Calvin, Jean - Der Brief des Apostels Jakobus - Kapitel 3.

Calvin, Jean - Der Brief des Apostels Jakobus - Kapitel 3.

V. 1. Nicht jedermann Lehrer. Die gewöhnliche und fast allgemein angenommene Erklärung dieser Stelle ist die, dass sie abschrecken soll von dem Streben nach dem Lehramt, und zwar aus dem Grunde, dass Verfehlungen in diesem Amte gefährlich und mit schwerer göttlicher Strafe bedroht sind. Man meint dann, der Ton liege darauf, dass nicht viele, nicht eine größere Anzahl das Lehramt erstreben sollen, da ja einige es notwendigerweise müssen. Ich aber verstehe unter den „Lehrern“ oder besser „Meistern“ nicht die öffentlichen Amtsträger der Gemeinde, sondern solche, die sich das Zensoramt über andere anmaßen. Solche Tadler wollen ja wie Meister geachtet werden. Es ist eine bei den Alten ganz gebräuchliche Redeweise, die strengen Tadler „Schulmeister“ zu nennen. Wenn dieses Verbot aber jedermann gelten soll, so geschieht es, weil allerorten viele sich in dieser Weise aufdrängen, denn das ist eine dem menschlichen Geiste gleichsam angeborene Krankheit, durch Tadel anderer sich Lob zuzuwenden. Ein doppelter Fehler herrscht in dieser Beziehung: wenige verfügen über das nötige Geschick, alle ohne Unterschied bemächtigen sich des Meisteramtes. Und zweitens: wenige werden vom rechten Eifer beseelt; was sie anspornt, ist mehr heuchlerischer Ehrgeiz als Sorge für das Heil des Bruders. Zu bemerken ist aber, dass Jakobus hier keineswegs abmahnt von der brüderlichen Erinnerung, die der Geist Gottes uns so oft und so sehr empfiehlt, sondern mit seinem Urteil jene maßlose, aus Ehrgeiz und Stolz geborene Begier trifft, in der jeder sich gegen die ihm zunächst Stehenden erhebt, tadelt, hechelt, stichelt und boshafterweise aufsucht, was er zum Schlechten wenden mag. Das ist ja gewöhnlich so, dass die frechen Zensoren dieser Art sich ganz unverschämt mit der Jagd nach den Fehlern anderer abgeben. Von derartiger unmaßlicher Unart will uns Jakobus wegrufen. Er fügt als Grund hinzu, dass die gegen andere so strengen Richter selber ein umso schwereres Urteil empfangen werden. Denn wer jedermanns Worte und Taten am strengsten Maße misst, der legt sich selbst ein hartes Gesetz auf, und wer sich entschließt, niemand zu scheuen, der verdient selbst auch keine Verzeihung. Es ist ein sorgsam zu beherzigender Satz, dass Leute, die gegen die Brüder zu hart sind, selbst Gottes Strenge gegen sich herausfordern.

V. 2. Denn wir fehlen alle mannigfaltiglich. Man kann diesen Satz als ein Zugeständnis fassen, wie wenn Jakobus sagen wollte: „Es sei, du findest an den Brüdern in der Tat Grund zu Beschuldigungen, denn niemand ist frei von Fehlern; ja, einzelne haben mit mehr als einem Fehler zu tun. Aber meinst du etwa, mit deiner bösen und giftigen Zunge vollkommen zu sein?“ Doch will mir viel eher scheinen, dass Jakobus mit seinem Wort uns eine Ermahnung zur Sanftmut geben möchte: Wir selbst sind auch mit viel Schwachheit bekleidet. Der handelt ungerecht, der die Verzeihung, deren er selbst bedarf, andern verweigert. So fügt ja auch Paulus seiner Anweisung, die Gefallenen milde und im Geist der Sanftmut zu erziehen, den Hinweis hinzu (Gal. 6, 1): „und siehe auf dich selbst, dass du nicht auch versucht werdest“. Nichts vermag ja mehr die Schärfe und Strenge zu zügeln als die Anerkennung der eigenen Schwäche.

Wer aber auch in keinem Wort fehlt usw. Hat Jakobus klar gesagt, es gebe keinen, der nicht mannigfaltig fehle, so zeigt er nun, dass die Tadelsucht vor anderen Sünden hässlich ist. Denn sein Satz: ein vollkommener Mann sei, wer auch in keinem Wort fehle, bezeichnet die Beherrschung der Zunge als eine vorzügliche Tugend, als eine der hervorragenden. Darum handeln die in der Tat besonders schlecht und verderbt, die mit scharfer Herausstellung jedes kleinsten Fehlers anderer ein Sichgehenlassen in einem so augenfälligen, eigenen Fehler verbinden. Mit großer Gewandtheit geißelt Jakobus hier die Heuchelei der Tadler, dass sie bei ihrer peinlichen Prüfung die Hauptsache und das Wichtigste außeracht lassen, nämlich die Lästersucht. Wer andere mit Rutenstreichen bedenkt, macht doch Anspruch auf vollkommene Heiligkeit. Aber bei ihrer eigenen Zunge sollten sie anfangen, wenn sie vollkommen sein wollen. Da sie aber gar nicht daran denken, ihre Zunge im Zaum zu halten, ja mit ihrem hechelnden und beißenden Wort ihre verlogene Heiligkeit ausbieten, so ist es offenbar, dass sie selbst am meisten Tadel verdienen, sintemal sie der ersten Tugend vergessen. Diese Gedankenverbindung macht uns die Meinung des Apostels ganz klar.

V. 3. Siehe, die Pferde usw. Mit diesen zwei Gleichnissen wird die große Wichtigkeit bewiesen, die der Zunge für die Vollkommenheit zukommt: sie hat die Herrschaft im ganzen Leben inne, wie Jakobus soeben sagte. Zuerst vergleicht er nun die Zunge mit dem Zügel, dann mit dem Steuerruder der Schiffe. Wenn ein so temperamentvolles Tier wie das Pferd nach des Reiters Willkür zu lenken ist, weil es den Zaum trägt, so wird die Zunge bei der Lenkung des Menschen nicht weniger vermögen. Dasselbe gilt vom Steuerruder des Schiffes, das die ganze Masse zugleich mit der Kraft des Windes beherrscht. Wie klein die Zunge als Glied auch sein mag, so bedeutet sie also doch für die Aufgabe der Selbstbeherrschung des Menschen das meiste. Wenn wir übersetzen (V. 5): die Zunge „richtet große Dinge an“ – so bedeutet das hier stehende, griechische Wort eigentlich: sich ins Licht stellen, sich ausbieten. Aber Jakobus will hier ja doch nicht so sehr das zur Schau getragene Gebaren betonen, als vielmehr den Gedanken zur Aussage bringen: die Zunge sei eine Ursache großer Wirkungen. Denn dieser letzte Satz wendet die eben angegebenen Gleichniszüge auf den vorliegenden Fall an. Zum Gleichnis der Zügel- und der Steuerruderwirkung passt kein leeres „sich zur Schau tragen“. Hier muss das Wort also bedeuten, dass der Zunge eine große Kraft innewohne.

Nun entwickelt der Verfasser die Übel, die aus der unbezähmten Zunge entspringen. Wir sollen aber wissen, dass sie nach beiden Seiten hin viel auszurichten vermag. Ist sie bescheiden und ruhig, so ist das ganze Leben in Zucht gehalten. Ist sie frech und gottlos, so ist alles gleichsam von einem einzigen Brande ergriffen. „Ein klein Feuer“, sagt er, um zu zeigen, dass die Kleinheit der Zunge einer weit und breit sich ausdehnenden Schadenwirkung keineswegs im Wege steht. Eine „Welt voll Ungerechtigkeit“ fügt er hinzu; es ist dasselbe, als wenn er sagte: ein Meer, ein Abgrund voll Ungerechtigkeit. Und geschickterweise stellt er die Kleinheit der Zunge in Gegensatz zu der ungeheuren Größe der Welt: ein dünnes Stückchen Fleisch enthält in sich eine ganze Welt voll Ungerechtigkeit.

V. 6. Also ist die Zunge usw. Was mit dem Ausdruck „Welt“ beabsichtigt war, wird nun auseinandergelegt: in alle Gebiete des Lebens verbreitet sich das ansteckende Gift der Zunge. Man kann es auch so auffassen, dass das Gleichnis vom Feuer erläutert wird: den ganzen Menschen ergreift die Befleckung. Aber die Rede kommt doch noch wieder aufs Feuer zurück mit dem Ausdruck: unser ganzer Wandel werden von der Zunge in Brand gesetzt. Der Sinn ist dieser: während andere Schäden vom Alter oder vom Lauf der Zeit gebessert werden oder doch nicht den ganzen Menschen in Beschlag nehmen, verbreitet sich dieses Unheil der Zunge wie ein fressender Schaden durch alle Gebiete des Lebens. Wenn Jakobus das Feuer von der Hölle ausgehen lässt, so ist es ebenso, wie wenn er die Zuchtlosigkeit der Zunge selbst eine Flamme höllischen Feuers nennte. Wie die weltlichen Dichter die Bösen von den Fackeln der Furien versengt darstellen, so entzündet in der Tat der Satan mit dem Anhauch seiner Versuchungen den Brand alles Bösen in der Welt. Jakobus will sagen, das vom Teufel ausgesandte Feuer werde von der Zunge aufs willigste ergriffen, so dass es nun lodernd weiter brennt. Kurz, sie sei das geeignete Element zur Aufnahme, zum Hegen, zum Wahren des höllischen Feuers.

V. 7. Denn alle Natur usw. Das Letztgesagte wird begründet. Dass der Satan mit einer sozusagen wunderbaren Wirksamkeit in der Zunge herrscht, wird damit dargetan, dass sie auf keine Weise zurechtgebracht werden kann. Das wird denn durch Gleichnisse ausgeführt. Es gibt kein noch so wildes und hitziges Tier, sagt Jakobus, das durch die Kunst der Menschen nicht gebändigt würde. Die Fische, obwohl sie einem anderen Element angehören, die so beweglichen, so umherschweifenden Vögel, ja sogar die Feinde des menschlichen Geschlechts, die Schlangen, gelingt es bisweilen zu zähmen. Also muss wohl irgendein geheimes Feuer aus der Hölle verborgen in der Zunge wohnen, wenn man sie doch nicht bezwingen kann. Was da über die wilden Untiere, die Schlangen usw. berichtet wird, ist nicht von allen zu beweisen. Genug ist es aber, dass die Kunst der Menschen auch einige von den wildesten Raubtieren zum Gehorsam bringt, und das ähnlicherweise je und dann auch die Schlangen gebändigt werden. Deshalb braucht Jakobus auch beide Zeitformen, Gegenwart und Vergangenheit. Die Gegenwartsform gibt die Möglichkeit und Fähigkeit zu etwas an, die Vergangenheitsform dagegen die tatsächliche Erfahrung. Mit Recht folgt also, dass die Zunge voll ist von tödlichem Gifte. In erster Linie ist dies alles auf den hier vorliegenden Fall zu beziehen, dass Leute, die selbst am abscheulichen Übel kranken, gänzlich verkehrterweise sich das Zensoramt über andere anmaßen. Dessen ungeachtet ist es zugleich als allgemeine Regel festzuhalten: wenn du dein Leben recht aufbauen willst, so musst du die größte Mühe auf die Zucht der Zunge verwenden. Kein Teil des Menschen ist schuldbeladener als sie!

V. 9. Durch sie loben wir usw. Ein sichtbarer Beweis dieses tödlichen Giftes ist die wunderbare Leichtigkeit, mit der die Zunge sich so wandelt. Während sie das Lob Gottes heuchelt, flucht sie ihm gleich darauf in seinem Bilde, indem sie Menschen schmäht. Denn wenn Gott über allen seinen Werken gelobt werden soll, so muss dies zumal vom Menschen gelten: denn in ihm leuchten Gottes Bild und Ehre besonders. Es ist eine unerträgliche Heuchelei, dass der Mensch dieselbe Zunge zum Lobe Gottes und zum Fluch gegen Menschen verwendet. Wo das Fluchen und Schmähen herrscht, da kann keine Anrufung Gottes stattfinden, da muss sein Lob notwendigerweise aufhören. Denn das ist unfromme Entweihung des Gottesnamens, wenn eine gegen die Brüder giftige Zunge ihn unter dem Vorwand des Lobes zu brauchen wagt. Wollen wir ihn gebührend loben, so ist zuerst einmal der Fehler der Schmähsucht gegen den Nächsten zu bessern. Indessen ist neben dieser allgemeinen Lehre auch die besondere festzuhalten, dass jene strengen Zensoren, die nach süßem Lobe Gottes plötzlich jedes erdenkliche Lästerwort gegen ihre Brüder ausspeien, damit ihr Gift verraten. Gegenüber dem Einwurf, durch Adams Fall sei doch das Ebenbild Gottes im Menschen vernichtet, ist freilich zuzugestehen, dass es elendiglich geschändet ist, aber gewisse Züge erscheinen doch noch. Gerechtigkeit und sittliche Güte und die Fähigkeit, in freier, eigener Kraft das Gute zu wollen, sind freilich genommen, aber es bleiben viele hervorragende Gaben, mit denen wir die Tiere übertreffen. Wer deshalb wirklich Dienste und Ehre erweisen will, darf Menschen nicht schmähen.

V. 11. Quillet auch ein Brunnen usw. Diese Gleichnisse werden angeführt zum Beweis, dass eine schmähsüchtige Zunge eine Art Ungeheuer sei, allem Naturlauf widersprechend und die überall sich zeigende, göttliche Ordnung verkehrend. Was einander entgegengesetzt ist, hat Gott so geschieden, dass die unbeseelten Dinge uns von wirrer Vermischung, wie sie eine zwiespältige Zunge darstellt, abschrecken müssen.

V. 13. Wer ist weise usw. Da die Schmähsucht in der Regel aus dem Hochmut entsteht, der Hochmut aber meistens die falsche Überzeugung der Weisheit erzeugt, so kommt die Rede jetzt auf die Weisheit. Die Gewohnheit der Heuchler ist es, sich zu erheben und zu prahlen, indem sie alle anderen beschuldigen. So suchten einst viele von den Philosophen Ruhm zu gewinnen durch erbitterte Verfolgung aller anderen Schulen. Dies stolze Gelüst, von dem die Schmähsüchtigen geschwollen und völlig verblendet sind, dämpft Jakobus: die eingebildete Weisheit, in der sie sich gefallen, hat gar nichts Göttliches, behauptet er, ist vielmehr vom Teufel. Der Sinn ist also dieser: jene strengen Zensoren, die mit sich selber sehr viel Nachsicht tragen, sonst aber niemand schonen, scheinen sich vor anderen weise, aber sie täuschen sich sehr. Ganz anders hat der Herr die Seinen gelehrt: sie sollen sanftmütig und freundlich gegen andere sein. Weise vor Gott sind allein die, welche diese Sanftmut mit gutem Wandel verbinden. Denn die Harten und Unerbittlichen halten nicht die rechte Spur der Weisheit inne, wenn sie im Übrigen auch an vielen Tugenden reich sein sollten.

V. 14. Habt ihr aber bitteren Neid usw. Die aus zu großer Strenge erwachsenden Früchte, die der Sanftmut entgegengesetzt sind, werden aufgezeigt. Es ist eine notwendige Entwicklung, dass das Übermaß an Strenge die bösen Regungen des Neides erzeugt, die bald ausbrechen und zum Zank führen. Wenn Jakobus vom Zank sagt, er sei im Herzen, so redet er freilich uneigentlich; das tut aber zum rechten Verständnis des Sinnes wenig oder gar nichts. Er wollte den Quell dieser bösen Übel aufweisen, das ist die böse Neigung des Herzens. Den Neid nennt er bitter, weil er nicht regiert, ohne mit dem Gift der Bosheit die Seelen anzustecken, so dass sie dann alles in Bitterkeit verwandeln. Jakobus weist uns also, damit wir in Wahrheit den Ruhm führen, Gottes Kinder zu sein, dazu an, friedlich und bescheiden mit den Brüdern umzugehen; andernfalls beurteilt er uns mit unserer Führung des Christennamens als Lügner. Übrigens gibt er nicht ohne Grund dem Neid den Zank zum Genossen, da ja aus Bosheit und Neid immer Krieg und Streit hervorgehen.

V. 15. Das ist nicht die Weisheit usw. Nur schwer sind die Heuchler zum Weichen zu bringen, darum tritt Jakobus ihrem stolzen Gelüst scharf entgegen und spricht der Weisheit, mit der sie geschwollen sind, während sie im Tadeln fremder Fehler sich allzu kritisch gebärden, den Charakter wahrer Weisheit überhaupt ab. Gibt er ihnen trotzdem zu, dass sie eine Art von Weisheit besitzen, so charakterisiert er sie doch genügend durch die Eigenschaftsworte irdisch, menschlich, teuflisch, während die wahre Weisheit himmlisch, geistlich, göttlich sein muss. Damit sind drei vollständige Gegensätze gezeichnet. Das eine setzt Jakobus als allseitig zugestanden voraus, dass wir nur dann weise sind, wenn wir vom Himmel herab, von Gott durch den Geist erleuchtet sind. Wohin also immer der Verstand des Menschen sich wenden mag, seine ganze Erkenntnis wird nur Eitelkeit sein, und nicht nur das: ins Blendwerk des Satans verstrickt, wird sie endlich böser Wahn. Das Menschliche wird hier dem Geistlichen gegenübergestellt wie 1. Kor. 2, 14, wo Paulus vom natürlichen Menschen sagt, er verstehe nicht, was Gottes sei. Tiefer konnte der menschliche Stolz nicht herabgesetzt werden als durch dies Urteil über alles, was er aus dem eigenen, natürlichen Wesen ohne Hilfe des Geistes Gottes besitzt, und durch diesen Übergang vom menschlichen Wesen zum Teufel. Das hier Gesagte bedeutet ja ebenso viel, wie wenn gesagt würde: während die Menschen ihrem eigenen Sinn folgen, geraten sie bald in des Satans Betrug.

V. 16. Denn wo Neid usw. Der Beweis wird durch Erinnerung an das Gegenteil geführt: der Neid, der die Heuchler erregt, bringt Wirkungen hervor, die der Weisheit entgegengesetzt sind. Die Weisheit verlangt einen wohl beruhigten Gemütszustand, der Neid aber erregt das Gemüt, dass es mit sich selbst in Aufruhr gerät und gegen andere maßlos aufbraust. Andere wollen statt Unordnung „Unbeständigkeit“ übersetzen. Aber da es sich hier doch um Zerwürfnis und Aufruhr handelt, so scheint der Ausdruck „Unordnung“ passender. Jakobus hat etwas Schwereres als Unbeständigkeit ausdrücken wollen, nämlich dass ein boshafter und neidischer Widersacher alles verwirrt und verkehrt betreibt, gleich als ob er außer sich selber wäre. Deshalb fügt er auch hinzu: und eitel böses Ding.

V. 17. Die Weisheit aber von oben usw. Im Gegensatz zu diesen oben erwähnten Wirkungen werden nun die der himmlischen Weisheit aufgezählt. Zuerst heißt es, sie sei keusch, d. h. rein. Durch diese Kennzeichnung werden Heuchelei und Parteilichkeit ausgeschlossen. Dann wird sie friedsam genannt, um sie als aller Zänkerei fremd zu charakterisieren. Drittens heißt sie gelinde oder human: so sollen wir ihren weiten Abstand von unbilliger Strenge, die an den Brüdern nichts ertragen kann, erkennen. Sie lässt sich ferner sagen, ist nachgiebig, womit ihr Abscheu vor Stolz und Böswilligkeit gekennzeichnet wird. Endlich weist er darauf hin, dass sie voll Barmherzigkeit ist, während die Heuchler missgünstig und unerbittlich sind. Mit den guten Früchten werden allgemein alle Dienste bezeichnet, die wohlwollende Menschen für ihre Brüder aufwenden, mit einem Worte: die himmlische Weisheit ist voll von Wohltaten. Es folgt noch die Charakteristik derer als Lügner, die sich ihrer finsteren Strenge rühmen. Obwohl Jakobus ja mit der Bezeichnung der Keuschheit oder Aufrichtigkeit schon deutlich genug alle Heuchelei verurteilt hatte, kommt er doch noch schließlich darauf zurück, um die Sache noch klarer zu machen. Uns dient das zur Einprägung der Erkenntnis, dass wir nur deswegen die übermäßige, finstere Strenge hegen, weil wir uns selbst viel zu sehr schonen und unseren eigenen Fehlern gegenüber die Augen schließen. Das mit „unparteiisch“ übersetzte Wort heißt wörtlich: „ohne Unterschiede zu machen“. Dieser Gedanke scheint zunächst gänzlich unverständlich. Denn Gottes Geist hebt doch den Unterschied von gut und böse nicht auf, macht uns auch nicht so unverständig, dass wir, jeglichen Urteils bar, das Laster statt der Tugend lobten. Die Lösung des anscheinenden Widersinnes liegt darin, dass Jakobus mit dem Unterschiedmachen die bei den Heuchlern bemerkbare Parteilichkeit meint, die mit engstem und peinlichstem Spürsinn die Reden und Taten der Brüder nur zu genau durchforscht, um dann alles als Schuld zu buchen.

V. 18. Die Frucht aber der Gerechtigkeit usw. Der Sinn kann ein doppelter sein, nämlich einmal, dass den Friedfertigen eine Frucht gesät wird, die sie hernach ernten, oder aber zweitens, dass sie nicht aufhören, den Samen der Gerechtigkeit auszusäen, wenn sie auch selber bescheiden genug sind, vieles im Verkehr mit dem Nächsten zu ertragen. In der Tat ist es eine verkürzte Ausdrucksweise. Die schmähsüchtigen Verkleinerer ihres Nächsten brauchen immer diesen Vorwand, dass sie sagen: Was, leisten wir mit unserer gefälligen Geduld nicht dem Bösen Vorschub? Dem hält Jakobus entgegen: Leute, die Gott mit wahrer Weisheit ausgerüstet hat, sind zwar billig, bescheiden, friedfertig, barmherzig, doch in solcher Weise, dass sie keineswegs das Böse verhehlen oder begünstigen, sondern sich vielmehr bemühen, es zu bessern, nur in Frieden, d. h. unter Anwendung von so viel Mäßigung, wie zur Bewahrung der Einigkeit nötig ist. Und das möchte Jakobus eben bezeugen, dass seine Äußerungen nicht im mindesten den Zweck verfolgen, freundwillige Mahnungen aus der Welt zu schaffen, aber wohl den, solche Leute, die für Ärzte der Sünde gehalten sein möchten, davor zu bewahren, dass sie Mörder werden. Man muss den kurz zusammengefassten Gedanken also folgendermaßen entwickeln: die den Frieden halten, haben es sich trotzdem zur Aufgabe gemacht, Gerechtigkeit zu säen, sind auch keineswegs unfähig und träge in dem Betrieb und der Beförderung guter Werke. Aber sie haben ihren Eifer mit der Würze des Friedens gemildert, während die Heuchler mit ihrer blinden und stürmischen Wut alles verwirren und verderben.

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