Brenz, Johannes - Ordnung des Kirchendiensts, So in den Stiften und Clöstern furgenomen werden möcht.

Brenz, Johannes - Ordnung des Kirchendiensts, So in den Stiften und Clöstern furgenomen werden möcht.

1 Juni 1529.

Wiewoll in sachen Christenliche ordnung der kirchen belangendt Gutsdienst und kirchendienst für ein ding möcht angesehen werden, Yedoch, So man den handell eigentlich bedencken will, findt sich in disen zweyen stücken ein grosser underschid, welcher so vill mehr zumercken ist, so vill mehr er biss hieher under dem babstum anbedacht der Seelen mercklichen schaden gebracht hatt.

Dan underschidlich darvon zu reden, werden alle dise werck gotsdienst genant, so auss gottis gebott und wort fliessen, nemlich Glauben und lieben sampt iren fruchten, Hoffen, gedultig sein, langmütig sein, Nit fluchen, Nit unkeuscheit treiben, nit todten, Sonder millt, barmhertzig, gütig und keusch sein etc., welche stück für den rechten waren gotsdienst gezeelet werden. Aber kirchendienst ist die ordnung, so in der Christen Versamlung zur leer, zucht und underrichtung des eegenanten gotsdienst (den man an allen orten, zu allen zeiten volnbringen soll) gehallten wurdt. Das der kirchendienst nichts anders ist dan der Christen Zuchtschull, darin sie lernen sollen unserm HERRN gott allwegen zu dienen. Welcher auch woll ein gotsdienst genant mag werden, aber mehres verstands halben yetznmall allein für ein kirchendienst angezogen wurdt.

Hierauff ist es zur zeit der zunemung Christlicher religion nit übell angesehen, das zum kirchendienst zweyerley kirchen oder stadt verordnet seyen: Zum ersten die pfarkirchen, darin Jung und allt, weib und man, gelert und ungelert, ja allerley volcks versamlet wurdt. Zum andern die Clöstern oder Stiften (dann sie füglich für eins gehallten, daher noch die hohen Dom Stifftsmünster, das ist monasteria genant werden), darin die Ihenigen allein versamlet werden solten, so Ires verstande und gottlicher gaben halben ander leut zu leeren aufferzogen wurden. Und demnach muss man auch in beiden versamlungen underschidlich ordnung hallten. In einer pfarkirchen, da allerley volcks, doch fürnemlich teutscher sprach zusamen kompt, muss nach der leer Pauli alles in der gemeinsten und verstentlichsten, als bey uns die teutsch sprach, ordenlich gescheen. Aber in einem Stifft oder Closter, darin fürnemlich die lateinischen bepfrundt und erstlich dahin verordnet gewesen, das sie durch mancherley übung der heiligen gschrifft ander leut zu underweysen geschickt wurden, soll die lateinisch sprach behallten werden. Dann ob man woll on die lateinisch sprach kan frum und selig werden, so kan man doch on dieselb nit woll gelert und kunstreich sein, welches dann sampt der frumkeit und trew auch in einem solchen, so ander leut zuleeren gewidmet, erfordert wurdt.

Nach dem nun die Stifft oder Clöster von irem naturlichen ursprung her dahin verordnet gewesen seyen, das sie deren, so zu des gemeinen volcks underweysung oder ander fürtreffenliche emptern beruften werden sollten, Zucht und leer schull weren, Und aber, wie Paulus schreibt, die heilig göttlich gschrifft von gott ingegeben zur leer, zur straff, zur besserung und zur züchtigung in der gerechtigkeit nutz ist, So wurdt es für Christenlich angesehen, das in einem Closter oder Stifft die gantz Bibell in lateinischer sprach für die hand werd genommen und alle Jar ein mall nach seiner gebtirlichen ordnung wie hernach volgt aussgelesen werd.

Und dweill in der ordnung der ersten kirchen, welche zum teill in Cahonibus ecclesiasticis angezeigt, kein unchristenliche gleissnerey, Sonder vill mehr ein ordenlich studieren und lesen erfunden wurdt, were es beid vor Gott und K. M. verantwortlich, wan man die ordnung, so yetz in den Clöstern und Stifften gengig, widerumb in den brauch der ersten kirchen, so vil müglich und leidenlich, revociert und erneweret.

Dann, nachdem das Studieren und lernen in göttlicher gschrifft on lust und willen des gmütes, auch besonder on hilff göttlicher gnad und gab des heiligen geists nymmer recht faseln wil, So haben die frummen gelerten bischoff der ersten kirchen ein solliche ordnung des Studii auffgericht, das erstlich das gmuet und hertz mit dem gsang geistlicher psalmen erlüstigt wurd, darauff die lection des fürgenommenen Capitells aus der bibell gevolgt und entlich mit bitten und orationen, darin der HERR umb gnad und verstandt angerufft, beschlossen.

Aber dise fein, bequemliche und geschickte ordnung zustudieren ist also gar durch die gleissnerey des babstums und durch einmengung der heiligen legenden, auch anderen gleissnerischen zuleoen zerrüttellt, das sie nit für ein ordnung des Studii in der heiligen gschrifft, Sonder für ein solcher gotsdienst gezeelet worden ist, dardurch man die Sünd vor gott versüne und das ewig leben verdiene, welches doch nichts anderst ist, dann den tod Christi, so allein unserer Sünd gnugthuung ist, mit eignerdachter gleissnerey verkleinen. Hierumb wollen wir widerumb die ordnung der ersten kirchen in Stifften und Clöstern besehen und darauff so vill unser zeit gelegenheit gedulden mag, erlesen. Und ist nemlich also gehalten worden.

Ab Septuagesima, das ist vom Sibentzigsten tag an vor Ostern bis auff den Sontag Judica hatt man in der kirchen gelesen ordenlich nach einander von Capitell zu Capitell die fünff bücher Mosi. Von dem Sontag Judica biss auff den grünen donnerstag den propheten Hieremiam. Auff den grünen donnerstag und nachfolgenden freytag und Sambstag Lamentationes Hieremise mit etlichen Capitelln auss der epistell ad Corinthios und Hebraeos gezogen. Von dem achten tag nach Ostern biss auff den achten nach pfingsten Apocalypsin, Actus Apostolorum et Epistolas Canonicas. Von dem achten tag nach pfingsten biss auff den ersten tag des augstmonadts die bucher der konig und der Chronick, genant Paralipomenon. Von dem ersten tag des augstmonadts biss auff den ersten tag des berbetmonads die bücher Salomonis. Von dem ersten tag des herbstmonats biss auff den ersten tag des weinmonadts Hiob, Thobiam, Ester und Esdram. Vom ersten Sontag octobris biss auff den ersten Novembris das buch Machabaeorum. Von demselben an biss auff den ersten Decembris Ezechielem, Danielem und die kleinen propheten, In dem Christmonadt biss auff weyheunacht den propheten Esriam. Vom ersten Sontag nach weyhennacht biss ad septuaresimaeum hatt man gelesen epistolas Pauli, also das in einem Jar üe gantz Bibel aussgelesen worden, Doch mit diser ordnung, wie noch zun teill in Stifften und Clöstern scheinlich, das in der motten nivor zur erhebung und erlustigung des hertzen gegen gott ettlich Psalmen gesungen und darnach ein Capitell oder zwey gelesen, entlich aber mit bequemlichen orationen beschlossen werden.

Dweill aber dise der allten ordnung gar in ein unordnung, ja in ein vergess gedyen, möcht man sie Christenlicher weyss also ernewern und bessern, das man am newen Jarstag in den Stifft oder Clöster zu lesen anfienge die funff bucher Mosi, Josue, Judicum und Ruth, und lese daran biss auff den Palmtag allen tag on geferd drey capitell, zwey zur mettin und das überig zur prim, tertz, sext und Non. Von Ostern biss auff den ersten tag Julii die bucher der konig und Paralipomenon. Von dem ersten tag Julii bis auff den Augstmonadt die zwey bucher Esdrae, Ester, Hiob, Proverbia Salomonis, Ecclesiastes, Cantica canticorum. Von Augusto biss auff den September den propheten Esaiam. Von Septembri biss auff den Octobrem Hieremiam. Von octobri biss auff den Novembrem die propheten Ezechielem und Danielem. Von novembri biss auff den decembrem die zwelff klein propheten. Von decembri biss auff den newen Jartag möcht man lesen Libros Apocryphos, welche seyen Baruch, die zwey letsten bucher Esdrae, Thobias, Judith, Sapientia, Ecclesiasticus und Machabaeorum. Wie woll dise bucher darumb Apocryphi hoc est absconditi genant werden, das sie nitt in der kirchen offenlich, sonder daheim in einer still wie ander historien und leerbucher, so doch kein autoritet die warheit zubeweren haben, gelesen mögen werden; Darumb das man ein eigentliche anzeigung hab, welche bucher biblisch seyen, so mag man die libros Apocryphos auss der kirchen lassen und den monadt decembrem in die andern einteilen.

Dise bucher sollen aber in der ordnung wie vorhin angezeigt gelesen werden, das im anfang der mettin drey oder vier psalmen nach ordnung des psalterii biss an das end des gantzen psalters und hernach widerumb fornen angefangen nach ertlicher Christlicher Antiphonen, darzu sonderlich erlesen, tonen gesungen werden, dann von psalmen schreibt Paulus also: Redent under einander von psalm und lobsengen und geistlichen lieder, Singet und spilt dem herrn in ewern hertzen. Auff die psalm soll volgen die Lection des fürgenommenen Capitels auss der bibell, Und so dasselb biss auff das end gelesen, mag darauff ein Christenlich responsorium gesungen werden. Nach welchen folgen soll die lection des andern fürgenommenen Capitels, beschlossen mit dem psalmen Benedictus oder Te deum laudamus, auch Christenlicher orationen hierzu bestimpt und ausserlesen.

Für die prim, Tertz, sext und Non soll aber ein mall ein Capitell, so nach der ordnung folgt, gelesen werden, angefangen mit psalmen und beschlossen widerumb mit psalmen oder orationen.

Zur Vesper und Complet mögen verordnet werden die Epistola Pauli und andere Epistell im newen testament begriffen, das alle tag ein Capittell gelesen wurdt mit vorgeenden psalmen und nachgeenden Magnificat sampt einer oration beschlossen. Und so die Epistell all nach ordnung aussgelesen seyen, sollen sie widerumb, es seye im Jar welche zeit es woll, fornen angefangen werden.

Es ist aber nit darmit aussgericht, so man die gantz Bibell liest oder lesen höret, Sonder sie will auch Christlich verstanden sein. Und ob woll der verstand der heiligen gschrifft einer Sonderlichen personen, so kein kirchenampt tregt, für sich selbs gnugsam hat, So wurdt doch an solchen personen, so zu der kirchen empter anerhallten werden, nit allein der verstandt, Sonder auch die kunst and gab, ander leut den selben verstandt zu leeren und zu underrichten erfordert, als Paulus schreibt: ein bischoff soll leerhafftig und mechtig sein zuermanen durch die heilsame leer etc. Demnach were es hoch nutzlich, das in einem Stifft oder Closter nach der vor erzelten ordnung angericht ein gelerter leser der heilig gschrifft bestellt wurd, welches ampt sein sollt, die Biblischen bucher nach Ir Ordnung under der Stund der teglichen mess fur das tagampt nach der prim ordnung in dem Chor des Stiffts oder Closters zu erkleren und nach müglichem fleiss ausszulegen. Dweill aber, wie vorhin angezeigt, zu dem verstandt auch die kunst zu leeren in einem geistlichen amptman erfordert wurdt, So were es aber ein mall sehr nutzlich, das nach mittag nitt in dem Chor der kirchen, Sonder an einem andern gelegen ort ausserthalb der kirchen ein lection gehallten wurdt auss der Rhetorica und de arte dicendi, Dann, so Paulus will haben, das ein bischoff leerhafftig sey, wie kan und mag dem selben volg gescheen, wan man die kunst zu leeren, welches ist Dialectica und Rhetorica, veracht und verseumet.

Und das were die ordnung der tag in der wochen. Aber an Sonntagen fur die Capitell auss dem allten testament mögen die vier Evangelisten Matthaeus, Marcus, Lucas, Johannes und Acta apoetolica verordnet und nach angezeigter ordnung nach einander gelesen werden, das also durch das gantz Jar die gantz bibell, alh und new testament, aussgelesen und in frischer gedechtnuss bebauten wurd. Aber für die ausslegung der heiligen gschrifft, so der Lector Theologiae alle tag in der wochen thut, soll am Sontag ein gmeine predig und communion nach Insatzung Christi gehallten werden, darmit die hungerigen Seelen beid speiss des wort gottes and nachtmalls entpfahen mögen.

Und nachdem das Iar von alten frummen Vaettern der ersten kirchen in mancherley festen aussgeteillt ist, nit der meinung, daß in den tagen vor gott der religion halben ein underschied zu machen sey, Sonder das im gantzen Jar zur underschiedenlichen zeit die artickell unsers Christenlichen glaubens ordenlich nach einander gelert und crklert wurden, So were es gut und nutzlich, das auff das fest der weyhen nacht zur Lection in der mettin und prim ordnung ettlich capittell auss dem allten testament von der geburt Jesu Christi bestimpt und hernach dem volk das Evangelion von derselben geburt gelesen und der artickell des glaubens (Geborn auss der heiligen Jungfrawen Marien) erklert wurd. Also fürt auff das fest Annunciationis Mariae der artikell des glaubens (Empfangen von dem heiligen geist). Auff die kar wochen: Gelitten under Pontio Pilato, Gecreutziget, gestorben und begraben. Auff den grünen Donnerstag mag man von einsatzung des Sacraments des nachtmals handeln. Auff ostern: Am dritten tag aufferstanden, auch von dem artikell urstend des fleischs; auff das fest der Himmelfart: Er ist auffgefaren gen Himmell und sitzt zu der gerechten gottis. Auff den pfingstag: Ich glaub in heiligen geist. Und dweill Christus dazumall seine Junger mit dem heiligen geist getaufft und alle volckern zu teuffen aussgeschickt hatt, so mag man die ptingstwochen von der tauff in der Kirchen singen und predigen. Auff aller heiligentag: Ich glaub ein gmeinschafft der heiligen etc. Dise ordnung wurd dabin dienstlich sein, das nit allein der festen artt erkent sonder auch die leer der artikell des glaubens in stetter übung bleiben wurdt.

Der klaidung und ornatt halben, so die Stifft personen im kirchendienst tragen sollen, ist wenig daran gelegen, welcherley weiss dasselb geschehe. So ist under den heiden und Christen bey den philosophis und studiosis allwegen die gewonheit gehalten worden, das zur zeit Irer versamlung zum disputieren oder Studio underschidung der klaider gehallten worden sein. Dweill nun die Stifft ordnung nichts anderst sein soll dann ein ordnung des Studiums in heiliger gschrifft, So bringt es kein nachteill, wan schon die kleidung der weysen Chorröck wie biss bisher gebraucht füro hin bleiben; nit das ain heiligkeit in das kleid zu setzen sey, Sonder das underschidlich ordnung zur einigkeit gehallten wurd. Aber dweill der babst sich gantz in das messgwand genickt hatt und sonst auch für sich selbs ein ungeschickt kleid erscheint, So wer es gut, das die kleidung des messgwands underblibe.

Zu dem, wie yetz und in den Stifften Dechan, Custos und Scholasticus, auch in Clöstern Prior, Supprior und andere officiaten verordnet seyen, also, wo die vorgeschribene oder dergleichen ordnung sollt angericht werden, müst man ettlich personen verordnen, so auss sammelhafftigem radt die fürgeschribne ordnung dispensirten oder administrirten, damit es mit den lectionen auss der bibell ordenlich, geschicktlich und verstentlich gehallten wurdt.

Und dises were vielleicht gnug für ein anfang, dann dweill der babst so lang in den Stifften und klöstern regiert hatt, möchtes woll gwaltiglich aber nit bestendiglich auff ein stutz gentzlich umbkeret und verwendet werden. So müssen wir den nachkommen auch etwas zuschaffen lassen, das wie David holtz und stein und allen werckzeug zum tempell bereitet, aber den auffbaw bevalhe der HERR unser Gott dem Salomon Davids Son: also wo es ye nit besser sein mag, uns benügen lassen an der bereitschafft des zukünfftigen baus der christenlichen kirchen, auff das die nachkommende den baw vollenden und volfüren.

Das möcht aber der rechtist und nützlichst baw oder ernewening der Stiffter und klöstern sein, So in einem gantzen fürstentham auss allen Stifften und klöstern zwey oder drey dahin nach abgang der yetzigen personen verordnet wurden, das man in einem yetzlichen insonderheit dreissig, viertzig oder mehr junger knaben oder Adolescentes auss allen schulen des gantzen fürstenthums nach Ires Ingeniumss geschicklickeit sonderlich erlesen aufferzöge und der massen versehe, das sie mit kostung bey einander nach Irer nodturfft versorgt weren, Auch in die selben Stifften oder klöstern Lectores bestellte, so in sprachen, in freyen künsten, in Theologia, auch Jurisprudentia taeglich lesen sollten; Das man auss den selben auffgewachsenen Jungen das ganz fürstenthumb mit Raethen, pfarrern, predigern, Statschreibern, schulmeistern und anderen empter mit der zeit versehen möcht. Aber von artickel zu artickel diser ordnung zu schreiben ist ytzund unnötig biss nach abgang der yetzigen Stifft und Clöster personen dise ordnung fürgenommen werden wöllt.

Quelle: Brenz, Johannes - Anecdota Brentiana

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