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Hus, Jan - An die Prager (1412)

Hus, Jan - An die Prager (1412)

(deren Beständigkeit im Hören des göttlichen Wortes er preist, und die er ermahnt, in derselben zu verharren.)

Im J. 1412.

Magister Johann Hus, in der Hoffnung ein Diener Jesu Christi, entbietet allen, die Gott lieben und sein Gesetz bekennen, auf die Offenbarung des Heilands warten und mit ihm ewig zu leben begehren, Gnade und Friede von Gott dem Vater und dem Herrn Jesu Christo, der sich selbst für unsre Sünden geopfert hat, um uns von dieser elenden Welt und der ewigen Verdammniß nach dem Willen Gottes des Vaters zu befreien, welchem sei Ehre in Ewigkeit. Amen. Indem ich, Theuerste, eure Begierde und euren glücklichen Fortgang im Worte Gottes hörte, danke ich Gott und bitte ihn, daß er euch einen vollkommenen Verstand geben wolle, daß Ihr die Arglist und Trügereien des Antichrists und seiner Diener erkennet, und Euch nicht von der göttlichen Wahrheit abführen lasset. Ich vertraue auf seine Barmherzigkeit, daß er das bei euch angefangene gute Werk vollführen, und Euch nicht von seiner Wahrheit werde abkommen lassen, von welcher Viele aus Furcht vor der Gefahr abgewichen sind, da sie den elenden Menschen mehr fürchteten, als den allmächtigen Gott, der Macht hat zu tödten und zu beleben, zu verderben und zu erhalten, seine Gläubigen bei den mannigfaltigen und schweren Gefahren zu bewahren und ihnen für ihr kleines und zeitliches Leiden das ewige Leben in der unaussprechlichen Freude zu geben. Darum, Wertheste, fürchtet euch nicht und erschrecket nicht, daß der Herr Etliche unter Euch prüfet, und zuläßt, daß Euch die Diener des Antichrists durch ihre Tyrannei in Furcht setzen.

Denn Gott selbst spricht zu jedem seiner Knechte: „du sollst dich nicht fürchten vor plötzlichem Schrecken noch vor dem Sturm der Gottlosen, wenn er kommt (Spr. 3, 25. 26): denn der Herr wird dir zur Seite stehen“ rc. Und durch den Propheten David spricht er: „ich bin bei ihm in der Trübsal, ich will ihn befreien und verherrlichen“ rc.

Ihr wisset auch, Theuerste, wie der heil. Jacobus sagt: „Achtet es für eitel Freude, wenn ihr in mancherlei Anfechtung fallet, da die Bewährung eures Glaubens Geduld bringt. Die Geduld aber soll feste bleiben bis ans Ende, auf daß ihr seid vollkommen und ganz und keinen Mangel habet“ (Jac. 1, 24). Ferner sagt er: „Selig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet. Denn nachdem er bewährt ist, wird er die Krone des Lebens empfangen, welche Gott verheißen hat denen, die ihn lieben“ (Jac. 1, 12). Stehet also fest in der Wahrheit, die ihr erkannt habt; thut alles, was ihr thut, als Kinder Gottes. Vertrauet darauf, daß Christus gesiegt hat, und ihr auch siegen werdet. Gedenket dessen, der von den Sündern so viele Verfolgungen erlitt, damit ihr nicht in eurem guten Muthe matt werdet. Laßt uns ablegen die Sünde, die uns anklebt und träge macht, und laufen mit Geduld in dem Kampfe, der uns verordnet ist, im Aufsehen auf den Anfänger und Vollender des Glaubens, Jesum, welcher, da er hätte mögen Freude haben, das Kreuz erduldete und der Schande nicht achtete, und gesessen ist zur Rechten auf dem Stuhl Gottes (vgl. Hebr. 12,1. rc.)

Wenn dieser Schöpfer, König und Herr der ganzen Welt, ohne durch seine Gottheit dazu genöthigt zu sein, sich als Mensch erniedrigte, während er unschuldig ist, uns Sündern treulich diente, Hunger, Durst, Kälte, Hitze, Nachtwachen, Schwachheit, Mühsale ertrug, von den Bischöfen, Priestern und Schriftgelehrten harte Schmähungen erduldete, so daß sie ihn einen Fresser, Säufer, Besessenen und Gotteslästerer nannten, ihn der Ketzerei beschuldigten, in den Bann thaten, aus der Stadt vertrieben und als einen Uebelthäter kreuzigten, - wenn, sage ich, Christus solches von den Priestern erlitt, der alle Krankheiten durch sein Wort, umsonst heilte, Geister austrieb, Todte auferweckte, Gottes Gesetz ihnen lehrte, Niemanden irgendwie schadete noch eine Sünde that, außer daß er ihre Bosheit aufdeckte: was Wunder, wenn heutzutage die Diener des Antichrists, die noch geiziger, üppiger, grausamer und verschlagener sind als die Pharisäer, die Diener Gottes verfolgen, beschimpfen, ihnen fluchen, sie verbannen, einkerkern und tödten! Gedenket der Worte unseres Königs und Herrn: „wenn euch die Welt hasset, so wisset, daß sie mich vor euch gehasset hat. Wäret ihr von der Welt, so hätte die Welt das Ihre lieb; dieweil ihr aber nicht von der Welt seid, und ich euch von der Welt erwählet habe, darum hasset euch die Welt. Gedenket an mein Wort, das ich euch gesagt habe: der Knecht ist nicht größer, denn sein Herr. Haben sie mich verfolget, sie werden euch auch verfolgen: haben sie mein Wort gehalten, so werden sie eures auch halten. Aber das alles werden sie euch thun um meines Namens willen, denn sie kennen den nicht, der mich gesandt hat“ (Joh. 15, 17-21). Hie habt ihr die Weissagung unsres Heilands, daß seine Auserwählten stets von der Welt d. h. von den gottlosen Menschen Verfolgung leiden werden, die Gott den Vater und den Herrn Jesum in Wahrheit nicht kennen. Denn wenn sie auch mit dem Munde erklären, sie kennen Gott, so verläugnen sie ihn doch mit ihren Werken, wie der h. Paulus an Titus schreibt (Tit. 1, 16): Ihre Werke sind offenbar, als: Geiz, Simonie, Hochmuth, Ueppigkeit, Hintansetzung und Verachtung des Wortes Gottes, da sie menschliche Traditionen allem Wort Gottes vorziehen, Demuth, Armuth, Mäßigkeit und Christusliebe für nichts achtend. Deßwegen werden die Gottlosen nicht ablassen, die Frommen zu verfolgen, so lange hier der Kampf zwischen Christus und dem Antichrist währen wird. Denn der heil. Paulus sagt: „alle, die gottselig leben wollen in Christo, müssen Verfolgung leiden: mit den bösen Menschen aber und Verführern wird es je länger je ärger, verführen und werden verführt“ (2. Tim. 3,12-13). Mit diesen Worten will Paulus, daß alle Fromme für Christum Verfolgung erleiden sollen, die Bösen aber werden irren und andere verführen und so in ihrer Bosheit ihren Willen zu ihrem Verderben erfüllen. Ueber sie sagte der Heiland zuvor in den Worten; „siehe, ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe. Darum seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben, und hütet euch vor den Menschen, denn sie werden euch überantworten vor ihre Versammlungen und euch geißeln in ihren Schulen, und ein Bruder wird den andern zum Tode überantworten und der Vater den Sohn, und die Kinder werden sich empören wider ihre Eltern und ihnen zum Tode helfen, und müsset gehasset werden von Jedermann um meines Namens willen. Wer aber bis ans Ende beharrt, der wird selig. Wenn sie euch in einer Stadt verfolgen, so fliehet in eine andere“ (vgl. Matth. 10, 16-23). Diese Verfolgung aber wird bis zum Tage des Gerichts dauern. Deßhalb spricht er weiter: „Wahrlich, ich sage euch, ihr werdet die Städte in Israel nicht ausrichten, bis des Menschen Sohn kommt. Der Jünger ist nicht über seinem Meister, noch der Knecht über dem Herrn. Es ist dem Jünger genug, daß er sei wie sein Meister, und der Knecht wie sein Herr. Haben sie den Hausvater Beelzebub geheißen, wie vielmehr werden sie seine Hausgenossen also heißen! Darum fürchtet euch nicht vor ihnen“ (Matth. 10, 23-26). Dieß sprach der Herr zu seinen Jüngern, um aufmerksam zu machen, daß sie klug seien, und die reißenden Wölfe an ihren Werken erkenneten, die in ihrer Habsucht die ganze Welt verschlingen wollen.

Außerdem zeigte er ihnen, wie die falschen Propheten erkannt werden, da sie nehmlich mit den wahren Propheten weder in ihren Schriften noch in ihren Werken übereinstimmen. So gibt es falsche Christen, welche sagen, sie seien die vornehmsten Jünger Christi, während sie in ihren Werken seine Hauptfeinde und Gegner sind, und auf alle Arten, wenn es sein könnte, Gottes Wort zu unterdrücken suchen, da es ihre Halsstarrigkeit, ihren Stolz, ihren Geiz, ihre Ueppigkeit, Simonie und andere bösen Werke straft.

So gingen sie auch auf einige Tempel und Kapellen los, damit nicht Gottes Wort darin gepredigt würde. Doch ließ ihnen Christus den Vollzug ihres Vorhabens nicht zu. Schon gehen sie, wie ich höre, damit um, die Kapelle Bethlehem einzureißen, und in andern Tempeln, worin das Wort Gottes gelehrt wird, die Predigt zu verbieten. Gleichwohl vertraue ich auf Gott, daß sie nichts ausrichten werden. Früher hatten sie die Gans mit Fallstricken, Vorladungen und Bannflüchen behelligt, und nun stellen sie einigen von euch nach. Weil aber die Gans, das zahme Hausthier, in ihrem Fluge nicht nach oben schwebend, ihre Fallstricke zerriß, und auch die andern Vögel, die nach dem Worte Gottes und ihrer Lebensart in ihrem Fluge in die Höhe streben, ihre Nachstellungen vereiteln werden, so haben sie ihre Fallstricke ausgespannt, und durch den Bann gleich als einen hölzernen Habicht erschreckt und aus dem Köcher des Antichrists einen feurigen Wurfspieß geworfen, da sie Gottes Wort und seine Verehrung verboten. Allein je mehr sie ihre Natur verbergen, um so eher wird sie kund, und je mehr sie ihre Traditionen gleichsam als ein Netz auszubreiten streben, desto mehr zerreißen sie; und indem sie den Frieden der Welt haben wollen, verlieren sie ihn und zugleich den geistlichen; während sie Andern schaden wollen, schaden sie sich selbst am Meisten. Es begegnete ihnen also wie den Priestern und Hohepriestern der Juden, daß sie das, was sie zu erhalten suchten, verloren, und auf das, was sie fliehen wollten, geriethen, da sie wähnten, sie könnten die Wahrheit, welche immer siegt, besiegen und unterdrücken, während es doch deren Eigenthümlichkeit und Natur ist, daß sie, je mehr sie verborgen wird, desto heller leuchtet, und je mehr man sie niederhält, desto mehr sich erhebt.

Die Hohepriester, Priester, Schriftgelehrten und Pharisäer, Herodes und Pilatus und die übrigen Bewohner Jerusalems haben die Wahrheit verdammt und dem Tode überantwortet und begraben: sie stand aber wieder auf und überwand alle, und setzte an ihre Statt andere 12 Prediger. Und eben diese Wahrheit sandte für die Eine schwache und gebrechliche Gans viele Falken und Adler, die an Schärfe der Augen die andern Vögel übertreffen, nach Prag; diese fliegen hoch durch Gottes Gnade, und ziehen mächtig andere Vögel zu Jesu Christo hin, der dieselben stärken, und alle seine Gläubigen kräftigen wird. Denn er sagt: „ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ Wenn nun dieser wahrhaftige Gott bei uns ist als unser mächtigster und bester Vertheidiger, wer wird in seiner Bosheit wider uns bestehen können! Welche Furcht wird uns von ihm trennen! oder welcher Tod uns scheiden? Was werden wir verlieren, wenn wir um seinetwillen Vermögen, Freunde, Ehre in der Welt und das elende Leben verlieren! Werden wir doch da von diesem Elend befreit und gewinnen hundertfach glänzendere Schätze, theurere Freunde und vollkommenere Freude, deren uns der Tod nicht berauben wird. Denn wer für Christus stirbt, der überwindet und wird von allem Uebel erlöst, und genießt eine ewige Freude, zu der uns Alle der Heiland Jesus Christus hinanführen wolle.

Diesen Brief, theuerste Brüder und geliebte Schwestern, habe ich darum geschrieben, daß ihr in der erkannten Wahrheit beständig bleibet, und keinerlei Aufrufe fürchtet oder weniger als vorher wegen ihren grausamen Drohungen Gottes Wort höret. Denn Gott ist getreu, der wird euch stärken und bewahren vor dem Argen.

Endlich bitte ich Euch, meine Liebsten, betet für die, welche die göttliche Wahrheit mit Segen (Beifall) verkündigen, und betet auch für mich, daß auch ich wider die Bosheit des Antichrists reichlicher schreibe und predige, und daß mich Gott in dem Kampf, wenn es am Meisten noth sein wird, befestige, daß ich seine Wahrheit vertheidige. Denn wisset, daß ich nicht entweiche, damit ich nicht für die göttliche Weisheit diesen elenden Leib der Gefahr oder dem Tode aussetze, da ich weiß, daß uns am Wort Gottes nichts fehlt, ja vielmehr die evangelische Wahrheit täglich weiter verbreitet wird. Doch wünsche ich um derer willen zu leben, welche Gewalt leiden, und der Predigt des Wortes Gottes bedürfen, damit so die Bosheit des Antichrists offenbart werde, und die Frommen ihr entgehen können. Deßhalb predige ich anderswo und diene jenen, wissend, daß an mir Gottes Wille erfüllt werde, sei's im Tod vom Antichrist, sei's in der Schwachheit. Und wenn ich nach Prag komme, bin ich gewiß, daß meine Gegner mir nachstellen und euch verfolgen werden, sie, die Gott nicht dienen und andern ihm zu dienen verbieten. Wir aber wollen für sie Gott bitten, daß, falls Einige unter ihnen auserwählt sind, sie sich zur Erkenntniß der Wahrheit bekehren.

Gott gebe euch in dem, was ich geschrieben, Verstand und Beharrlichkeit und erfülle Euren Wunsch an allen Guten um der Verdienste Jesu Christi willen, der für uns den schmachvollsten und grausamsten Tod litt, uns ein Beispiel hinterlassend, daß wir ebenso nach seinem Willen leiden. Amen.

Quelle: Renner, C. E. - Auserlesene geistvolle Briefe der Reformatoren

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