat Euch lieb,“ tönt hell in den Herzen der Jünger des HErrn, wenn sie ihre Knie beugen und, obwohl sie Staub und Asche sind, sich dennoch unterwinden, mit Ihm zu reden, den aller Himmel Himmel nicht umfassen. Im Namen JEsu beten sie getrost: „Vater unser, der Du bist im Himmel! Geheiligt werde Dein Name, Dein Reich komme, Dein Wille geschehe wie im Himmel, also auch auf Erden, unser täglich Brot gib uns heute, und vergib uns unsre Schuld, wie wir vergeben unsern Schuldigern; führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Übel, denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen!“ Ja, Amen, können wir sagen, liebe Brüder und Schwestern in dem HErrn, es wird also geschehen; Amen, in JEsu Namen und auf Grund des großen Eidschwures des Sohnes der Liebe: „Wahrlich, wahrlich, Ich sage Euch, so Ihr den Vater etwas bitten werdet in Meinem Namen, so wird Er es Euch geben! Bittet, so werdet Ihr nehmen!“, liebe Freunde, wenn wir, die wir die Gnade haben, an den Sohn GOttes zu glauben und Ihn in Schwachheit zu lieben, diesem gnädigen Befehl unseres HErrn JEsu gehorsamer wären, und in Seinem Namen unsern großen GOtt fleißiger und brünstiger anriefen, Ihm die eigene, wie die fremde Not, die Not unseres armen Volkes und Vaterlandes, die Not der armen Heiden und Juden anhaltender und dringender vorstellten, und mit Ihm im Namen Seines lieben Sohnes im Gebete rängen und Ihn nicht los ließen, wie jene Witwe, die den ungerechten Richter bat und immer wieder und wieder kam, so dass er endlich sagen musste: Ich will tun, was sie begehrt, damit sie nicht zuletzt komme und übertäube mich;“ - wenn wir, auf Grund der großen Verheißung unseres JEsu, mit unserer Bitte, Gebet und Fürbitte täglich und stündlich zum Vater der Barmherzigkeit hinträten, wir würden Wunder sehen, die Herrlichkeit GOttes müsste offenbart werden, die Totengebeine würden auferstehen, wie am ersten Pfingsttage, an welchem, nachdem vorher die Jünger des HErrn einmütig in dem Namen JEsu um die Verheißung des Geistes gefleht hatten, an einem Tage 3000 Seelen erweckt und bekehrt wurden. Wie würden die Mitglieder der äußeren und inneren Mission, wie würden die Heidenboten es draußen spüren, dass der HErr mit ihnen ist, wie würde ein Bollwerk des Satans nach dem andern, ein Götzentempel nach dem andern niedersinken, wenn die Kinder GOttes durch dieses gnadenreiche Wort des HErrn sich dazu reizen ließen, immer treuer, fleißiger, brünstiger, anhaltender für alle Menschen, für die Könige und für alle Obrigkeit zu beten, zumal da sie wissen, dass solches gut ist, dazu auch angenehm vor GOtt, unserm Heilande, welcher will, dass allen Menschen geholfen werde und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen! Ihr gläubigen Väter und Mütter, habt Ihr nicht Kinder, die dem HErrn JEsu noch fern stehen, und auf die Ihr deshalb mit Wehmut, ja mit Angst und Zittern hinblickt? Ihr wünscht, dass ihnen geholfen, dass sie gerettet werden möchten für das ewige Leben! So hört doch, wie Euer JEsus Euch versichert: „So Ihr den Vater etwas bitten werdet in Meinem Namen, so wird Er es Euch geben!“ und kommt mit allen denen, welche ungläubige Verwandte und Freunde haben, die sie so gern in die Freistatt der Wunden JEsu hineinführten, und fallt doch dem Vater der Barmherzigkeit zu Füßen, vertrauend auf die Blutgerechtigkeit Seines Sohnes und Euch stützend auf Ihn den Felsen des Heils; ja, kommt und werdet nicht müde zu bitten und zu flehen in JEsu Namen, in welchem alle Verheißungen Ja und Amen sind; und - Ihr werdet Erhörung finden, so gewiss als der Vater Seinen geliebten Sohn nicht beschämen und zum Lügner werden lassen kann. O, dass der HErr dieses Wort tief hineinschriebe in unsere Herzen, und uns dadurch erweckte, dass wir auch insonderheit von heute, von diesem Gebets-Sonntage an, bis zu Pfingsten und fort und fort heilige Hände aufhöben an allen Orten, ohne Zorn und Zweifel, und nicht vergäßen in unserm Gebet, dass der Vater selbst uns lieb hat, dass der Sohn vor dem Angesichte des Vaters für uns erscheint, dass der heilige Geist uns vertritt mit unaussprechlichem Seufzen! Liebe Zuhörer! Ein Vater auf Erden, den sein Sohn um Brot bittet, gibt demselben keinen Stein, und so er ihn bittet um einen Fisch, bietet er ihm keine Schlange dafür. So denn nun wir, die wir arg sind, können unsern Kindern gute Gaben geben, wie vielmehr wird der Vater im Himmel Gutes und den heiligen Geist geben denen, die Ihn darum bitten! Wer dürfte denn noch einen Augenblick daran zweifeln, dass der Vater der Barmherzigkeit, der aus Liebe zu uns Sein Herzblatt, Seinen geliebten Sohn herausgegeben hat aus Seinem Schoß, dass der Vater, der uns lieb hat, weil wir den Sohn lieben und an Ihn glauben, nicht Alles, was uns not ist, uns geben werde, so wir Ihn darum bitten im Namen Seines Sohnes?

Hinweg denn mit allen Zweifeln, die GOtt verleumden und das feste, gewisse Wort des HErrn auf Schrauben stellen! „Alles, was Ihr bittet in Eurem Gebet, glaubt nur, dass Ihr es empfangen werdet, so wird es Euch werden;“ das steht geschrieben im Buche des wahrhaftigen GOttes; und was Er zusagt, das hält Er gewiss.

Was soll ich aber nun denen unter uns sagen, die noch nicht von Herzen glauben, dass JEsus Christus vom Vater ausgegangen sei, und deshalb nicht Ihn, sondern die Welt und ihre Lust noch lieben und noch im Dienst der Sünde stehen? Ihr armen verlornen Brüder und Schwestern, Ihr könnt nicht im Namen JEsu beten, denn „wir wissen, dass GOtt den mutwilligen Sünder nicht hört,“ und „das Gebet derer, die ihr Ohr abwenden zu hören des Gesetz des HErrn, ist vor GOtt ein Gräuel.“ Von ihnen spricht der HErr Jesaias 1,15.: „Und ob Ihr schon viel betet, höre ich Euch doch nicht, denn Eure Hände sind voll Bluts. Wascht, reinigt Euch, tut Euer böses Wesen von Meinen Augen, und bekehrt Euch zu dem HErrn!“. Ja, flieht in JEsu Wunden und schenkt Ihm Eure Herzen zum Eigentum, und dann kommt zu Eurem himmlischen Vater, klagt Ihm Eure Seelennot und zeigt Ihm im Glauben das Lösegeld Seines lieben Sohnes. „Und wenn dann Eure Sünden auch blutrot sind, sollen sie doch schneeweiß werden, uud wenn sie gleich sind wie Rosin-Farbe, sollen sie doch wie Wolle werden.“ Ach, dass der Geist des HErrn alle toten Herzen lebendig machte, alle sicheren Sünder aufweckte, allen Heuchlern und denen, die noch auf beiden Seiten hinken, die Larve von den Augen zöge, ehe es zu spät ist! Ach, dass der Geist des HErrn aufrichtige Liebe zu JEsu, lebendigen Glauben an Seinen Namen in uns Allen wirkte, damit wir dann wüssten, der Vater selbst hat uns lieb, und in dieser seligen Zuversicht unser armes Herz allezeit kindlich vor Ihm ausschütten könnten, auf dass wir Erhörung fänden und unsere Freude vollkommen würde! Dann würde diese Freude am HErrn unsere Stärke sein gegen Sünde, Tod und Teufel; und wenn Er unser Herz tröstete, würden wir den Weg Seiner Gebote mit Freuden laufen, zum Preise Seines herrlichen Namens. Das walte GOtt Vater, GOtt Sohn und GOtt heiliger Geist! Amen. Lieber himmlischer Vater, Du unser süßer Abba in Christo JEsu, wir glauben und wissen, Du hast uns lieb, denn wie würdest Du sonst Deinen Sohn vom Himmel herabgesandt und für uns dahingegeben haben, wenn Du uns nicht unaussprechlich lieb hättest? Du preist ja selbst Deine Liebe gegen uns, dass Christus für uns gestorben ist, da wir noch Sünder waren. Nun siehe, lieber Vater im Himmel, wir knien hier vor Deinem Angesichte, wir armen Würmelein, wir todeswürdigen Sünder und Sünderinnen, aber wir liegen vor Dir im Namen Deines Sohnes. Dein lieber Sohn hat uns erlöst, hat uns den Himmel aufgetan und das Lösegeld für uns gezahlt, welches Dir angenehm ist. Darum kommen wir in Seinem Namen, bekleidet mit dem Rock Seiner Gerechtigkeit, und bitten Dich, neige Dein Ohr zu uns! Wir danken Dir von Herzen für Deine grenzenlose Liebe und für die Gnade, dass Du durch Deinen lieben Sohn uns solch' süßes Wort zugerufen, und uns aufs Neue in Dein barmherziges Vaterherz hast blicken lassen. HErr GOtt, lieber Vater, wir haben Vieles auf unserm Herzen, was wir gern in Dein getreues Vaterherz ausschütten möchten, wir fassen aber Alles zusammen und bringen es mit den eigenen Worten Deines hochgelobten Sohnes vor Dein Angesicht, ja, wir legen Dir die Bittschrift, die Dein Sohn uns an Dich übergeben hat, zu Deinen Füßen; Du weißt, sie ist mit dem Blute Deines Sohnes besprengt, und Sein JEsus-Name steht darunter. O, so höre uns denn, wenn wir in Seinem Namen beten: Vater unser, der Du bist im Himmel, geheiligt werde Dein Name, Dein Reich komme, Dein Wille geschehe wie im Himmel, also auch auf Erden; unser tägliches Brot gib uns heute, und vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unsern Schuldigern, und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Übel; denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

1)
Matth. 23
2)
Gal. 3
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