Hus, Jan - Brief an den Rector der Prager Universität, 1411

Hus, Jan - Brief an den Rector der Prager Universität, 1411

Ehrwürdiger Herr Rector, Magister und gnädiger Vater! Euer Brief hat mich sehr getröstet, worin Ihr unter Anderem schreibet: „Den Gerechten wird nicht betrüben, was ihm auch widerfahren möge,“ und wiederum: „alle, die gottselig leben wollen in Christo Jesu, werden Verfolgung leiden.“ Daraus schließet Ihr, daß die zeitliche Drangsal und die Abwesenheit meiner Freunde mich nicht beugen, niederschlagen noch betrüben, sondern vielmehr in hohem Grade aufrichten und erfreuen dürfte.

Mit großer Freude nehme ich jenen Trost an, in Erwägung des Vorgangs der Schrift: wenn ich gerecht bin, so wird mich nichts, was es auch sein mag, betrüben, so daß ich von der Wahrheit abgebracht werde. Und wenn ich gottselig lebe in Christo und so leben will, so muß ich auch im Namen Christi Verfolgung leiden. Ja wenn Christus leiden und zu seiner Herrlichkeit eingehen mußte, so müssen wir Arme auch das Kreuz auf uns nehmen, und ihm im Leiden nachfolgen.

Ich versichere Euch daher, ehrwürdiger Herr Rector, daß mir Verfolgung nie Ueberdruß verursacht, wenn solches nicht meine Sünden und die Verwirrung des christlichen Volks thun würden. Denn was könnte mir Verlust des zeitlichen Reichthums, der doch Koth ist, was die Entziehung der Weltgunst, die von dem Wege Christi abzubringen weiß, was alle angethane Schmach, die, demüthig erduldet, die Kinder Gottes reinigt und verklärt, daß sie der Sonne gleich im Reich ihres Vaters leuchten, was der Verlust des elenden Lebens, das ein Tod ist, beschwerlich fallen, da, wer jenes hier verliert, diesem entgeht, und das wahre Leben findet?

Aber dies begreifen die Menschen nicht, die durch Hochmuth, guten Ruf, Ehrsucht und Geiz verblendet, theilweise auch durch Furcht, wo doch nichts zu fürchten, von der Wahrheit abgewandt, ohne Geduld, Liebe und jede Tugend dahinschwinden, innerlich seltsam verwirrt, da sie einestheils die Erkenntniß der Wahrheit, anderntheils die Furcht, ihren Ruf zu verlieren und ihren elenden Leib dem Tode preiszugeben, drängt. Ich werde solchen - so hoff' ich zum Herrn Jesum - preisgeben, wenn sein Erbarmen es für besser befinden sollte, weil ich in dieser argen Welt nimmer leben mag, wenn ich nicht mich und Andere nach Gottes Willen zur Buße bekehren kann.

Eben dieß wünsche ich auch Euch, und ermahne Euch in Christo Jesu sammt allen Euren Genossen, daß Ihr zur Schlacht gerüstet seid. Denn die Vorspiele des Antichrists haben begonnen, worauf zunächst der Streit folgen wird. Da thut Noth, daß der Vogel seine Flügel regt wider die Flügel Behemoths und wider den Schwanz, welcher stets die Abscheulichkeit des Thiers des Antichrists bedeckt. Welches der Schwanz sei, zeigt der Prophet mit den Worten: „der Prophet, der falsch lehret, ist der Schwanz, und die alten ehrlichen Leute sind der Kopf. Der Herr wird beide Kopf und Schwanz abhauen“ (Jes. 9, 14.15.), nämlich den Papst und seine Propheten, Magister, Doctoren und Juristen, die mit dem falschen Namen der Heiligkeit die Abscheulichkeit des Thiers bedecken. Was gibt es doch Gräulicheres, als die Buhldirne, die sich öffentlich bedeckt, aber jedermann zu Gebot steht? Doch ist noch gräulicher das Thier, das bereit ist, sich von jedem, der da kommt, anbeten zu lassen, das in einer Würde sitzt, als wäre es Gott, und bereit ist, alles, was man an geistlichen Dingen kaufen will, zu verkaufen, und auch das, was es nicht hat, verkauft. Wehe mir nun, wenn ich gegen solche Gräuel nicht predigte; wehe mir, wenn ich nicht weinte, wenn ich nicht dagegen schreiben wollte! Ihr werdet gesehen haben, wer kein Wehe hat. Schon ruft der Adler in seinem Flug: wehe, wehe, wehe den Menschen, die auf der Erde wohnen!

Quelle: Renner, C. E. - Auserlesene geistvolle Briefe der Reformatoren

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