Harms, Ludwig - Am Fest der heiligen Dreieinigkeit 1865.

Harms, Ludwig - Am Fest der heiligen Dreieinigkeit 1865.

Die Gnade unsres HErrn Jesu Christi, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.

Text: Ev. Joh. 3, 1-15.
Es war aber ein Mensch unter den Pharisäern, mit Namen Nicodemus, ein Oberster unter den Juden; der kam zu Jesu bei der Nacht, und sprach zu Ihm: Meister, wir wissen, daß Du bist ein Lehrer von Gott gekommen; denn Niemand kann die Zeichen thun, die Du thust, es sei denn Gott mit ihm. Jesus antwortete, und sprach zu ihm: Wahrlich, wahrlich, Ich sage dir: Es sei denn, daß Jemand von neuem geboren werde, kann er das Reich Gottes nicht sehen. Nicodemus spricht zu Ihm: Wie kann ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist? Kann er auch wieder in seiner Mutter Leib gehen, und geboren werden? Jesus antwortete: Wahrlich, wahrlich, Ich sage dir: Es sei denn, daß Jemand geboren werde aus dem Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen. Was vom Fleisch geboren wird, das ist Fleisch, und was vom Geist geboren wird, das ist Geist. Laß dichs nicht wundern, daß Ich dir gesagt habe: Ihr müsset von neuem geboren werden. Der Wind blaset, wo er will, und du hörest sein Zausen wohl, aber du weißt nicht, von wannen er kommt, und wohin er fährt. Also ist ein Jeglicher, der aus dem Geist gehören ist. Nicodemus antwortete, und sprach zu Ihm: Wie mag Solches zugehen? Jesus antwortete, und sprach zu ihm: Bist du ein Meister in Israel, und weißt das nicht? Wahrlich, wahrlich, Ich sage dir: Wir reden, das wir wissen, und zeugen, das wir gesehen haben; und ihr nehmet unser Zeugnis; nicht an. Glaubet ihr nicht, wenn Ich euch von irdischen Dingen sage, wie würdet ihr glauben, wenn Ich euch von himmlischen Dingen sagen würde? Und Niemand fährt gen Himmel, denn der vom Himmel hernieder gekommen ist, nämlich des Menschen Sohn, der im Himmel ist. Und wie Moses in der Wüste eine Schlange erhöhet hat, also muß des Menschen Sohn erhöhet werben, auf daß Alle, die an Ihn glauben, nicht verloren werde„, sondern das ewige Leben haben.

Das Fest der heiligen Dreieinigkeit, welches wir heute feiern, beschließt die Reihe der christlichen Feste, die vom Anfang des Kirchenjahrs an gefeiert sind; nach dieser Zeit kommt die sogenannte festlose Hälfte des Kirchenjahres, während wir bisher die festliche Zeit des Kirchenjahres verlebt haben. Da war zuerst Weihnachten mit seiner vorbereitenden Adventszeit, da war Charfreitag und Ostern mit seiner vorbereitenden Fastenzeit, da war Pfingsten mit seiner vorbereitenden Wartezeit. Wie nun Weihnachten das Fest Gottes des Vaters ist, der Seinen Sohn für uns dahingegeben hat, wie Ostern das Fest Gottes des Sohnes ist, der sich selbst für uns geopfert hat, wie Pfingsten das Fest Gottes des heiligen Geistes ist, der in unserm Herzen wohnen will, so faßt das Fest der heiligen Dreieinigkeit dies alles zusammen und sagt: Gott der Vater, zu deß Ehren wir Weihnachten, Gott der Sohn, zu deß Ehren wir Ostern, Gott der heilige Geist, zu deß Ehren wir Pfingsten gefeiert haben, ist der rechte wahre Gott, durch den wir selig werden. So siehst du, wie das Dreieinigkeitsfest alle drei christlichen Hauptfeste zusammenschließt zu Einem, und uns hinführt zu dem dreieinigen Gott, durch den wir selig werden. Darum ist auch das Bekenntniß des dreieinigen Gottes das einzig klare Kennzeichen, daß Jemand noch zu der christlichen Kirche gehört; sowie Jemand den dreieinigen Gott nicht mehr bekennt, hat er aufgehört ein Glied der christlichen Kirche zu sein. An den dreieinigen Gott glaubt der Lutheraner, das zeigen die drei Glaubensartikel; an den dreieinigen Gott glaubt der Katholik, er hat dieselben drei Glaubensartikel; an den dreieinigen Gott glaubt der Reformirte, er hat dieselben drei Glaubensartikel. Darum können nicht bloß die Lutheraner, sondern auch die Reformirten und Katholiken selig werden. Wer an den dreieinigen Gott glaubt, der wird selig; wer nicht an den dreieinigen Gott glaubt, der wird nicht selig. Wenn ich nun sage: Der Katholik, der Reformirte ist eben so gut ein Christ als der Lutheraner und kann ebensogut selig werden als der letztere, so denkt doch ja nicht, daß ich damit sagen will, es sei einerlei ob Reformirter oder Katholik, oder Lutheraner. Sie sind alle Christen und daß nur die Lutheraner selig werden können, das ist eine Lüge und Gotteslästerung. Dennoch aber sage ich nicht: Lutherisch, katholisch und reformirt ist einerlei, sondern ich will mit Gottes Hülfe ein Lutheraner bleiben bis an mein seliges Ende, und wenn mir Jemand 100,000 Thaler geben wollte, so wollte ich doch kein Reformirter oder Katholik werden. Denn haben sie auch den Glauben an den dreieinigen Gott, so haben sie doch auch viel unreine und falsche Lehre, daß ich mit ihnen keine kirchliche Gemeinschaft haben kann. Aber selig werden kann der Reformirte und Katholik ebensogut als der Lutheraner.

Darum laßt euch durch nichts bewegen zu richten über Reformirte und Katholiken; will euch aber Jemand überreden katholisch oder reformirt zu werden, so weiset das mit beiden Händen zurück, denn ihr habt in eurer lutherischen Kirche das reine Wort und Sakrament. Wenn aber ein Lutheraner den Glauben an den dreieinigen Gott weggeworfen hat, so hilft dem die reine Lehre nichts, er geht ebensogut verloren als die Juden, Heiden und Türken. Der Glaube an den dreieinigen Gott ist der rechte und darum der seligmachende Glaube. Sollte hier Einer sein, der nicht an den dreieinigen Gott glaubt, so sage ich dem- Du gehst verloren, du magst sein wer du willst. Soll eine christliche Gemeine eine gesegnete sein, so ist das nicht anders möglich, als wenn Gemeine und Prediger sich gemeinschaftlich erbauen auf ihren allerheiligsten Glauben. Glaubt entweder der Pastor oder die Gemeine nicht an den dreieinigen Gott, so können sie sich nicht gemeinschaftlich erbauen; denn ein Pastor, der nicht an den dreieinigen Gott glaubt, fährt zum Teufel, und eine Gemeine, die nicht an den dreieinigen Gott glaubt, fährt auch zum Teufel, und das ist wahrlich keine Himmelfahrt. Um sich deß bewußt zu werden, so ist es seit alter Zeit Sitte gewesen, daß Prediger und Gemeine am Dreieinigkeitsfest ihren Glauben an den dreieinigen Gott bekennen und geloben, darauf zu leben und zu sterben. Das haben wir seit längern Jahren hier wieder eingeführt; deßhalb fordere ich euch auf, mit mir den Glauben an den dreieinigen Gott zu bekennen: Ich glaube an Gott den Vater, allmächtigen Schöpfer Himmels und der Erde. Ich glaube an Jesum Christum, Gottes eingebornen Sohn, unsern HErrn, der empfangen ist von dem heiligen Geiste, geboren von der Jungfrau Maria, gelitten, unter Pontio Pilato gekreuziget, gestorben und begraben, niedergefahren zur Hölle, am dritten Tage auferstanden von den Todten, aufgefahren gen Himmel, sitzend zur rechten Hand Gottes, des allmächtigen Vaters, von dannen er kommen wird, zu richten die Lebendigen und die Todten, Ich glaube an den heiligen Geist, eine heilige christliche Kirche, die Gemeine der Heiligen, Vergebung der Sünden, Auferstehung des Fleisches, und ein ewiges Leben. Amen. Daß wir nun in diesem Glauben leben und sterben wollen, daß wir in diesem Glauben dem Satan, der Welt und der Sünde absterben wollen, das laßt uns geloben mit diesen Worten: In diesem Glauben will ich leben und sterben, in diesem Glauben entsage ich dem Teufel, der Welt und der Sünde so viel mir Gott Gnade giebt. Nun laßt uns singen von Nr. 591 den 4. Vers: Gott Vater, Sohn und Geist, Dir bin ich, was ich bin. Ach, drücke selbst Dein Bild recht tief in meinen Sinn. Erwähle mein Gemüthe zum Schauplatz Deiner Güte, verklär an einer Made den Reichthum Deiner Gnade. Wohl mir, wenn Du der Meine heißt, Gott Vater, Sohn und Geist.

Der heutige Tag, meine Lieben, bringt lauter Wunder. Ein Wunder ist die Lehre von dem dreieinigen Gott und darum von keinem Menschen mit der Vernunft zu begreifen. Kommt mir ein Mensch mit der dummen Frage, ob die Lehre von dem dreieinigen Gott auch Jemand begreifen könne? so antworte ich dem: Mein Lieber, einen Gott, den ich begreifen kann, der ist ja meines Gleichen, den will ich nicht. Ich verlange von meinem Gott, daß Er unbegreiflich, unerforschlich und unergründlich ist: darum ist der dreieinige Gott mein Gott, denn von dem kann ich dies aussagen. Wie nun der Glaube an den dreieinigen Gott ein Wunder ist, so geht es auch mit allen andern Lehren der heiligen Schrift. Es giebt in der heiligen Schrift auch nicht eine einzige Lehre, die ich mit der Vernunft begreifen kann; sie gehen alle über die Vernunft und gegen die Vernunft. Darum sagt Luther: Christen sind solche Leute, die glauben, was närrisch und thöricht ist vor der Vernunft. Und so ist es auch, denn was nach der Vernunft geht, das kann man mit der Vernunft begreifen, das braucht man nicht zu glauben. Ein solches Wunder ist auch die Wiedergeburt, davon unser heutiges Evangelium handelt. Darum soll auch heute mit Gottes Hülfe die Rede sein von dem Wunder der Wiedergeburt,

1. Die Wiedergeburt geschieht in der heiligen Taufe. Merket euch, wie jetzt in allen Stücken des Glaubens eine babylonische Verwirrung herrscht unter den Christen, so ist's auch bei der Lehre von der Wiedergeburt. Die Christen wissen nicht mehr die Bekehrung und Wiedergeburt von einander zu unterscheiden. Der Eine spricht von der Wiedergeburt und meint die Bekehrung, der Andere spricht von der Bekehrung und meint die Wiedergeburt. Es heißt in unserm Evangelio: Es war ein Mensch unter den Pharisäern, d. h. er gehörte zu der strengsten Secte der Juden, mit Namen Nicodemus, ein Oberster unter den Juden, d. h. er gehörte zu dem hohen Rath. Er war also ein vornehmer und gelehrter Mann, aber er fand darin keine Befriedigung. Darum ging er zu Jesu, aber in der Nacht, weil er noch voll Menschenfurcht war, denn die Juden konnten ihn hinausstoßen aus dem hohen Rath. Er meinte es aber ehrlich, darum ging er zu Jesu. Was will er nun? Er sagt zu Jesu: Meister, wir wissen, daß Du bist ein Lehrer von Gott gekommen; denn Niemand kann die Zeichen thun, die Du thust, es sei denn Gott mit ihm. Das spricht er mit der aufrichtigsten Anerkennung aus. Jesum hält er für einen Lehrer von Gott gesandt; denn Seine Predigten sind so gewaltig, Seine Wunder so groß, daß Er kein gewöhnlicher Mensch sein kann. Aber was will er denn eigentlich? Das sagt er nicht, darüber schweigt er ganz. Merkt euch das, meine Lieben, daß ihr euch vor den ungläubigen Pastoren in Acht nehmen müßt, denn die sind in der Regel die allerhochmüthigsten Menschen von der Welt, mehr noch als andere Leute, eben weil sie studiert haben, meinen sie die gelehrtesten und weisesten Menschen zu sein. Darum ist der Pastoren- und Lehrerhochmuth sprichwörtlich geworden, und wir Pastoren und Lehrer sind selbst Schuld daran. Von diesem Pastorenhochmuth ist Nicodemus auch noch ganz voll. Er sagt zu Jesu: Du bist ein Lehrer von Gott gesandt; er will Unterricht von Jesu haben über die Frage: Was muß ich thun, daß ich selig werde? Aber so weit bringt es Nicodemus nicht mit seinem stolzen Kopf, daß er sagt: Lieber HErr, ich weiß nicht, wie ich selig werden kann, zeige Du mir den Weg. So weit kann sich der nicht demüthigen, der selbst ein Lehrer oder Pastor ist, das leidet sein Pastorenstolz nicht. Wahrscheinlich denkt er: Jesus wird es schon merken, was ich will, darum brauche ich es nicht gerade herauszusagen; denn es ist doch gar zu schimpflich für einen Pastor, wenn der den Weg zum Himmel nicht weiß. Da ist er nun gerade zu dem rechten Mann gekommen, denn der HErr Jesus wartet nicht, bis er die Frage an Ihn richtet, Er giebt ihm die Antwort schon eher. So gütig und zuvorkommend ist der HErr Jesus. Welch ein Bild der göttlichen Demuth in dem Sohne Gottes und des albernen Hochmuths in Nicodemus haben wir hier vor uns. Der HErr spricht: Wahrlich, wahrlich, Ich sage dir: Es sei denn, daß Jemand von Neuem geboren werde, kann er das Reich Gottes nicht sehen. Das Erste, was geschehen muß, wenn du selig werden willst ist: Du mußt von Neuem geboren werden. Da starrt Ihn Nicodemus an wie der Ochse das Scheunthor und spricht: Wenn das, was Du da sagst, nothwendig ist zur Seligkeit, so kann ich nicht selig werden; denn wie kann ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist? Kann er auch wiederum in seiner Mutter Leib gehen und geboren werden? Aber der HErr Jesus erklärt ihm die Sache kein haarbreit weiter, sondern seht hinzu: Wahrlich, wahrlich, Ich sage dir: Es sei denn, daß Jemand geboren werde aus dem Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen. Wenn auch ein Mensch in seiner Mutter Leib zurückkehren und noch einmal geboren werden könnte, so wäre das doch keine Wiedergeburt, denn die Wiedergeburt muß aus Wasser und Geist geschehen. Damit spricht der HErr wohl die Notwendigkeit dieses Wunders aus, aber erklärlicher wird es dadurch nicht. Er will sagen: Verstehen und begreifen kann das Keiner, auch läßt sich's nicht erklären, es will erfahren sein. Die Wiedergeburt muß aus Wasser und Geist geschehen, und es giebt kein anderes Wasser, darin der heilige Geist ist, als das Taufwasser. Damit ist der einfache Weg gewiesen, daß, wer wiedergeboren, wer selig werden will, sich taufen lassen muß. Fragt ihr mich, wie die Wiedergeburt geschieht, so antworte ich euch: Das weiß ich nicht. Ich kann das nicht erklären, was ein unbegreifliches Wunder ist. Zur Taufe wird das Kind gebracht als ein sündiges, dem Tode und der Verdammniß verfallenes und hinweg wird es getragen als ein reines seliges Gotteskind. Vorher war es ein Kind des Teufels, nun ist es ein Kind Gottes; vorher war es ein Erbe der Hölle, nun ist es ein Erbe des Himmels. Wie das zugegangen ist, das weiß ich nicht; das Wasser hat es gethan, aber freilich das Taufwasser, darin der heilige Geist ist. Der heilige Geist hat das Gotteskind gezeugt und die Kirche hat es geboren, also hat das Kind empfangen Vergebung der Sünden, Erlösung vom Tod und Teufel und die ewige Seligkeit. Fragt ihr mich, was das Kind dazu gethan hat, so antworte ich: Nichts, ebenso wie es nichts mitwirkt zu der leiblichen Geburt; es wird gezeugt und geboren. Eine Geburt, wobei das Kind mitwirkt und selbstthätig ist, ist ein Unsinn und ebenso, eine Wiedergeburt, wobei der Mensch mitwirken soll, ist ein Unsinn. Pei der Wiedergeburt ist alle Mitwirkung von Seiten des Menschen ausgeschlossen, lediglich wirkt sie der heilige Geist. Darüber wollen die Leute gewöhnlich aus der Haut fahren, wenn sie das hören, und sie pflegen wohl zu sagen: Was machst du aus der heiligen Taufe? Aber es bleibt dabei: Die Wiedergeburt ist Gottes Wer! und keines Menschen. Diese Wiedergeburt ist nun der allertröstlichste Schatz und das allerköstlichste Kleinod, das ich habe, denn nun weiß ich es gewiß, daß ich selig werden muß und zwar aus dem Grunde, weil ich ein geborner Erbe des Himmels bin. Siehe, da sind Eltern, die haben zwei Kinder und drei Knechte. Die Knechte sind treue, fleißige Menschen, sie quälen sich Tag und Nacht für ihre Herrschaft ab. Die beiden Söhne aber sind weder treu noch fleißig, noch artig, wahrscheinlich sind es ein paar verzogene Schlingel, wie das oft der Fall ist, wenn die Kinder ihre Eltern Papa und Mama nennen. Nun sterben die Eltern, - nicht wahr, da kriegen doch die Knechte den Hof, denn die sind ja treu, brav und haben tüchtig gearbeitet? Nein, die Kinder kriegen den Hof, weil sie Erbrecht haben. So habe ich Erbrecht am Himmel, denn es steht geschrieben: Sind wir Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Erben Gottes und Miterben Jesu Christi; und ein Kind Gottes bin ich durch die heilige Taufe. Ich kann auf Erden nie so weit kommen, daß ich des Himmels werth werde, im Gegentheil, ich muß immer mehr zu der Ueberzeugung kommen, daß ich des Himmels nicht werth bin. Bin ich aber nicht ganz rein und heilig, so kann ich nicht in den Himmel kommen. Aber Gottlob, hier kommt es nicht an auf meine Schönheit, Würdigkeit und Reinheit, sondern lediglich darauf, daß ich ein gebornes Gotteskind und deßhalb ein berechtigter Himmelserbe bin; und das alles habe ich meiner Taufe zu verdanken, das ist mein großer Trost. Weil ich also durch die heilige Taufe wiedergeboren bin zu einem Gotteskinde und empfangen habe das himmlische Erbrecht, so frage ich nun zum

2. Warum ist die Wiedergeburt nothwendig zur Seligkeit? Darauf giebt uns unser Evangelium die einfache Antwort: Was vom Fleisch geboren wird, das ist Fleisch, und was vom Geist geboren wird, das ist Geist. Als natürlicher Mensch bist du Fleisch vom Fleische geboren, und wird es nicht anders mit dir, so mußt du zur Hölle fahren. Aber kann dir denn nicht geholfen werden, indem hier und da etwas an dir ausgebessert wird? Antwort: Frag einmal einen Zimmermann, der einen ganz vermoderten Balken oder Ständer hat, ob daran noch etwas auszubessern ist? er wird dir antworten: Der Dreck muß weggeworfen werden, ein ganz neuer 'Balken muß an dessen Stelle. So würde das auch bei uns nichts helfen, wenn man anfangen wollte auszuflicken an der alten sündlichen Natur, wir müssen eine neue Natur haben, müssen neue Menschen werden und diese neue Natur muß uns angeboren werden, wie uns die alte Natur angeboren ist. Darum muß der in Sünden empfangene und geborene Mensch wiedergeboren werden in Heiligkeit und Gerechtigkeit, auf daß er zwei Naturen in sich habe, nämlich die fleischliche und geistliche. Diese beiden Naturen liegen dann im beständigen Kampf mit einander. Ich muß mich abwenden von der Finsterniß und hinwenden zum Licht, ich muß mich abwenden vom Teufel und hinwenden zu Gott. So ist die Bekehrung die Abkehr vom Teufel und die Hinkehr zu Gott. Erst wenn ich eine neue Natur habe, ist der Kampf mit der, alten Natur möglich. Diesen Kampf setze ich fort und gebe dem alten Adam hier einen auf den Kopf und da einen, bis ich endlich nach treuem, unausgesetztem Kampf den völligen Sieg gewinne in der Sterbestunde. Was dann noch vom Unflath des alten Menschen an mir ist, das wird durch die Verwesung im Grabe abgethan. Das ist es, was Luther zur Erklärung des vierten Hauptstücks sagt: Die heilige Taufe bedeutet, daß der alte Adam in uns durch tägliche Reue und Buße soll ersäuft werden und sterben mit allen Sünden und bösen Lüsten, und wiederum täglich herauskommen und auferstehen ein neuer Mensch, der in Gerechtigkeit und Reinigkeit vor Gott ewiglich lebe. Die neue Natur muß mit göttlicher Kraft die alte Natur bekämpfen, der alte morsche Balken muß weg und ein neuer an dessen Stelle, denn das ganze Haupt ist matt, das ganze Herz ist krank. Aber woran erkennt man die Wiedergebornen?

3. Die Wiedergeburt erkennt man am Glauben. Unser Heiland sagt: Wie Moses in der Wüste eine Schlange erhöht hat, also muß des Menschen Sohn erhöhet werden, auf daß Alle, die an Ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Hörst du einen Menschen ungläubige Worte reden, so weißt du gewiß, daß der nicht wiedergeboren ist. Aber sagst du: Ich weiß, er ist getauft, ist er denn nicht auch wiedergeboren? Gewiß, er hat in der heiligen Taufe den heiligen Geist, das neue Leben und alle Gaben der Kindschaft empfangen. Glaubt er aber nicht mehr dem Worte Gottes, glaubt er nicht an den HErrn Jesum, so ist er zum zweiten Mal gestorben. Viele Kinder sterben einige Tage nach ihrer Geburt, andere werden nur wenige Monate oder Jahre alt. So geht es auch im Geistlichen mit den Menschen, denn auch die Wiedergebornen können sterben. Es ist uns mit der heiligen Taufe kein Freibrief gegeben, daß wir nun sicher in den Himmel kommen müssen; nur wer im Glauben beharrt, erlangt das Kleinod, beharrst du nicht im Glauben, so gehst du verloren. Sehe ich einen Menschen seinen Glauben mit Wort und Wandel bezeugen, so sage ich: Das ist ein wahrhaft wiedergeborner Christ. Hast du keinen Glauben, so berufe dich ja nicht auf deine Wiedergeburt in der heiligen Taufe; du hast wohl gelebt, aber du bist wieder gestorben. Darum sagt der HErr Jesus: Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammet werden. Das ist die Lehre von dem Wunder der Wiedergeburt in der heiligen Taufe, die ihr euch recht ins Herz schreiben sollt. Und da ihr alle wiedergeboren seid, so freuet euch, daß ihr dadurch Gottes Kinder worden seid und die neue Natur empfangen habt, die euch fehlte. Prüfet euch, ob ihr auch den Glauben habt, und habt ihr den, so preiset Gott und singet Ihm die fröhlichsten Lieder; denn es giebt nichts Schöneres als ein gläubiger Christ zu sein. Habt ihr den Glauben nicht, so trauert und weint, denn ihr habt die Taufgnade und die Taufseligkeit verloren. Habt ihr aber den Taufglauben verloren, dann, o ich bitte euch, macht euch nicht bloß an's Wiedersuchen, macht euch an die Verheißung: Er hat Gaben empfangen auch für die Abtrünnigen, und haltet dieselbe dem HErrn vor in wahrer Buße. Macht es wie der verlorne Sohn im Evangelio, gebet hin zu dem, der euch wiedergeboren hat und sagt zu Ihm: Vater, ich habe gesündigt im Himmel und vor Dir, ich bin hinfort nicht werth, daß ich Dein Sohn heiße; aber um Deiner Gnade und Barmherzigkeit willen nimm mich wieder an. Schreist du so mit aufrichtigem Herzen zu Ihm, so kann Er Sein Herz nicht vor dir verschließen, Er muß dich annehmen. Er breitet beide Hände nach dir aus und sagt: Du bist wohl ein böser, böser Sohn und hast Mir vielen Kummer gemacht, aber Ich freue Mich doch, daß du wiederkommst. Er nimmt dich auf, giebt dir das beste Kleid, thut einen Fingerreif an deine Hand und Schuhe an deine Füße, Er speist und tränkt dich und ist fröhlich, daß Er Seinen verlornen Sohn wiedergefunden hat. Ihr könnt trotz der verlornen Taufgnade noch selig werden, wenn ihr euch zu Jesu bekehrt; aber eilet, eilet, es möchte sonst zu spät sein, die Thür möchte zugeschlossen werden. Amen.

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