Comenius, Johann Amos - Das allein Nothwendige - Viertes Kapitel.

Comenius, Johann Amos - Das allein Nothwendige - Viertes Kapitel.

Vermeidung der Irrungen, Beschwerden und Täuschungen nach Christi Vorschrift, Worten und Werken selbst.

§. 1.

Was der Herr Christus gesagt hat vom Himmelreiche: Es ist gleich einem Senfkorn, welches das kleinste unter allen Saamen; wenn es aber erwächst, so ist es das größte unter dem Kohl, und wird ein Baum, daß die Vögel unter dem Himmel unter seinen Aesten wohnen (Math. 13, 31.) Dasselbe gilt von der gegenwärtigen Regel Christi (dem allein Nothwendigen), daß, obschon sie in den Augen der Menschen klein ist, doch ihre Früchte bis in den Himmel und in die Ewigkeit sich ausbreiten. Laßt uns zuvörderst sehen, wie Christus selbst dieses sein Körnchen in sehr breite Aeste zum Nutzen der Vögel des Himmels, d. i. seiner Gläubigen und Himmelserben, ausgebreitet; wie wir ferner durch die Nachfolge unseres besten Meisters, diese seine Regel auf all unser Thun, und mit was für großem Nutzen richten können.

§. 2.

In dieser kurzen Regel lehrt Christus die dreifache Kunst, 1. aus den Labyrinthen der Irrthümer heraus zu kommen; 2. alle Steine der Mühseligkeiten zu überwinden, und 3. alle Annehmlichkeiten der wahren Vergnügungen zu erlangen.

§. 3

Folgt man in seinen Geschäften den einfachen Weg; 1. sich in unnütze Dinge einzulassen hüten; 2. den nöthigen nur obzuliegen, und 3. solche so viel wie möglich zur Einfachheit zurückzuführen - sollte man da nicht die Verwirrungen, welche ungeregelter Mannigfaltigkeit entspringen, leicht vermeiden können?

§. 4.

Und wenn Jemand bei seinen Obliegenheiten nicht zu viele auf einmal, namentlich Nebendinge vornimmt, sondern das unumgänglich Nöthige treibt, bis es vollendet ist, wird der nicht den Haufen der noch zu verrichtenden Dinge ab- und der schon verrichteten hinter sich zunehmen sehen?

§. 5.

Ebenso ist's in Erlangung des Lebensgutes und der daraus entstehenden Freuden. Wenn Jemand unnütze Dinge nicht begierig, von den nöthigen aber nicht viele zugleich sucht, sondern bei den gegenwärtigen sich beruhigt, der wird kein vergebliches Verlangen empfinden, seine Begierden vielmehr zu mäßigen wissen. Daher sagt der Heide Epictet: Im Leben benimm dich wie bei einem Gastgebot: wird etwas herumgetragen und dir gereicht, so nimm es mit ausgestreckter Hand bescheiden an. Ist es noch nicht da - strecke dein Verlangen nicht weit aus; ist es vorüber - halt es nicht zurück. Recht schön geredet! Es gibt aber ein Büchlein, welches von der Quelle der Weisheit - Christo - herfließt, das alle Menschen dieser Welt erleuchtet, (1. Joh. 1, 9.)

§. 6.

Diese seine Vorschrift erklärt Christus noch genauer, da er zu Entwirrung der Labyrinthe den einfachen Faden dem vielfältigen vorzieht. Wenige Beispiele werden zum Verständniß des Uebrigen dienen. 1. Christus pflegte bei den menschlichen verwirrten Gewohnheiten sich auf die Einfachheit der ersten Einrichtung jeder Sache zu berufen, er sagt Math. 19, 2.: „Von Anbeginn ist‘s nicht also gewesen.“ 2. Erinnert er die Seinen, um sie von dem Laster der Einmischung in fremde Händel abzubringen, an ihre eigene Pflicht: „die weltlichen Könige herrschen und die Gewaltigen nennt man gnädige Herrn; es soll aber der Größte der Geringste sein.“ (Luc. 22, 25.) 3. Den Ehrgeizigen stellt er ein Kind zur Nachahmung gegenüber (Math. 18, 2.) 4. Die Geizigen weist er auf die Vögel unter dem Himmel und die Lilien auf dem Felde hin, wie solche von dem himmlischen Vater ernährt und gekleidet werden ohne ängstliche Sorge (Math. 6, 25.) 5. Den ängstlichen Blick in eine gefahrvolle Zukunft sucht er durch die Hoffnung der verheißenen Hilfe zu erhellen. (Marc. 13, 11.) u. s. f.

§. 7.

Was aber ist nöthig, um der vergeblichen Arbeit und Mühe sich zu entledigen? Christus räth, die viele irdische Sorge abzulegen, und sich in Gottes väterliche Fürsorge zu ergeben (Math. 25, 32.), oder auch die Dinge selbst, die zwar an sich gut sind, aber beschwerliche Sorgen verursachen, beiseite zu setzen: wie dem reichen Jünglinge, der in seinem Tugendeifer durch die Last der Sorge um seine Güter gehindert wurde: „Gehe hin, verkaufe, was du hast, und gib es den Armen und folge mir;“ (Matth. 19, 21.) sind es Berufssorgen, räth er zum Fleiß und zur Ausdauer in der Arbeit, bis zu ihrer Vollendung, so wie er einem, der ihm nachzufolgen aufsucht und Entschuldigung durch andere Geschäfte suchte, erklärte: „Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt zum Reiche Gottes.“ Luc. 9, 61. d. i. was du zu thun hast, das thue, ohne auf die Hindernisse zu achten. So ließ er selbst in dem übernommenen Versöhnungswerke durch nichts sich abhalten, bis er bei seinem Tode sagen konnte: „Es ist vollbracht.“ Joh. 19, 30.

§. 8.

Endlich, wie hat der Herr seine Vorschrift von dem einzig Nothwendigen angewendet, in Betreff der Erlangung und des Genusses des begehrten Gutes. Zunächst in dem er lehrt, nach dem Unnöthigen kein Verlangen zu tragen; als er z. B. kein irdischer König werden wollte, weil er dazu nicht gesandt, (Joh. 5, 15.), noch das Erbe theilen, weil er nicht zum weltlichen Richter gesetzt worden. Man solle, ferner zur Erhaltung des Lebens von dem himmlischen Vater nur allein um das tägliche Brod bitten, d. i. nicht um Leckerbissen, die nur Reizmittel des Geschmacks sind; sondern, was am leichtesten zu haben ist. Man solle sodann mit demjenigen zufrieden sein, was die väterliche Fürsorge Gottes darreicht, es sei, was es wolle. Dies übte er selbst aus und lehrte es seine Jünger. (s. Phil. 4.11.12. 13.) Man solle ferner mehr zum Mangel und zur Entbehrung ergötzlicher Dinge, als zu steter Fülle und Ueberfluß sich gewöhnen. Denn ebenso wollte Christus, ob er schon reich war, arm werden um unseretwillen, uns ein Muster vor Augen zu stellen; (2. Cor. 8, 9.) ja auch öfters Fasten, sogar bis in den vierzigsten Tag, obgleich er durch seine göttliche Kraft sich hätte Brod verschaffen können, wie er durch Speisung des hungrigen Volkes einige Male bewiesen hat. Und statt der ihm angebotenen Freude erduldete er das Kreuz und achtete der Schande nicht, und hat seinen Platz zur Rechten Gottes. (Hebr. 13,2.) Ihm folgten seine treuen Jünger, die Apostel nach, die sich selbst bewiesen haben als Diener Gottes, in großer Geduld, Aengsten u. s. f. (2. Cor. 6, 10.) Siehe wie gar anders klingt dieser Gesang, als der der Tantalen dieser Welt!

§. 9.

Hieraus erhellt, wie kurz die Philosophie Christi, als der Weg zur wahren Glückseligkeit sei, nemlich: in sich selbst, und mit Gott, in Gott, eins sein, und sich außer sich durch allerhand Dinge zerstreuen, damit man in dem, was noth thut, nicht weiter gehen, als unbedingt nöthig. Wer dies von Christo gelernt hat, der wird nicht leicht von seinem Wege, der Seligkeit, abweichen; nicht leicht in den vorkommenden Arbeiten unterliegen oder bei seinem Verlangen der Gemüths- und Gewissensbisse verfehlen. Denn nach Christi Lehre ist man vergnügt mit einen: Gott und einem Mittler zwischen sich und Gott, Christo; mit einem innerlichen Lehrer, Tröster und Beistand, dem heiligen Geist, mit einem Glaubenslichte, einem Hoffnungsanker, Gebet und steten Seufzern zu Gott: mit einem guten Werke, das ihm aufgetragen wurde, der Nächstenliebe, womit er einem Jeden dienen könne; und endlich mit der Geduld in Widerwärtigkeiten, oder, um nicht leiden zu dürfen, mit gänzlicher Ergebung seines Willens in Gottes Willen. Denn wer sich dem Wohlgefallen Gottes vollkommen übergiebt, dem gilt Gutes und Böses, Freude und Leid, Leben und Tod gleichviel, nemlich als eine einzige wahre Führung Gottes, seines Erbarmers, aus allem Elende zu einem seligen Ausgang.

§. 10.

Wir aber wollen anders nicht entartete Jünger dessen sein, den wir als unseren Meister bekennen, sollen ja seinen Fußstapfen nachzufolgen fortfahren, und seine goldene Vorschrift von dem allein Nothwendigen bei allen einzelnen Geschäften anwenden, d. i. darauf achten, wie ein jeder Mensch besonders, jede Abtheilung der Jugend oder Schule, jeder Staat, jede Kirche und die ganze Welt, wenn sie um ihr Heil wahrhaft besorgt ist, aus ihren Labyrinthen, von ihren Sisyphischen Steinen und Tantalischen Täuschungen, unter denen jetzt Alle leiden, sich geschwind, sicher und zu ihrer ewigen Freude losmachen könne.

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