Calvin, Jean - Apostelgeschichte - Kapitel 5.

1 Ein Mann aber, mit Namen Ananias, samt seinem Weibe Saphira verkaufte sein Gut, 2 und entwandte etwas vom Gelde mit Wissen seines Weibes, und brachte einen Teil, und legte es zu der Apostel Füßen. 3 Petrus aber sprach: Ananias, warum hat der Satan dein Herz erfüllet, dass du dem heiligen Geist lögest, und entwendetest etwas vom Gelde des Ackers? 4 Hättest du ihn doch wohl mögen behalten, da du ihn hattest; und da er verkauft war, war es auch in deiner Gewalt. Warum hast du denn solches in deinem Herzen vorgenommen? Du hast nicht Menschen, sondern Gotte gelogen. 5 Da Ananias aber diese Worte hörte, fiel er nieder, und gab den Geist auf. Und es kam eine große Furcht über alle, die dies höreten. 6 Es standen aber die Jünglinge auf, und taten ihn beiseit, und trugen ihn hinaus und begruben ihn.

V. 1. Der bisherige Bericht des Lukas könnte den Schein erwecken, als wären die damals unter Christi Namen gesammelten Leute mehr Engel als Menschen gewesen. Denn es ist eine unglaubliche Tugend, dass die Reichen zur Unterstützung der Armen nicht bloß Geld, sondern sogar Grundbesitz drangaben. Jetzt aber vernehmen wir, dass Satan einen Betrug ersann, in jene heilige Gemeinschaft einzudringen, und zwar unter dem Vorwand besonderer Tugend. Denn die Heuchelei bedient sich sonderbarer Schleichwege. Mit ihr aber greift der Satan die Gemeinde an, wenn er in offenem Kampfe nichts ausrichten kann. Es gilt hier aber vor allem auf die Absicht des heiligen Geistes zu achten. Er will durch diese Geschichte erstlich bezeugen, dass dem Herrn nur ein aufrichtiges Herz wohl gefällt, zum andern, dass er auf eine heilige und reine Zucht in seiner Gemeinde großen Wert legt. Denn die Strafe, welche Gott dem Ananias und seinem Weibe auflegt, ist ein wesentlicher Punkt. Bei Erwägung aller Umstände erkennen wir, dass die Hauptsünde des Ananias in der heuchlerischen Darbringung besteht, mit welcher er Gott und die Gemeinde täuschen wollte. Unter dieser Heuchelei aber verbargen sich noch weitere Sünden: Verachtung Gottes, vor dem er sich nicht scheute, als wüsste er nichts um sein verkehrtes Wesen; Raub am Heiligtum, weil er von dem, was er als gottgeweiht ausgab, einen Teil entwendete; sündhafter und eitler Ehrgeiz, weil er es nicht auf Gottes, sondern der Menschen Urteil absieht; Unglaube, weil er diesen unerlaubten Weg nur im Misstrauen gegen Gott betreten konnte. Zu alledem kommt das versteckte und freche Lügen. Es wäre schon eine denkwürdige Tat gewesen, hätte Ananias nur die Hälfte vom Ertrag seines Ackers hingegeben. Aber es gilt (Spr. 15, 8): „Der Gottlosen Opfer ist dem Herrn ein Gräuel.“ Nichts kann ihm angenehm sein, wo die schlichte Gradheit des Herzens fehlt. So geschieht es, dass Christus die zwei Scherflein, welche die Witwe opferte (Lk. 21, 2), höher wertet als große Summen, die andere aus ihrem gehäuften Reichtum darbieten.
V. 2. Und legte es zu der Apostel Füßen. Hier sieht man, was Ehrgeiz vermag. Es verdrießt den Ananias, dass man ihn nicht für einen der Besten hält. Trotz seiner Geldgier beraubt er sich also eines Teils seines Vermögens, um einen guten Ruf unter den Menschen zu gewinnen. Dabei bedenkt er nicht, dass er vor Gottes Angesicht lügt und trügt, und dass Gott diese Lüge strafen wird. So geschieht es, dass er den Füßen der Apostel mehr Ehre erweist als den Augen Gottes. Umso mehr sollen wir uns hüten, dass wir beim Gutes tun nicht nach dem Beifall der Zuschauer haschen; und nicht vergeblich empfiehlt Christus, dass die linke Hand nicht wissen soll, was die rechte tut, wenn wir Almosen geben (Mt. 6, 3).
V. 3. Petrus aber sprach usw. Wie durchschaute Petrus den Betrug des Ananias? Ohne Zweifel durch Offenbarung des Geistes. Lukas gibt also zu verstehen, dass der Apostel gleichsam an Gottes Stelle stand und seine Sache führte. Wenn Gottes Geist durch den Mund eines sterblichen Menschen einem Heuchler, der unter dem Schein glänzender Tugend dastand, das Verbrechen auf den Kopf zusagt, wie wollen dann die Verworfenen Gottes eigene Stimme samt dem Schall der Posaune ertragen, wenn sie vor seinen Richterstuhl treten müssen? Wie schwer das Verbrechen ist, deutet die Frage des Petrus an: Ananias, warum hat der Satan dein Herz erfüllt? Es gibt keinen Menschen, dessen Herz der Satan nicht mit seinen Stacheln träfe; jeden einzelnen wandeln viele Versuchungen an und dringen in sein Herz. Wo aber der Satan ein Herz „erfüllt“, hat er gleichsam den Herrn vertrieben und übt die Herrschaft im ganzen Menschen. Dies ist das Zeichen eines Verworfenen: er ist völlig dem Satan übergeben, so dass Gottes Geist keinen Raum mehr hat. Der Tadel, dass Ananias dem heiligen Geist gelogen habe, besagt nichts anderes, als was ihm nachher vorgeworfen wird, er habe nicht Menschen, sondern Gott gelogen. Umso mehr müssen wir uns hüten, dass in uns nicht die Heuchelei die Oberhand gewinnt, an welcher das eigentlich Sündhafte eben dies ist, dass sie den allwissenden Gott täuschen will. Das ist doch ohne unwürdigen Spott über ihn nicht möglich. Darum sagt Petrus nicht mit Unrecht über ihn, dass ein Herz, das solches tut, vom Satan erfüllt sei. Denn wer sollte Gott so zu schmähen wagen, wenn er nicht alle gesunde Vernunft verloren hat? Angesichts dieser schrecklichen Blindheit stellt Petrus seine Frage in einem Ton, als handle es sich gleichsam um ein Wunder.
V. 4. Hättest du ihn doch wohl mögen behalten. Die Schuld des Ananias wird noch größer, weil er ohne jeden Zwang sündigte. Schon die Entschuldigung wäre unzureichend, dass wir von außen zur Sünde gereizt werden; wie viel schlimmer aber ist es, wenn wir uns aus freien Stücken in das Böse stürzen und gleichsam geflissentlich Gottes Rache heraufbeschwören! Übrigens ziehen wir hier den Schluss, dass niemand ein Gesetz auferlegt war, sich von seinem Vermögen zu trennen. Denn Petrus erklärt, es habe dem Ananias freigestanden, sowohl den Acker zu behalten als auch das dafür erlöste Geld.
Du hast nicht Menschen, sondern Gotte gelogen. Die Heuchler täuschen sich selbst, indem sie meinen, es nicht mit Gott zu tun zu haben. Daher diese ausdrückliche Erklärung des Petrus, weil ja Ananias der Gemeinde den Trug vormachte. Er hätte aber bedenken müssen, dass Christus selbst gegenwärtig ist, wo zwei oder drei in seinem Namen sich versammeln (Mt. 18, 20). In der Versammlung der Gemeinde hätte er sich betragen müssen, als wenn er Gott mit Augen sähe. Denn weil Gott in seiner Gemeinde regieren will, gehört es zur Ehrfurcht gegen ihn, dass man auch dem Regiment, welches er durch sein Wort ausübt, heilige Scheu entgegenbringt. Freilich waren die Apostel Menschen, aber nicht Privatleute; denn Gott hatte sie mit seiner Stellvertretung betraut. Außerdem ist bemerkenswert, dass wer den heiligen Geist belügt, gegen Gott selbst lügt. Diese Ausdrucksweise ist ein deutlicher Beweis für die Gottheit des heiligen Geistes. In derselben Weise sagt auch Paulus: Ihr seid Gottes Tempel, weil sein Geist in euch wohnt (1. Kor. 3, 16 f.; 6, 19).
V. 5. Da Ananias diese Worte hörte usw. Der Tod des Ananias ist ein Tatbeweis für die Wirkungskraft des Wortes, die Paulus herrlich erhebt, indem er es als einen Geruch des Todes zum Tode für die Verlorenen bezeichnet (2. Kor. 2, 16). Er spricht freilich von dem geistlichen Tod der Seele; was aber dem Leibe des Ananias widerfuhr, war ein sichtbares Zeichen dieser vor Menschenaugen verborgenen Strafe. Er ward nicht mit dem Schwert, mit der Hand, noch mit Gewalt getötet, sondern erlosch durch bloßes Vernehmen des Wortes. Wenn wir dies hören, mögen uns die Drohungen des Evangeliums schrecken und beizeiten demütigen, damit nicht auch wir eine ähnliche Demütigung erfahren. Denn von Christus gilt das Wort (Jes. 11, 4): „Er wird mit dem Odem seiner Lippen den Gottlosen töten.“ Was seiner Natur nach Heil bringt, muss für solche Leute tödlich werden, die das im Wort angebotene Heil von sich weisen. Sollte sich aber jemand daran stoßen, dass der Apostel eine körperliche Strafe verhängt, so antworte ich, dass dies eben eine jener außerordentlichen Geistesgaben war, von welchen Paulus spricht (1. Kor. 12, 10). Dahin gehört es auch, dass Paulus den Zauberer Elymas mit Blindheit schlug (Apg. 13, 8). Dass aber manchen diese Strafe zu grausam dünkt, kommt daher, dass sie die Sünde des Ananias nicht auf Gottes, sondern auf ihrer eigenen Wage wiegen, also eine schwere Untat, unter der sich doch, wie wir zeigten, noch viele andere Verbrechen bergen, als einen leichten Fehler einschätzen. Wie Gott in der Anfangszeit sichtbare Gnadengaben über die Gemeinde ausgoss, um uns sicher wissen zu lassen, dass er mit der verborgenen Kraft seines Geistes bei uns sein würde, ja wie er mit äußeren Zeichen handgreiflich darbot, was wir in der Erfahrung des Glaubens innerlich fühlen – so hat er auch durch sichtbare Bestrafung zweier Menschen bezeugt, welch schreckliches Gericht aller Heuchler wartet, die ihn und seine Gemeinde verspotten.
Und es kam eine große Furcht usw. Gott wollte durch Bestrafung des einen auch den andern Furcht einjagen, damit sich in heiliger Scheu von aller Täuschung fernhielten. Was Lukas von der Furcht berichtet, die sie ergriff, geht auch uns an. Denn der Herr wollte damals ein allgemein gültiges Zeugnis für alle Zeiten ablegen, damit jedermann lerne, aufrichtig mit ihm zu handeln. Dabei sollen fromme Seelen sich durch diese Strafe über den Verbrecher auch getrieben fühlen, in Zukunft das Ihrige noch freigebiger dem Herrn und den Armen zu weihen; sie können ja hier ersehen, wie wertvoll vor Gott das Almosengeben ist, dessen Entweihung so schwer geahndet wurde.

7 Und es begab sich über eine Weile bei dreien Stunden, kam sein Weib hinein, und wusste nicht, was geschehen war. 8 Aber Petrus antwortete ihr: Sage mir, habt ihr den Acker so teuer verkauft? Sie sprach: Ja, so teuer. 9 Petrus aber sprach zu ihr: Warum seid ihr denn eins geworden, zu versuchen den Geist des Herrn? Siehe, die Füße derer, die deinen Mann begraben haben, sind vor der Tür, und werden dich hinaustragen. 10 Und alsbald fiel sie zu seinen Füßen, und gab den Geist auf. Da kamen die Jünglinge, und fanden sie tot, trugen sie hinaus und begruben sie neben ihren Mann. 11 Und es kam eine große Furcht über die ganze Gemeine und über alle, die solches hörten.

V. 7. Und es begab sich über eine Weile usw. Es geschah durch Gottes handgreifliches Vorsehungswalten, dass die Gemeinde eine gesonderten Eindruck davon empfing, wie treulos das Herz und wie verstockt die Bosheit dieser beiden Leute war. Da sie beide den gleichen Fall darboten, hätte ihr Verbrechen auch zu gleicher Zeit aufgedeckt werden können; aber es war für die Erbauung der Gemeinde passender und nützlicher, dass sie beide nacheinander ihre Gottlosigkeit offenbarten.
V. 8. Sage mir usw. Wir sehen, wie Gott nicht plötzlich mit seiner Strafe daher fährt, sondern zuerst die nötige Nachfrage hält; die Rache soll erst über ganz verstockte Menschen ergehen, die sich die Vergebung abschneiden. Da Saphira ihre Sache für geheim hielt, musste sie sich durch diese Frage des Petrus getroffen fühlen, als wäre sie vor Gottes Richterstuhl zitiert. Es wird ihr Zeit zur Umkehr gegeben, ja, es ist dies eine sanfte Einladung zur Buße. Indem sie aber sicher auf ihrem Wege beharrt, zeigt sie sich unheilbar, indem keine Gottesfurcht sie erschüttert. Hier können wir lernen, wie eifrig wir uns mühen müssen, Sünder auf den rechten Weg zurückzuführen. Diese Mäßigung beobachtet auch der Geist Gottes; wo aber zum Verbrechen eine hartnäckige Verachtung Gottes sich gesellt, da ist die Zeit zur Strafe reif. Es sind also anmaßende Menschen, die hier ein Missfallen über Gottes unmäßige Strenge äußern. Wir sollen vielmehr darüber nachdenken, wie wir dereinst vor seinem Richterstuhl bestehen können. Es ist Verachtung seines heiligen, göttlichen Wesens, wenn man wünscht, dass die ihm zugedachte Täuschung ungestraft bleibe. Dass Ananias und Saphira sich vor Christus nicht scheuen, der in der Versammlung der Seinen den Vorsitz führt, geht aus einem Gemisch von Gottlosigkeit und Frechheit hervor: wenn sie nur Schmach und Schande vor Menschen vermeiden, vor denen sie scheinen wollen, so macht es ihnen gar nichts aus, vor Gott ein handgreifliches Verbrechen abzuleugnen. Diese hartnäckige Ableugnung der Sünde ist der Gipfelpunkt. Dass aber zahllose Heuchler nicht minder Gottes und seiner Gemeinde täglich spotten und doch nicht tödlich geschlagen werden, darf uns nicht wundernehmen. Da Gott allein der Welt Richter ist, bleibt es seine Sache, jeden einzelnen zu strafen, wann und wie es ihm gut scheint. Man darf ihm nicht ein bestimmtes Maß vorschreiben. Es wird uns aber in der körperlichen Bestrafung der beiden wie in einem Spiegel das schwere, innere Gericht vorgestellt, das noch verborgen ist. Denn wenn wir bedenken, was es heißt, in das ewige Feuer geworfen zu werden, so können wir es nicht als das äußerste Übel ansehen, vor Menschen tot niederzustürzen (vgl. 1. Kor. 10, 5).
V. 9. Zu versuchen den Geist des Herrn. Mit diesem Ausdruck wird der Spott, den die beiden mit Gott trieben, bezeichnet, weil sie in völliger Sicherheit den Betrug geplant hatten, als wäre Gottes Geist nicht der Herzenskündiger. Welche Sorglosigkeit, dass einer den andern zum Vertrauten des Verbrechens machte und sie untereinander eins wurden, indem sie dem Herrn die Tür wiesen! Denn, dass man Gott versucht, sagt die Schrift, wo man ihm seine Macht oder seine Allwissenheit abspricht. Vom Geist aber ist hier die Rede, weil derselbe durch die Apostel die Gemeinde leitet. Denn Christi Aussage, dass der Geist die Welt strafen oder richten werde (Joh. 16, 8), deutet eben auf dies Gericht, welches er durch den Dienst der Gemeinde ausübt.
V. 11. Und es kam eine große Furcht usw. Diese wiederholte Erinnerung spricht von einer doppelten Furcht. Einmal kam Furcht über die ganze Gemeine, weil ja die Gläubigen nie in so vollkommener Gottesfurcht stehen, dass eine Mahnung durch seine Gerichte ihnen nicht weiteren Fortschritt bringen könnte. Der Blick auf die Strafen, die Gott einst und noch täglich über Frevler verhängt, soll uns mit Furcht vor ihm erfüllen und von schamlosem Sündigen abschrecken. Immer von neuem muss man das Fleisch in Zaum halten, weil schwerlich ein einziger Zügel für dasselbe genügen würde. Weiter kam Furcht über alle, die solches hörten. Damit aber hatte es eine andere Bewandtnis: die Furcht führte sie nicht bis zur rechten Anbetung Gottes, sondern zwang sie nur, ihm die Ehre zu geben.

12 Es geschahen aber viele Zeichen und Wunder im Volk durch der Apostel Hände; und waren alle in der Halle Salomos einmütiglich, 13 der andern aber wagte keiner, sich zu ihnen zu tun, sondern das Volk hielt groß von ihnen. 14 Es wurden aber immer mehr hinzugetan, die da glaubeten an den Herrn, eine Menge Männer und Weiber, 15 also dass sie die Kranken auf die Gassen heraus trugen und legeten sie auf Betten und Bahren, auf dass, wenn Petrus käme, sein Schatten ihrer etliche überschattete. 16 Es kamen auch herzu viele von den umliegenden Städten gen Jerusalem und brachten die Kranken und die von unsaubern Geistern gepeiniget waren; und wurden alle gesund.

V. 12. Der Bericht kehrt zu allerlei Wundern zurück, welche der Art des Evangeliums recht eigentlich entsprechen, zu solchen nämlich, durch welche Christus nicht bloß seine Macht, sondern auch seine Güte bezeugt, um durch die Süßigkeit seiner Gnade Menschen an sich zu locken. Denn er ist gekommen, die Welt zu retten, nicht zu verdammen. Wenn also Kranke geheilt, andere von bösen Geistern befreit werden, so stellen diese körperlichen Wohltaten die geistliche Gnade Christi dar und gehören darum recht eigentlich zu seinem Amt. Das schreckliche Zeichen aber, das sich bei Ananias und Saphira ereignete, war gleichsam eine Nebenerscheinung. Durch die Fülle der Wunder, von denen Lukas berichtet, wollte Gott das Evangelium seines Sohnes verherrlichen, besonders in seinen Anfängen, um den Juden mit Sicherheit zu bezeugen, dass jene Herstellung aller Dinge, die so oft verheißen war und auf welche sie alle ihre Hoffnung zu setzen behaupteten, jetzt gegenwärtig sei. Unter den „Bahren“ (V. 15) sind kleine Betten zu verstehen, auf welchen man im Altertum Mittagsruhe zu halten pflegte. Auf sie legte man die Kranken, weil sie in dieser Weise leichter hinausgebracht werden konnten.
Und waren alle in der Halle Salomos einmütiglich. Damit beschreibt Lukas die Gewohnheit der Christen, zu bestimmten Stunden sich zu versammeln, nicht bloß des Gebets und der Lehre wegen, sondern auch um nach Gelegenheit andere für den Herrn zu gewinnen. Dass sie einmütig waren, lässt ersehen, dass sie alle aus freien Stücken diese Ordnung pflegten und dass niemand etwa widerspenstig war, indem er die öffentliche Versammlung vernachlässigte und sich in seinen vier Wänden hielt. Damit gaben sie ein Beispiel nicht nur von Bescheidenheit, sondern auch von Standhaftigkeit. Denn das Zusammenkommen an einem so viel besuchten Orte war von Gefahr nicht frei. Umso lobenswerter war ihre einmütige Bereitschaft, Schwierigkeiten auf sich zu nehmen.
V. 13. Der andern aber wagte keiner usw. Hier erscheint eine weitere Frucht der Wunder: überwunden von einer so handgreiflichen Macht Gottes, wagen die Ungläubigen nicht, die Apostel zu verachten, sehen sich vielmehr zur Ehrfurcht gegen die Gemeinde gezwungen. Es könnte freilich ungereimt erscheinen, dass die Wunder sie abschrecken, so dass sie nun Gott und sein Volk fliehen. Ich antworte, dass ihre eigene Schuld sie hinderte, näher heranzutreten. Denn ohne Zweifel will Gott durch Wunder uns zu sich einladen. Wer daraus nicht den Nutzen zieht, dass er die dort leuchtende Gottesgnade begierig küsst, ist durch ein böses Gewissen gehindert. Immerhin ist es eine Frucht, dass Gott jenen Leuten einige Furcht auspresst, obwohl Lukas dies nicht allein den Wundern zuschreibt, sondern überhaupt an alles denkt, was die Würde der Gemeinde mehren konnte. War doch alles derartig geordnet, dass darin gleichsam die göttliche Majestät wider strahlte, und die Christen unterschieden sich von den andern wie die Engel von den Menschen. Denn in einer heiligen Zucht und echter, der Frömmigkeit entsprechender Ausgestaltung des Kultus liegt eine geheime Ehrwürdigkeit, welche die Bösen auch wider ihren Willen fesselt. Dabei denkt Lukas an maßvolle Leute, bei denen ein Same der Gottesfurcht in der Tiefe schlummerte, wie es auch heute manchen gibt, der sich zwar durch Eitelkeit der Welt abhalten lässt, Christi Joch auf sich zu nehmen, der aber Bedenken trägt, unsere Lehre zu verachten, weil er an derselben etwas Göttliches spürt.
V. 15. Wenn Petrus käme usw. Diese Erzählung missbrauchen die Papisten nicht bloß zur Empfehlung erlogener Wunder, die angeblich an den Märtyrergräbern geschehen, sondern auch zur Anpreisung ihrer Reliquien. Warum, so sagen sie, sollte bloß der Schatten des Petrus Heilkraft besitzen, nicht aber sein Grab, Kleid oder die Berührung seiner Gebeine? Ich antworte, dass man nicht sofort alles für wohlgetan halten muss, was nach dem Bericht des Lukas rohe und im Glauben noch unerfahrene Leute getan haben. Und noch eine bessere Widerlegung ist zur Hand: waren doch die Apostel mit dieser Kraft nur als Diener des Evangeliums begabt. Soweit es also zur Förderung des Glaubens an das Evangelium diente, bedienten sie sich dieser Gabe, ja Gott ließ seine Kraft nicht minder durch ihren Schatten als durch ihren Mund wirken. Die Wunder dagegen, von welchen die Papisten schwätzen, führen genau in die entgegen gesetzte Richtung: ihr Zweck ist, die Welt von Christus abzuziehen, damit sie zu den Heiligen fliehe.

17 Es stand aber auf der Hohepriester und alle, die mit ihm waren, welches ist die Sekte der Sadduzäer, und wurden voll Eifers, 18 und legten die Hände an die Apostel und warfen sie in das gemeine Gefängnis. 19 Aber der Engel des Herrn tat in der Nacht die Türen des Gefängnisses auf, und führte sie heraus, und sprach: 20 Gehet hin und tretet auf, und redet im Tempel zum Volk alle Worte dieses Lebens. 21 Da sie das gehört hatten, gingen sie frühe in den Tempel und lehreten. Der Hohepriester aber kam und die mit ihm waren, und riefen zusammen den Rat und alle Ältesten der Kinder von Israel; und sandten hin zum Gefängnis, sie zu holen. 22 Die Diener aber kamen hin und fanden sie nicht im Gefängnis; kamen wieder und verkündigten 23 und sprachen: Das Gefängnis fanden wir verschlossen mit allem Fleiß, und die Hüter außen stehen vor den Türen; aber da wir auftaten, fanden wir niemand drinnen. 24 Da diese Rede höreten der Hohepriester und der Hauptmann des Tempels und andere Hohepriester, wurden sie über ihnen betreten, was doch das werden wollte. 25 Da kam einer, der verkündigte ihnen: Siehe, die Männer, die ihr ins Gefängnis geworfen habt, sind im Tempel, stehen und lehren das Volk. 26 Da ging hin der Hauptmann mit den Dienern und holeten sie, nicht mit Gewalt; denn sie fürchteten sich vor dem Volk, dass sie nicht gesteiniget würden.

V.17. Bis dahin hat Lukas berichtet, wie die Gemeinde an Mitgliederzahl wuchs, wie sie durch mancherlei Gaben herrlich geschmückt war und sich durch Wunder auszeichnete, kurz, wie in jeder Weise Christi Herrschaft in ihr blühte. Nunmehr beginnt er zu erzählen, wie dies alles die Wut der Gottlosen entzündete, so dass sie von neuem umso heftiger rasten. Das offensichtliche Wirken Gottes schreckt sie nicht, sondern treibt sie nur zu frecherem Ansturm. Diese Blindheit als eine schreckliche Strafe Gottes soll für alle Menschen eine Mahnung sein, dass sie sich beizeiten dem Herrn unterwerfen, damit sie nicht im Taumelgeist wider Gottes Hand stoßen und von derselben zermalmt werden. Weiter wird uns eingeprägt, dass Gott zwar seine Gemeinde durch geistliche Güter heben, aber doch zulassen will, dass sie von den Gottlosen gequält werde. Darum müssen wir immer zum Kampf bereitstehen.
Der Hohepriester und alle, die mit ihm waren. Gemeint sind die nächsten Freunde und Ratgeber des Hohenpriesters, die er nicht nach rechtem Urteil, sondern aus Parteiliebe sich zugesellt hatte, wie denn damals die verschiedenen Gruppen schamlos widereinander kämpften. Die erneute Erinnerung, dass die Sadduzäer fast alle Macht in Händen hatten, will den Zustand der Gottesgemeinde, über die eine solche Sekte herrschte, als schrecklich wüst und verwirrt darstellen. In diese tiefste Schande ließ Gott die Synagoge versinken, nachdem er seine Kirche von derselben abgesondert hatte; wer das Evangelium verachtete und in diesem Sumpf zurückblieb, war umso weniger zu entschuldigen. Was anders übrigens konnte jene Schweine treiben, die sich um kein ewiges Leben kümmerten, als bloßer Ehrgeiz und die Sucht, die einmal ergriffene Herrschaft festzuhalten?
Und wurden voll Eifers. Dieser Eifer, mit welchem die Heuchler ihre abergläubischen Einrichtungen verteidigen wollen, treibt sie zu sündhaftem und gewalttätigem Angriff. Hieraus kann man sehen, wie viel solch menschlicher „Eifer“ vor Gott wert ist, wenn er sich nicht durch Vernunft und Klugheit, das ist aber durch Gottes Geist, leiten lässt. Die Verworfenen haben ein böses Gewissen, wenn sie mit Wissen und Willen wider die Frömmigkeit kämpfen; aber sie betrügen sich selbst mit dem täuschenden Schein wahren Eifers, der unberechtigten Neuerungen entgegentritt. Mit solchem „Eifer“ brüstet man sich heute fast überall im Papsttum. Es sollte aber das erste sein, auf den Unterschied von Gut und Böse zu achten und nicht leichthin etwas zu verwerfen.
V. 19. Aber der Engel des Herrn usw. Der Herr führte die Apostel aus dem Gefängnis, freilich nicht um sie gänzlich aus den Händen der Feinde zu befreien; denn alsbald lässt er zu, dass man sie zurückholt und mit Ruten schlägt (V. 26. 40). Er wollte aber mit diesem Wunder bezeugen, dass sie, die für sein Evangelium wirkten, unter seinem Schutz standen, wodurch einerseits der Gemeinde eine neue Glaubensstärkung zuteil werden, andererseits den Gottlosen jede Entschuldigung genommen werden sollte. Darum sollen wir nicht immer hoffen, ja nicht einmal wünschen, dass Gott uns aus dem Tode reiße; es gilt vielmehr mit dem einen zufrieden zu sein, dass seine Hand unser Leben deckt, soweit es möglich ist. Dass er hierfür sich eines Engels bedient, entspricht seinem gewöhnlichen Verfahren; denn überall in der Schrift gibt er Zeugnis, dass die Engel es sind, durch welche er uns seine Wohltaten darreicht. Das ist keine eitle Spekulation, sondern eine nützliche Stütze für unsere Schwachheit, zu wissen, dass nicht nur Gott für uns Sorge trägt, sondern dass auch die himmlischen Geister über unser Wohlergehen wachen. Gott hat ein mehr als gewöhnliches Unterpfand seiner Liebe gegeben, indem er die edelsten seiner Geschöpfe mit der Sorge für unser Heil betraute. Der Engel aber öffnet das Gefängnis in der Nacht, weil er das Wunder nicht vor den Augen gottloser Leute tun wollte; indessen sollte man aus dem Erfolg erkennen, dass es geschehen sei.
V. 20. Redet im Tempel. Der Zweck der Befreiung ist, dass die Apostel die Predigt des Evangeliums fleißig fortsetzen und mutig ihre Feinde reizen sollen, bis sie endlich tapfer zugrunde gehen. Endlich erst, nach vollbrachtem Beruf, hält Gottes Hand sich ruhig, und sie werden zum Tod geschleppt. Jetzt aber öffnet der Herr ihnen das Gefängnis, sie für die Ausrichtung ihres Amts frei zu machen. Das ist bemerkenswert, weil wir sehen, dass viele, die einer Verfolgung entgingen, in der Folgezeit stillschweigen, als hätten sie nun ihre Pflicht gegen Gott getan. Andere bereiten sich sogar ihren Weg durch Verleugnung Christi. Der Herr aber befreit die Seinen nicht, damit sie von dem begonnenen Lauf ablassen, sondern für die übrige Zeit noch glühender zu werden. Die Apostel hätten ja antworten können: Es ist besser, eine Zeitlang zu schweigen, da wir ohne Gefahr ja nicht werden reden können. Jetzt wirft man uns wegen einer einzigen Predigt ins Gefängnis; wie viel heftiger wird demnach die Wut der Feinde entbrennen, wenn sie sehen, dass wir kein Ende machen. Weil sie aber wissen, dass wir dem Herrn leben und sterben sollen, lehnen sie den Auftrag nicht ab. So ziemt es sich immer, darauf zu sehen, welche Aufgabe der Herr uns stellt. Es werden uns viele Dinge begegnen, die unsern Mut brechen, wenn wir uns nicht mit Gottes Gebot einfach begnügen, bei unserer Pflicht auszuharren und ihm den Fortgang anheim stellen.
Alle Worte dieses Lebens. Es ist ein ausgezeichnetes Lob des Evangeliums, dass es eine den Menschen Heil und Leben spendende Lehre heißt. Denn es wird uns darin Gottes gnädige Gerechtigkeit geoffenbart, und Christus bietet sich uns darin an mit dem Opfer seines Todes, mit dem Geist der Wiedergeburt, dem Pfand zur Annahme unserer Gotteskindschaft. Und es wird dies namentlich den Aposteln gesagt, damit sie umso mutiger alle Kämpfe für das Evangelium auf sich nehmen, wenn sie hören, dass sie ewiges Heil spenden dürfen. Auf das Wort „dieses“ Lebens wird gleichsam wie mit Fingern gewiesen, damit wir wissen, dass wir es nicht in der Ferne zu suchen haben, da ja das Wort in unserem Munde und Herzen ist. Allerdings ließe sich der Ausdruck auch als eine Umstellung deuten, einfach in dem Sinne: diese Lebensworte.
V. 21. Der Hohepriester aber kam usw. Jetzt ruft der Hohepriester den ganzen Rat zusammen, weil er die Last nicht tragen könnte, wenn er nur seiner Partei die Ehre gäbe und die andern überginge. Es treibt ihn also die Furcht zur Berufung der ganzen Körperschaft. Doch hält er peinlich auf die Formen des Rechts. Es werden die Ältesten berufen, die das Regiment in Händen hatten, so dass alles, was man hat, aus Beschluss und Autorität des Konzils floss. Wer hätte bei einem solchen Anfang nicht auf einen gemäßigten Ausgang gehofft? Und sicher wenden sie allen Schein auf, damit es nicht aussähe, als unterdrückten sie die Wahrheit mit tyrannischer Gewalt. Als sie aber vernehmen, dass die Apostel im Tempel lehren, stehen sie von der Verfolgung ihrer Absicht nicht ab, obwohl sie wissen, dass dieselben nicht durch menschlichen Betrug, sondern durch ein Wunder frei wurden. So verbindet sich mit ihrer gottlosen Unsittlichkeit und der Verachtung Gottes ein offenbarer, schrecklicher Wahnsinn. Die Heuchler können sich eben mit dem Schein guten Rechts nur eine Weile decken; endlich müssen sie ihre Bosheit verraten. Das trifft auch für unsere Zeit zu. Wir wissen, wie hochmütig die Papisten auf ihrem Grundsatz pochen, man müsse einem rechtmäßigen Konzil sich unterwerfen, weil es die offizielle Vertretung der Kirche ist. Als rechtmäßig geben sie aber ein solches aus, bei welchem nichts an der äußeren Form fehlt. Dies traf freilich auf das Konzil zu, von welchem Lukas hier berichtet; und doch wissen wir, dass es zusammentrat, um Christi Namen auszulöschen. Es genügt aber nicht, dass die Inhaber des Kirchenregiments sich versammeln, wenn dies nicht in Christi Namen geschieht.
V. 26. Und holeten sie nicht mit Gewalt. Man vermied die Gewalt, damit nicht ein Aufruhr entstünde. So scheut man sich nicht vor Gott, fürchtet sich aber vor Menschen. Die Apostel bewahren dabei die rechte Bescheidenheit; obwohl sie von einer großen Menschenmenge umgeben sind, lassen sie sich von den Dienern abführen, um nicht zu Urhebern eines Tumults zu werden.

27 Und als sie sie brachten, stelleten sie sie vor den Rat. Und der Hohepriester fragte sie 28 und sprach: Haben wir euch nicht mit Ernst geboten, dass ihr nicht solltet lehren in diesem Namen? Und sehet, ihr habt Jerusalem erfüllet mit eurer Lehre und wollt dieses Menschen Blut über uns führen.

V. 27. Ein doppeltes Verbrechen wirft der Hohepriester den Aposteln vor. Weil sie dem Beschluss des Hohenrats sich nicht gefügt hatten, zeiht er sie des Ungehorsams und der Auflehnung. Im andern Satz verrät er ein böses Gewissen oder lässt wenigstens merken, dass er mehr seine persönliche Sache als eine öffentliche Angelegenheit führt. Denn er beklagt sich darüber, dass die Apostel in gehässiger Weise die Schuld an Christi Tod den Priestern und Schriftgelehrten zuschieben wollten. Das ist´s also, was jene Leute innerlich peinigt, dass sie Rache und Strafe für den gottlosen Mord fürchten. Zuerst freilich schiebt der Hohepriester die Lehre in den Vordergrund. Zuletzt aber kann man merken, dass ihm an der Lehre so viel nicht liegt. Inzwischen klagt er die Apostel des Aufruhrs an. Wer dem obersten Priester nicht gehorchte, beging ein todeswürdiges Verbrechen; wie viel mehr also, wer die ganze Priesterschaft verachtete! Der Hohepriester vergisst aber, daran zu denken, was die Priesterschaft ihrerseits Gott und der Gemeinde leisten musste. Er missbraucht seine Gewalt zur Tyrannei, als wäre sie über jedes Gesetz erhaben. Ebenso macht es heute mit uns der Papst. An dem Hohenpriester aber kann man sehen, wie hochfahrend und überfrech solche geistlichen Tyrannen sich gebärden, welche eine Herrschaft für sich beanspruchen, die dem Worte Gottes nicht untertan sein soll. Wir haben euch mit Ernst geboten, sagen sie. So hart und streng können sie nur reden, weil sie sich einbilden, dass man unterschiedslos alles annehmen müsse, was sie befehlen.

29 Petrus aber antwortete und die Apostel und sprachen: Man muss Gott mehr gehorchen denn den Menschen. 30 Der Gott unserer Väter hat Jesum erweckt, welchen ihr erwürget habt und an das Holz gehänget. 31 Den hat Gott durch seine rechte Hand erhöhet zu einem Fürsten und Heiland, zu geben Israel Buße und Vergebung der Sünden. 32 Und wir sind seine Zeugen über diese Worte, und der heilige Geist, welchen Gott gegeben hat denen, die ihm gehorchen. 33 Da sie das höreten, ergrimmeten sie, und dachten sie zu töten.

V. 29. Der wesentliche Inhalt der Verteidigungsrede ist der: man darf, ja man muss Gott mehr gehorchen denn den Menschen. Gott heißt uns für Christus zeugen, darum ist es vergeblich, dass ihr uns Stillschweigen gebietet. Wann übrigens dieser Grundsatz Platz greift, habe ich früher auseinandergesetzt (zu 4, 19). Wenn Gott Menschen mit Oberherrschaft über uns bekleidet, so soll doch sein eignes Recht unangetastet bleiben. Nur soweit also haben wir Rücksicht auf die Vorgesetzten zu nehmen, als Gottes Oberherrschaft dadurch nicht verletzt wird. Wo ein richtiger Gebrauch der Macht waltet, wäre es unzeitig, Gott und Menschen widereinander zu stellen. Wenn ein treuer Hirt auf Grund des göttlichen Worts gebietet und verbietet, werden widerspenstige Menschen vergeblich erwidern, dass man Gott gehorchen müsse. Denn Gott will sich durch Menschen hören lassen. Ja, der Mensch ist nichts anderes als Gottes Werkzeug. Wenn eine Obrigkeit in rechter Weise ihres Amtes waltet, so ist es verkehrt, sie in das Licht zu setzen, als stritte sie mit Gott, von dessen Bahn sie doch nicht abweicht. Vielmehr gilt in solchem Fall die andere Regel: wer Gott gehorchen will, muss seinen Dienern folgen. Dasselbe ist über das Verhältnis zu Eltern und Herren zu sagen. Sobald aber Vorgesetzte uns vom Gehorsam gegen Gott abbringen, begehen sie frechen Raub am Heiligtum und beginnen Krieg mit Gott; so muss man sie in Schranken halten, damit Gott mit seiner Autorität allein groß sei. Dann verschwindet aller Dunst der Ehre. Menschen, die seinen Ruhm verdunkeln, würdigt Gott keines Ehrentitels. Wenn also ein Vater sich mit seiner Stellung nicht begnügt und Gott, dem obersten Vater, die Ehre zu entreißen trachtet, hat er nicht mehr zu gelten als sonst ein Mensch. Wenn ein König, ein Fürst oder eine obrigkeitliche Person sich derartig überhebt, dass er Gottes Ehre und Recht mindert, so ist er nur ein Mensch. Ebenso muss man über die Pastoren denken. Wer über sein Amt hinausgreift dadurch, dass er sich wider Gott setzt, soll seines Ehrentitels entkleidet werden, damit er nicht unter dieser Maske Täuschung anrichte. Herrlich ist das Amt eines Hirten, groß die Würde der Kirche, aber der Herrschaft Gottes und dem Lehramt Christi darf kein Abbruch geschehen.
V. 30. Der Gott unserer Väter hat Jesum erweckt. Jetzt beweisen die Apostel, dass die Gottesfurcht sie treibt, sich wider das Gebot der Priester aufzulehnen, weil Gott sie eben das zu tun heißt, was jene verbieten. Dass Christus von Gott „erweckt“ sei, ist nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch der Schrift geredet. Wird doch oft gesagt, dass Gott Propheten, Richter oder andere Knechte erweckt habe, deren er sich zu irgendeinem großen Werk bedienen will. Dies will besagen, dass die trefflichsten Naturgaben zu schwach sein würden, wenn nicht Gott die Leute, denen er ein besonders hervorragendes Amt auflegt, mit besonderen Gaben ausrüstete. Möglicherweise liegt hier eine Anspielung an jene berühmte Aussage Moses vor (5. Mos. 18, 15), die Petrus in seiner früheren Rede (3, 22) zitierte. Ausdrücklich berufen sich die Apostel auf den Gott der Väter, um zu bezeugen, dass sie nicht eine neue Religion einführen oder dem Volk einen neu gebackenen Gott aufdrängen. Sie mussten sich gegen den Verdacht wehren, der, wie sie wohl wussten, auf ihnen lastete, als wollten sie das Volk von Gesetz und Propheten abführen. Gewiss billigen sie nicht jede von den Vorfahren angenommene Gottesverehrung, wie unheilige Menschen sich mit dem einen Beweisgrund zufrieden geben, dass die Väter so gelehrt haben und sie lediglich in deren Sitten und Einrichtungen verharren. Vielmehr denken die Apostel an die Väter, mit denen Gott seinen Bund geschlossen hatte, die sich an die rechte und reine Lehre gehalten und die Heilsverheißung mit wahrem Glauben ergriffen hatten, kurz, die aus dem himmlischen Vater geboren waren und durch seinen heiligen Geist mit allen ihren Nachkommen in der Gotteskindschaft standen.
Welchen ihr erwürget habt. Mit diesem Satzglied erklären die Apostel die Obersten der Gemeinde, die als solche die höchste Ehre beanspruchten, für offenbare Feinde Gottes. Daraus folgt, dass sie unwürdig sind, irgendwelche Autorität zu besitzen. Zugleich aber ist dieser Satz mit seinem Zugeständnis ein Zeichen des Vertrauens: mögen jene für eine Schande halten, was die Apostel aus freien Stücken ungescheut verkündigen; dass Christus den schmachvollen Tod am Kreuz erlitt, darf doch nicht den Schein erwecken, als wäre dadurch sein Ruhm geschmälert worden. Die Apostel wollen etwa sagen: Ihr zwar habt ihn getötet, und eure Grausamkeit gab sich nicht mit einem gewöhnlichen Tod zufrieden. Er ward ans Holz gehängt. Aber weder der Tod konnte seine Kraft ersticken, noch die Schande, die ihr ihm aufbranntet, seine Ehre tilgen. Gottes Berufung bleibt fest und gültig.
V. 31. Den hat Gott erhöhet. Was also auch die Gottlosen in Bewegung setzten, konnte doch nicht verhindern, dass Christus das ihm vom Vater auferlegte Werk durchführte. Gottes rechte Hand ist seine Kraft, die Christus, der durch Menschenhand getötet war, erhöhte und zum Herrn über Engel und Menschen setzte. Diese Erfahrung setzten die Apostel allen Machenschaften des Satans und der Welt entgegen. Dieselben werden nichts ausrichten, weil sie nicht so hoch emporsteigen können, dass sie Gottes Hand hinderten, die bereits mächtig am eingeborenen Sohne wirkte und nicht ablassen wird zu wirken. Es wird auch der Zweck angegeben: Christus soll ein Fürst und Heiland werden. Diese Ausdrücke bezeugen, dass in Christus erfüllt ward, was Gott dem Volk bezüglich eines Führers und Königs verheißen hatte, und das zweite Wort drückt am deutlichsten sein Amt aus.
Zu geben Israel usw. Jetzt wird die Weise beschrieben, in welcher Christus zum Heil des Volks regiert; er führt nämlich die Seinen zur Buße und versöhnt sie durch Vergebung der Sünden mit Gott. In diesen beiden Stücken ist bekanntlich die ganze Lehre des Evangeliums begriffen. So führen die Apostel hier nicht nur die Verteidigung ihrer Sache, sondern predigen auch klar über Christi Amt, um womöglich auch einige von den heftigen Feinden für die Frömmigkeit zu gewinnen. Die Buße ist, wie wir früher erläuterten, die innere Hinwendung des Menschen zu Gott, die sich darnach in äußeren Werken erweist. Denn wenn Christus uns durch den Geist der Wiedergeburt innerlich umwandelt, so soll alsbald der Erneuerung des Sinnes und Herzens ein neues Leben folgen. Gehört es nun zu Christi Amt, uns Buße zu geben, so folgt, dass sie ein für menschliche Fähigkeit unerreichbares Ding ist. Und da sie eine wunderbare Umwandlung ist, die uns zu neuen Kreaturen macht, das Bild Gottes in uns wiederherstellt, uns aus der Knechtschaft der Sünde zum Gehorsam gegen die Gerechtigkeit überleitet, so können sicherlich die Menschen so wenig sich selbst bekehren wie sich selbst erschaffen. Freilich ist die Buße eine freiwillige Hinwendung, aber woher anders kommt dieser Wille als daher, dass Gott unser Herz ändert, aus einem steinernen zu einem fleischernen, aus einem harten und widerspenstigen zu einem biegsamen, kurz, aus einem verkehrten zu einem richtigen Herzen macht? Das aber geschieht, wenn Christus uns durch seinen Geist neu gebiert. Und es ist dies nicht die Gabe eines Augenblicks, sondern es muss ein tägliches Wachstum im ganzen Leben stattfinden, bis wir völlig an Gott hängen, was erst geschehen wird, wenn wir unser Fleisch ausziehen. Gewiss ist es der Anfang der Buße, dass ein bisher von der Welt abgekehrter Mensch sich und der Welt absagt und ein neues Leben anhebt. Weil wir aber beim ersten Betreten des Weges noch weit vom Ziel entfernt sind, so bedarf es unablässigen Fortschritts. Beides erlangen wir durch Christi Wohltat; wie er die Buße in uns anhebt, so schenkt er uns die Beharrung. Und doch würde diese unschätzbare Gnadengabe uns wenig nützen, wenn sich mit ihr nicht die Vergebung der Sünden verbände. Denn zuerst findet uns Christus als Feinde Gottes, und noch immer hängen uns Fehler an, die uns von ihm scheiden, so dass er ein gutes Recht hätte, sich mehr feindlich als wohl geneigt zu uns zu stellen. Darin aber besteht die Gerechtigkeit, dass Gott uns die Sünden nicht anrechnet. Also darf man diese andere Gnadengabe niemals von der ersten trennen. Vielmehr wird das Evangelium verstümmelt und verderbt sein, wenn es nicht aus diesen beiden Stücken besteht; die Menschen müssen belehrt werden, dass sie durch unverdiente Anrechnung der Gerechtigkeit mit Gott durch Christus versöhnt werden, und dass der Geist der Wiedergeburt sie zu einem neuen Leben umgestaltet. Damit ist uns in Kürze gesagt, auf welche Weise man in Christus das Heil gewinnen muss.
V. 32. Und wir sind seine Zeugen. Nachdem die Apostel versichert haben, dass ihre Lehre von Gott stammt, wenden sie sich, damit sie nicht eigenmächtig etwas anzugreifen scheinen, zu der weiteren Aussage, dass sie auch lediglich auf Gottes Befehl reden. Das ist eine unerlässliche Verteidigung; alle Diener des Evangeliums müssen bezeugen, dass sie lediglich vortragen, was sie von Gott empfingen; zum andern dass sie dazu auch berufen wurden, so dass sie dem Zwang, zu lehren, sich nicht entziehen können, wollen sie sich nicht wider Gott auflehnen. Als „Worte“ bezeichnet Lukas hier nach hebräischem Sprachgebrauch die betreffenden Dinge. Doch habe ich auch nichts dagegen zu erinnern, wenn jemand an Worte im eigentlichen Sinne denken will.
Und der heilige Geist. Jetzt bekräftigen die Apostel ihre Berufung mit dem Erfolg. Denn es war gleichsam ein Siegel, das zur Bestätigung ihrer Lehre diente, wenn Gott die Gläubigen mit dem heiligen Geist beschenkte. So konnte man sehen, dass ihm der Glaube an das Evangelium erwünscht und angenehm war. Dass Gott den Geist denen gab, die ihm gehorchen, beziehe ich auf Christus, so dass etwa gesagt wird: an denen, die an Christus glauben, sieht man, wie reich Gott ihren Gehorsam lohnt. Denn Gott will, dass wir Christus gehorchen. Darum ist ihm unser Dienst in diesem Stück auch wohlgefällig. Fragen könnte man aber, inwiefern hier gesagt werden kann, dass der Geist nach dem Glauben gegeben wird, da wir doch den Glauben erst durch Offenbarung des Geistes besitzen. Es ist hier aber von den Gaben der Sprachen, der Weissagung, der Auslegung, der Heilung und ähnlichen Dingen die Rede, mit denen Gott damals seine Gemeinde zierte. In diesem Sinne fragt auch Paulus die Galater (3, 2), ob sie den Geist durch des Gesetzes Werke oder durch die Predigt vom Glauben empfangen hätten. So geht die Erleuchtung durch den Geist dem Glauben, welchen sie hervorruft, voran; darnach aber folgen andere Gnadengaben zu weiterem Fortschritt, nach dem Grundsatz: wer da hat, dem wird gegeben. Auch wir wollen den Schoß des Glaubens dem Herrn öffnen, wenn anders wir wünschen, dass uns der Reichtum neuer Geistesgaben geschenkt werde. Aber unser Unglaube empfängt heute einen ganz anderen Lohn, weil nur zu viele vom Geist Gottes verlassen sind und darum nichts schmecken und sehen.
V. 33. Ergrimmeten sie. Die Priester hätten sich getroffen fühlen sollen, selbst wenn ihr Herz von Stein gewesen wäre; aber sie brechen in Zorn aus. Wir sehen daraus, dass bei den Verworfenen keine Gründe etwas ausrichten, um sie zum Gehorsam gegen Gott zu beugen. Denn wenn Gott nicht im Inneren redet, kann die äußere Belehrung nur das Ohr treffen. Die Apostel konnten bewirken, dass die Feinde überwunden wurden und still schwiegen; aber ihr Trotz war so wenig gebändigt oder gebessert, dass sie nur noch wütender wurden. Zugleich aber ist die Wirksamkeit des Wortes bemerkenswert; wenn es auch die Verworfenen nicht zum Besseren verändert, so dringt es doch in ihre Herzen und quält ihr Gewissen. Daher eben kommt ja die Wut, dass sie sich von ihrem Richter bedrängt fühlen. Gern würden sie des ganzen Evangeliums spotten, wie sie denn alles daransetzen, es für ein Nichts halten zu können. Doch es ist in ihm eine Majestät verborgen, welche dies ihr Vergnügen gewaltsam zerstört. Dann aber tritt die Wut namentlich in Erscheinung, wenn sie durch den Klang der Posaune vor Gottes Richterstuhl gerufen werden.

34 Da stand aber auf im Rat ein Pharisäer mit Namen Gamaliel, ein Schriftgelehrter, in Ehren gehalten vor allem Volk, und hieß die Apostel ein wenig hinaus tun, 35 und sprach zu ihnen: Ihr Männer von Israel, nehmet euer selbst wahr an diesen Menschen, was ihr tun sollet. 36 Vor diesen Tagen stand auf Theudas, und gab vor, er wäre etwas, und hingen ihm an eine Zahl Männer, bei vierhundert; der ist erschlagen, und alle, die ihm zufielen, sind zerstreuet und zunicht worden. 37 Darnach stand auf Judas aus Galiläa in den Tagen der Schätzung, und machte viel Volks abfällig ihm nach; und der ist auch umgekommen, und alle, die ihm zufielen, sind zerstreuet. 38 Und nun sage ich euch: Lasset ab von diesen Menschen, und lasset sie fahren. Ist der Rat oder das Werk aus den Menschen, so wird´s untergehen; 39 ist´s aber aus Gott, so könnet ihr´s nicht dämpfen; auf dass ihr nicht erfunden werdet, als die wider Gott streiten wollen.

V. 34. Nunmehr erzählt Lukas, wie der Herr die Wut jener gottlosen Leute zersplitterte. Sie waren willens, die Apostel zu töten; da tritt Gamaliel ins Mittel, jenen unsinnigen Rat aufzuhalten. Die Angabe genauerer Umstände soll zeigen, wie ein einziger Mann so Großes gegen die Menge vermochte. Lukas bezeichnet ihn als einen Pharisäer, deren Partei bekanntlich in besonderer Achtung stand. Weiter heißt es, dass er in Ehren gehalten war vor allem Volk; jene aber fürchteten das Volk. So kommt es, dass sie gegen seine Stimme weniger zu unternehmen wagen. So schreckt Gott meistens plötzlich und unerwartet seine feinde und hemmt ihre Wut. Übrigens heißt Gamaliel die Apostel abtreten, damit sie nicht etwa durch seine Worte neue Kühnheit gewinnen. Denn es ist nicht wahrscheinlich, dass er seine Rede deshalb hielt, weil er der Lehre des Evangeliums zustimmte oder sie schützen wollte; sondern da er alle anderen in Wut entbrannt sah, wollte er als ein menschlich gesinnter und besonnener Mann durch eine Zwischenrede einen gemäßigten Ausgang herbeiführen. Übrigens ist sein Spruch, wenn man alles recht erwägt, eines klugen Mannes nicht würdig. Freilich weiß ich, dass viele ihn für ein Orakel halten. Wie verkehrt sie aber urteilen, geht zur Genüge schon daraus hervor, dass man nach diesem Rat jeglicher Strafe sich enthalten müsste, dass man keine Missetat weiter in Schranken halten, ja überhaupt kein Hilfsmittel für sein Leben gebrauchen dürfte, welches auch nur einen Augenblick zu verlängern ja nicht in unserer Gewalt steht. Gewiss ist beides richtig, dass keine menschliche Anstrengung vernichten kann, was aus Gott stammt, und dass keine Sache bloß menschlichen Ursprungs so fest ist, dass sie bestehen könnte. Daraus aber zu schließen, dass man alles gehen lassen müsse, ist verkehrt. Vielmehr sollen wir darauf achten, was Gott uns aufträgt; er will aber Missetaten durch unseren Dienst in Schranken halten. Zu diesem Zweck hat er Obrigkeiten eingesetzt und mit dem Schwert gerüstet. Zu diesem Zweck hat er Älteste an die Spitze seiner Gemeinde gestellt, damit sie freche Leute zur Ordnung zwingen und nicht die Sünde zügellos und ungestraft sich ausbreiten lassen. Es ist also ein verkehrter Schluss, dass wir die Hände in den Schoß legen müssten, weil Gottes Kraft allein zureicht, Übel zu beseitigen. Allen in allem folgert Gamaliel aus richtigen Grundsätzen etwas Verkehrtes. Denn was allein eine Stütze des Glaubens sein soll, gebraucht er fälschlich für die Frage nach unserer äußeren Pflicht und nach dem Grund unseres Handelns. Unsere Schlussfolgerung gehe vielmehr den entgegen gesetzten Weg: was aus Gott ist, muss bestehen bleiben wider den Willen der ganzen Welt. Also muss der Glaube gegen jegliche Anstürme Satans und der Menschen standhalten; denn er stützt sich auf Gottes ewige Wahrheit; selbst wenn der Himmel einstürzt, ist unser Heil gesichert, da ja Gott es schafft und hütet. Andererseits: wie heftig die Gottlosen auch überbrodeln, wie wütend sie auch Christus und seine Kirche bekämpfen, sie werden doch nicht die Oberhand gewinnen, weil es Gottes Sache ist, den Rat der Menschen zu zersplittern, und weil er auf diese Weise sich an ihrem frechen Gebaren rächt.
V. 36. Vor diesen Tagen stand auf Theudas usw. Wenn man den jüdischen Schriftsteller Josephus (Altertümer 20, 5; 18, 1) für glaubwürdig hält, muss man urteilen, dass Gamaliel hier die historische Reihenfolge umgekehrt hat. Denn jener erzählt, dass der Gaulaniter Judas aus der Stadt Gamala unter dem Landpfleger Cyrenius (Lk. 2, 2) mit seinen Anhängern einen Aufruhr erregt habe, um die Schätzung zu verhindern. Theudas habe sich unter dem Landpfleger Cuspius Fadus für einen Propheten Gottes ausgegeben. Fadus aber wurde von dem Kaiser Claudius (41 – 54 n. Chr.) nach Judäa geschickt, und zwar nicht vor dem zweiten oder dritten Jahre seiner Regierung. Wenn aber Lukas sagt (V. 37): darnach stand auf Judas, so will er nicht eine Zeitfolge angeben, sondern er meint nur, dass derselbe außerdem aufgestanden sei. Übrigens passen nicht einmal die Beispiele, mit welchen Gamaliel seinen Ratschlag stützt, hinreichend für den vorliegenden Fall. Denn weil man dem Judas nicht sofort entgegen trat, führte der von ihm erregte Aufstand zu vielen Niederlagen, und erst nach langer Zeit wurde er mit Waffengewalt gebändigt. Auch Theudas würde viel größeren Schaden angerichtet haben, hätte ihn nicht der Eifer des Cuspius Fadus rechtzeitig niedergeschlagen. Gamaliel sieht aber nur darauf, dass Menschen, die mit Vorwitz auftreten, einen unglücklichen Ausgang erleben, und dass Gottes Rache einen solchen herbeiführt. Weil übrigens die Priester den Herrn, der sie in rechter Weise mahnte, zu hören verschmähen, so sind sie es wert, dass ein Mann, der in törichter Weise nach allen Seiten schwankt, durch oberflächliche Gründe sie erlahmen lässt. Des Weiteren ergibt die Zeitrechnung, dass seit dem Tode Christi wenigstens 12 Jahre verflossen waren, als die Apostel gestäupt wurden. Umso anerkennenswerter war die Standhaftigkeit der Apostel, die nach ihren langwierigen Mühen so unwürdigen Lohn davontragen, sich dadurch aber nicht brechen lassen, noch von ihrem Wege abstehen.
Er wäre etwas. Manche Handschriften fügen ohne Veränderung des Sinnes noch hinzu: „Großes“. Er gab sich nämlich für einen Propheten aus, der imstande sei, den Jordan auszutrocknen, um den Seinen einen Durchgang zu schaffen. Dabei sehen wir, wie weit Gamaliel von rechter Erkenntnis entfernt ist. Er vergleicht Christi heilige Diener mit Betrügern und Räubern, wenn er auch nachher zu milderen Worten einlenkt und es ungewiss lässt, ob sie unter Gottes Führung diese Sache angefangen haben. Doch redet er zweifelhaft, weil er lediglich einer genaueren Untersuchung aus dem Wege gehen und Ruhe haben will. Zu billigen ist an seiner Rede nur, dass er die gottlosen Leute von gottloser Frechheit abhält, weil nichts schrecklicher ist, als Gottes Feind zu werden.

40 Da fielen sie ihm zu und riefen den Aposteln, stäupten sie und geboten ihnen, sie sollten nicht reden in dem Namen Jesu, und ließen sie gehen. 41 Sie gingen aber fröhlich von des Rats Angesichte, dass sie würdig gewesen waren, um seines Namens willen Schmach zu leiden; 42 und höreten nicht auf, alle Tage im Tempel und hin und her in Häusern zu lehren und zu predigen das Evangelium von Jesu Christo.

V. 40. Stäupten sie und geboten ihnen usw. Man nimmt Gamaliels Rat an, stäupt aber die Apostel und verbietet ihnen, zu lehren. Daraus können wir schließen, wie groß die Wut der Feinde war, da dies maßlose Verfahren noch Platz greift, nachdem sie schon gestillt oder wenigstens gemildert sind. Zugleich lässt sich ersehen, wie unglücklich in der Regel solche Ratschläge der mittleren Linie auslaufen, bei denen man Gottes Wahrheit hintansetzt und nur auf Menschen Rücksicht nimmt. Gamaliel erreicht zwar, dass man des Lebens der Apostel schont; dabei wird aber dem Sohn Gottes in ihrer Person eine Schmach angetan. In ewigem Schweigen wird die Wahrheit des Evangeliums begraben, wenigstens soweit dies an den Feinden liegt. Gott freilich gibt auf diese Weise seinem Wort eine wunderbare Ausbreitung; aber jener Plan bleibt darum doch sündhaft. Dies wollen wir darum anmerken, weil heute nicht wenige dem Herrn schon einen erheblichen Gehorsam zu leisten glauben, wenn sie nur das Leben derer, die um des Evangeliums willen Gefahr leiden, schonen und sonst blutdürstige Feinde zu milderem Verfahren umstimmen; dabei scheuen sie sich aber nicht, sie zu verbrecherischer Abschwörung Christi zu drängen, welchen zu bekennen doch vor Gott viel mehr wert ist als aller Menschen Leben.
V. 41. Sie gingen aber fröhlich usw. Gewiss sind die Apostel nicht so stumpf gewesen, dass sie die Schmach und den Schmerz, den man ihnen antat, nicht empfunden hätten, hatten sie doch die Natur nicht gänzlich ausgezogen. Wenn sie aber den Anlass bedachten, überwog die Freude. Diese Doppelstimmung muss überhaupt bei den Gläubigen vorhanden sein, so oft sie für das Evangelium Verfolgung leiden; es sticht sie zwar das bittere Leid, aber in geistlicher Freude überwinden sie diese Traurigkeit. Sie alsbald ihren Weg rückwärts lenken müssen, hätte ihnen diese Freude nicht neue Frische und Kraft gegeben. Ohne Zweifel hat Petrus auch seinen Tod als süß und lieblich empfunden, von dem ihm doch der Herr bezeugt hatte, dass er ihm bitter sein werde (Joh. 21, 18). Wir wollen also lernen, mit Schmerz und Angst derartig zu ringen, dass wir fröhlich neuem Kreuz entgegengehen und das uns schon auferlegte tragen können.
Dass sie würdig gewesen waren usw. Auf den ersten Blick erscheint es ungereimt, dass die Schmach Würde und Ehre sein soll. Aber dies ergibt sich aus dem Widerstreit zwischen der Welt und Gott, dass vor Gott und seinen Engeln große Würde und hervorragender Ruhm ist, was vor Menschen als äußerst schimpflich gilt. Bekanntlich war die Todesart, die Christus leiden musste, vor anderen schmachvoll; und doch hat er am Kreuz den edelsten Triumph gewonnen. Tragen wir also sein Bild, so können wir es mit Recht als hohe Auszeichnung rühmen, dass wir vor der Welt voller Schmach sind. So rühmt sich Paulus der Malzeichen Christi (Gal. 6, 17). Freilich dürfen wir uns nicht wundern, dass so wenige tapfer und wacker sind, das Kreuz zu tragen, weil fast alle durch den Sinn des Fleisches sich erdrücken lassen. Den einzigen Trost aber, dass Christi Schmach besser ist als alle weltlichen Triumphe, fasst unter hundert kaum einer. Darum sollen wir umso eifriger in die Betrachtung der Wahrheit uns versenken, dass wir heute den Leiden Christi gleich gestaltet werden, damit wir dereinst Teil und Gemeinschaft an seiner Herrlichkeit gewinnen.
V. 42. Und höreten nicht auf usw. Zur Freude gesellt sich die Standhaftigkeit. Dass die Verfolgung uns bricht und entmutigt, kommt doch nur daher, dass man sich nicht zu Christus erhebt, wodurch die Seele die Frucht des Sieges voraus genießen und sich zu geduldigem Tragen anleiten würde. Wer sich aber glücklich schätzt, wenn er für Christus leidet, wird nie müde werden, ob er auch noch so harte Kämpfe zu bestehen hat. So wurden die Apostel durch die Schläge gleichsam gewappnet, so dass sie nun furchtlos dem Tode entgegeneilten. Wehe also unserer Weichlichkeit, wenn wir nach dem Überstehen einer auch nur ganz geringen Verfolgung sofort die Fackel anderen übergeben, als wären wir schon ausgediente Soldaten!

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