Calvin, Jean - Hebräerbrief - Kapitel 9.

Calvin, Jean - Hebräerbrief - Kapitel 9.

V. 1. Es hatte zwar auch das erste Testament usw. Der Verfasser wendet das von der Veränderlichkeit des alten Testaments im Allgemeinen Gesagte jetzt im Besonderen auf das Zeremoniewesen an. Seine Absicht dabei ist die, zu zeigen, wie auch in dieser Hinsicht alles auf die Erscheinung Christi hinweist. Zuerst sagt er, im alten Testament sei eine bestimmte Ordnung des Gottesdienstes vorhanden gewesen, und zwar in eigentümlicher Anpassung an jene Zeit. Eine nachfolgende Vergleichung soll sodann alle jene im Gesetz vorgeschriebenen Gebräuche nach ihrer tieferen und eigentlichen Bedeutung klar machen.

Rechte des Gottesdienstes. Zum alten Testament gehörte jene ganz Art und Weise des Gottesdienstes, die in Opfern, Reinigungen und sonstigen sinnbildlichen Handlungen bestand und ans Heiligtum gebunden war.

Das äußerlich, irdische Heiligtum wird es genannt, weil jene Dinge noch nicht der vollkommene Ausdruck der himmlischen Wahrheit waren. Wenn es auch dem ursprünglichen Vorbild, das Mose gezeigt wurde, nachgebildet war, so ist doch ein Unterschied zwischen dem Abbild und dem Urbild, besonders wenn beides, wie hier, einander zur Vergleichung gegenübergestellt wird. Daher war das Heiligtum an sich zwar irdisch und wird mit Recht zu den vergänglichen, äußerlichen Dingen gezählt; himmlisch aber war es nach seiner sinnbildlichen Bedeutung.

V. 2. Denn es war da aufgerichtet usw. Weil der Apostel die Einrichtung der Stiftshütte hier nur kurz berührt und nicht länger dabei verweilt, als es sein Zweck mit sich bringt, so gehe auch ich auf eine genaue Erklärung absichtlich nicht ein. Es genügt, wenn wir die drei Teile der Stiftshütte auseinanderhalten: den Vorhof des Volkes, das Heilige und das Allerheiligste. Im Heiligen, wohin man aus dem Vorhof zunächst gelangte, waren der Leuchter und der Tisch mit den Schaubroten. Es folgte dann jener innerste Teil, das Allerheiligste, das vollständig den Blicken des Volkes entzogen war, ja sogar denen der Priester, die im Heiligen dienten. Denn wie ein Vorhang das Heilige nach dem Vorhof hin abschloss, so trennte ein zweiter Vorhang die Priester vom Allerheiligsten. Der Apostel sagt, dass dort das Räuchfass oder, wie ich ihn eher noch verstehen möchte, der Räucheraltar selbst gewesen sei. Sodann die Bundeslade mit ihrem Deckel, die beiden Cherubim, der güldene Krug mit dem Manna, die Rute Aarons und die beiden Tafeln . So weit geht der Apostel in der Beschreibung der Hütte. Was er übrigens von dem Krug sagt, in den Mose das Manna gelegt, und von der gründenden Rute Aarons, dass sie mit den beiden Tafeln in der Lade gewesen seien, scheint im Widerspruch zu stehen mit der Überlieferung der heiligen Geschichte (1. Kön. 8, 9), wonach nichts anderes in der Lade war, als nur die beiden Tafeln. Diese beiden Stellen können sich aber leicht miteinander vertragen. Gott hatte befohlen, den Krug und die Rute Aarons vor dem Zeugnis niederzulegen. Es ist daher wahrscheinlich, dass sie zugleich mit den Tafeln in der Lade waren. Beim Bau des Tempels aber wurde jedem sein besonderer Platz angewiesen. Dass in der Lade nur die beiden Tafeln waren, erwähnt der Geschichtsschreiber offenbar nur deshalb, weil es damals so neu geordnet wurde.

V. 5. Von welchen Dingen jetzt usw. Da die Neugier der Menschen immer mehr wissen möchte, so bricht der Apostel allen spitzfindigen Fragen gegenüber, die sich auf Widersprüche mit der tatsächlichen Einrichtung beziehen, kurz ab, um nicht durch eine längere Auseinandersetzung den Zusammenhang zu zerreißen. Darum wäre es unnützer Zeitverlust, wollte man dem Rat des Apostels zuwider allzu grübelnd dabei verweilen. Wir haben hier unser Augenmerk auf die Hauptsache zu richten. Über das richtige Maß hinaus zu spekulieren, wie einige es tun, ist zudem nicht bloß unnütz, sondern sogar gefährlich. Es gibt sonst genug Dinge, die nicht dunkel sind und die dazu dienen, uns im Glauben zu erbauen. Darum muss man vorsichtig sein und in aller Nüchternheit nicht mehr wissen wollen, als Gott zu offenbaren für gut fand.

V. 6. Da nun solches also zugerichtet war usw. Mit Weglassung von allem Übrigen hebt der Apostel den Hauptpunkt heraus. Die Priester , die den heiligen Dienst verrichteten, pflegten täglich in die vordere Hütte zu gehen; aber ins Allerheiligste ging einmal im Jahr der Hohepriester mit dem heiligen Sühnopfer. Hieraus folgt, dass, solang jene Hütte bestand, das Heiligtum verschlossen blieb und erst durch ihre Beseitigung uns ein freier Zugang zum Reiche Gottes gegeben ist. Wie wir sehen, wies also schon die äußere Anlage der Stiftshütte die Juden auf einen zukünftigen, vollendeteren Zustand hin. Wie töricht handeln darum die, welche durch zähes Festhalten an den schattenhaften Vorbildern des Gesetzes sich selber im Wege stehen! Der Stiftshütte wird gleich nachher das geistliche Heiligtum Christi gegenübergestellt. Jene ist zu unserm größten Heil abgebrochen, weil durch ihre Trümmer hindurch uns erst ein vertrauter Zugang zu Gott gebahnt ist.

V. 7. Für seine und des Volkes Versehen. Dieser Ausdruck bezeichnet ursprünglich einen Fehler aus Irrtum und Unwissenheit, dann aber überhaupt Sünde jeder Art. Denn es ist wahr, dass wir nie sündigen, ohne durch des Satans Lockungen hintergangen zu sein. Der Apostel denkt freilich nicht nur an Versehen aus Unwissenheit im gewöhnlichen Sinn des Wortes, sondern ebenso sehr an die wissentlichen Sünden, weil, wie gesagt, bei jeder Sünde Irrtum vorhanden ist. Wenn sich einer seines sündlichen Handelns auch vollkommen bewusst ist, so muss er doch durch die böse Lust völlig geblendet sein, dass er das gesunde Urteil verlieren, ja sich selbst und Gott vergessen kann. Nie würden sich die Menschen absichtlich in ihr eigenes Verderben stürzen, wenn sie nicht, in des Satans Betrügereien verflochten, um ihr gesundes Denken gekommen wären.

V. 9. Welche ist ein Gleichnis usw. Gleichnis hat hier nach meiner Ansicht den gleichen Sinn wie Abbild. Jene Hütte war der Schattenriss des himmlischen Vorbildes und hatte die Aufgabe, auf dieses hinzuweisen. Gerade so verhält es sich mit einem Porträt, das wir nicht sehen können, ohne zugleich an die dargestellte Person zu denken.

Die gegenwärtige Zeit ist die Zeit der äußerlichen Gesetzesbeobachtung. Damit ist dem Gleichnis nur eine vorübergehende Bedeutung zugesprochen. Dies geschieht auch nachher (V. 10), wo ausdrücklich gesagt wird, alle Zeremonien seien bis auf die Zeit der Besserung aufgelegt. Es ist nicht unrichtig, wenn der Apostel die Zeit, wo Gaben und Opfer geopfert werden, als die gegenwärtige bezeichnet. Denn weil er sich an Leute aus dem Volke der Juden wendet, stellt er sich an ihren Platz, wie wenn er auch zu denen gehörte, die opfern. Gaben und Opfer unterscheiden sich so voneinander, dass mit den Opfern eine bestimmte Art von Gaben bezeichnet ist.

Vollkommen machen, oder nach dem Zusammenhang wohl eher: „heiligen“ nach dem Gewissen. Die Wirkung jener Opfer dringt nicht ins Herz hinein, so dass es zu einer wahren Heiligung käme. Zum besseren Verständnis dessen, was der Apostel meint, ist zu beachten der Gegensatz von Fleisch und Gewissen. Alle jene Satzungen waren fleischlich. Damit soll zwar nicht gesagt sein, dass sie die Menschen bloß zu einem ehrbaren und anständigen Leben haben erziehen sollen oder gar bloß zur Reinigung und Heiligung des Leibes dienten. Der Apostel sieht in ihnen vielmehr bedeutungsvolle Sinnbilder. Aber in die Seelen hinein drang ihre Wirkung nicht. So wahrhaftig sie auch auf eine vollkommene Heiligkeit hinwiesen, waren sie doch weit davon entfernt, diese selber den Menschen zu bringen. Durch ihre Hilfe sollten die Gläubigen zu Christus geführt werden, damit sie bei ihm suchen möchten, was den Sinnbildern abging. Wer etwa fragt, warum der Apostel von den göttlich eingesetzten Ordnungen und Satzungen so wenig ehrend, ja fast verächtlich spricht und ihnen keine Kraft zuschreibt, dem ist zu antworten, dass hier davon die Rede ist, was sie ohne Christus sind. Wir wissen aber, dass, wie auch Paulus (Gal. 4, 9) sagt, die irdischen Satzungen, für sich allein genommen, schwach und dürftig sind.

Der Ausdruck „Zeit der Besserung“ erklärt sich aus der Weissagung des Jeremia (31, 31). Das neue Testament sollte an die Stelle des alten etwas Besseres setzen. Speise und Trank und dergleichen bedeutungslose Dinge werden ausdrücklich erwähnt, weil man im Hinblick auf so geringfügige Vorschriften umso sicherer zur Erkenntnis kommen musste, wie weit das Gesetz von der Vollkommenheit des Evangeliums entfernt sei.

V. 11. Christus aber ist kommen usw. Jetzt richtet sich der Blick von jenen gesetzlichen Bestimmungen weg auf die Wahrheit, die ihnen zu Grunde liegt. Wer glaubt, dass in Christus zur wahren Darstellung gekommen ist, was unter dem Gesetz nur als Schatten zu erkennen war, der lässt den Schatten gern fahren und ergreift in Christus die ewige Wahrheit. Besonders wichtig sind die Stellen, wo Christus mit dem Hohenpriester der alten Zeit verglichen wird. Schon V. 7 war gesagt, dass nur der Hohepriester einmal im Jahr ins Heiligtum gehen durfte mit dem Blut der Versöhnung. Wegen seiner einzigarten Würde und Stellung kann Christus sehr passend mit dem Hohenpriester verglichen werden, nur hat er uns mit seinem Kommen ewige Güter gebracht. Sein Priestertum ist ewig. Für beide sodann ging der Weg ins Allerheiligste durch das Heilige; aber nur Christus ist in den Himmel eingegangen durch den Tempel seines Leibes. Wenn bloß einmal im Jahr das Allerheiligste dem Hohenpriester offen stand zur Vornahme der feierlichen Versöhnung, so war auch darin das einzige Opfer Christi dunkel vorgebildet. Beiden galt also jenes „einmal“, aber dem irdischen Priester nur für den Zeitraum eines Jahres, dem himmlischen aber für alle Zeit bis an der Welt Ende. Beide hatten es mit Darbringung von Blut zu tun; aber gerade da besteht ein großer Unterschied, weil Christus nicht das Blut von Tieren, sondern sein eigenes dargebracht hat. Beide brachten Versöhnung; aber jene unter dem Gesetz vollzogene musste, weil unwirksam, jährlich wiederholt werden, die Versöhnung aber, die Christus uns erworben hat, gilt für alle Zeit und hat uns ewiges Heil verschafft. Fast in jedem Wort liegt somit eine Wahrheit von großer Bedeutung.

Die zukünftigen Güter sind die ewigen Güter. Ihnen stehen gegenüber die vergänglichen Sinnbilder der gegenwärtigen Zeit (V. 9). Christi Priestertum verschafft uns den Eingang ins himmlische Gottesreich und schenkt uns ewige Gerechtigkeit und Seligkeit, so dass wir unmöglich etwas Besseres wünschen können. Über Christus hinaus brauchen wir daher nicht zu gehen, da wir bei ihm alles finden.

Durch eine größere und vollkommenere Hütte. Diese Stelle wird zwar verschieden erklärt, aber für mich unterliegt es keinem Zweifel, dass hier vom Leibe Christi die Rede ist. Wie nämlich einst der alttestamentliche Hohepriester durchs Heilige gehen musste, um ins Allerheiligste zu gelangen, so ist Christus durch seinen Leib zur himmlischen Herrlichkeit eingegangen. Er hat sich in unser Fleisch gekleidet und im Fleisch gelitten, um als unser rechtmäßiger Vertreter zu unsern Gunsten vor Gott erscheinen zu können. Nun ist es ein durchaus passendes und schönes Bild, wenn Christi Leib ein Heiligtum genannt wird. Er ist ja der Tempel, darin Gottes ganze Majestät gewohnt hat. Mit Recht kann sodann gesagt werden, dass er durch seinen Leib zum Himmel eingegangen sei. Hat er sich doch in jenem Leibe Gott geweiht. In ihm ist er geheiligt worden als ein vollkommener Gerechter, in ihm hat er sich auf das bevorstehende Opfer zugerüstet. Schließlich hat er sich in ihm völlig entäußert und den Kreuzestod erduldet: darum hat ihn Gott auch erhöht und hat ihm einen Namen gegeben, der über alle Namen ist, dass in seinem Namen sich beugen sollen aller Knie usw. (Phil. 2, 7 – 10). Es kann aber auffallen, dass vom Leib Christi gesagt wird, er sei nicht von dieser Schöpfung. Sicher war er doch aus Abrahams Samen und dem Leiden und dem Tod unterworfen. Ich antworte darauf, dass es sich hier nicht um den Leib nach seiner äußeren Erscheinung handelt, sondern um die geistliche Kraft, die von ihm auf uns überströmt. Insofern Christi Leib lebenweckende Kraft hat und eine Himmelsspeise ist für die Seele, insofern sein Blut ein geistlicher Trank und ein reinigendes Bad ist, darf man sich darunter nichts Irdisches und Stoffliches vorstellen. Sodann muss man sich vergegenwärtigen, dass dies im Gegensatz zur Stiftshütte des alten Bundes gesagt ist, die aus Holz, Erz, Fellen, mannigfachen Teppichen, Gold und Silber gemacht war, also aus vergänglichen Stoffen. Christi Leib aber ist durchweht von Gottes Kraft, so dass er ein lebendiger und geistlicher Tempel ist.

V. 12. Auch nicht durch der Böcke oder Kälber Blut. Der Hauptgedanke ist immer der: was in Christus uns gegeben ist, übertrifft alle Sinnbilder des Gesetzes so sehr, dass sie füglich jede Bedeutung verlieren. Was für einen Wert hätte Christi Blut, wenn es dem Blut von Tieren gleichzustellen wäre? Was wäre die Versöhnung durch seinen Tod, wenn die gesetzlichen Reinigungen gleiche Kraft besäßen? Sobald also die Erlösung durch den Tod Christi geschehen war, mussten alle Sinnbilder aufhören.

V. 13. Denn so der Ochsen und der Böcke Blut usw. Die heiligen Opferhandlungen waren vermöge ihrer sinnbildlichen Bedeutung dazu bestimmt, zu Christus zu führen und auf das ewigen Seelenheil, das wir in ihm finden, hinzuweisen. Wenn schon das Blut der Tiere die wahre Reinigung auf geheimnisvolle Weise abbildete, wie viel mehr wird Christus selbst, der die Wahrheit ist, die Reinigung nicht bloß durch eine heilige Handlung äußerlich bezeugen, sondern in Wirklichkeit den Gewissen vermitteln. Geschlossen wird also von den Zeichen auf die Sache selbst, indem die vollendete Tatsache die bloß sinnbildlich dargestellte Wahrheit um ein bedeutendes übertrifft.

V. 14. Durch den ewigen Geist. Hier wird deutlich gezeigt, worin die Bedeutung des Todes Christi liegt, nämlich nicht im äußeren Geschehen, sondern in der Wirkung des Geistes. Durch den Geist hat sein Tod, den er als Mensch erduldete, für uns Heilsbedeutung erlangt; denn das Opfer, das eine ewige Versöhnung zustande brachte, war mehr als bloß menschliches Werk. Daher wird auch der Geist ewig genannt, damit wir wissen, die Versöhnung, die er bewirkt, sei ewig gültig. Die Bezeichnung ohne allen Fehl erinnert an die gesetzliche Bestimmung, wonach die Opfertiere vollkommen und ohne Fehl sein mussten. Aber Christus ist das einzig rechte Opfer, das Gott gefallen konnte. Bei den andern konnte immer mit Recht etwas vermisst werden, daher auch früher (8, 7) vom alten Bund gesagt war, er sei nicht untadelig gewesen. Dieses Opfer aber war das allervollkommenste.

Von toten Werken ist die Rede, weil sie zum Tode führen oder Äußerungen eines Todeszustandes sind. Denn da das Leben unsrer Seele darin besteht, mit Gott Gemeinschaft zu haben, so sind Menschen, die durch Sünde von Gott getrennt sind, in Wahrheit für tot zu halten.

Zu beachten ist das Ziel der Reinigung: zu dienen dem lebendigen Gott. Wir werden ja nicht durch Christus gewaschen, um dann von neuem uns zu verunreinigen, vielmehr soll unsre Reinheit der Ehre Gottes dienen. Aber auch umgekehrt ist es uns erst dann möglich, Gott Wohlgefälliges zu vollbringen, wenn wir durch Christi Blut gereinigt sind. Denn vor unsrer Erlösung mit Gott sind wir alle seine Feinde und darum unsre Werke ihm verhasst. Der wahre Gottesdienst nimmt daher mit der Versöhnung seinen Anfang. Weil ferner kein Werk so vollkommen rein und ohne jeden Flecken ist, dass es ohne weiteres Gott gefallen könnte, so ist die Reinigung durch das Blut Christi immer wieder nötig, um alle Flecken zu tilgen. Überaus sinnig ist die Gegenüberstellung des lebendigen Gottes und der toten Werke.

V. 15. Und darum ist er auch ein Mittler des neuen Testaments. Wir haben jetzt keinen anderen Hohenpriester mehr nötig, weil Christus es in vollkommener Weise ist. Auch schließt der Ehrentitel Mittler, den Christus erhält, aus, dass es andere zugleich mit ihm seien. Dies wird noch bekräftigt durch die Art und Weise, wie er sein Mittleramt vollendet hat, nämlich durch den Tod. Wenn dies im Gegensatz zu allen anderen nur bei Christus zutrifft, so folgt daraus, dass er allein der wahre Mittler ist. Zudem werden wir an die Kraft und Wirkung seines Todes erinnert, wenn es heißt, der Preis sei bezahlt worden für die Sünden, die unter dem ersten Testament durch der Tiere Blut nicht getilgt werden konnten. Das sollte den israelitischen Lesern klar machen, dass das Gesetz für sie kein letzter Ruheort sein dürfe. Denn wenn das Gesetz so kraftlos ist, dass seine Sühnmittel doch keine wahre Erlösung von den Übertretungen bringen, wer möchte sich dann nicht Christus zuwenden, der uns von der beständigen Angst unter dem Gesetz befreit? Die Handschrift ist ausgetilgt, die wider uns war (Kol. 2, 14). Freilich sagt schon David: Wohl dem Menschen, dem der Herr die Missetat nicht zurechnet (Ps. 32, 2). Aber um diese Seligpreisung auf sich beziehen zu können, muss man die Augen vom Gesetz weg auf Christus richten; denn solange man unter dem Gesetz steht, wird man von der Anklage nicht los.

Die, so berufen sind, das verheißene ewige Erbe empfangen. Der Bund, den Gott mit uns gemacht hat, stellt uns in Aussicht, dass wir als seine Kinder das ewige Leben ererben. Wenn wir dieses herrliche Ziel erreichen, so haben wir es Christus zu verdanken. Nur infolge seines Todes steht es unerschütterlich fest, dass uns die Verheißung des ewigen Lebens gilt. Verheißen war es freilich einst schon den Vätern, und von Anfang an handelte es sich um das gleiche Erbe der Kinder Gottes. Aber in den eigentlichen Besitz kommen wir nur durch Christi Blut. Die hebräischen Leser sollten den Ausdruck „berufen“ vor allem auf sich selber beziehen und es als eine besondere Gnade erkennen, dass ihnen die Erkenntnis Christi zuteil ward. Einen Schatz von so unvergleichlichem Wert dürfen wir nicht gleichgültig beiseitesetzen, indem wir unseren Sinn auf etwas anderes lenken.

V. 16. Denn wo ein Testament ist usw. Weil im Griechischen ein und dasselbe Wort beides bezeichnet: Bund und Testament, so erklärt der Apostel mit Anlehnung an die zweite Bedeutung, die Verheißungen hätten erst dadurch, dass sie durch Christi Tod besiegelt wurden, in Kraft treten können, wie ja auch ein Erbvermächtnis gewöhnlicher Art erst durch den Tod des Testators Gültigkeit erlangt. Man wende nicht dagegen ein, dass es sich in Wirklichkeit nicht um ein Testament, sondern um einen Bund handle, den Gott mit seinem Volk geschlossen hat. Denn eine Ähnlichkeit dieses Bundes mit einem Testament war tatsächlich darin vorhanden, dass er mit Blut bekräftigt wurde. So hatte schon der Gesetzesbund das Vergießen von Blut zur Voraussetzung seiner Gültigkeit, glich also einem Testament darin, dass er, um wirksam zu werden, auf die Tatsache eines geschehenen Todes sich gründete. Und nun sind ja alle Sinnbilder, deren sich Gott bedient, mit weisem Bedacht als Hindeutung auf das Wesen der Sache selber gewählt. Darum kann auch der wahre Bund Gottes seiner Natur und Bedingung nach zutreffend mit einem Testament verglichen werden.

V. 18. Daher auch das erste nicht ohne Blut eingeweiht ward. Es liegt dem Apostel daran, zu zeigen, dass schon der alte Bund das Opfer des Lebens forderte. Aber der ewige Bundf war da noch nicht, wo Tierblut vergossen werden musste. Die Darstellung der feierlichen Besprengung aus Anlass des Bundesopfers schließt sich an 2. Mose 24, 3 – 8 an.

Zuerst heißt es allgemein, der Bund sei „geweiht“ worden. Dies geschah nicht, weil ihm von vornherein die Heiligkeit gefehlt hätte, sondern um der Menschen willen, weil nichts so heilig ist, das nicht durch ihre Unreinheit befleckt werden könnte. Darum muss Gott alles vor Einweihung und Befleckung durch die Menschen schützen. Nachher wird gesagt, dass die Hütte mit all ihrem Gerät (V. 21), ja sogar das Buch des Gesetzes (V. 19) besprengt worden sei. So lernte schon damals das Volk das Blut als das unumgänglich notwendige Mittel kennen, ohne das es bei Gott kein Heil für uns und auf unsrer Seite keinen wahren Gottesdienst geben kann. Wir müssten mit Recht vor der göttlichen Majestät erschrecken und fänden, wollten wir uns ihr nahen, keinen Ausweg vom Verderben, wenn wir nicht die Versöhnung durch Christi Blut hätten. Und auch alle unsre Gottesdienste wären unrein und befleckt ohne die Besprengung mit seinem Blut. Die Stiftshütte war gleichsam ein Bild des unsichtbaren Gottes und ihr Gerät ein Sinnbild des wahren Gottesdienstes. Wenn nun das Heil des Volkes erforderte, dass das alles mit Blut besprengt werde, so folgt daraus, dass es für uns ohne Christi Blut keinen Verkehr mit Gott gibt.

V. 20. Das ist das Blut des Testaments. Das Testament, das Gott verordnet hat, und das Blut, das zu seiner Bestätigung dient, gehören also unzertrennlich zusammen. Ohne Blut war das Testament nicht gültig, und ohne das Testament hatte das Blut keine versöhnende Kraft.

Das Gott euch geboten hat. Beachte, wie dem Zeichen und Sinnbild das Wort und Gebot voranging und klar und deutlich, nicht nach Art heidnischen Priestergemurmels, ausgesprochen wurde: galten doch jene Bundesworte dem Volk. Es ist also ein Missbrauch der Sakramente und eine gottlose Entstellung, wenn sie verwaltet werden ohne Rücksicht darauf, ob der Zweck der göttlichen Verordnung verstanden werde. Man raubt dem Sakrament damit die Seele; was übrigbleibt, sind nur tote, kraftlose Zeichen. Aus dieser Stelle geht aber auch hervor, dass alle Verheißungen Gottes erst durch Christi Blut ihre Bestätigung erhalten. Wenn, wie Paulus (2. Kor. 1, 20) bezeugt, alle Gottesverheißungen in Christus Ja und Amen sind, so ist es eben das Blut Christi, das diesen Verheißungen in unseren Herzen das Siegel aufdrückt. Wir hören nicht bloß Gottes Stimme, sondern haben Christus zum sicheren Pfand, das uns die Verheißung bestätigt. Wir würden Gottes Wort mit viel größerer Ehrfurcht betrachten, wenn wir daran dächten, dass es nicht mit Tinte, sondern mit Christi Blut geschrieben ist. Und viel aufmerksamer würden wir der Predigt des Evangeliums zuhören, wenn wir dabei im Geiste jenes heilige Blut fließen sähen.

Die Besprengung durch Mose stellte diese Wahrheit einst sinnbildlich dar. Die Schilderung unseres Briefes geht in einigem über den Bericht im zweiten Buch Mose hinaus. Es wird nämlich gesagt, dass nicht nur das Volk, sondern auch das Buch besprengt worden sei. Neu ist auch die Erwähnung von Bocksblut und Wasser, von Scharlachwolle und Ysop. Was zunächst die Besprengung des Buches betrifft, so erwähnt der alttestamentliche Bericht nur, dass Mose nach vollbrachtem Opfer das Buch nahm und vor dem Volke las, worauf sich das Volk zum Gehorsam gegen Gott feierlich verpflichten ließ. Die Hinzufügung des übrigen erklärt sich daraus, dass der Apostel die verschiedenen, im Gesetz vorgeschriebenen Arten der Reinigung mit im Auge gehabt hat (vgl. 4. Mose 19, 6. 17 f. und 3. Mose 14, 2 ff.), was leicht begreiflich ist, da es sich hier um die Bedeutung der alttestamentlichen Reinigung durch Blut im Allgemeinen handelt. Der aus dem Ysop und der Scharlachwolle verfertigte Besprengungswedel war zudem geeignet, die innere Reinigung durch den heiligen Geist darzustellen. Der Ysop war bekanntlich ein Mittel von starker, reinigender Wirkung. Wie sich der Priester bei der Besprengung mit Blut des Ysopbüschels bediente, so reinigt uns Christus mit seinem Blut durch den Geist. Durch ihn schafft er in uns eine aufrichtige Buße, durch ihn überwindet er in uns die verkehrten Triebe und sündlichen Leidenschaften, durch ihn lässt er uns teilhaben an seiner Gerechtigkeit. Gott hatte nicht ohne Absicht solche Reinigungsmittel verordnet. An ihre geistliche Bedeutung denkt auch David, wenn er sagt; Entsündige mich mit Ysop, dass ich rein werde (Ps. 51, 9). So viel mag für eine nüchterne Art der Schriftbetrachtung genügen.

V. 22. Und es wird fast alles mit Blut gereinigt. Das beigefügte „fast“ scheint auf andere Arten der Reinigung, z. B. durchs Wasser, hinzuweisen. Aber auch das Wasser hat die reinigende Kraft nur durch die Opfer erhalten, so dass mit Recht schließlich gesagt wird: ohne Blutvergießen geschieht keine Vergebung. Was nicht durchs Opfer gereinigt war, blieb unrein. Das galt so allgemein und ausnahmslos wie die Regel: ohne Christus, nämlich ohne das Opfer seines Todes, keine Versöhnung und kein Heil. Wenn also in einzelnen Fällen die Reinigung sich ohne Anwendung von Blut vollzog, so lag auch dann die reinigende Kraft im Blut, indem von dieser wichtigsten Art der Versöhnung eine Wirkung ausging, die sich allen religiösen Handlungen mitteilte. So war es z. B. bei der großen Menge des Volkes damals nicht möglich, dass jeder einzelne besprengt wurde, und doch hatten alle teil an der Reinigung. Die Vorbilder des Gesetzes weisen in dieser Beziehung durchaus keine Unvollkommenheit auf.

Es geschieht keine Vergebung. Da es nur ein Mittel der Versöhnung gibt, nämlich die Darbringung von Blut, so sind die Menschen ohne dieses Mittel von Gottes Gegenwart ausgeschlossen und können keine Gnade von ihm erwarten, auf keine Vergebung der Sünden hoffen. Darum bleibt uns nichts anderes übrig, als im Glauben unsere Zuflucht zu Christi Tod zu nehmen.

V. 23. Der himmlischen Dinge Vorbilder. Dem Einwand, dass das alte Testament mit anderem Blut als dem des Stifters geweiht worden ist, begegnet der Apostel im Hinweis darauf, dass es sich hier um die irdischen Vorbilder handele. Da ist es nicht zu verwundern, dass die Stiftshütte bloß mit dem Blut von Tieren geweiht wurde. Die Reinigung richtete sich nach dem Gegenstand, der gereinigt werden sollte. Das himmlische Urbild freilich musste ganz anders geweiht werden. Da kann nun nicht mehr von Kälber- und Bocksblut die Rede sein. Seiner Würde und Heiligkeit entsprach etwas viel Herrlicheres. Sollte das Testament wahrhaft bekräftigt werden und ewige Gültigkeit erlangen, so musste der sterben, der es gemacht hatte.

Himmlische Dinge. So wird das Reich Christi bezeichnet in Hinsicht auf seine geistliche Art und die Offenbarung göttlicher Wahrheit, die in ihm zu erkennen ist. Bessere Opfer. Die Mehrzahl erklärt sich daraus, dass das Opfer Christi, das allein hier in Betracht kommt, den früheren Opfern gegenübergestellt wird.

V. 24. Denn Christus ist … eingegangen usw. Der vorhergehende Vers erhält hier seine Bekräftigung. Dort war die Rede vom wahren, d. h. himmlischen Heiligtum; hier heißt es nun, Christus sei in dieses eingegangen. Daher wird auch eine dementsprechende Bestätigung erfordert.

Nicht … mit Händen gemacht. So wird das Heiligtum bezeichnet, weil es nicht zu den vergänglichen Dingen dieser Welt gerechnet werden darf. Denn nicht der Himmel, den wir mit unseren Augen sehen, an welchem die Sterne leuchten, ist gemeint, sondern das herrliche Gottesreich, hoch über allen Himmeln.

Das alttestamentliche Heiligtum heißt Gegenbild oder Abbild des wahrhaftigen, geistlichen; denn in ihm spiegelte sich Unsichtbares ab. Mit dem gleichen Wort haben die Kirchenväter bisweilen die Sakramente bezeichnet, geschickt und zutreffend damit andeutend, dass jedes Sakrament ein sichtbares Zeichen für unsichtbare Güter ist.

Nun zu erscheinen vor dem Angesichte Gottes. So trat einst der jüdische Priester im Namen des Volkes vor Gottes Angesicht; was aber damals Sinnbild war, ist in Christus volle Wirklichkeit geworden. Die Bundeslade war ein Symbol der göttlichen Gegenwart, Christus aber ist wahrhaftig vor Gottes Angesicht erschienen, um für uns Gnade zu erlangen. Wie sollten wir uns nun fürchten, vor Gottes Richterstuhl zu treten, da wir einen solchen Fürsprecher haben, auf dessen treue Fürsorge wir uns getrost verlassen können! Jedes Mal, wenn wir von seiner Himmelfahrt hören, soll es uns zum Bewusstsein kommen, was für Nutzen wir von seiner Fürsprache beim Vater haben.

V. 25. Auch nicht, dass er sich oftmals opfere. Wie kann er denn Priester sein, wenn er nicht mehr opfert? Antwort: es handelt sich beim priesterlichen Amt niemals um ein ununterbrochenes Darbringen von Opfern. Alle im Gesetz vorgeschriebenen Opfer hatten ihre besonderen Tage, ja ihre bestimmten Stunden am Morgen oder am Abend. Das einzige Opfer Christi, das er ein für alle Mal dargebracht hat, ist seiner Kraft und Wirkung nach jetzt und für alle Zeit gültig. Darum darf uns nicht wundern, dass kraft dieses Opfers sein Priestertum ewig bestätigt ist. Auch hier wieder wird der Unterschied zwischen Christus und dem jüdischen Priester offenbar. Von der Vorzüglichkeit des Heiligtums war vorhin schon die Rede. Jetzt werden wir auf die Verschiedenheit des Opfers aufmerksam gemacht. Christus hat sich selbst und nicht ein Tieropfer dargebracht. Sein Opfer wird nicht wiederholt, während die gesetzlichen Opfer häufig, ja fast beständig wiederholt werden mussten.

V. 26. Sonst hätte er oft müssen leiden. Die Vorstellung, als sei es mit dem einzigen Opfer Christi noch nicht genug, würde zu ganz ungereimten Schlüssen führen. Er hätte, da mit dem Opfer stets der Tod verbunden war, mehr als einmal, ja oft sterben müssen. Kann man sich etwas Ungereimteres denken? Die Wirkung des einzigen Opfers muss also ewig und für alle Zeiten gültig sein.

Von Anfang der Welt her. So lange die Welt besteht, hat es Sünde gegeben, die gesühnt werden musste. Wenn die Wirkung des Opfers Christi nicht auch allen früheren Jahrhunderten zu gut kam, so hätte ja keiner der alttestamentlichen Frommen selig werden können. Sie waren als Sünder unter Gottes Zorn und könnten ohne ein Mittel der Versöhnung vor dem Gericht nicht bestehen. Christus aber hat dadurch, dass er einmal litt, alles getan, was den Menschen Gottes Gnade zuwendet. Sein Tod ist das Opfer für alle Zeiten, von Anfang der Welt bis zum Ende.

Nun aber am Ende der Welt usw. Ende oder besser „Vollendung“ der Welt wird das genannt, was Gal. 4, 4 „Fülle der Zeit“ heißt. Die Zeit war nach Gottes ewigem Ratschluss gleichsam zur Reife gekommen. Dadurch wird allen neugierigen Fragen ein Riegel vorgeschoben: warum es nicht früher geschah; warum gerade zu dieser Zeit und nicht zu einer anderen. Wir sollen uns Gottes verborgenen Ratschluss gefallen lassen, auch wenn wir seine Absicht dabei nicht einzusehen vermögen. Es war, wie uns der Apostel versichert, gerade die rechte Zeit, als Christus, von Gott dazu gesandt, für uns den Tod erlitten hat. Er, der alle Dinge auf die rechte Weise lenkt, hat auch den Lauf der Zeiten in seiner Hand, und was er darin anordnet, geschieht nach seiner höchsten Weisheit, wenn sie uns auch oft verborgen bleibt. Zudem lässt uns der Ausdruck „Vollendung“ an die Unvollkommenheit der vergangenen Zeit denken. Denn Gott hatte das alttestamentliche Volk so aufs Warten angewiesen, dass die Unfertigkeit des Zustandes mit Händen zu greifen war. Daher sagt Paulus (1. Kor. 10, 11): das Ende der Welt sei auf uns gekommen, womit er darauf hindeutet, dass Christi Reich alle Dinge zur Vollendung gebracht habe. Weil also die Fülle der Zeit mit der Erscheinung Christi zur Sühne für die Sünden herbeigekommen ist, so geschieht ihm großes Unrecht, wenn man sein Opfer erneuern und wiederholen will, als ob durch seinen Tod noch nicht alles vollbracht wäre. Einmal ist er erschienen. Würde es ein zweites und drittes Mal geschehen, so hätte seinem ersten Opfer etwas gefehlt, was sich mit dem Gedanken der Vollendung und Fülle nicht verträgt.

Durch sein eigen Opfer die Sünde aufzuheben. Damit stimmt überein die Weissagung bei Daniel (9, 24. 27), wo zuerst die Besiegelung der Offenbarung und die Wegschaffung der Sünden verheißen ist und dann das Ende der Opfer angekündigt wird. Wozu sollten die Versöhnungsmittel dienen, wenn die Sünde aufgehoben ist? Dieses Aufheben besteht darin, dass denen, die zum Opfer Christi ihre Zuflucht nehmen, die Sünde nicht mehr zugerechnet wird. Freilich haben wir täglich um Vergebung zu bitten, weil wir täglich Gottes Zorn gegen uns erregen. Aber doch ist die Sünde aufgehoben durch Christi Tod, weil er und nicht anderes sonst das Pfand unserer Versöhnung mit Gott ist.

V. 27. Und wie den Menschen ist gesetzt, einmal zu sterben usw. Wenn wir in Geduld darauf warten, dass der Tod eines Menschen, dieses natürliche Schicksal eines jeden, dem keiner entgeht, den Gerichtstag nach sich zieht, wie sollten wir mit weniger Zuversicht der Wiederkunft Christi entgegensehen? Die Hoffnung auf eine selige Auferstehung wird, wo es sich um einen gewöhnlichen Menschen handelt, durch die lange Zwischenzeit um nichts abgeschwächt. Wie widersinnig wäre es also, wollte man Christus weniger ehren! Das geschieht aber, wenn man von einem zweiten Opfertod erwartet, was er durch den einen Tod ein für alle Mal vollbracht hat. Gegenüber der Einwendung, dass etliche zweimal gestorben seien, wie Lazarus und andere, ist im Auge zu behalten, dass der Apostel hier vom gewöhnlichen Menschenlos spricht; es kommen also auch die nicht in Betracht, die durch plötzliche Verwandlung der Verwesung entgehen werden (1. Kor. 15, 51; 1. Thess. 4, 17), sondern allein die, die lange im Staube ihres Leibes auf die herrliche Erlösung zu warten haben.

V. 28. Zum anderen Mal wird er ohne Sünde erscheinen. Nachdrücklich betont der Apostel, wie töricht und verkehrt es ist, nach neuen Versöhnungsmitteln auszuschauen. Wir brauchen in keiner Sorge zu sein; der einmalige Tod Christi genügt uns vollkommen. Darum heißt es, einmal sei er erschienen, um mit seinem Opfer die Sünde aufzuheben; wenn er zum zweiten Mal kommt, wird die Wirkung seines Todes offen zu Tage treten und die Sünde nicht weiter Schaden stiften können.

Wegzunehmen vieler Sünden. Er wird durch seine Genugtuung Schuld und Verdammnis abwenden von denen, die gesündigt haben. Viele steht hier wie Röm. 5, 15 für „alle“. Gewiss wird der Tod Christi infolge des Unglaubens nicht allen zum Segen. Aber in diesem Zusammenhang kommt nicht in Betracht, wie vielen oder wie wenigen er nützt, sondern dass allein, dass Christus für andere und nicht für sich selbst gestorben sei. Darum stehen dem Opfer des Einen die vielen gegenüber. Was soll aber das bedeuten: er wird „ohne Sünde“ erscheinen? Einige Erklärer nehmen das Wort Sünde im Sinn von Sündopfer wie Röm. 8, 3 und 2. Kor. 5, 21. Auch im Hebräischen steht oft für beides das gleiche Wort. Aber der Apostel wollte etwas, wie mir scheint, Bezeichnenderes sagen, nämlich: Christus wird bei seinem Kommen offenbar machen, wie vollständig er die Sünde weggenommen hat, so dass es zur Versöhnung mit Gott keines neuen Opfers mehr bedarf. Mit anderen Worten: wir werden vor dem Richterstuhl Christi dessen innewerden, dass sein Tod in allen Stücken vollkommen genügt hat. Das liegt auch in dem Zusatz: denen, die auf ihn warten (d. h. sich an ihn halten), zur Seligkeit. Die. Welche sich mit gläubiger Zuversicht auf Christi Tod verlassen, werden eben darin eine vollkommene Seligkeit empfinden. Andere Erklärer verbinden die Worte „warten zur Seligkeit“ miteinander und denken dabei an die Erwartung der Wiederkunft. Die heilige Schrift bezeichnet allerdings mehrmals das Warten auf den Herrn in diesem Sinne als ein Kennzeichen der Christen (1. Thess. 1, 10) im Gegensatz zu den Ungläubigen, für die es unerträglich ist, von seiner Wiederkunft auch nur zu hören. Aber die erste Auffassung passt besser in den Zusammenhang. Weil der Apostel an diesem ganzen Abschnitt von der Vollgültigkeit des einzigen Opfers Christi spricht, nennt er das ein Warten auf Christus, wenn wir, zufrieden mit dieser einmal geschehenen Versöhnung, nicht neue Mittel und Wege suchen.

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autoren/c/calvin/calvin-hebraerbrief/calvin-hebraer-kapitel_9.txt · Zuletzt geändert: von aj
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