Härter, Franz Heinrich - Ich und mein Haus wollen dem Herren dienen

Härter, Franz Heinrich - Ich und mein Haus wollen dem Herren dienen

Text: Josua 24, 14-15.

Ich und mein Haus wollen dem Herrn dienen! Dieses Wort erschallt durch die Jahrtausende der Vorzeit aus dem Mund eines Frommen, der nicht ein Priester, sondern ein Kriegsmann war. Josua, der Sohn Nun, der Ephraimite, hatte die Aufgabe seines Lebens gelöst und Israel nach Kanaan gebracht. Er stand am Ziel seiner Laufbahn als glorreicher Sieger. Das ehrwürdige Haupt des mehr als hundertjährigen Greisen ragte aus der Versammlung des Volkes hervor, und mit der wohlbekannten Stimme, die sonst durch das Gewühl der Schlacht zum Ohr und Herzen der Kämpfer drang, rief er nun den Scharen und ihren Führern die gewichtigen Worte zu:

Fürchtet den Herrn, und dienet ihm treulich, und rechtschaffen, und lasst fahren die Götter, denen eure Väter gedient haben jenseits des Wassers und in Ägypten, und dient dem Herrn. Gefällt es euch aber nicht, dass ihr dem Herrn dient, so erwählt heute, welchem ihr dienen wollt; dem Gott, dem eure Väter gedient haben jenseits des Wassers, oder den Göttern der Amoriter, in welcher Land ihr wohnt. Ich aber und mein Haus wollen dem Herrn dienen!

Das sind Worte eines Mannes ohne Furcht und Tadel, welcher seine letzten Kräfte aufbietet; im Dienst seines Volkes und seines Gottes. Hätten die Israeliten seiner Stimme gehorcht, sie wären gesegnet worden vor allen Völkern der Erde, und ihre Geschichte hätte gewiss die glänzendste Stelle in den Jahrbüchern der Menschheit behauptet. Im ersten Augenblick fassten sie auch die heiligsten Entschlüsse. Erschüttert von dem Aufruf des großen Feldherrn, antworteten sie einstimmig: „Das sei ferne von uns, dass wir den Herrn verlassen und andern Göttern dienen; wir wollen dem Herrn dienen, denn Er ist unser Sott! „

Sie wiederholten dreimal dieses Gelübde, und Josua errichtete zum Andenken des feierlich geschlossenen Bundes einen Stein unter der Eiche beim Heiligtum.

Josua, dessen Name schon Heil bedeutet, hatte, soviel Er es vermochte, dem Volk den Weg des Heils gezeigt, in den Worten: „Ich und mein Haus wollen dem Herrn dienen.“ Allein, seine Zeitgenossen folgten dem frommen Führer nicht. Der edle Feldherr starb; sein Denkmal verwitterte; die Beteuerungen, die man ihm einst gab, wurden vergessen. Die Familienhäupter wichen ab von der richtigen Bahn, und wandelten ihre eigenen Wege; sie vernachlässigten den wahren Jehovahsdienst, pflanzten die Erkenntnis Gottes nicht auf ihre Kinder fort, und das aufwachsende Geschlecht kannte bald den Herrn nicht mehr1).

Das Gute verliert und verlernt sich schnell unter unserem gefallenen Geschlecht, das Böse aber wächst und wuchert auf Erden ohne Pflege. Israel sank immer tiefer in die Gräuel des Götzendienstes, der durch Sinnenreiz und Sündenlust die Herzen lockte und betörte; und nun gingen Josuas Drohungen2) in Erfüllung, und furchtbare Strafgerichte trafen die Abtrünnigen zur Warnung für alle Zeiten und Völker.

Zur Warnung auch für uns, meine Freunde; denn die Schmach- und Schreckens-Geschichte des israelitischen Volkes ist uns nicht umsonst in den heiligen Urkunden des alten Bundes überliefert worden. Sie soll uns lehren, dass wer von Gott weicht, der weicht von seinem Glück. Auch unsere Nation hat vor wenigen Jahrzehnten eine Schmach- und Schreckens-Zeit gehabt; mit Entsetzen blicken wir zurück auf ihre blutigen Spuren in der Geschichte; aber mit Dank und Freude sehen wir in der Gegenwart, dass durch die schweren Schicksale, welche unser Vaterland getroffen haben, der religiöse Sinn wieder anfängt aufzuleben, nachdem er eine geraume Zeit erstorben schien; wir sehen, dass edle Männer und Frauen sich bemühen diesen Sinn zu nähren und zu verbreiten, dass wohltätige Vereine sich zu diesem Zweck bilden, und dass so manche christliche Anstalt sich vieler Teilnahme erfreut.

Allein, bei dem vielseitig begonnenen Guten wird immer noch die Hauptsache vermisst. Meistens ist nur der Name, die äußere Form vorhanden, die innere Kraft, die Gediegenheit fehlt; die Christusreligion ist zwar wieder anerkannt, aber Christus selbst ist noch nicht bei uns zu Hause; man gestattet ihm die Öffentlichkeit, aber man schließt ihn von der Häuslichkeit aus. Dies ist der Hauptmangel unserer Tage; er liegt im Familienleben. Vergebens sind alle Vereine, alle öffentliche Anstalten, alle Schulverbesserungen, wenn nicht der Geist der echten Religiosität in das Familienleben einkehrt, wenn nicht Väter und Mütter das Wort des ehrwürdigen Josua zum Wahlspruche wählen: „Ich und mein Haus wollen dem Herrn dienen! „

Gewiss sind nicht wenige unter uns schon einmal von dem Gedanken ergriffen worden! Möchte doch die häusliche Gottesverehrung unter uns wieder aufleben! Aber bald erhoben sich dagegen zu vielerlei Bedenklichkeiten; und die Ausführung unterblieb. Manche sind auch wohl einen Schritt weiter gegangen, und haben einen Versuch gemacht; allein, da zeigten sich unerwartete Schwierigkeiten, der erste Versuch misslang und man wagte keinen zweiten mehr.

O meine Freunde, sollten wir denn außer Stande sein eine segensreiche Einrichtung, deren sich die Vorwelt erfreute, wieder hervorzurufen? Alle Dinge sind ja möglich dem, der da glaubt. Lasst uns mit glaubensmutigen Sinn die Frage untersuchen:

Ob es möglich ist die häusliche Gottesverehrung wieder unter uns einzuführen.

Wir wollen, indem wir die Einwürfe und Schwierigkeiten erwägen, welche dieser Einführung entgegentreten, die Einwürfe zu beantworten und die Mittel zu entdecken suchen, jene Schwierigkeiten zu besiegen. Gott gebe uns dazu den Beistand seiner Gnade!

Der erste Einwurf gegen die Wiedereinführung der häuslichen Gottesverehrung besteht darin, dass man sagt: Die öffentliche Meinung ist dagegen. - Was würden die Leute ragen, wenn es hieße, ich hätte eine Winkelkirche in meinem Haus eröffnet! Die Religion gehört in die Kirche; dort wird gepredigt, gebetet, gesungen; dort kann ein jeder seine Andacht haben. Wer an der öffentlichen Gottesverehrung nicht genug hat, wird für einen Frömmler gehalten, der sich vor andern auszeichnen und Aufsehen erregen möchte; ich mag mich nicht dadurch dem öffentlichen Tadel aussetzen!

Dies ist nur ein schwaches Beispiel von dem Ton, womit der ernste Gegenstand, den wir betrachten, gewöhnlich behandelt und abgefertigt wird. Man sieht daraus, wie unrichtig der Begriff ist, welchen sich die meisten von der häuslichen Gottesverehrung und ihrem Verhältnis zum kirchlichen Leben bilden; ja, wie sie den wahren Zweck der Religion selber noch gar nicht verstanden haben.

Die Religion gehört nicht der Kirche, sondern dem Leben an; die Kirche ist zwar die Dienerin der Religion im öffentlichen Leben; aber das öffentliche Leben ist nur des Lebens äußere Hälfte, worin Schein und Konvenienz vorwalten; der Mensch zeigt sich darin mehr, wie er sollte sein, als wie er in der Tat ist. Aber zu Hause erscheint er meist in seiner wahren Gestalt; denn der Zwang der Öffentlichkeit hat daselbst aufgehört. Was soll man nun von einem Volk halten, welches seine Religion in den Tempel bannt? Müsste man daraus nicht auf allgemeine Irreligiosität schließen?

O! es ist ein trauriges Zeichen unserer Zeit, dass Kirche und Haus so sehr von einander geschieden werden; sie gehören zusammen, wie das äußere und innere Leben; sie sollen gegenseitig aufeinander wirken; die kirchliche Andacht soll das häusliche Leben heiligen, und die häusliche Andacht auf das kirchliche Leben einen segensreichen Einfluss haben.

Die häusliche Gottesverehrung im Familienkreise ist keine Winkelkirche, sondern eine Vereinigung derer, die durch die genauesten und innigsten Verhältnisse zusammen gehalten sind, um gemeinschaftlich eine heilige Pflicht zu erfüllen, gemeinschaftlich dem Allgütigen zu danken, gemeinschaftlich vor dem Hocherhabenen sich zu demütigen, sich zu erinnern an seine heiligen Gebote, sich zu stärken im Wandel vor Gott, sich zu warnen vor Versuchungen und Sünden, und so im Andenken an den Gnädigen und Gerechten treuverbunden täglich einige Schritte weiter zum ewigen Ziel voranzudringen auf dem Wege des Lebens. Dies ist der Zweck der häuslichen Gottesverehrung; wer dies Frömmelei nennen kann, gibt dadurch einen kläglichen Beweis, dass er die wahre Frömmigkeit gar nicht kennt; und wer durch Familienandacht Aufsehen zu erregen fürchtet, zeigt, dass er wohl Menschenfurcht aber keine Gottesfurcht im Herzen trägt.

Der erste Einwurf ist gefallen; ein zweiter erhebet sich, und stellt der Wiedereinführung der häuslichen Gottesverehrung eine neue Schwierigkeit entgegen: Die Hausandacht, so sagt man, ist unvereinbar mit dem Berufsgeschäft. Der irdische Beruf, von welchem der Unterhalt meiner Familie abhängt, nimmt meine ganze Zeit und Kraft in Anspruch, und beschäftigt auch die Meinigen den ganzen Tag hindurch! wie sollte es möglich sein aus dem unruhigen Treiben des Arbeitslebens meine Gedanken zur Andacht zu sammeln? und wie sonderbar wäre es, meine Leute feiern und beten zu lassen, da sie oft nicht wissen wie sie fertig werden sollen?

Dieser Einwurf scheint in unseren Tagen, und vorzüglich in unserer Stadt, wo eine unruhige Betriebsamkeit beinahe fieberhaft die Gemüter aufregt, von großem Gewicht zu sein. Eine einzige Frage wiegt jedoch denselben weit auf: Sage mir, du Vielgeschäftiger, darfst du denn Dir und den Deinigen keine Ruhe gönnen? Nein! - Auch im Grab nicht? Du schweigst betroffen? Und was habt ihr alsdann, wann ihr euch mit aller Anstrengung nichts erarbeitet habt, als ein Grab? Doch daran denkt ihr nicht vor lauter Geschäftigkeit, und das ist für euch ein großes Unglück. Auch das Lasttier arbeitet, arbeitet mehr als ihr, und ist doch nur ein Tier; ihr aber seid Menschen, Wesen zur Unsterblichkeit berufen; und das ist euer eigentlicher Beruf, dass ihr euch auf eure ewige Bestimmung vorbereitet! Opfert doch nicht im verkehrten Streben das Ewige dem Zeitlichen auf! Der irdische Beruf hat seine Pflichten, aber der himmlische Beruf hat auch seine Pflichten, und ein Jegliches soll seine Zeit haben; so ihr nun alle Zeit im Dienste des Irdischen verzehrt, so kann euch die himmlische Zukunft nimmermehr zur Freude werden.

Aber woher nehme ich Zeit zur Hausandacht, da alle Stunden des Tags schon besetzt sind? - Untersuche nur einmal recht ernstlich deine Zeiteinteilung und deine Hausordnung, und du wirst bald einsehen, dass der Mangel an Zeit durch eine bessere Verteilung der Geschäfte und eine genauere Ordnung gehoben werden kann, und dass ein verständiger Hauswirt, eine treue Hauswirtin, wenn sie sich und den Ihrigen täglich einige Minuten der Sammlung und Geisteserhebung gewähren, auf der einen Seite reichlich gewinnen, was sie auf der andern durch dieses Versäumnis zu verlieren scheinen.

Es wäre anziehend, den wohltätigen Einfluss der häuslichen Gottesverehrung auf das tätige Leben darzustellen; aber wir müssen es auf eine Gelegenheit versparen, wo wir diesen Gegenstand umfassender entwickeln dürfen, denn ein dritter Einwurf bietet sich schon dar, da der zweite entkräftet ist.

Es wird zugegeben, dass allerdings die Tagesarbeit noch einige freie Abendstunden übrig lässt; allein, diese übrige Zeit hat man zur Erholung nötig. Wenn ich müde von der Anstrengung ausruhen möchte, so suche ich den Kreis der Freunde auf, oder anständige gesellige Belustigungen, vielleicht von den Meinigen begleitet. Sind wir zu Hause, so kommen Besuche von Bekannten, oder wir bringen auch zuweilen den Rest des Tages bloß unter uns zu in angenehmer Unterhaltung. Mit diesen Freuden des geselligen Lebens ist nun die ernste Andacht unvereinbar; ich möchte das Heilige nicht gemein machen und entweihen!

Diesen Einwendungen gegen die Hausandacht liegt also eine scheinbare Hochachtung für die Religion zum Grunde; jene Hochachtung nämlich, welche dem Geehrten mit einer gewissen Scheu ausweicht, anstatt sich ihm liebend zu nähern. Ist das die Hochachtung, welche unserer Religion gebührt? ist diese denn eine harte Gebieterin, eine finstre Störerin der Freude? O wer dies meint, tut ihr sehr Unrecht, und hat ihren Stifter noch nicht erkannt, den Freundlichsten unter allen, die je auf Erden wandelten. Der Geist Jesu Christi ist ein heiterer Geist, welcher sanft die Herzen bewegt, und wo er weht, da atmet die reinste Freude, da erquickt neue Lebenskraft den Müden, und der Friede Gottes kehrt in die Seelen ein. Aber er liebt nicht den Lärm der Zerstreuungen der Welt, und wer in diesen Zerstreuungen sich umhertreibt, wird nicht mit dem Heiland vertraut.

Nun fragt sich, was uns und den Unsrigen nützlicher sei, sich mehr mit der Welt oder mehr mit Jesus zu befreunden? Wer das letzte vorzieht, hat unstreitig, wie Maria, das gute Teil erwählt, und findet in den stillheitern Genüssen häuslicher Frömmigkeit reichen Ersatz für die leeren und entweihenden Unterhaltungen jener Gesellschaften, in welcher man nur allzu oft durch leichtfertige Reden und lieblose Urteile die lange Weile zu ergötzen sucht. Alle Besuche, die durch die Hausandacht vertrieben werden, sind den Krämern und Wechslern ähnlich, welche Jesus aus dem Tempel jagte; ihrer los zu werden ist ein wahrer Gewinn, und auch in dieser Hinsicht ist die häusliche Gottesverehrung wie ein schützender Genius, der das Glück des Hauses bewacht.

Wenn nur nicht ein Haupthindernis der Familienandacht, im Schoß des Hauses selber wohnt! Eine vierte Einwendung gegen die Wiedereinführung der häuslichen Gottesverehrung ist leider darin begründet, dass ein oder das andere vorzügliche Glied des Hauses keinen Sinn dafür hat. Man wagt dies selten auszusprechen, aber die Hemmung wird desto tiefer und schmerzlicher empfunden. Wie oft ist es der Fall, dass die Familienbande Menschen vereinigen, welche ganz verschieden sind in ihren religiösen Ansichten. Ich will hier gar nicht davon sagen, dass die Glieder einer Familie zuweilen verschiedenen Religionsparteien angehören, diese verhindern sich weniger; es geschieht aber nur zu häufig, dass selbst die, welche einerlei Namen tragen, dennoch nicht Eines Glaubens sind. Dem einen ist die Religion ein teures Kleinod, dem andern ist sie gleichgültig, ja lästig sogar. Wie lässt sich hier die Möglichkeit der Einführung einer gemeinschaftlichen Andacht denken? - Diese Schwierigkeit, meine Freunde, ist allerdings von bedenklicher Art, und kann nur durch die besonnenste Beharrlichkeit gehoben werden. Immer dürfen wir voraussetzen, dass Ein Familienhaupt das Gute kennt und ernstlich will; diesem ist nun das Werk anvertraut, Priester oder Priesterin Gottes unter den Gliedern der Familie zu sein; ein Amt, welches Kraft und Zartheit fordert, um den Widerstand zu überwinden und das Heilige nicht preiszugeben.

Ich habe es noch nicht ausgesprochen, weil es sich von selbst versteht, aber hier muss ich mit Nachdruck darauf hinweisen, dass die gemeinschaftliche Andacht aller Familienglieder die besondere Andacht des Einzelnen nicht entbehrlich machen oder verdrängen soll. Die besondere Andacht ist aber demjenigen doppelt nötig, der in Verhältnissen leben muss, die alles Religiose ausschließen. Gehe also hin, du Diener, du Dienerin Gottes, und flehe in deiner stillen Kammer oder im stillen Herzen oft und inständig um Beistand und Erleuchtung von oben, und so gestärkt wage es dann, demutvoll und anspruchslos, bei Gelegenheiten, die dir angeboten werden, den Samen der Wahrheit in deinen Umgebungen mit weisem Wort auszustreuen und durch eigenes, besonnenes, beharrliches Beispiel die Gewohnheit des Guten herbeizuführen und immer mehr zu stärken und liebenswürdig darzustellen. Werde auch nicht ungeduldig, wenn deine Bemühungen anfänglich fruchtlos bleiben; es wird schon eine Zeit kommen, wo die Lebenskeime aufwachsen: der Herr, dem du dienest, kommt dir zu Hilfe, und mehr als du zu hoffen wagst, wird dir zuletzt gewährt. Oft sind es die heranwachsenden Kinder, oft neue Glieder, die sich der Familie beigesellen, oft unerwartete Schicksale, welche die Familienandacht möglich, ja notwendig machen, und was man frühe sucht mit unverdrossenem Mut, wird einem im Alter in Fülle gegeben.

Somit wäre nun auch dieses vierte Hindernis nicht unüberwindlich; ein fünftes, welches man mit einer gewissen Bescheidenheit ausspricht, ist eigentlich ein bloßer Vorwand, der aber widerlegt werden muss, weil sich viele darauf berufen. Ich habe die Fähigkeit nicht dazu, antwortet manches Familienhaupt auf die Anforderung, eine häusliche Gottesverehrung unter den Seinigen einzurichten, und meint durch dieses Geständnis hinreichend gerechtfertigt zu sein. Ich bin zu schüchtern, zu ungeschickt im Ausdruck meiner Gedanken und Empfindungen, ich weiß mir die gehörige Stimmung nicht zu geben, mein Gemüt hat die nötige Erhebung nicht; auch fehlt es mir noch an manchen Kenntnissen, die zur Erklärung der Schrift erfordert werden; wie sollte ich etwas wagen, wozu ich mich zu schwach fühle?

Diese Bedenklichkeiten, wenn sie aus einem redlichen Herzen kommen, sind erfreulich und lobenswert, denn sie beweisen, dass man einen hohen Begriff von der Familienandacht habe; doch wenn nur erst die Überzeugung feststeht, dass die häusliche Gottesverehrung etwas Schönes, Wünschenswertes und Segensreiches wäre, so lassen sich jene Bedenklichkeiten nach und nach völlig heben.

Aller Anfang ist schwer, darum fange man nur demütig im Kleinen an. Einmal täglich eine ausgewählte Stelle aus der heiligen Schrift und ein gemeinschaftliches Gebetlied vorlesen, dies kann doch jeder evangelische Christ. Bei öfters wiederholter Übung wird die Unbefangenheit sich schon einfinden, und es wird sich zeigen wie leicht, wie natürlich es sei, ein Wort der Erklärung oder der Anwendung auf das Leben und ein kurzes Gebet aus dem Herzen beizufügen. Mit dem Gelingen wächst der Mut, die Stimmung kommt von selbst, und das Bewusstsein der Nähe Gottes und des gemeinsamen guten Werkes, gibt, auf die ungezwungenste Weise, dem Familienverein jene edle Haltung, welche von der Andacht unzertrennbar ist.

Die schicklichste Zeit zu dieser häuslichen Gottesverehrung ist der späte Abend, wenn das Geräusch der Außenwelt verhallt, und der Tag mit seinen Arbeiten und Sorgen, mit seinen erfreulichen und schmerzlichen Erfahrungen in die Vergangenheit zurückgesunken ist. Da tut es wohl, die Seinen nochmals versammelt zu sehen, und durch gemeinschaftliche Erhebung des Herzens den zurückgelegten Teil des Lebens zu beschließen; und ein Wort, eine sanfte Erinnerung in diesen Augenblicken der Weihe gesprochen, wirkt dann mehr, als alle strengen Maßregeln, womit so manche Väter und Mütter ihr Hausregiment zu behaupten suchen.

Heil dem Haus, welches eine geregelte Familienandacht besitzt; es hat darin eine unversiegbare Quelle des wahren Lebens, einen Schatz, der unverlierbar ist! Und dieser Schatz, er ist jedem angeboten, jedem zugänglich, dem Reichen wie dem Unbegüterten; denn auch die sechste und letzte Schwierigkeit, welche man als Einwurf gegen die Wiedereinführung der häuslichen Gottesverehrung vorbringen möchte, fällt bei genauerer Beleuchtung hinweg.

Man behauptet nämlich: Es fehle uns an zweckmäßigen Andachtsbüchern. Zwar sind Erbauungs-Bücher in Menge vorhanden aus älterer und neuerer Zeit, worin Gebete und Betrachtungen für die häusliche Andacht enthalten sind, aber sie geben nicht das, was ein Familienverein nötig hat, welcher aus Eltern und Kindern, aus Herrschaften und Dienstboten, also aus Stärkeren und Schwächeren, aus Gebildeten und Unwissenden besteht. Die alten Bücher sind meistens in einer Sprache abgefasst und in einem Ton gehalten, welche unserm verfeinerten Schönheitssinn nicht gefallen; und doch sind sie noch besser als die meisten neueren, welche zu hoch und zu geziert sind, oder das Gepräge der kalten Verstandesreligion unserer Weisen an sich tragen, die das Herz nicht rührt und den Willen nicht ergreift.

Dies, meine Freunde, ist Alles sehr richtig gesagt; und wenn wir mit der Wiedereinführung der Familien-Andacht warten müssten, bis wir ein Erbauungsbuch fänden, das die Ansprüche der Gebildeten und das Bedürfnis der Ungebildeten zugleich befriedigte, so möchten wir wohl nie das Ziel unserer Wünsche erlangen.

Allein, die häusliche Gottesverehrung kann auch ohne ein solches Buch sehr wohl bestehen; besitzt doch jede evangelische Haushaltung, Dank sei es der wohltätigen Bibelanstalt, das Buch der Bücher, die heilige Schrift, deren edle Sprache Allen zusagt. In dem lauteren Gotteswort wählt der Hausvater oder die Hausmutter der Reihe nach diejenigen Abschnitte aus, welche sich zum Vorlesen eignen; ist der Abschnitt durchgangen, so wird ein schönes Lied gebetet oder, wenn man kann, gesungen (das Liederbuch ist ja in allen Händen); und zum Schluss das Gebet des Herrn, oder vorher noch ein Gebet aus dem Herzen gesprochen, wie es der Geist eingibt. Dies ist das ganze Erfordernis zur Familienandacht; je einfacher die Andacht ist, desto herzlicher, desto erhebender. Wer nun noch Gebete aus Büchern mit Auswahl benutzen will, mag es auch tun; das nämliche Gebet muss aber oft wiederkehren, damit Alle desto besser daran Teil nehmen können. Übrigens wird dem frommen Haupt der Familie, welches die Andacht leitet, seine Erfahrung hierin besser zu statten kommen, als vorläufige Regeln.

Ein Christ, der einmal in seinem häuslichen Kreis und an seinem eigenen Herzen den Segen erkennet, welcher aus der gemeinschaftlichen Hausandacht erwächst, wie eine fröhliche Saat auf gutem Land, wird auch von dieser heiligen Vätersitte nicht mehr lassen: wenn schon die öffentliche Meinung sich dagegen erklärte, die Berufsgeschäfte sich häuften, die Welt mit ihren Freuden lockte, ein naher Anverwandte ihn sauer ansähe, er selbst seine Schwachheit täglich mehr empfände und ihm kein Buch mehr bliebe als seine Bibel. Den Frieden Gottes in der Brust und im Blicke, wird er dennoch die Seinen um sich versammeln und dem greisen Helden des alten Bundes rufen: „Ich und mein Haus wollen dem Herrn dienen!“ Amen.

1)
Richt. 2,10
2)
Jos. 23,15-16
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