Calvin, Jean - An Pfarrer Menso Poppius in Maastricht.

Nr. 595 (C. R. – 3017)

Calvin, Jean - An Pfarrer Menso Poppius in Maastricht.

Allerlei Ratschläge über Kirchenzucht.

Kenntest du meine Beschäftigung, bester Bruder, so brauchte ich nicht um Verzeihung zu bitten, wenn ich nur kurz antworte und vielleicht deinem Wunsche nicht nachkomme. Denn du glaubst nicht, wie viel von allen Seiten noch dazukommt an öffentlichen und privaten Angelegenheiten, um mich davon abzuziehen. Dazu hält mich nun schon seit fünf Monaten ein Wechselfieber im Zimmer fest, die meiste Zeit auch im Bette. Ists jetzt auch ein wenig besser, so hat es mich doch geistig und leiblich geschwächt, so dass ich mancher Arbeit nicht gewachsen bin.

In der Frage, ob ungebildete Pfarrer, die zu faul sind, sich zur Nachholung der Studien bewegen zu lassen, oder solche, die durch ein unreines Leben die Kirche Gottes beflecken und trotz mehrfacher Mahnung sich nicht bessern, vom Abendmahl auszuschließen oder, falls die Obrigkeit sie begünstigt und machen lässt, zu ertragen sind, bin ich gleicher Meinung wie du. Wenn du die Mittel, die der äußersten Strenge vorangehen sollen, umsonst angewendet hast, so musst du dich mit andern Brüdern und Kollegen, denen die rechte Ordnung am Herzen liegt, ins Einvernehmen setzen, damit man solche schmutzige Gesellen Gottes Heiligtum nicht länger verunreinigen lässt. Dazu ist aber eine Zusammenkunft nötig, nicht nur der Pfarrer, sondern auch der vom Fürsten mit der Aufsicht der Kirche Betrauten zu gemeinsamer Beratung. Ist noch Hoffnung auf Besserung, so muss man wirklich unter Gebetsseufzern noch einige Zeit warten; zwingt Euch aber ihre Verstocktheit, weiterzugehen, so sind die Beamten, die über die Kirchenzucht zu wachen haben, zu bitten, dass sie mit Euch in die Absetzung von ein paar wenigen der Fehlbaren willigen und dadurch den übrigen ein Schrecken eingejagt wird. Damit die Strenge aber nicht übertrieben erscheint, so sind Klagepunkte aufzustellen, aus denen deutlich hervorgeht, dass unheilbare Übelstände oder frühere Vergehen vorliegen, die keine Schonung verdienen, da sie an einem Pfarrer unerträglich sind. Lässt sich auch das nicht erlangen, so bleibt meines Erachtens nur eines übrig: dass Ihr frei heraus erklärt, auch wenn die Obrigkeit die Verurteilten begünstige und dulde, so könnet Ihr keine Gemeinschaft mehr mit ihnen halten und sähet sie nicht mehr als Brüder an. Ein solcher Ausschluss aus der Gemeinschaft wird vielleicht die Obrigkeit aus ihrer Indolenz aufrütteln, oder wenigstens Euer Gewissen beruhigen; denn dann habt Ihr Eure Pflicht getan.

In der zweiten Frage ist meine Ansicht die: es ist in erster Linie dafür zu sorgen, dass das Bannrecht von Staatswegen in der Kirche besteht, und mutige Pfarrer müssen energisch darauf dringen. Lässt sich die Obrigkeit nicht zu dieser Überzeugung bringen, wie denn fast alle dieses Joch scheuen, so dürfen sich fromme Pfarrer durch diese Abweisung nicht entmutigen lassen, noch von ihrem Vorgehen weichen, müssen vielmehr standhaft bekennen, sie dürften die heiligen Sakramente nicht länger entweihen; denn eine schändliche und unerträgliche Entweihung sei es, wenn jedermann ohne Unterschied zugelassen werde, so dass der Tisch Christi Schweinen und Hunden zugänglich sei. Was die Kinder gottloser Leute betrifft, so verlangt ein rechtes Kirchenregiment, dass sie nicht ohne Prüfung zum Abendmahl kommen dürfen. Es muss aber bei der Prüfung die Möglichkeit vorliegen, Unwürdige auszuschließen, bis sie einigen Fortschritt im Guten zeigen.

Nachlässigkeit in der Kindererziehung mit Ausschluss vom Abendmahl zu strafen, erscheint mir zu hart. Zu tadeln ist die Gleichgültigkeit der Eltern; anzutreiben sind sie mit allen Mitteln, auch Drohungen sind anzuwenden; wo aber weder handgreifliche Gottlosigkeit, noch Verachtung, noch sonst ein schwereres Vergehen vorliegt, ist es besser, Milde statt Strenge walten zu lassen. In allen kirchlichen Maßregelungen soll überhaupt die Regel gelten, dass die Strenge nie den Sieg über die Menschlichkeit davontragen soll.

Was die heranwachsenden jungen Leute betrifft, so ist ihr Übermut recht scharf zu behandeln. eine so maßlose Ausgelassenheit, wie die, von der du berichtest, verdient keine Nachsicht. Übrigens ist es gut, wenn sie heiraten, ihnen den Zaum in den Mund zu legen, indem man ihre ehe nur einsegnet, wenn sie versprechen, von nun an ordentlich zu leben. Fallen sie in ihre frühere Art zurück, so ist ihnen ihr Leichtsinn und ihre Wortbrüchigkeit als doppelte Schuld anzurechnen.

Da die Freiheit zu taufen, die die Frauen sich anmaßen, nichts anderes ist als krasser Aberglaube, so ist ein solch törichtes und freches Unterfangen für nichts zu achten. Es ist Pflicht der Pfarrer, es ihnen zu verbieten, und die Kinder, die durch solch dummen, übereilten Ehrgeiz nur befleckt sind, mit der rechten Taufe wieder zu heiligen. Mehr darüber findest du in meinem Schriftchen, das den Titel führt: Anhang zur rechten Weise der Kirchenreformation.

Wenn du fragst, ob Leute der kirchlichen Gemeinschaft würdig sind, die, obwohl sie Gelegenheit hätten, die nicht durch Unterstützung der Armen pflegen, so antworte ich: hier sind freundliche Ermahnungen, keine knappen Befehle am Platz. Denn wir sehen, wie Paulus sich mäßigt und nichts erpresst von solchen, die nicht wollen, sondern nur freundlich bittet, sie möchten den armen Brüdern helfen: und das nicht aus Zwang, sondern jeder nach der Geneigtheit seines Herzens, dass es ein Segen sei und nicht kärglich; denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb. So ists recht, diese Liebespflicht durch Ermahnung eindrücklich zu machen, aber die Wohltätigkeit muss doch freiwillig bleiben. (2. Kor. 8, 9 u. ff.).

Welche du unter denen verstehst, die zurückweichen, verletzt durch die strenge Kirchenzucht oder die Schmach des Kreuzes Christi, verstehe ich nicht ganz. Denn sind sie bloß furchtsam und deshalb kühl, so muss das Vorbild Christi wie ein Gesetz vor uns stehen, wie Matth. 12, 20 nach Jesaja 42, 3 sagt: Das glimmende Docht wird er nicht auslöschen, das zerstoßene Rohr wird er nicht zerbrechen. Sinds aber solche, die offen von der Kirche abgefallen sind, weil sie sich des Evangeliums schämen, so dürfen sie keinesfalls zum Abendmahl zugelassen werden. Wer mehrmals gewarnt wieder in den gleichen Fehler verfällt oder nicht aufhört zu sündigen, ja mit der Kirche durch eitle Versprechen seinen Spott treibt, ist meines Erachtens streng zu bestrafen und nicht nur mit bloßem Zureden zu behandeln, wenn er selbst nicht aufhört, nur Worte zu machen. Denn wenn solcher Leichtsinn straflos ausgeht, wird er zu Trotz und Unverschämtheit.

Über das unwissende Volk ists schwer, eine feste Regel aufzustellen. Aber es braucht dabei jedenfalls eine ungewöhnliche Klugheit, damit der Pfarrer unterscheiden kann zwischen der natürlichen Schwerfälligkeit, an der die meisten leiden, und der geistigen Stumpfheit, die man gewöhnlich krasse, absichtliche Unwissenheit nennt. Denn es finden sich viele, die in ihrem Privatleben recht schlau sind, sehr schlau, wenns gilt einen Gewinn zu machen, und scharf blickend, wenns heißt einem Verlust auszuweichen; aber ihren Glauben auch nur mit einem Worte auszudrücken, dazu sind sie nicht imstande. Sehen wir also solche, die nichts lernen wollen, mehr aus Sorglosigkeit und Verachtung, als aus Mangel an Verstand, so würde ich kein Bedenken tragen, sie vom Abendmahl auszuschließen, bis sie sich schämen und mit mehr Eifer ans Lernen gehen. Bei andern Halbblöden aber bin ich der Meinung, es so zu halten: sie sollen nur zugelassen werden, wenn sie wenigstens die allernotwendigsten Elemente kennen, das Vater Unser, das Glaubensbekenntnis, die zehn Gebote und bekennen, dass ihr ganzes Heil in Christo ruht und er ihr einziger Mittler ist, auch nicht ganz unwissend sind über den Zweck ihrer Taufe und den Brauch des Abendmahls.

Wer, ausgeschlossen vom Abendmahl, frech das Urteil der Kirche verachtet, erklärt sich durch diesen Trotz als außerhalb der Kirche stehend, und ich glaube, es bleibt dann den Presbytern nichts übrig, als die Obrigkeit aufzufordern, einen solchen schärfer zu behandeln. Denn von kirchlichen Strafen ist der Ausschluss vom Abendmahl die schwerste; was aber die Maßregelung angeht, so ist die Mahnung Pauli bekannt: was gehen mich die draußen an, dass ich sie sollte richten (1. Kor. 5, 12)!

Es wäre zwar wünschenswert, dass außer dem Sonntag nur wenige Feste beibehalten würden, damit nämlich auch die Überreste des Aberglaubens ausgetilgt werden. Die Menschen sind zwar zu diesem Missbrauch stets nur allzu geneigt, aber heutzutage sucht doch die Mehrheit mit den Festtagen etwas vom Papismus festzuhalten. Um jedoch Uneinigkeit zu verhindern, muss man sich davor in acht nehmen, dass nicht jeder nach eignem Gutdünken Festtage abschafft und damit Händel stiftet, sondern wer diesen Übelstand gebessert sehen möchte, soll suchen, seine Amtsbrüder zu vereintem Vorgehen zu bewegen. Gelingt dies nicht, so soll jeder, soweit es, ohne Aufsehen zu machen, geschehen kann, allmählich die Feiertage, die ihm schädlich scheinen, aus der Zahl der überflüssigen Feste ausscheiden, so dass sich die Volksmeinung leichter damit aussöhnt.

Arme, denen die kirchliche Wohltätigkeit Anlass zur Faulheit wird, nicht aus dem Almosen zu unterstützen, gebietet der gesunde Menschenverstand, und auch Paulus sagt das deutlich. Denn er gebietet, faule Brüder und Müßiggänger aus der Gemeinschaft auszuschließen, und fügt bei: so jemand nicht will arbeiten, der soll auch nicht essen (2. Thess. 3, 10).

Lebwohl, trefflicher Mann und verehrter Bruder.

Genf, 26. Februar 1559.

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