Gossner, Johannes Evangelista - Evangelische Hauskanzel - Am Buß- und Bettage

Gossner, Johannes Evangelista - Evangelische Hauskanzel - Am Buß- und Bettage

Evang. Matth. 12, 41.

Die Leute von Ninive werden aufstehen im Gericht gegen dieses Geschlecht, und werden es verdammen, denn sie thaten Buße nach der Predigt Jona; und siehe, hier ist mehr als Jonas.

Mel. Weil ich Jesu Schäflein bin.

Sünder willst du sicher seyn
Und befreit von Furcht und Pein,
Ach so laß dich nicht bethören,
Säume nicht, dich zu bekehren.
Auf, Gott rufet dich zu sich,
Eile und errette dich.

Eile, Sodom brennet schon,
Und erhält den Schwefellohn;
Der erzürnte Himmel blitzet;
Such ein Zoar, das dich schützet.
Auf, Gott rufet dich zu sich;
Eile und errette dich.

Denk , die Feinde deiner Ruh ,
Deine Sünden nehmen zu,
Dein Gewissen wird beschweret
Und der Schatz des Zorns vermehret;
Auf, Gott rufet dich zu sich,
Eile und errette dich.

Eile, denn es kommt der Tod,
Angst, Gericht und ew'ge Noth.
Unbereitet mußt du gehen,
Und vor deinem Richter stehen.
Auf, Gott rufet dich zu sich,
Eile und errette dich,

Brauch, ach brauch' die Gnadenzeit,
Denn es kommt die Ewigkeit:
Eile, du hast viel versäumet
In der Zeit, da du geträumet.
Auf, Gott ruft dich noch zu sich,
Eile und errette dich.

Ninive, die Hauptstadt von Assyrien, drei Tagereisen groß, größer als Babylon, war so voll Laster und Gräuel, daß des Herrn Wort geschah zu Jona, dem Propheten: Mache dich auf und gehe in die Stadt Ninive, die große; und predige wider sie, denn ihre Bosheit ist heraufgekommen vor mich, d. h. ihre Sünden schreien gen Himmel. Jonas aber wollte nicht, sondern ging auf's Meer, um dem Herrn zu entfliehen; aber da lief er dem Herrn gerade recht in die Hände. - Wo soll ich hinfliehen vor Deinem Angesicht? - Der Herr sandte einen Sturm, der dem Schiffe den Untergang drohte; Jonas bekannte selbst, daß er und sein Ungehorsam daran Schuld sey, und gab den Rath, ihn in's Meer zu werfen - ein Fisch verschlang ihn, und Gott erhielt ihn drei Tage und drei Nächte im Bauche des Fisches. Da betete Jonas zu dem Herrn, that Buße, und der Herr hörte ihn und sprach zum Fische; und derselbe speite Jonam aus an's Land. Da geschah des Herrn Wort zum andernmal zu Jona: Mache dich auf, gehe in die große Stadt Ninive und predige: „Es sind noch vierzig Tage, so wird Ninive untergehen.“ Und da Jonas anfing so zu predigen, kam er eine Tagereise weit (also wohl durch die ganze Stadt im Durchmesser, wenn sie im Umfang drei Tagereisen groß war). Da glaubten die Leute, und ließen selbst ausrufen und predigen, man sollte fasten; und zogen Säcke an - Bußkleider - beide groß und klein. Und da das vor den König zu Ninive kam, stand er auf von seinem Thron und legte seinen Purpur ab, und hüllte einen Sack um sich, und setzte sich in die Asche, und ließ ausschreien und sagen zu Ninive, auf Befehl des Königs und seiner Gewaltigen, also: Es sollen weder Menschen noch Thiere, weder Ochsen noch Schafe etwas kosten, und man soll sie nicht weiden, noch Wasser trinken lassen; und sollen Säcke um sich hüllen, beide Menschen und Thiere, und zu Gott rufen heftig; und ein Jeglicher bekehre sich von seinem bösen Wege, und von dem Frevel seiner Hände. Wer weiß, Gott möchte sich kehren und ihn reuen, und sich wenden von Seinem grimmigen Zorn daß wir nicht verderben. - Eine solche Wirkung machte die kurzsylbige Predigt Jonä; aus einem Prediger wurden tausende; Jonas predigte nur den Untergang; aber alles Volk und der König selbst ermahnten und forderten auf zur Buße und Bekehrung, weil sie es glaubten, daß Jonas von Gott gesandt und seine Drohung wahr sey; weil sie glaubten, Gott sey barmherzig und lasse sich versöhnen durch Buße. Darum thaten sie auch alle Buße, vom König bis zum Bettler herab, zogen Alle ihre Feierkleider aus und Bußsäcke an, zum Zeichen, daß sie traurig, betrübt seyen über ihre Sünden; selbst der König setzte sich in die Asche, anzuzeigen, daß sein Herz zermalmt und zerknirscht sey, und er des Verbrennens werth wäre; daß sie die angedrohte Strafe wohl verdient hätten; aber doch damit zugleich um Gnade und Barmherzigkeit, um Schonung und Erhaltung flehen möchten. Das Aeußere, die Säcke, die Asche sollten nur Zeichen des Innern seyn, der Herzensbuße und Zerknirschung, der Demüthigung und Beugung, Niemand aß und trank mehr; aller Appetit war ihnen vergangen; selbst die Thiere mußten mit fasten, durften weder geweidet noch getränket werden, mußten mit Säcken behängt werden, alle Kreatur, die auch mit untergehen sollte, mußte die Zeichen der Trauer, der Reue und des Flehens um Gnade und Erbarmen tragen; damit, wo die Augen der Menschen hinsahen, sie überall eine Erinnerung an ihre Sünden, an den Zorn und die Strafe Gottes, und zugleich eine Aufforderung zur ernsten Buße und Besserung erblickten. Welch eine Veränderung in der großen Stadt, auf die kurze Predigt Jona! Die vorher so lustige, geräuschvolle, gottlose, lasterhafte und gräuliche Stadt: wie stille, traurig, demüthig, bußfertig, zerknirscht und zerschlagen ist sie nun, ein Trauerhaus, eine Stätte der Thränen, des Seufzens und Flehens um Gnade und Erbarmen - ein Schau- und Lustspiel der Engel, ein Vorhof des Himmels, und vorher eine Werkstätte des Teufels und eine Behausung aller unreinen Geister, eine Mördergrube und ein Hurenwinkel, ein Sammelplatz aller Laster! Diese Veränderung, diese Buße gefiel den Augen des Herrn Zebaoth, der Alles sieht: die Buße und Reue wie die Sünde und Gräuel. Gott sahe an ihre Werke, ihre Bußsäcke, die Asche, in der sie saßen; sah, daß es nicht falsche, sondern wahre Zeichen ihrer innern Herzens-Zerknirschung und aufrichtigen Buße waren; daß sie sich wirklich, ernstlich bekehrten von ihren bösen Wegen. Da reuete Ihn des Nebels, das er geredet hatte, ihnen zu thun, und that's nicht. Er änderte Seinen Rathschluß, der ohnehin nur drohend, nur bedingt war, wenn sie sich nämlich nicht besserten, nicht Buße thun würden. Die Drohung wurde zurückgenommen, wie ein Vater die Ruthe, die er schon aufgehoben hat, zur Züchtigung seiner Kinder, wieder weglegt, wenn er sieht, daß sie weinen, bitten, und Besserung geloben. Aus Allem sieht man, Gott ist auch ein Gott der Heiden, Er stehet alle Menschenkinder, und es ist Ihm an aller Menschen Heil gelegen; hatte auch diese gottlose, gräuliche Heidenstadt im Auge, und wollte sie vom Verderben retten. Seine Augen gehen durch alle Lande; sie scharen auf eines Jeglichen Wege, Er schauet alle ihre Gänge - an allen Orten, beide die Bösen und die Frommen. Hieb 34, 21. Spr. 15, 3.

Das Werkzeug, womit Gott diese Wirkung hervorbrachte, war schwach und sogar ärgerlich; Jonas war ein unwilliger, zorniger Mann, denn es verdroß ihn gar sehr und ward zornig, daß der Herr gnädig und barmherzig war, und Ninive verschonte; so zornig und verdrossen war er, daß er sterben wollte und betete: Herr, nimm meine Seele von mir, denn ich wollte lieber todt seyn als leben. Er meinte, seine Strafpredigt mußte in Erfüllung gehen, und Ninive müßte untergehen, weil er's gepredigt hatte. Er kannte die Gnaden-Absichten und Friedensgedanken Gottes nicht, der durch Seine Drohungen nicht de n Tod des Sünders beabsichtigt, sondern daß er sich bekehre und lebe. Und der Herr war so geduldig und gütig, ihn auch noch zu belehren und von seinem Unrecht zu überzeugen durch die verdorrte Kürbis staude, welches ihn auch wieder so erzürnte, daß er lieber hätte sterben wollen, bis ihm Gott sagte: Dich jammert des Kürbis, an dem du nicht gearbeitet hast, und der in Einer Nacht ward und in Einer Nacht verdarb; und mich sollte nicht jammern Ninive, solcher großen Stadt, in welcher sind mehr denn hundertzwanzigtausend Menschen - dazu so viel Thiere? - O welch ein erbarmungsvoller Gott, der sich der Menschen, und Thiere sogar, der Heiden und aller Sünder erbarmt, und nur Lust hat, zu retten, zu erhalten und zu verschonen, nicht aber zu strafen und zu verderben. Wenn Er nicht besser, geduldiger, barmherziger wäre als Seine Propheten und Knechte, so wäre alle Welt verloren.

Nun kommen wir auf unsern Text zurück, wo der Heiland sagt: Die Leute von Ninive werden aufstehen im Gericht gegen dieses Geschlecht, und werden es verdammen, denn sie haben Buße gethan auf die Predigt Jonas; und siehe, hier ist mehr als Jonas. Hat die kurze Predigt des Jonas so viel Wirkung gemacht auf Heiden, daß sie sich bekehrten, sollte nicht vielmehr die Predigt Jesu des Sohnes Gottes auf das Volk Gottes, die Kinder Abrahams Eindruck gemacht haben? Ist Er nicht mehr als Jonas? predigte Er nicht wie Einer, der Gewalt hat? hat Er nicht so viel Wunder und Zeichen gethan, alle Kranken geheilt, Todte auferweckt und sich durch Wort und That als Sohn Gottes erwiesen? Hat nicht der Vater im Himmel am Jordan Ihm öffentlich Zeugniß gegeben durch eine Stimme vom Himmel: Dieser ist mein lieber Sohn, den höret! Wie viele schöne Gleichnisse und Predigten machte Jesus, um zum Himmelreiche einzuladen! wie oft rief Er freundlich Alle zu sich, die mühselig und beladen waren, um sie zu erquicken. Er verkündigte lauter Heil, Friede und Seligkeit, Gnade und Erbarmen, die Liebe des Vaters, der Seinen Sohn gab, damit alle, die an Ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben möchten. Ist Er nicht mehr als Jonas? Ist Seine Predigt nicht einladender zur Buße als Jonas Predigt, die nur Untergang weissagte. Er sprach zu jedem reumüthigen Sünder sogleich: Sey getrost, deine Sünden sind dir vergeben! Dein Glaube hat dir geholfen. Er gab Sein Leben für die Welt; Gott war in Christo, und versöhnte die Welt mit Ihm selber, und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu. Ist da nicht mehr, als Jonas? Sollte nicht auf Seine Predigt Buße gethan haben die ganze Welt, wenigstens das Judenvolk, das Geschlecht Abrahams, vielmehr als die Niniviten auf die Predigt des Jonas? Sollte nicht auch die ganze Christenheit, die Alles von Christo weiß und hört, Sein Leben, Leiden und Sterben, Sein Auferstehen und Himmelfahren, Sein Sitzen zur Rechten Gottes, Seine Lehre, Sein göttliches Evangelium, Seine Sakramente, Seine köstlichen Verheißungen und die Sendung des heiligen Geistes, alle die Gnaden und Segnungen, Kräfte der zukünftigen Welt, Sein Beiunsbleiben bis ans Ende: - sollte die Christenheit, sollten wir nicht Alle vielmehr Buße thun, und uns ganz zu Gott bekehren, da es die Niniviten auf Jonas Predigt gethan haben? Werden - müssen nicht die Niniviten im Gerichte an jenem Tage der Allvergeltung, wenn Jesus, der mehr als Jonas ist, kommen wird zu richten, aufstehen gegen alle Juden und Christen, die von Jesu gehört haben, und sie verdammen? Denn die Niniviten haben so wenig gewußt und gehört, nur das eine Drohwort: „in vierzig Tagen wird Ninive untergehen;“ und sie thaten so ernste Buße; Alle vom König an bis zum geringsten Knecht und Bettler. Und wie viel hörten und sahen die Juden von Christo? wie viel hören und wissen die Christen von Christo?! Welch ein schreckliches Gericht wird das seyn! wie werden sie alle verstummen, die nicht Buße gethan haben!

Aber was ist es denn, das die Christen abhält, Buße zu thun? Bei vielen ist es gewiß nichts Anderes, als daß sie sich von der Buße einen schauerlichen Begriff machen, und sie sich als etwas Schweres, Hartes, Trauriges und Unerträgliches vorstellen. Die Buße ist ja und soll nichts Anderes seyn, als eine Rückkehr vom Satan zu Gott, von der Finsterniß zum Licht, von der Welt zu Christo, von der Sünde und Ungerechtigkeit zur Gnade und Gerechtigkeit - vom Fluch zum Segen und Heil. Der Sünder, das Kind der Welt ist ein Sklave und Knecht der Sünde und des Satans; thut er Buße, ändert er seinen Sinn und wendet er sich in Reue und Glauben zu Gott und zu Christo, so wird er frei und selig. - Hat ihn vorher sein Gewissen verdammt und beunruhigt, so fühlt er mit dem ersten Schritte auf seiner Rückkehr zu Gott, Friede und Freude, Hoffnung und Seligkeit. So wie er der Sünde, der Welt und dem Satan den Rücken kehrt, so sieht er den Schooß Gottes, die Arme Christi offen, der ihm Seine durchbohrten Hände entgegen streckt, ihn auf- und annimmt, ihm alle Sünde vergiebt, Fluch und Strafe, Gericht und Verdammniß abnimmt, und Gnade, Friede, Heil und ewige Seligkeit entgegen bringt, ja ihn Seiner ewigen Liebe und Seines Himmelreichs versichert. Es ist für einen Sünder das Erquickendste, Seligste und Genußreichste auf Erden, wenn er Buße thut; es giebt keine höhere Freude, keinen größern Gewinn, als wenn er sich zu Jesu wendet und sich Seinem Heiland zu Füßen wirft, um Gnade weint, und Gnade nimmt, so wie sie ihm von Christo gern geboten wird. Denn Jesus nimmt die Sünder an und isset mit ihnen. Was hatte für das Weib zu Jesu Füßen, für den Zachäus, für den Schacher seliger, herrlicher und erfreulicher seyn können, als daß sie Ihm ihre Sünden bekannten, und Gnade bei Ihm suchten und fanden! Wie glücklich fühlten sie sich! wie reich, wie, himmlisch selig! Wie wohl war ihnen, dem Weibe bei den Füßen Jesu, da Er zu ihr sprach: deine Sünden sind dir vergeben; dem Zachäus, da Jesus bei ihm einkehrte, und seinem Hause Heil widerfuhr; dem Schächer am Galgen, da er die Verheißung erhielt, noch heute mit Jesu im Paradiese zu seyn! Und das heißt Buße thun: in Reue und Glauben zu Jesu kommen, und Gnade um Gnade aus Seiner Fülle nehmen, und recht selig seyn. Wer es sich anders vorstellt, der hat irrige Begriffe, macht es sich selber sauer, und kommt nicht zum Ziele. Die Buß-Säcke, die die Niniviten anzogen, die Asche, in der sie saßen, müssen dich nicht erschrecken; sie waren bloß äußere Zeichen ihrer innern Reue und Zuversicht. Sobald sie in Sack und Asche saßen, so fing auch die Hoffnung in ihnen an, von Gott verschont und errettet zu werden, so tagte die Hoffnung und Aussicht in ihnen, wie sie es auch aussprachen: „Wer weiß, Gott möchte sich kehren und Ihn reuen, und sich wenden von Seinem grimmigen Zorn, daß wir nicht verderben.“ Sieh also, der Ansang der Buße, der Rückkehr zu Gott, zu Jesus ist der erste Strahl der Hoffnung, der Aufsicht in den Himmel, zur ewigen Seligkeit, zur Freude, zur Erlösung von allem Uebel. Und je schneller sich Einer von ganzem Herzen zum Herrn wendet, desto seliger und freudiger ist er. Ja es ist keine wahre Freude, keine Seligkeit denkbar und möglich, ohne Buße und Umkehr zu Gott. Da fängt das Heil des Menschen an, und geht dann in täglicher Buße und Glauben oder Zukehr zu Gott und zu Jesus fort bis in's Unendliche. Warum fürchten sich denn also die Menschen vor der Buße? Heißt das denn nicht, sich vor seiner Seligkeit fürchten? heißt es nicht, sich vor dem Himmel und dem Frieden, der höhet ist, als alle Vernunft, vor der endlosen Freude sich fürchten, und lieber elend, unruhig, ohne Gott und ohne Hoffnung in der Welt, und im Tode ohne Trost und Aussicht seyn wollen, der ewigen Finsterniß und dem Heulen und Zähnklappen entgegengehen wollen?

Das kommt aber daher, daß die Leute nicht recht wissen, wie sie es anfangen sollen, wo sie es angreifen sollen. Man muß den rechten Führer haben, der uns in alle Wahrheit, also auch zur Buße leitet. Das ist der heilige Geist. Man muß vor Allem bitten um den heiligen Geist, daß Er uns erleuchte, und zeige den Weg zur Seligkeit, oder die wahre Buße. Er hat am ersten Pfingsttag drei Taufenden diesen Weg gezeigt in einer Stunde. Sie thaten auf der Stelle Buße, auf die Predigt Petri, und wurden auf der Stelle selig. Ihre Buße war kurz aber tief, weil vom heiligen Geist gewirket. Denn Christus ist, wie Petrus bezeugte, Apg. 5, 31. durch die rechte Hand Gottes erhöhet zu einem Fürsten und Heiland, zu geben Israel Buße und Vergebung der Sünden. Die gegebene und erbetene Buße ist die wahre und seligmachende Buße; die sich der Mensch selbst auflegt, die aus seiner eigenen Kraft und Vernunft geht, ist eine mühsame, schwere, unerträgliche, harte, die nicht zum Ziele und zur Seligkeit führt. Darum bittet den heiligen Geist, daß Er euch erleuchte, zu erkennen euch selbst und eure Sünden, zu erkennen, daß ihr der Buße, der Sinnesänderung, der Gnade und Vergebung, der Wiedergeburt und Erneuerung des Geistes des Gemüths bedürftig seyd; denn es giebt Fromme und Gerechte, die sich der Buße nicht bedürftig glauben, wie die Pharisäer, die den todten und falschen Zustand ihrer armen Seele nicht erkennen, sich selbst für gerecht und begnadigt halten, ohne es zu seyn, weil sie sich nie wahrhaftig bekehrt, durch den heiligen Geist ihr Verderben nicht erkannt und eine Wiedergeburt oder Bekehrung des innern Menschen nie erfahren haben. Wenn aber der heilige Geist das Herz aufdeckt und zerschlägt, so geht es durch und durch auf einmal - durchs Herz, wie am Pfingsttage. Apg. 2, 37. Und wenn dann der Glaube an's Wort auch vom heiligen Geist gewirkt dazu kommt, so ist man auf der Stelle selig, heilig und gerecht, hat ein neues Herz und jagt der Heiligung nach, ohne welche Niemand den Herrn schauen kann. – „Solch ein Herz bewahrt sich dann, hangt dem Arm alleine an, und zum Dank für Seinen Tod, hält's mit Freuden Sein Gebot.„ Die Buße der Niniviten war auch eine von Gott gegebene und gewirkte, denn die kurzsylbige Predigt des Jonas: In vierzig Tagen wird Ninive untergehen; hätte natürlicher Weise eine solche allgemeine Veränderung nicht hervorbringen können; Niemand hätte ihm geglaubt, vielweniger hätten Alle, vom König bis zum letzten Mann solchen Ernst beweisen können, wenn nicht ein göttlicher Nachdruck seinen Worten gegeben, und erst ein heilsamer Schreck über ihre Sünden, und dann der Glaube, Gott wird gnädig seyn, über sie Alle ausgegossen worden wäre. Wer würde diesem zornigen, unwilligen, selbstsüchtigen, erbarmungslosen Propheten geglaubt haben, wenn nicht der Herr und Sein Geist mehr innerlich gewirkt hätte, als Seine Worte. Darum erwartet die Buße und Bekehrung, die Begnadigung und Beseligung nicht vom Prediger, den ihr höret, oder von dem Buche, das ihr leset, sondern erbittet sie euch von dem, der erhöhet ist zu einem Fürsten und Heiland, Israel zu geben Buße und Vergebung der Sünden - den heiligen Geist auszugießen über Alle, die an Ihn glauben. Bittet um die Erkenntniß und den Glauben, daß ihr verdammte und verfluchte Sünder seyd, und daß Jesus Christus gekommen ist in die Welt, solche Sünder selig zu machen; daß wir in Ihm haben die Erlösung durch Sein Blut, nämlich die Vergebung der Sünden - in Ihm haben Gerechtigkeit und Stärke. Dies aber ist so nothwendig und unerläßlich, daß, wenn wir uns nicht also bekehren, die Niniviten im Gerichte gegen uns aufstehen und uns verdammen werden. Denn sie thaten Buße auf die einfache, kurze Predigt Jonas, und hier ist mehr als Jonas - hier - bei uns - ist Jesus Christus und Sein heiliges Wort, das schärfer und durchdringender ist, als ein zweischneidig Schwert - das wie ein Feuer und Hammer ist, Felsen zu zerbrechen und zu zermalmen. Hier, unter uns, vor unsere Auge n gemalt ist Christus, der Gekreuzigte, Seine Wunden und Sein Blut, wodurch Er uns beständig zuruft: Kommet zu mir Alle, die ihr mühselig und beladen seyd, ich will euch erquicken - wendet euch zu mir, so werdet ihr selig, aller Welt Ende. Wenn eure Sünden gleich blutroth wären, so sollen sie doch weiß wie Wolle werden. Wahrlich, wenn wir kalt und gleichgültig bleiben, und uns nicht von ganzem Herzen zum Herrn bekehren, nicht Sein Blut und Verdienst ergreifen, und uns Ihm völlig hingeben, so müssen die Niniviten am jüngsten Tage gegen uns auftreten und zeugen; ihre Bußsacke, ihre Asche, in der sie saßen, müssen uns anklagen und verdammen, denn sie wußten nichts von Christus, hörten nichts von Seinem Blut und Wunden, hörten nur vom gedrohten Untergang ihrer Stadt, und sie thaten so ernste Buße - Und wir wissen und hören so viel, haben so viele Gnadenmittel, so viele Aufforderungen zur Buße und zum Glauben - Jesus steht von der Krippe bis zum Grabe - in Gethsemane und auf Golgatha - als Sünderfreund und Sündentilger, als Hirt und Bischof der Seelen, als Bräutigam und Opferlamm, als Versöhner und Hoherpriester vor unsern Augen; Seine Zeugen und Boten rufen Tag und Nacht uns in die Ohren: Wir bitten euch an Christi Statt: „lasset euch versöhnen mit Gott!“ Welch ein Gericht, wenn wir nicht hören, nicht folgen - nicht zu Ihm kommen und Gnade aus Seinen Wunden, und Geist und Leben aus Seinem Blut und Tode nehmen!!!

O lasset uns Ihn lieben, Er hat uns zuerst geliebt! Heute, heute, da ihr Seine Stimme höret, verstocket eure Herzen nicht! der Herr kommt, der mehr als Jonas ist - der tödten und lebendig machen, retten und verderben, selig sprechen oder verdammen kann. Frage sich ein Jeder selbst vor dem Angesichte Gottes: Bist du bekehrt, ganz, aufrichtig bekehrt? Hast du deinen Versöhner am Kreuze erblickt, erfaßt? Ist Er an und in dein Herz gekommen? Hat Sein Blut dich rein gemacht von aller Untugend? macht es dich täglich rein? Hängst du Ihm nur allein an? Ist Er dein Ein und Alles? Kannst du sagen: „Lieber Gott, ich wüßt , und wenn ich sterben müßt , von keinem andern Heiland?“ Ist Er in dir und du in Ihm? Kannst du sagen: Er ist mein und ich bin Sein, ich will keines Andern seyn? - In Sack und Asche müßt ihr eben nicht sitzen, wie die Niniviten, äußerlich, aber innerlich im Herzen ist es unerläßlich; das Herz muß in Demuth und Zerknirschung gekleidet, und im Anblick der eignen Sünden und der blutigen Gerechtigkeit Christi, die uns geschenkt ist, wie zermalmt und doch zugleich mit Freudenöl gesalbt seyn.

Gedanken und Ideen, seyd ihr besprengt mit Blut? Ist Hören, Fühlen, Sehen, und was man red't und thut, Mit Christi Geist geweihet? Ist's auch Sein Marterbild, Das unsern Geist erstellet, das unsre Seel' erfüllt? Laßt unser Herz sich sehnen, wenn's Jesu Näh' nicht fühlt; Laßt unser Auge thränen, wenn's auf was Andres zielt, Als Jesu zu gefallen; laßt täglich unsre Seel' Sich fragen stets vor Allem, ob Jesus ihr nicht fehl'?

Lasset uns knieen und niederfallen und anbeten: O Herr, allmächtiger, großer Gott und Vater! sieh herab von Deiner Höhe und Deinem Heiligthum auf das Flehen Deiner Kinder - schenk uns um Jesu, Deines Sohnes willen, der für uns am Kreuze flehte mit Thränen und blutigen Wunden, schenk uns Buße und Vergebung der Sünden in Seinem Blute! erweiche, zermalme unsere steinharten Herzen, und löse sie auf in Thränen der Reue und der Liebe zu unserm gekreuzigten, geschlachteten Lamm, daß wir uns von ganzem Herzen zu Dir bekehren, mit kindlicher Zuversicht Dir anhangen, und durch das Blut Jesu Christi von aller Sünde gereinigt werden. Sende Deinen Geist in unsere Herzen, daß wir uns losreißen von Welt, Fleisch und Satan; daß wir nicht mehr suchen, was unten ist, sondern was droben ist, wo Er sitzet unser Herr Christus, zur Rechten Gottes; daß wir die Nichtigkeit aller vergänglichen Dinge der Welt, Ehre, Güter und Freuden verachten; denn alles Fleisch ist Gras, alle Herrlichkeit der Welt eine Grasblume; schnell welkt sie dahin, und ihre Stätte kennt sie nicht mehr. Lehr uns trachten nach der Ehre, den Gütern und Herrlichkeiten des Himmels, nach dem Kleinod, das uns vorhält unser himmlischer Beruf. Gieße den Geist der Buße und des Glaubens aus über unsere ganze Gemeinde, über Jung und Alt, Groß und Klein, über die Stadt, über das ganze Land und Königreich, über den König und alle seine Diener, über alle Fürsten und Großen, daß sie auch nach Gott fragen, über die ganze Christenheit, über alles Volk auf Erden; daß Alles, was Mensch heißt, an die Brust schlägt, sich beugt und demüthigt vor Dir, dem allein Mächtigen, dem allein Gerechten und Heiligen, und daß alle Kniee sich beugen vor Dir und Deinem gekreuzigten Sohne, daß alle Zungen bekennen, daß Jesus Christus der Herr und Heiland ist zur Ehre Gottes des Vaters. O Ninive! o Ninive! du wirst aufstehen im Gericht gegen uns und gegen die ganze Christenheit, die nicht Buße thut und der Buße nicht zu bedürfen glaubt! du wirst sie verdammen!- O Herr! laß das nicht geschehen; der Du vormals gnädig gewesen, und den Niniviten Buße und Gnade geschenkt hast! erbarme Dich auch des Volkes, das nach Deinem Namen genannt ist; erbarme Dich über uns, und besonders über Alle, die sich heute zu Dir wenden und um Gnade seufzen. Wo Du Einen siehst in seiner Kammer heute die Kniee vor Dir beugen, und um Buße und Vergebung flehen, reiche ihm Deine durchgrabene Hand, und hilf ihm; rette seine Seele; laß Deine erlösten und theuer erkauften Seelen nicht verloren gehen. Nimm unsere Herzen in Deine verwundeten Hände; gestalte sie nach Deinem Sinn und Bilde; hilf Herr, laß wohlgelingen; segne uns, sey mit uns und bleibe bei uns jetzt und in Ewigkeit. Amen.

O daß wir täglich recht bedachten,
Was uns zum Heil und Frieden dient!
O daß wir Dem ganz leben möchten.
Der uns mit Seinem Blut versühnt!
O daß ein jedes Herz entbrennte
Zu Dank und Liebe gegen Ihn!
O daß Er uns erfüllen könnte
Durchaus mit Seinem Geist und Sinn!

Herr Jesu, thu nach Deiner Gnade
Mehr als wir bitten und verstehn;
Gieb, daß wir Deine Lebenspfade
In Einfalt und mit Freuden gehn;
Nach Deinem Wort und nach der Sitte
Des Hauses Gottes, der Gemein!
Deswegen bleib in unsrer Mitte,
Und laß kein Herz Dir ferne seyn!

Nimm Jesu, Dir zum Lohn der Schmerzen
Uns, die so theu'r Erworbnen hin;
Nimm ohne Ausnahm‘ unsre Herzen
Von Neuem und auf ewig hin!
Und laß durch's Heil aus Deinen Wunden
Und Deinen bittern Todesgang
Uns, die Du Dir so hoch verbunden,
Gesegnet bleiben lebenslang!

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