Bogatzky, Carl Heinrich von - Einleitung.

Bogatzky, Carl Heinrich von - Einleitung.

Es kann Niemand Gottes Vaterherz kennen, und mit ihm vertraut umgehen, der nicht zuvor sein eigenes, böses, sündliches Herz, und Christum, den Sündentilger, recht erkennet und sich also von Herzen zu Christo und durch Christum zu Gott bekehret hat.

Das Vaterherz Gottes ist voller Gnade und Erbarmung über unserem Jammer und Elend, wie kann ich nun erkennen, daß sich Gott auch über mich erbarmet, ja mir große Gnade und Barmherzigkeit erwiesen und mir viel vergeben hat, wenn ich mich nicht in meinem sündlichen Elend und Jammer erkannt und gefühlet, daß ich viel gesündiget, und daß ich die Erbarmung, Geduld und Langmuth Gottes nöthig gehabt, wie auch danach sehnlich verlangt habe?

Das Vaterherz Gottes ist nicht anders als in Christo uns wieder zugethan und offen, denn Christus hat durch seinen Tod und dadurch geschehene Versöhnung gemacht, daß das Herz Gottes, als eines strengen Richters, sich wieder gegen uns als ein erbarmendes Vaterherz beweiset. Wie kann ich aber Gott als meinen in Christo versöhnten Vater ansehen, wenn ich Christum nicht kenne und ihn angenommen habe, oder in ihm erfunden werde? Außer Christo ist keine Gnade, sondern eitel Zorn und Ungnade, ja außer Christo ist uns Gott ein verzehrendes Feuer, und wir erblicken an ihm kein Herz eines Vaters, sondern allerdings das Herz eines Richters, der das Böse strafen muß. Wie kann man aber Christum kennen lernen und zu ihm, als seinem Sündentilger, kommen, wenn man die Sünde nicht recht fühlet, und durch die Empfindung seiner Sünden und Seelennoth nicht zu Christo getrieben wird?

Niemand kann ja auch ohne den heiligen Geist Jesum seinen Herrn und so auch nicht von Herzen Gott seinen Vater nennen oder sein Vaterherz erkennen. Denn das muß allein der heilige Geist wirken, wie Röm. 8,14-16., wie auch 1 Cor. 2, 11-14. zu sehen ist. Ein unbekehrter, natürlicher und bloßer Weltmensch aber kann den heiligen Geist nicht haben, wie Christus sagt: Die Welt kann den heiligen Geist nicht empfahen (Joh. 14, 17.), solange nämlich die Welt Welt bleiben will, denn sie widerstrebet ihm ja. daß er nicht in sie kommen und in ihr wohnen und wirken kann; und da heißt es eben 1 Cor. 2, 14: Der natürliche Mensch vernimmt nichts vom Geiste Gottes; es ist ihm eine Thorheit, und kann es nicht erkennen, denn es muß geistlich gerichtet sein. Solche Menschen haben noch den Weltgeist und Sinn, und nicht den heiligen Geist; von den Gläubigen aber heißt es im 12. V.: Wir aber haben nicht empfangen den Geist der Welt, sondern den Geist aus Gott, daß wir wissen können, was uns von Gott gegeben ist. Da nun also bloß natürliche, unbekehrte Menschen nicht den heiligen Geist, den Geist aus Gott, sondern den Geist der Welt noch in sich wohnend haben, so können sie auch das Vaterherz Gottes nicht erkennen, noch Gott in der Wahrheit, durch das Zeugniß des heiligen Geistes, ihren Vater und sich seine Kinder nennen. Denn ob sie sich gleich auf ihre Taufe berufen, wo sie freilich sind zu Kindern Gottes angenommen worden und auch den heiligen Geist bekommen, so haben sie doch gar bald durch herrschende Sünden, durch Weltliebe und fleischlichen Sinn ihren Bund gebrochen und den heiligen Geist von sich getrieben, hingegen aber dem Weltgeist ihr Herz geöffnet, und da haben sie ja Gottes Gnade und Kindschaft oder das neue, geistliche Leben verloren, und können sich folglich so wenig auf die heilige Taufe berufen, als ein Deserteur oder Ueberläufer sich darauf berufen kann, daß er einmal zur Fahne geschworen, aber seinen Schwur und Eid nicht gehalten hat.

Hieraus stehet man, daß man nicht anders als in der Ordnung einer wahren, gründlichen Bekehrung, als ein Bußfertiger und Gläubiger Gottes Vaterherz erkennen und Gott seinen Vater in Wahrheit nennen oder das heilige Vater Unser beten könne.

Wer noch nicht seine Sünde, und zwar auch sein inneres, sündliches Elend und Verderben erkannt hat, der kann immer gar leicht Gott seinen Vater nennen und sagen: Vater Unser. Aber das geschieht nur mit dem Munde, ja mit einer Verwegenheit und Frechheit, da die armen Menschen bei allen ihren Sünden recht unverschämt sind und Gott wohl ihren Vater nennen, aber ihn doch nicht als ihren Vater ehren wollen. Daher unser Gott saget: Bin ich Vater, wo ist meine Ehre? (Malach. 1, 6.) Ja, es saget unser Gott von solchen unverschämten Menschen, daß sie eine rechte Hurenstirne hätten, wie es Jer. 3, 4. 5. beißt: Du hast eine Hurenstirne, du willst dich nicht mehr schämen und schreiest gleichwohl zu mir: Lieber Vater, du Meister meiner Jugend. Willst du denn ewiglich zürnen und nicht vom Grimm lassen? So können die sichern Menschen, sonderlich in der Noth, wohl zu Gott schreien, und das Wort „Vater“ leicht über ihre Zunge springen lassen; aber die wahren, bußfertigen Seelen, die ihr tiefes Verderben recht fühlen, können in ihrer Buße und Bekehrung nicht bald oder nicht so leicht von Herzen Vater sagen, sondern fühlen da erst ihren Unglauben, ihre Furcht und Zaghaftigkeit. Denn da sie an ihnen nichts als Sünde und Unwürdigkeit sehen, so kostet es manchen Kampf, ehe sie recht durchbrechen und Gott von ganzem Herzen mit rechter, vom heiligen Geiste gewirkter Zuversicht des Herzens ihren in Christo versöhnten Vater nennen können. Das erfahren alle bußfertige Seelen. Wenn sie vorher in ihrer Sicherheit und Blindheit noch so vielen falschen Glauben und selbstgemachten Trost gehabt und daher die ersten Worte des heiligen Vater Unsers ganz leicht hersagen können, so ist es doch hernach ganz anders, wenn sie recht ihr sündliches Verderben fühlen und die Sünde in ihnen recht sündig oder mächtig wird, und sie nicht mehr bloße Worte mit dem Munde machen, sondern recht von Herzen mit Gott reden wollen.

Also können unbußfertige Menschen die Eingangsworte des heiligen Vater Unsers, ja keine einzige Bitte recht von Herzen beten, sondern machen nur bloße, leere Worte, und beten wohl wider sich selbst.

Sie beten mit dem Munde: Vater Unser, und haben doch kein kindliches Herz zu Gott, das ihn ehret, fürchtet, liebet und ihm gehorsam ist. Sie haben auch keine wahre Liebe zu andern Kindern Gottes, und ist das Wort Unser, da es scheinet, als beteten sie auch für Andere, auch nur ein bloßes Lippenwerk.

Sie beten: Vater Unser, der du bist im Himmel, und haben doch gar keine zum Himmel gerichteten Sinne, sondern gehen oft vom Morgen bis in die Nacht in das Irdische.

Sie beten in der ersten Bitte: Geheiliget werde dein Name, und sie schänden und verunehren doch durch ihre Sünden den Namen Gottes, und geben seinem Namen nicht allein alle Ehre, sondern suchen nur ihres Namens Ehre, suchen nur einen großen Namen und Ruhm in der Welt zu haben, und haben da ihren Lohn dahin.

Sie bitten in der andern Bitte um die Zukunft des Reiches Gottes, und leben und dienen doch leider in dem Reiche des Satans.

Denn welche der Sünde dienen, die dienen auch dem Satan, und sind der Sünde und des Satans Knechte. Sie lassen Gott nicht sein Reich in ihren Herzen einnehmen, und darin herrschen, sondern lassen noch den Weltgeist in ihnen wohnen und regieren. Und um die Mehrung und Ausbreitung des Reiches Gottes bei Andern bekümmern sie sich auch nicht, sondern helfen es wohl durch unrichtige Lehre und unheiligen Wandel eher verhindern, als vermehren.

Sie bitten in der dritten Bitte um die Vollbringung des göttlichen Willens, sind aber doch voller Eigenwillen, ja halten den für ihr Himmelreich, und wenn Gott ihnen durch den Sinn fährt, und ihrem bösen Willen widerstehet, so ist nichts als Murren und Ungeduld da.

Sie bitten in der vierten Bitte, mit dem Munde nur, um das tägliche Brod, aber sie sind nicht zufrieden mit dem, was da ist, und Gott ihnen täglich gibt, sondern denken weit hinaus, und wollen Alles also bald, gegenwärtig und sichtbar, vollauf haben, daß sie Gott nicht täglich dürften in die Hände sehen, und von ihm Alles gläubig erwarten. Und da sie beten, unser täglich Brod gib uns heute, so betet der Mund, daß Gott auch Andern ihr tägliches Brod und leibliches Gut gebe, und das Herz ist doch über der Andern leiblichem Gut neidisch und mißgünstig; ja die gar frechen Sünder strecken wohl gar die Hand danach aus, und stehlen es, oder betrügen doch ihren Nächsten im Handel und Wandel, und auf vielerlei andere Weise. Mit dem Munde beten sie, daß Gott auch dem Nächsten die Nahrung seines Leibes gebe, und ihr Herz und Hände wollen es ihm entziehen. Ist das nicht ein greuliches, heuchelhaftes Gebet? Und wer bedenkt das?

In der fünften Bitte beten sie: Vergib uns unsere Schuld, als wir vergeben unsern Schuldigern. Und sie wollen doch ihren Feinden und Beleidigern nicht vergeben; da beten sie ja wider sich selbst, und haben daran ein gewisses Kennzeichen, daß Gott auch ihnen ihre Schuld nicht vergeben wird.

In der sechsten Bitte beten sie, daß sie Gott nicht in Versuchung führe, und sie stürzen sich selbst hinein, da sie nicht die Gelegenheit meiden, wo sie können versucht werden; ja sie erregen oft mit allem Fleiß durch Dieß und Jenes ihre böse Lust, dadurch sie zur Sünde gereizet und gelocket werden, und auch hernach oft in äußerliche Sünde, Schande und Laster fallen. Sie erregen ihren Geiz oder ihre Hoffahrt, erlaufen und erkaufen sich einträgliche Dienste, oder größere Ehrenstellen und Titel, haben da noch nicht genug an der innern bösen Lust, die sie versucht, und zu Geiz, Hoffahrt oder andern Sünden reizet, und die brennende Begierde als ein Feuer aus der Hölle aufbläset, sie kaufen sich so zu sagen noch mehr Holz und Stroh, daß dieß Feuer nur größer wird, daß ihre Sünden, ihr Stolz, Geiz und Ungerechtigkeit noch stärker werden, und doch beten sie: Führe uns nicht in Versuchung , wissen aber wohl selbst nicht, was sie beten.

Sie bitten in der siebten Bitte um die Erlösung von dem Uebel, und fliehen doch nicht das größte Uebel, und die Quelle alles Uebels, die Sünde, sondern lieben sie, und halten wohl das vielmehr für ein Uebel, wenn sie ihre sündlichen Lüste nicht ausüben sollen.

Sie sagen endlich mit dem Munde: Dein ist das Reich, die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit, Amen. Aber das Herz weiß und erfähret Nichts von dem Reiche, von der Kraft und der Herrlichkeit Gottes, und hat auch keine Gewißheit oder Freudigkeit, daß Gott erhören werde, daß sie ein recht gläubiges Amen sprechen könnten.

Solcher Gestalt wird das heilige Vater Unser täglich von so vielen tausend Personen nicht nur ohne alle Wahrheit, Andacht und Inbrunst, sondern oft auch ohne Verstand und Nachdenken, aus bloßer Gewohnheit nur mit dem Munde gebetet. Und es ist also wohl nöthig, daß dieß, was ich hier vorausgesetzt habe, von solchen Menschen zu ihrer Prüfung wohl bedacht werde, damit sie nicht länger durch solches Gebet, das die Schrift nur ein Geplapper nennt, das heilige Vater Unser und den Vaternamen Gottes so mißbrauchen.

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