Hofacker, Ludwig - III. Am Grabe eines in der Schule dunkler Führungen vollendeten jungen Mannes.

Hofacker, Ludwig - III. Am Grabe eines in der Schule dunkler Führungen vollendeten jungen Mannes.

„Ehre sey Dem, der da ist die Auferstehung und das Leben! Er war todt; und siehe, Er ist lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit; und wer an Ihn glaubet, der wird leben, ob er gleich stürbe. Ihm sey Ehre in der Gemeine, die auf Ihn wartet und die um Ihn her ist, von Ewigkeit zu Ewigkeit.“ Amen.

„Siehe, ich will dir deiner Augen Lust nehmen, aber du sollst nicht klagen, noch weinen, noch eine Thräne lassen.“ Dieß war das Wort des HErrn an den Propheten Ezechiel (Kap. 24,16.), als Er ihm sein Weib sterben ließ, und es ist mir, als ob Der, welcher so zu dem Propheten sprach, auch den leidtragenden Eltern, Geschwistern, Verwandten und Freunden hier an diesem Grabe zuriefe: „ihr sollt nicht klagen, noch weinen, noch eine Thräne lassen.“ Auf der einen Seite ist es freilich für Alle, welche unsern entschlafenen Freund näher kannten, sehr schmerzhaft, daß diese liebende, treue und aufrichtige Seele so geschwind soll aus unserer Mitte hinweggenommen seyn; auf der andern Seite aber können wir dem HErrn nur danken, daß Er unsern entschlafenen Freund aus aller Noth Leibes und der Seelen erlöset, von allen Banden befreiet, und mit großer Gnade heimgeführet hat aus diesem Schauplatze des Jammers und der Zerrüttung der Friedenshütten, wo keine Thräne mehr fließet, und keine Anfechtung die Erlöseten JEsu Christi mehr plaget. oder sollten wir uns nicht mit tiefer Beugung vor dem HErrn freuen, daß der verscheuchte und geängstete Vogel nun endlich einmal ein Haus gefunden hat, und die Schwalbe ihr Nest, nämlich Deine Altäre, HErr Zebaoth, mein König und mein Gott? (Ps. 84). Ja, Lob, Preis und Anbetung sey dem großen Hohenpriester und Erstgebornen unter seinen Brüdern, der über unserm Entschlafenen auch in Zeiten der tiefsten Anfechtung so treu gewaltet und gewacht, und sein erkauftes Eigenthum so über alles Bitten und Verstehen glücklich hindurch- und selig hineingebracht zu den Schafen, die der Furcht entrückt sind!

„Siehe! der Hüter Israels schläft und schlummert nicht.“ Oft scheint es zwar unserem kurzsichtigen Auge und blöden oder ungläubigen Herzen, als ob Er schlafe und unser Nothgeschrey nicht höre, aber Er schläft und schlummert nicht; Er lässet die nicht zu Schanden werden, die auf Ihn harren und auf Seine Güte ihre Zuversicht setzen.

Dieß haben noch Alle erfahren, die da im Glauben durch das Jammerthal gegangen sind; wenn sie genugsam geprüft und bewähret waren durch das Feuer der Trübsal, so hat Er sich ihnen geoffenbaret als Den, der da helfen kann, und hilft; ihr Licht ist in Finsterniß aufgegangen, und ihr Dunkel ist geworden wie der Mittag. So hat Er die Patriarchen geführet und die Väter des Alten Bundes, die da glauben mußten, da sie Nichts, oft weniger als Nichts, sahen, aber sie haben überwunden durch den Glauben, und, ob sie wohl die Verheißung nicht empfiengen, doch Zeugniß überkommen, daß kommen werde aus Zion, der da erlöse, und werde nicht ausbleiben. So haben die Apostel des HErrn ihren Lauf im Glauben vollendet und nicht im Schauen, und sind hingegangen, und haben unter Thränen ihren Samen ausgestreuet, und haben auf Den ihre Hoffnung gesetzt, der allein Gedeihen geben kann, und der HErr hat ihren Glauben nicht beschämt. So ist JEsus Christus, der HErr, der Vorläufer auf dem dunkeln Glaubenswege, auch durch Hoffen und Harren eingegangen zu Seiner Herrlichkeit, und hat, da es schien, Er arbeite vergeblich, und bringe Seine Kraft umsonst und unnütz zu, doch auf den Vater gesehen, der Ihm das Werk befohlen hatte, und hat den Kelch getrunken. Er ist aber aus der Angst und dem Gerichte genommen, wer will nun Seines Lebens Länge ausreden? Er hat die Starken zum Raube, und die Kinder werden ihm geboren wie der Thau aus der Morgenröthe.

„Wir haben einen Gott, der da hilft, und einen HErrn HErrn, der vom Tode errettet.“ Wo Menschenmacht und Menschenkunst aufhören, und das Auge um und um keinen Strahl der Hoffnung mehr im Sichtbaren erblicket, da fängt Seine Hülfe an, und Er mit Seiner allmächtigen Hand greift darein; „Er spricht, so geschiehet es, ER gebietet, so stehet es da.“ Dieß haben die Leidtragenden deutlich und herrlich erfahren. Denn obgleich es besonders für Elternherzen etwas sehr Empfindliches ist, geliebte Kinder, an welchen sie ihre Lust haben, durch den Tod hinweggerissen zu sehen, so hat doch gerade in dem Heimgange des Entschlafenen sich ihnen die erbarmende Hand Gottes, unseres Heilandes, auf eine große und augenscheinliche Weise geoffenbaret. Zu der Zeit, da sie es am wenigsten erwarten, und für die zeitliche Genesung ihres Entschlafenen besorgt und immer besorgter waren, hat der HErr mit schonender, zärtlicher Hand die Bande des Todesleibes gelöst, und unseren Freund zur ewigen Genesung in das Reich des Lichts und der Wahrheit eingeführt, wo keine Täuschung mehr ist, sondern die Schafe JEsu Christi von Angesicht zu Angesicht schauen, und getränkt vom Strome des lebendigen Wassers von einer Klarheit in die andere verkläret werden.

Siehe! der Hüter Israels schläft und schlummert nicht. Ach! in Zeiten der Angst und der Trübsal, namentlich in Zeiten der geistlichen Anfechtung, da wird der Glaube, oft klein und schwach, und immer kleiner und immer schwächer, oft nur ein Docht, das in dem tiefsten Herzensgrunde glimmet, und sich im verborgenen, unbewußten Seufzern nach dem HErrn äußert. Aber, was von Gott gepflanzet ist, das kann nicht so bald untergehen, und, ob alle Teufel es zu vernichten trachteten, es gelinget ihnen nicht so bald; denn der HErr weiß die Seinen ihre Beilage zu bewahren, Er pfleget das göttliche Saatkorn im Verborgenen, und erhält es. Und wenn die Stunde gekommen ist, so führet Er die Seinen aus, hinaus aus dem Gewirre des Lebens und der Angst dieser Zeit, Er erlöset die Gefangenen Zions, und wenn sie auch mit tausend Ketten gefesselt wären; denn „Seine Schafe kann Ihm Niemand aus Seiner allmächtigen Hand reißen, Er kennet sie mit Namen, in Seine Hände hat Er sie gezeichnet“, und Er – Er hat ja die Schlüssel der Hölle und des Todes.

Diese Seine überschwängliche Treue hat unser entschlafener Freund reichlich erfahren, und er wird jetzt im Lichte der Ewigkeiten, Ihn, den Wunderbaren, aber ewig Liebenden darüber mit unaussprechlichen preisen. Der HErr, der gute Hirte, hat über ihm gewaltet und gewacht, und ihn auch, so lange er der dichtesten Finsterniß anheimgefallen schien, nicht gelassen, sondern mit Muttertreue, ja mit mehr als Muttertreue, den Glaubensfunken, der in den Entschlafenen gelegt war, unterhalten und vor dem Ersticken bewahrt. Und da die Zeit erfüllet war, so hat Er die Gewalt der Finsterniß ganz und gar zerbrochen, und den Gefangenen aus dem Gefängniß geführet.

O wie bald kann Er es machen,
Daß mit Lachen
Unser Mund gefüllet sey!
Er kann durch des Todes Thüren
Träumend führen,
Und macht uns auf einmal frey.

Dieß Letztere ist wörtlich an unserem Seligen in Erfüllung gegangen; träumend hat ihn der HErr durch des Todes Thüren geführt, und ihn sanft dahin fahren lassen aus diesem Elende zum Morgen des herrlichen Tages, dessen Sonne das Lamm selber ist; unser erlöster Freund hat den Tod nicht gesehen.

„Hölle! wo ist nun dein Sieg! Siehe, es hat überwunden der Löwe aus dem Geschlechte Juda, und wer mag Ihm widerstehen, wer mag mit Ihm streiten!“ Durch Seine menschliche Geburt, durch die Mühseligkeiten Seines Lebens, durch alle Bekümmernisse und Angst Seiner Seele, durch Seinen Todeskampf und blutigen Schweiß, durch alle Plagen und Schmerzen, die Er erduldete, durch Seine heiligen Wunden, durch Sein theures Blut, durch Seinen Tod am Kreuze, durch Seine siegreiche Auferstehung und Himmelfahrt, durch Sein Sitzen zur Rechten Gottes, durch Sein ganzes theures Verdienst und schweren Lauf zur Herrlichkeit hat Er gesiegt, und das Gefängniß gefangen geführt, und Seine Schafe erlöset aus der Gewalt der Sünde, des Teufels, des Todes und der Hölle.

„Das Lamm, das erwürget ist“, das rühmen wir auch hier an diesem Grabe, „hat gesiegt, und ist würdig zu nehmen Kraft und Reichthum, und Weisheit und Stärke und Ehre und Preis und Lob.“ Was wir aber hier von diesem Siege erblicken, das sind nur schwache Anklänge und Ahnungen des großen Triumph-Tages, des Tages der Erlösung, wo uns wie den Träumenden seyn wird, wenn nach langer Thränen-Zeit das Triumphlied der Harfen-Spieler ertönt, und man vom Siege singt in den Hütten der Gerechten, in ihren ewigen Hütten. Ja, liebe Mit-Pilgrimme, das wissen wir, das glauben wir, das rühmen, das erfahren wir, daß eine Zeit kommt, wo keine Angst mehr ist, und keine Thräne mehr geweint wird, und kein Seufzer mehr aufsteigt aus dem Herzen der Erlösten JEsu Christi, sondern wo ihre Schmerzen und aller Druck und alle Plage dieser Zeit werden verschlungen seyn in das Leben JEsu Christi, das dann in Seiner Herrlichkeit offenbar worden ist.

Was hier kränkelt, seufzt und fleht,
Wird dort frisch und herrlich geh’n;
Irdisch wird es ausgesä’t,
Himmlisch wird es aufersteh’n,
Und die Schwachheit um und an
Wird von uns seyn abgethan.

In dieser großen Hoffnung übergeben wir nun auch dieses Saatkorn der Erde auf den großen Tag der Auferstehung, mit der Bitte, der HErr wolle es zu seiner Zeit neu hervorgrünen lassen im Frühlings-Schmucke des neuen Lebens, das Er aus Seiner göttlichen Lebensfülle mittheilet.

Und so wenden wir uns denn zu Dir, HErr JEsu, um Dir noch einmal unsern herzlichen und ewigen Dank darzubringen für alle Deine Treue und unaussprechliche Liebe, die Du an dem Entschlafenen geoffenbaret; daß Du ihn als Dein Schäflein geführet, und recht geleitet, und endlich erlöset hast aus großer Trübsal. Du, HErr, hast noch nie etwas versehen in allem Deinem Thun. Ach, stärke und befestige diesen Glauben uns auch hier an diesem Grabe, damit wir wieder hingehen, und was uns noch drücket und plaget, geduldig auf uns nehmen, und es Dir nachtragen, bis der frohe Tag erscheint, da Du uns von allem Uebel erlösen und ausführen kannst aus dem Dienst-Haufe in Dein himmlisches Kanaan.

Herz, das überwunden hat,
Gib uns Armen auch die Gnad’,
Daß wir hier für und für,
Durch Dein Blut gestärket, siegen stets in Dir.

Wann Du wirst auf Zion steh’n,
Müsse man uns (und den Entschlafenen) um Dich seh’n,
Ohne Pein, weiß und rein,
Da Du wirst, o Lamm, uns Licht und Tempel seyn!

Amen!

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