Ball, Ernst Friedrich - Ich weiß, dass mein Erlöser lebt!

Ball, Ernst Friedrich - Ich weiß, dass mein Erlöser lebt!

Predigt am ersten Osternachmittag über Hiob 19,25
von
Ernst Friedrich Ball,
evang. reformirter Pastor zu Rade vorm Wald.

Die Gnade unsers Herrn und Heilandes Jesu Christi, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.

Der Herr ist wahrhaftig auferstanden und Simoni erschienen! Das ist der frohe Ostergruß, womit die Emmaus-Jünger bei ihrer Rückkehr in Jerusalem von den Andern empfangen werden. Und sie dagegen erwidern diesen Jubel-Gruß und erzählen in freudiger Hast, was auf dem Weg geschehen, wie der Herr Jesus da zu ihnen gekommen sei, wie sie ihn aber nicht erkannt, wie er ihren Unglauben gescholten, die Schrift ihnen geöffnet habe, wie ihr Herz ihnen gebrannt habe, wie er zu ihnen eingekehrt sei, das Brot ihnen gebrochen habe, und da! da! fügen sie mit freudestrahlendem Auge und seliger Glaubsgewissheit hinzu, da erkannten, da sahen wir Ihn! Und nun beginnen wieder die Andern und erzählen, was dem Petro im stillen Kämmerlein oder auf einsamen Gange zu dem leeren Grab widerfahren sei, wie auch ihm der Herr erschienen ist, und - kurz, sie können allesamt nicht müde werden zu erzählen und sich erzählen zu lassen, dass der Herr lebe.

Das ist die Geschichte des ersten Oster-Abends und wem wäre sie nicht aus Lukas 24 ein längst bekannte, liebe und werte Geschichte? Aber, Geliebte, ist diese Geschichte auch unsere Geschichte? Haben wir auch heute, wie jene Emmaus-Jünger traurig oder sehnsüchtig von allen diesen Geschichten geredet, haben wir auch dem Herrn zugehört, wie er mit uns redete in seinem Wort, ihn auch genötigt: bleibe bei uns! ihn gebeten, bei uns einzukehren? Haben wir Abendmahlsgenossen namentlich in diesen Tagen mit dem Herrn zu Tisch gesessen? siebe, dann wird es auch heute Nachmittag ein frohes Grüßen unter uns geben, Einer wird es dem Andern nicht hastig genug zurufen können: Der Herr ist wahrhaftig auferstanden und auch mir erschienen! Der Eine wird erzählen: ich habe ihn erkannt unter der Predigt! Ein Anderer: und ich im stillen Kämmerlein! Und ich, da er mir das Brot brach im heiligen Mahl, jubelt ein Dritter, und wir Alle werden fröhlich jauchzen: Ich weiß, dass mein Erlöser lebt!

Ist es aber auch wirklich so? Ach, ihr glaubt es wohl, dass das wahrlich dann ein fröhliches Osterfest sein müsse, ihr begreifts, dass ich Euch keinen bessern Wunsch zum Fest bringen kann, als den, dass es so wirklich sein möge. Aber noch einmal: Ist es wirklich so? Das wollen wir denn mit einander noch näher untersuchen und wenn es sich dann wirklich so befindet, uns gemeinschaftlich freuen. Das gebe uns der Herr!

Text: Hiob 19, 25.:
Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“ Dies Wort, Geliebte, obschon vor mehr als dreitausend Jahren gesprochen, ist noch immer ein so frischer Ostergruß, als käme er erst heute aus einer vollen, osterfrohen Seele; dies Bekenntnis, freilich, wenigstens fünfzehnhundert Jahre vor dem ersten Ostermorgen geredet, ist doch so klar, so bestimmt, als hätte es einer der Emmaus-Jünger oder ein Petrus oder eine Maria Magdalene am Ostertag selbst gejubelt, es ist aus den ersten Blättern des Alten Testamentes, und doch liegt der frische Morgenduft des Neuen Testamentes so stark auf demselben, dass ein Unwissender es sicherlich im Neuen Testament und nur da suchen würde. Ja, so alt es auch ist, ich weiß nichts Neueres, Besseres Euch zum Fest zu bringen. Mögen wir es nur von Herzen heute so gut, wie Hiob vor Jahrtausenden, es nachsprechen können, dann sind wir selige Leute. Also das Osterbekenntnis:

Ich weiß, dass mein Erlöser lebt! Wir fragen

  1. was heißt das?
  2. wer weiß das?
  3. wozu nützt das?

I.

Der aufmerksame Bibelleser wird außer unserem Text noch manche andere Stelle im alten Testament gefunden haben, die so klar und bestimmt von dem erschienenen Heil in Christo redet, so neutestamentlich lautet, dass man unwillkürlich glauben möchte, nicht ein Patriarch oder ein Prophet hätte sie und zwar Jahrhunderte vor der Erfüllung geredet, sondern ein Apostel des Neuen Testaments. Ich erinnere nur statt aller andern Stellen an Jesaias 53. und frage, ob darin das Evangelium von dem Leiden und Sterben und Auferstehen unseres Herrn und Heilandes nicht mit der Klarheit und Bestimmtheit eines Evangelisten und Apostels verkündet wird? Aber wie ist das denn? Hat z. B. ein Jesaias, als er das frohe Weihnachtslied anstimmte: Uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben usw.; hat ein Hiob bei dem Ostergesang unseres Textes schon selbst für sich den ganzen Inhalt seines Liedes in der ganzen Tiefe und Höhe genossen oder vielmehr verstanden? Oder gilt vielleicht grade hierbei das Wort Petri, dass die Propheten selbst gleichsam in ihren eigenen Worten geforscht hätten, auf welche und in welcherlei Zeit deutete der Geist Christi, der in ihnen war, so dass sie, wie jeder andere Bibelleser, selbst wieder in den von ihnen geredeten Worten lernen und forschen mussten? Mag es, Geliebte, demnach unentschieden bleiben, wie klar Hiob in die Tiefe seines eigenen Wortes geschaut habe. Gottlob! wir schauen in dies große Wort, wie es die helle Mittagssonne des Neuen Testaments erleuchtet und fragen, was heißt das: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt.“

Da in diesem Bekenntnis jedes einzelne Wörtlein Zentner wiegt, so müssen wir jedes derselben näher erklären, und so wenden wir und zunächst zu dem Hauptwort: Erlöser.

Das hebräische Wort heißt Goel und kommt gar häufig in der heiligen Schrift vor. Es ist zunächst die Bezeichnung für einen Blutsverwandten. Nach dem mosaischen Recht nun war der nächste Blutverwandte seinen bedrückten oder verarmten Verwandten jede Hilfsleistung schuldig. War dieser z. B. selbst in Knechtschaft geraten, sein Goel musste ihn loskaufen; war sein Gut durch Schulden in fremde Hände gekommen, der Goel musste es ihm wieder auslösen, sein vergossenes Blut musste von diesem gerächt werden, und namentlich war derselbe verpflichtet, der blutsverwandten Witwen und Waisen Schutz und Schirm, Rat und Beistand, Versorger, ja sogar Gatte und Vater zu werden. Es wurde somit unter dem Worte Goel alles begriffen, was im weitesten und ausgedehntesten Sinne unser Wort „Erlöser“ in sich fassen mag.

Ihr begreift es nun, was das sagen will, wenn hier der Sohn Gottes, Jesus Christus, von einem Menschen Goel genannt wird. Er wagt es somit zu behaupten, Jesus sei sein Blutsverwandter, der verpflichtet sei ihn loszukaufen von der Knechtschaft, die Schulden für ihn zu bezahlen, sein verlorenes ursprüngliches Erbgut ihm wieder zu verschaffen, vor dem Mörder und seinen Nachstellungen ihn zu schützen, ihn zu versorgen, zu beraten, zu beschirmen, ihn zu lieben und gewissermaßen ihn wie ein Gatte die Gattin, wie ein Vater die Kinder zu betrachten und zu versorgen. Das sagt Hiob, und allerdings, er sagt nichts zu viel. Dies Alles und noch mehr hat der Herr gewissen Menschen versprochen. Paulus sagt: Er nimmt nicht die Engel an sich, sondern den Samen Abrahä nimmt er an sich, was eigentlich auch heißt: er ist nicht der Goel der Engel, sondern des Samen Abrahams. Auch hat ja der Herr Jesus, indem er Fleisch und Blut annahm, sich eben dadurch in eine Blutsverwandtschaft mit den Menschenkindern gesetzt, hat ferner allerdings den Menschen losgekauft und noch dazu nicht mit vergänglichem Golde oder Silber, sondern mit seinem teuren Blut, aus der Knechtschaft des Teufels, hat seine Schulden mit einem kostbaren Lösegeld bezahlt, sein im Paradies durch Adam verlorenes Erbgut wieder errungen, ihn aus der Hand des Mörders erlöst und versprochen, er wolle im vollsten Sinne des Worts sein Erlöser, sein Arzt, sein Versorger, sein Beistand, Rat, Schutz und Schirm, sein Vater sein, ja sich mit ihm verloben in Ewigkeit.

Und dieser Erlöser lebt! sagt Hiob. Jeder andere Goel lebte nur eine Zeit lang, und es konnte sich grade treffen, dass er eben dann starb, wenn der Bedrängte seiner am meisten bedürftig war. Aber dieser Erlöser lebt und lebt immerdar! Er war tot und siehe, er ist auferstanden und lebt nun von Ewigkeit zu Ewigkeit. Er lebt und hat jetzt sogar die Schlüssel der Hölle und des Todes. Er hat überwunden den Tod und den, der des Todes Gewalt hat, und ist der Toten wie der lebendigen Herr. Er lebt! ja um unserer Sünde willen ist er dahingegeben, aber um unserer Gerechtigkeit willen ist er auferweckt. Seine Auferstehung ist das Siegel, dass er alle Schulden bezahlt, Alles vollbracht hat, was zu tun, Alles erworben hat, was bedurft wird, dass er Alles überwunden und vertilgt hat, was uns schaden könnte. Er lebt, und nun singt man von ihm: Mein Fels hat überwunden der Höllen ganzes Heer; der Drache liegt gebunden, die Sünde kann nicht mehr mich durchs Gesetz verdammen, denn alle Zornesflammen hat Jesus ausgelöscht! Und wiederum: Tod, Sünd', Teufel, Leben und Gnad' Alles in Händen er hat; er kann erretten Alle, die zu ihm treten. Halleluja.

Aber ebenso wichtig, wie die bisher betrachteten Wörtlein, ist noch ein drittes, ein sehr kleines freilich, aber auch ein sehr wichtiges. Es kommt am Ende Alles auf dies Wörtlein an, es heißt, Mein. Ich weiß, dass mein Erlöser lebt. Hiob bekennt damit, der Erlöser, der da lebt, ist mein Erlöser, mein Blutsverwandter. Mir gehört er zu, ich bin sein Verwandter, er mein Goel. Mich, und nicht etwa bloß Andere, hat er aus der Knechtschaft erlöst und erlöst mich fort und fort; meine, wenn gleich noch so große, noch so viele Schulden hat er bezahlt, mein verpfändetes Erbteil löst er aus und setzt mich in den vollen Besitz desselben; mein Blut ist köstlich vor ihm geachtet, dass er mich vor dem brüllenden Löwen bewahrt; ja, mich behütet wie einen Augapfel, dass auch kein Haar von meinem Haupte kann fallen; mich liebt er, wie ein Vater sein Kind, ja, wie der Bräutigam seine Braut liebt. Er ist mein Versorger, Hirte, Arzt, Schutz und Beistand, Leiter und Führer, und ist dies alles so ganz für mich, als wenn er für mich allein in der Welt wäre; mag er auch noch andern zugehören, er gehört doch mir ganz, ungeteilt, so vollständig zu, dass ich alles an ihm habe.

Und endlich: ich weiß, dass mein Erlöser lebt. Es ist dies nicht etwa nur ein sogenannter frommer aber vergeblicher Wunsch: ach, dass er es wäre! nicht ein eitles Hoffen: es möchte doch wohl etwa so sein! nicht ein zweifelhaftes Meinen: es konnte wohl sich so verhalten! nicht eine grundlose Einbildung: es sei wohl so! - sondern es ist ein Wissen, ein gewisser und zuversichtlicher Glaube, der nicht zweifelt an dem, was er nicht sieht, ein Gewiss sein dieser Sache. Er weiß es, so gewiss er weiß, dass er ein Mensch, dass er ein armer Sünder ist, dass er verloren ist ohne Christus. So gewiss er weiß, dass eine Sonne am, ja, ein Gott im Himmel ist: so gewiss weiß er auch, dass sein Erlöser lebt. Der Herr ist wahrhaftig auferstanden, ich weiß, dass mein Erlöser lebt! so lautet der frohe Ostergruß, und nicht wahr, nun verstehst du wenigstens in etwa, was das heißt?

II

Aber wer weiß das? lautet unsere zweite Frage. Ja, wer weiß das, dass der Herr Jesus sein Erlöser ist und ihn von aller Gewalt dos Teufels und aller Schuld der Sünde erlöst hat - wer weiß das? Jedermann! antwortet die Welt das eine Mal; Keiner! antwortet sie ein anderes Mal, je nachdem es die Umstände grade mit sich bringen, und beide Male redet sie die Lügen, die sie von ihrem Vater dem Teufel gehört hat, der gerne den Einen einwiegt, er soll nur hübsch ruhig sein, Jesus sei Allerwelts-Erlöser und Seligmacher, folglich auch der Seine; der den Andern gern von dem Schaffen, dass er selig werde zurückhält, indem er ihm vorsagt, dass wisse so kein Mensch, ob er selig werde.

Nein, Jedermann weiß es wahrlich nicht, sondern nur allein diejenigen, welche es von dem heiligen Geist gelernt haben. Die Andern mögen höchstens wissen, dass ein Erlöser lebt, aber mehr auch nicht; sie mögen allenfalls auch wohl meinen, denken, hoffen, dass er ihr Erlöser sei, aber da fehlt noch viel, dass sie wissen, mit zuversichtlichem Glauben sagen können: ich weiß, dass mein Erlöser lebt.

Dass dies aber keiner wissen könne, ist eben so erlogen. Ein Hiob, jene Jünger, ein Paulus und so viele Gottselige seitdem haben es gewusst, haben es mit ihrem Blute bekräftigt, sind selig darauf gestorben, dass sie es gewiss wussten, dass auch sie einen Erlöser hatten.

Ja auch jetzt noch gibt's deren Gottlob! noch manche, die dies wissen und sollte ich mich irren, wenn ich sage, auch hier unter uns sind solche, die es Hiob aus vollem Herzen nachsprechen: Ja! ja! ich weiß, dass mein Erlöser lebt!

Siehe, bist du nicht einer von ihnen? Du warst früher ein großer Sünder, lagst in den Banden der Sünde, in dem festen Schlummer der Eigengerechtigkeit, aber der Herr ist dir erschienen, nicht sichtbar freilich, aber in der Kraft seines Wortes und Geistes, die Kraft seiner Auferstehung weckte dich auf, deine Sünden wurden dir aufgedeckt, wurden dir zum Abscheu, du schriest um Gnade, da kam er mit dem Troste seines Wortes, seines Geistes zu dir, vergab dir die Sünde, erlöste dich von ihren Banden und machte dich willig und bereit, ihm hinfort zu dienen. - Nun du weißt es ja an dem Wechsel, der mit dir vorging, an dem guten Werk, das in dir angefangen ist, dass nicht dich, sondern einen lebendigen Seligmacher zum Urheber haben muss, dass dein Erlöser lebt.

Und du?! In diesen Tagen noch warst du so trübe, so traurig, dein Herz so öde, so dürre, so kalt, deine Buße so verkommen, dein Glaube so schwach, deine Liebe so erstorben - aber heute? O wie ganz anders ist es geworden, nun bist du wieder so fröhlich, so gebeugt über deine Sünde, aber doch so fröhlich in seiner Gnade, so klein, so nichts in dir und doch so reich und selig in Ihm, dein Glaube ist aufgeflammt, wie ein glimmender Tocht, dem Öl zugegossen ist, dein Herz brennt wieder von Liebe, dein Gnadenleben blüht und grünt. O wie kann es anders sein, du weißt es an Allem, was du erfuhrst, an dem neuen Lebenshauch und an dem Frühlings-Odem, der durch dein Herz zog; du weißt es, dass dein Erlöser lebt. Du warst zum heiligen Abendmahl, du kamst, im Missfallen über dich selbst, hungernd und durstend nach seiner Gnade, fest und aufrichtig entschlossen, dich ganz Ihm zu verschreiben - siehe! da hat er dich erquickt und da, da, als nun das Brot dir gebrochen und gereicht wurde, als du die Worte hörtest bei dem dargereichten Brot und Kelche: „Das ist die Gemeinschaft seines Leibes, seines Blutes“ Da konntest du nicht zweifeln, dass er dir gewisslich geschenkt sei und er die zugehörte, und du sprachst und sprichst noch mit frohem Jubel: Nun weiß ich, dass mein Erlöser lebt.

Und du weißt es noch nicht und könntest es doch wissen, du arme, gebeugte Seele? Warum zweifelst du denn? was weinst du? Ich weiß ja, dass du Jesum den Gekreuzigten suchst. Nicht wahr, nach dem verlangst du, nachdem weinst du doch? Nun hast du denn nicht heute Morgen aus der Festgeschichte gehört, was der Engel sagt, wie er den nach Jesu weinenden und suchenden Weibern den Trost bringt, dass ihr, ja ihr Erlöser und Jesus lebe? Du bist traurig, wie die Jünger auf dem Wege nach Emmaus, und am Ende ist's auch bei dir nötig, dass Jesus zu dir sagt: O ihr Toren und trägen Herzen, zu glauben allem, das die Propheten gesagt haben. Wie oft haben es dir die Propheten und Apostel schon gesagt, dass Jesus dein, ja dein Erlöser sei! Bist du nicht ein Verlorener und ist dir nicht gesagt, dass Jesus grade gekommen sei, das Verlorene zu suchen? Bist du nicht ein leidtragender, dein Jesus selbst sagt, dass er selig sei und getröstet werden solle; ein geistlich Armer, dem er das Himmelreich, ein Hungernder und Durstender nach Gerechtigkeit, dem er Sättigung verspricht? bist du nicht ein Elender, den er ansehen will und hast du nicht ein zerknirschtes und zerschlagenes Herz, worin er zu wohnen verheißt? O was soll ich dir der ausdrücklichen Worte, worin dir, als wärst du mit Namen genannt, der Herr geschenkt wird, noch mehrere wiederholen! Sei nur nicht mehr so töricht und träge, zu glauben allem, was dir die Propheten und Evangelisten sagen. Mache es nicht, wie Thomas, der da sprach: ich will nicht glauben! Ja und ob du so sprachst, der Herr ist dennoch treu und sucht dich und lässt dich nicht, bis du, wie er, sprichst: Mein Herr und mein Gott! Ich weiß, dass mein Erlöser lebt! Dann weißt du es, du und alle, die mit dir den selbigen teuren Glauben überkommen haben, und dasselbige nicht aus Euch, sondern Gottes Gabe ist es.

III

Aber nun noch die dritte Frage: was nützt, was hilft das? Doch, Geliebte, ist das nicht eigentlich ein zweckloses Werk, diese Frage noch lange zu beantworten liegt es denn nicht am Tage, dass derjenige, der da weiß, dass sein Erlöser lebt, der sicherste, der glücklichste; reichste und wohlberatendste Mensch ist, ja dass eigentlich nichts kommen kann, was diesen Menschen betrüben und beunruhigen, was ihm schaden und verderblich sein könnte.

Sein Erlöser, sein Blutsverwandter, sein von Gott ihm selbst angeordneter Versorger, Rater, Helfer, Bürge, Vater und sogar Gatte ist - Jesus Christus, der Überwinder des Todes, des Teufels, der Hölle, der Herr Himmels und der Erde, der reiche, starke, allwissende, allgegenwärtige Gott und Heiland! Nun, was kann ihm noch schaden, was ihn noch betrüben, was ihm noch fehlen?

Du bist ein Sünder; das Gesetz will dich verdammen, der Teufel dich verklagen, dein Gewissen beißt und nagt in dir und redet dir von Fluch und Hölle und Zorn Gottes vor, da sagst du: Ja, das ist alles wahr, leider habe ich alle Gebote Gottes übertreten und derselben keins gehalten, bin auch noch immerdar zu allem Bösen geneigt, das tut mir von Herzen leid und beugt mich tief, aber ich weiß auch, dass mein Erlöser lebt, und der hat für alle meine Sünden vollkommlich bezahlt und mir aus seinem Grabe eine Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, mit der alle meine Sünden, alle meine Missetaten, alle meine Verdammnis bedeckt und getilgt ist, mitgebracht. Kein Fluch ist übrig blieben, die Quittung ist geschrieben, dass Alles sei bezahlt. Darum lobe den Herrn, meine Seele, der dir alle deine Sünde vergibt,

Du fühlst die sündliche Art, mit der du dein Leben lang zu streiten hast, du bist betrübt, dass du nicht so freudig glauben, so brünstig lieben, so treu wandeln kannst, wie du wohl möchtest; du bist leider so träge zum Gebete, zum Kampfe. So scheu im Bekennen, so ungeduldig im Leiden usw. Aber, sprichst du: ich weiß, dass mein Erlöser lebt, und somit gehst du zu diesem reichen Blutsverwandten, dass er deiner Armut mit seinem Reichtum aushelfe, zeigst, ihm deine Gebrechen und er heilt sie. Er hilft dir auch von dieser Not und lässt dich Gnade um Gnade aus seiner Fülle nehmen; ja bedeckt auch diese sündliche Art mit seinem vollgültigen Verdienst.

Du fühlst den geistlichen Tod, wie er immer und immer wieder dein geistliches Leben verschlingen will, wie er dich so gern einschläfern, erstarren, langsam töten möchte, du fühlst, dass du mitten im Tode liegst und von allen Seiten bedroht bist, - aber du sprichst: ich weiß, dass mein Erlöser lebt! und mit diesem Worte wirst du getrost, denn du weißt, dass er als dein Blutsverwandter dich auch vor diesem Mörder bewahren will, und dass die Kraft seines Lebens stärker ist als die des Todes; du hältst dich an sein Wort: ich lebe und ihr sollt auch leben.

Du zitterst vor der alten Schlange, vor dem alten Drachen, dem brüllenden Löwen, der umhergeht und sucht, welchen er verschlinge. Er konnte sich allerdings so leicht überfallen, ist er doch dein abgesagter Feind. Doch ich weiß, dass mein Erlöser lebt! lautet deine Losung, und dieser Erlöser ist stark und hat dieser Schlange den Kopf zertreten. Dieser Löwe aus Juda hat den höllischen Löwen überwunden; sei getrost, er wird dich schützen vor dieser Pestilenz und dich erretten aus der Hand dieses Bären, wie der Hirte David das Schaf seiner Herde errettete.

Aber du bist noch in der Welt, und ihr Dräuen wie ihr Toben, ihr Hass wie ihre Liebe ist gleich schrecklich und gefährlich, beides könnte dir schaden und dich verderben. Doch du weißt, dass dein Erlöser lebt und dass er gesagt hat: in der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden. Aller Zeug, der wider dich zubereitet wird, dem soll es nicht gelingen und alle Zunge, so sich wider dich setzt, sollst du in Gericht verdammen. Das ist das Erbe der Knechte des Herrn und ihre Gerechtigkeit von mir, spricht der Herr.

Oder du bist in dieser Welt von Gefahren, Nöten, von Verlegenheiten und Sorgen umgeben. Sie drücken und ängstigen dich wohl, aber du weißt, dass dein Erlöser lebt und damit weißt du genug. Du gehst zu Ihm hin und klagst ihm deine Nahrungssorgen, deine Kränklichkeit oder was es sonst ist, und er hat Hilfe. Du bist in Verlegenheit und Ratlosigkeit, du sagst ihm, du wusstest nicht, ob du rechts oder links gehen solltest, befiehlst ihm deine Wege, schüttest vor ihm dein Herz, deine Sorgen und Bekümmernisse, deinen Druck und dein Anliegen aus. Er ist ja dir das, was der Goel den Witwen und Waisen ist, dein Vormund, dein Rechtsbeistand, dein Rat, dein Versorger und ich meine, er könnte dies alles viel besser, als sonst je einer.

Stehst du am Grab der Deinen, einsam, verlassen hier in der Welt, das Herz von Trauer zerrissen: rufe es dir ins wunde Herz hinein, ich bin doch nicht verlassen, ich weiß ja, dass mein Goel lebt, mein nächster Blutsverwandter, und der ist alle Tage bei mir bis an der Welt Ende und ersetzt mir hundertfältig Weib und Kind, Vater und Mutter, Geschwister und Freunde. Wird dirs selbst hier in der Welt zu enge, bist du des Pilgerns müde, ist die Schulter unter dem Kreuzesbalken wund gedrückt, dass Knie lasch, die Hand matt, das Herz heimwehkrank - dann blicke gen Himmel und sage es dir vor: ich weiß, dass mein Erlöser lebt und er wird mich bald, bald erlösen, erlösen von allen Übel, aushelfen in sein himmlisches Reich, heimholen in sein Haus, aufnehmen an seine treue Brust. Ja, er wird mich erlösen aus dem Elend, aus dem Kampf, aus diesem Jammer und Tränen-Tal. Komm bald, komm bald, mein Goel und Erlöser.

Kommt dann endlich das letzte Stündlein und es will dann doch der Tod dich noch einmal schrecken, die Verwesung, das finstere Todestal erweckt dir Grauen, Gericht und Verdammung drohen auf Neue - o dann sprich noch einmal und zum letzten Male hienieden: ich weiß, dass mein Erlöser lebt! Er hat ja auch für mich den Tod verschlungen in den Sieg und ihm den Stachel genommen. Ich weiß, er wird ja seinen Blutsfreund nicht stecken lassen. Wo das Haupt ist, dahin kommen auch die Glieder. Seine Auferstehung ist das Pfand meiner seligen Auferstehung. Wer will verdammen? wer will beschuldigen? Ich weiß, dass mein Erlöser lebt! Und wie es dein letztes Wort, dein Siegesgesang hienieden ist, so ist es dein erstes Wort oben, das durch alle Ewigkeiten sich wiederholt: ich wusste es und jetzt sehe ich es, dass mein Erlöser lebt. Halleluja! und ich lebe mit ihm und bei ihm! Halleluja! Amen.

Nicht wahr, Geliebte, dass ist doch ein köstliches Wort, überall und in allem Anliegen zu gebrauchen. Es hilft in Sünd und Schuld, in Kampf und Streit wider Teufel und Welt, in Not und Tod. Nun, wer es denn hat unter uns, der halte, was er hat! Des ist uns wahrlich nicht nur für die paar Ostertage gegeben. Nicht nur heute, sondern alle Tage, so lange wir noch in diesem Mesechslande pilgern, sollen wir uns desselben freuen und mit ihm fröhlich unsere Straße ziehen. Es ist der Reisestab, auf dem wir uns täglich lehnen und stützen und mit dem wir alle unsere Feinde und ihre Anläufe ritterlich abwehren sollen. Will uns in der Wüste dürsten, dürsten nach Trost in der Hitze des Tages, in der Schwüle des Weges, dann schlagen wir mit diesem Stab an den Felsen und es quillt jedes Mal neues Wasser, frisches, labendes, des Trostes in reichen Strömen uns entgegen. Werden wir matt und verdrossen, wir stützen uns auf diesen Stab, und siehe, wir kriegen wieder neue Kraft, dass wir auffahren mit Flügeln, wie die Adler, dass wir laufen und nicht müde, dass wir wandeln und nicht matt werden. Ja, mit diesem Stabe endlich teilen wir den Jordan des Todes und gehen trockenen und leichten Fußes durch ihn hinein in das himmlische Kanaan. Darum werft diesen Stab nicht weg, die ihr ihr habt und halte Jeder fest daran, dass du ja weißt, dass dein Erlöser lebt.

Aber du weißt und hast dies noch nicht. Nun, vielleicht hast du doch heute Lust bekommen dies zu wissen? Ja, dann gib dich ans Sorgen und Fragen, ans Suchen und Forschen, und ruhe nicht eher, bis du es weißt, dass der Erlöser Jesus Christus auch dein Erlöser ist; bis du sagen kannst: Der Herr ist wahrhaftig auferstanden und auch mir erschienen. Suchst du den Gekreuzigten für deine Sünden mit Bußtränen, mit zerknirschtem Herzen, mit aufrichtiger Reue, so wirst du ihn, ja den Auferstandenen finden.

Ihr aber, die ihr sein nicht begehrt, auch heute nicht, nach allem dem, was ihr von ihm gehört, seiner nicht begehrt, die ihr auch heute wieder eben so gleichgültig seid, ob dieser JEsus lebt oder nicht, ob er Euch gehöre oder nicht, Euch sage ich nichts weiter, als: ihr habt kein Ostern! Ihr armen, armen Leute! Hoffentlich ist aber unter den Abendmahlsgästen, die heute Morgen hier erschienen, deren Keiner. Ihr habt, das wünsche ich uns allen, heute zum ersten Mal oder aufs Neue gelernt, dass wir auch haben ein Osterlamm, welches ist Christus für uns geopfert. Darum lasst uns denn heute und immerdar Ostern halten, nicht im alten Sauerteig der Bosheit und Schalkheit, sondern im Süßteig der Lauterkeit und Wahrheit, und jeden Tag aufs Neue es uns zurufen: Ich weiß, dass mein Erlöser lebt. Amen.

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