Calvin, Jean - An eine unbekannte Dame in Frankreich.

Nr. 186 (C. R. – 869)

Calvin, Jean - An eine unbekannte Dame in Frankreich.

Rat zur Auswanderung an eine Hugenottin.

Mademoiselle, obwohl ich Anlass habe, Gott zu loben für den frommen Eifer und die Standhaftigkeit, die er Ihnen, wie ich vom Überbringer dieses Briefes gehört habe, verliehen hat, so ist, denke ich, doch meine Ermahnung nicht überflüssig für Sie in so mancherlei Versuchungen und Kämpfen, und so wollte ichs nicht lassen, Ihnen durch ihn ein Wort zu schreiben, vor allem, um Ihnen zu Hilfe zu kommen bei der Entschließung in einer Frage, die Ihnen noch etwas zweifelhaft ist. Nämlich bei der Frage, ob Sie sich hierher zurückziehen sollen, um Gott mit ruhigem Gewissen dienen zu können. Wäre dies Ihnen möglich da, wo Sie gegenwärtig sind, so hütete ich mich wohl, Ihnen den Rat zu geben zur Auswanderung. Aber ich weiß, in welcher Gefangenschaft Sie gehalten werden. Hätte Ihnen Gott nun auch die Kraft und Standhaftigkeit verliehen, sich auf den Tod gefasst zu machen und nicht zu weichen, aus Furcht vor den Gefahren, die Ihnen in Ihrem jetzigen Wohnort drohen, so wäre nichts besser, als diese Gnadengabe zu brauchen. Fühlen Sie aber, dass die Schwachheit des Fleisches bei Ihnen überwiegt und Sie an der Erfüllung Ihrer Pflicht hindert, und dass daher Ihr Gewissen in steter Unruhe und Qual sein muss, so bleibt nichts übrig, als nach einer wirksamen Abhilfe zu suchen. Denn es ist keine kleine Bedrängnis, ja sogar Angst, wenn wir uns schuldig fühlen in einer so wichtigen Sache. Dazu dauert ja dieser Übelstand stets fort, so dass wir Gott unaufhörlich beleidigen. Wiewohl manche bei Ihnen sich schmeicheln und sich glauben machen wollen, die Befleckung mit abergläubischen Bräuchen, die wider Gottes Wort sind und ihm seine Ehre rauben, sei nur eine leichte Sünde, so denke ich doch, Ihnen sei die Ehre dessen, dem wir alles schulden, so heilig, dass es ein unerträglicher Druck für Sie wäre, täglich dagegen handeln zu müssen, wozu Sie dort gezwungen sind. So zweifle ich nicht, dass Sie leidenschaftlich wünschen, aus diesem Elend herauszukommen, und, so lang Sie noch drin sind, in großer Sorge und Traurigkeit sind. Erwägen Sie nun, ob es nicht eine unglückliche Lage ist, dieses Sehnen ohne Ende. Ich weiß wohl, man wendet uns ein, dass wir hier auch keine Engel seien, und dass wir Gott hier ebenso beleidigen, wie mans dort tut, und das ist wahr. Aber wie sagt das Sprichwort: Ein Übel zum andern ist keine Heilung! Wenn wir auch fehlen in nur zu viel andern Dingen, was braucht man darin unsere Verdammnis noch zu vermehren, indem man zu allem andern auch noch die Sünde fügt, die so schwer wiegt? nämlich Gottes Sohn, der sich um unserer Seligkeit willen geopfert hat, seine Ehre nicht zu geben? Übrigens, wenn Sie auch bisher wohl versucht haben, sich durch Verstellung der Gefahr zu entziehen, in der Sie sind, so ist damit noch nichts erreicht; denn die Bösen sehen scharf, und Sie können ihnen doch nicht genug tun, bis Sie Gott ganz verleugnen. So haben Sie weder Ruhe für Ihren Leib, noch für Ihre Seele. Sind Sie dann von Gott gewichen der Welt zu Gefallen, so haben Sie keinen Nutzen davon, als dass Sie vor Sehnsucht sozusagen ganz außer sich kommen. Nun werden Sie mich fragen, ob Sie denn, wenn Sie hierher kommen, sicher Ruhe finden werden für immer. Ich gebe zu: Nein. Denn solange wir in dieser Welt sind, müssen wir sein wie Vöglein auf dem Ast. So ists Gottes Wille und gut für uns. Da Ihnen nun aber dieser Fleck Erde geboten wird, wo Sie entweder Ihr Leben vollenden können im Dienst Gottes, wenns ihm gefällt, oder doch mehr und mehr vorwärts kommen und stärker werden in seinem Wort, so dass Sie auch Verfolgungen aushalten könnten, wenns Gott so gefällt, so haben Sie keinen Grund, dieses Angebot auszuschlagen. Wir müssen stets darauf achten, dass wir nicht selbst unser Unglück verschulden und es fast wissentlich aufsuchen, indem wir die Hilfsmittel verschmähen, die Gott uns anbietet. Ich weiß wohl, dass es hart ist, sein Heimatland verlassen zu müssen, vor allem für eine Frau von Ihren Jahren und von hohem Stand. Doch müssen wir solche Bedenken überwinden durch eine bessere Erwägung, nämlich, dass wir unserm Land vorziehen jede Gegend, wo Gott rein verehrt wird, dass wir keine bessere Ruhe finden für unser Alter, als zu wohnen in seiner Kirche, wo er ruht und thront, dass wir lieber gering geachtet sein wollen da, wo sein Name gepriesen wird, als geehrt vor den Menschen, wo er um seine Ehre betrogen wird.

Auf alle Zweifel, die Ihnen einfallen könnten, zu antworten, wäre zu langwierig. Halte Sie nur das immer fest, dass wir viele Sorgen der Vorsehung Gottes überlassen müssen in der Hoffnung, er werde es wohl machen, auch wo wir keinen Ausweg sehen. Und wirklich, das ist kein Zweifel: wenn wir ihn suchen, so finden wir ihn. Das heißt, so wird er mit uns sein, unsere Schritte leiten und unsere Angelegenheiten besorgen und wohl ordnen. Freilich bleiben wir deswegen doch allerlei Trübsalen und Nöten unterworfen; aber wir wollen ihn bitten, dass wir gestärkt durch sein Wort sie überwinden können. Jedenfalls haben Sie viel, was es Ihnen erleichtert und die Ausreden unmöglich machte, die manche andere brauchen. Gefällt es Gott, Sie hierher zu führen, so kommen Sie ja nicht so entblößt von Geld und Gut, dass Sie nicht davon leben könnten. Viele arme Leute haben dagegen wohl Lasten, aber keine Vorräte. Wie viel christliche Frauen werden wie gefangen gehalten von ihren Kindern? Ihnen dagegen hat unser Herr den Vorzug eingeräumt, dass Sie Kinder haben, die nicht bloß selbst als frei von der Gefangenschaft vor Ihnen stehen, sondern auch Sie dazu ermuntern. Sie haben die Freiheit, die so manche sich wünschen, und Sie müssen sie brauchen, um desto freier sich in den Dienst Gottes zu stellen. Unter andern Hindernissen, sie Sie zu haben scheinen, wäre freilich Ihre Tochter zu nennen, die Sie zu verheiraten wünschen. Aber das rechne ich so wenig als Verhinderung, dass es vielmehr dazu dienen sollte, Sie wie ein Sporn umso mehr anzutreiben. Denn ich denke, Sie lieben Ihre Tochter nicht nur mit der gewöhnlichen Mutterliebe, sondern mit einer ganz besonderen Liebe. Nun bitte ich Sie, wohl zu bedenken, was für Ihre Tochter besser ist; dort durch die Ehe gebunden in ewiger Knechtschaft bleiben zu müssen, oder von Ihnen dahin gebracht zu werden, wo es ihr frei steht, christlich zu leben mit ihrem Manne. Denn Sie dürfen darauf hoffen, dass Gott ihr auch hier eine ehrenvolle Heirat ermöglichen wird, die Sie und Ihre Tochter trösten kann. Etwas ist noch, wovon Sie unterrichtet sein müssen, damit es Sie nicht als etwas Neues und Unvorhergesehenes überrascht. Nämlich Satan wird Ihnen noch allerlei Unruhe machen, um Ihren frommen Entschluss umzustürzen oder zu verzögern. Haben Sie aber eine feste Entscheidung getroffen, so wird es Ihnen nicht schwer werden, alles zu überwinden. Doch benützen Sie die Gelegenheit, solange sie sich Ihnen bietet. Denn in einer so heiligen Sache müssen wir uns rasch entschließen, ohne langes Hin- und Herberaten; auch müssen wir gleich ausführen, was wir beschlossen haben, aus Furcht durch unsere Schwachheit könne unser guter Vorsatz rasch wieder erkalten. Endlich weiß ich wohl, dass all´ mein Mahnen unnütz und vergeblich ist, wenn nicht Gott ihm Kraft gibt, dass es Eingang findet in Ihrem Herzen, und so will ich ihn bitten, er möge Sie ausrüsten mit wahrer Klugheit, damit Sie recht beurteilen, was Ihnen gut ist, er möge Ihnen einen festen Sinn geben, seinem Willen zu gehorchen, er möge Ihnen die Hand reichen und Ihr Führer sein, er möge Ihnen die Gnade geben, dass Sie sich auf ihn verlassen und in allem und überall seinen Beistand fühlen.

Den 20. [?]
Ihr Diener und ergebener Bruder
Charles d´ Espenville.

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