Johann Arnd - Die 7 Bußpsalmen - Psalm 6.

Johann Arnd - Die 7 Bußpsalmen - Psalm 6.

V. 1. 2.
Ach HErr, strafe mich nicht in deinem Zorn und züchtige mich nicht in deinem Grimm.

Das ist beides, Erkenntnis der Sünde und Abbitte der Strafe; wir können aber die Sünde nicht erkennen ohne Strafe und Züchtigung, so böse ist des Menschen Herz. Darum züchtigt uns GOtt, entweder innerlich an der Seele oder äußerlich am Leibe, auf dass wir unsere Sünde erkennen; und also wirkt GOtt die Buße in uns auch durchs liebe Kreuz, denn GOtt ist unserer Bekehrung und Seligkeit Anfang, Mittel und Ende.

Daraus lernet nun, zu welchem Ende uns GOtt züchtigt und straft, nicht zu unserm Verderben, sondern zu unserer Bekehrung und zu unserer Seligkeit. Wenn wir gerichtet werden, so werden wir vom HErrn gezüchtigt.

Also bekennt hier der liebe David, dass er ein Sünder sei und die Strafe wohl verdient habe, und lehrt uns Geduld; er bittet nicht, dass ihn GOtt gar nicht strafen wolle, sondern dass er ihn nur nicht in seinem Grimm und Zorn strafen wolle, das ist ewig verstoßen und verwerfen mit Leib und Seele. Wir sehen hier, dass GOtt auf zweierlei Weise straft. Einmal in Gnaden als ein gütiger Vater, wenn Er uns mit einem väterlichen Rütlein heimsucht, das anderemal im Zorn als ein gestrenger Richter, wenn Er die Ungläubigen und Unbußfertigen ewig verstößt. Es ist aber noch ein anderer Unterschied der Züchtigung GOttes, eine ist leiblich, die andere geistlich.

Wenn nun GOtt zeitlich straft, Leib, Gut und Ehre nimmt, die Seele aber ihren Trost und Hoffnung noch behält, so ist's doch alles eine gnädige Vaterrute, denn was fragt eine gläubige Seele nach Himmel und Erde, wenn sie GOtt behält; aber wenn GOtt die Seele angreift und lässt dieselbe Höllenangst empfinden und nimmt Seinen Trost hinweg, das ist der rechte Zorn GOttes und ein Vorschmack der Hölle, dafür der Mensch lieber alles zeitliche Kreuz leiden sollte. Wenn wir den ganzen Psalter durchsehen, so finden wir, dass David am allermeisten für seine Seele gesorgt und gebetet hat. Darum wehe allen denen, die für ihre Seele nicht sorgen, ihre Sünde nicht von Herzen erkennen, sich vor GOttes strengem Gericht nicht fürchten und um Gnade bitten! Wie können die Zuflucht haben zu Christo?

Wir lernen hier, dass wir alle Züchtigung und Strafe, sie sei leiblich oder geistlich, von der Hand des HErrn aufnehmen sollen. Es plagen uns nun der Teufel oder Menschen, so ist es des HErrn Strafe; darum sollen wir GOtt bitten, dass Er nur unserer Seele schonen wolle. Wir sollen all unser Kreuz, es sei, was es wolle, aufnehmen als von der Hand des HErrn.

Mel.: Herzlich tut mich verlangen.

Ach, HErr, mich armen Sünder
Straf nicht in deinem Zorn:
Dein ernsten Grimm doch linder,
Sonst ists mit mir verlorn;
Ach, HErr, wollst mir vergeben
Mein Sünd, mir gnädig sein,
Dass ich mag ewig leben,
Entfliehn der Höllen Pein.

V. 3. 4.
HErr, sei mir gnädig, denn ich bin schwach; heile mich, HErr, denn meine Gebeine sind erschrocken. Und meine Seele ist sehr erschrocken. Ach! du HErr, wie lange!

Im ersten Vers bittet David den HErrn um Zuwendung Seiner Gnade: HErr, sei mir gnädig, ist ein Glaubenswort, wie kann ich doch deinen Zorn ertragen, welcher ist ein verzehrendes Feuer. Ach, wer doch seine Schwachheit von Herzen erkennen könnte! Daran fehlt es noch vielen, denn der alte Adam will immer etwas sein und traut auf sich selbst, aber im Todbette lernt man dies erst recht: HErr, sei mir gnädig, denn ich bin schwach. Selig aber sind die, so in guten Tagen dies in ihren Anfechtungen lernen; denn wenn ein Mensch nicht dahin kommt, dass er seine Nichtigkeit fühlt, und in ihm alle fleischliche Kraft untergeht, so kann er nicht teilhaftig werden der Gnade GOttes; wenn aber der Mensch untergeht und zunichte wird in allen seinen Kräften, dann kommt die göttliche Gnade, Hilfe und Stärke.

Heile mich, HErr, denn meine Gebeine sind erschrecken. Die Sünde ist ein tödliches Gift, welches Leib und Seele vergiftet. Wer kann das heilen als allein GOtt, und dieser Schrecken ist ein Stück der Höllenangst, darum durchdringt sie alle Gebeine und alles was im Menschen ist. Deshalb ist GOttes Sohn Mensch geworden und hat die geistliche Heilung angerichtet. Er heilt uns an Leib und Seele durch Seine Menschwerdung, da Er die menschliche Natur wieder mit GOtt vereinigt als mit dem höchsten Gut. Er heilt uns durch Sein bitter Leiden. und Sterben, da wir durch Seine Wunden sind heil worden, durch Seinen heiligen Geist, der uns neu gebiert und mit Seinem Trost unsere verwundete Herzen heilt, durch Sein Wort und Sakrament, daran unser Glaube hängt, durch Seine fröhliche Auferstehung, dadurch er in uns lebt und siegt; davon werden auch unsere erschrockenen Gebeine, die der HErr erschreckt hat, wieder grünen. Christus hat an Leib und Seele gelitten, auf dass er das Schrecken unserer Seele und unserer Gebeine heilt. Christus hat es geheilt durch Sein Trauern, Zittern und Zagen am Ölberg, darum sollen wir beten: Ach, HErr, heile das Schrecken meiner Seele durch das Schrecken und die Traurigkeit deiner Seele, so du in deinem heiligen Leiden empfunden hast, und teile mir das Freudenöl mit, damit du gesalbt bist. Solch Gebet kommt nicht in unser Herz, wenn wir noch auswendigen Trost haben an den Kreaturen und an der Welt hängen. Darum nimmt GOtt der Seele oft allen ihren Trost und macht sie voll Schrecken und Betrübnis, auf dass sie sich sehne nach Seinem Trost, und also GOtt durch ein solch Sehnen und Verlangen Seinen Trost sende und die Seele heile. So wunderlich ordnet GOtt all unser Kreuz zu unserm Trost und zu unserm Besten. Ach, HErr, wie so lange! Wir sollen mit Geduld auswarten und GOtt die Zeit der Erlösung heimstellen. Ist nun Jemand, der innerliche Schrecken und Seelenangst leidet, der verzage nicht und gedenke an diesen 6. Psalm. Was schadet es dir, wenn du gleich in Höllenangst bist, ja in der Hölle selbst, wenn GOtt bei dir ist. Dass aber GOtt bei dir ist, merkst du daran, dass dich hungert und dürstet nach der Gnade GOttes. Der HErr führt in die Hölle und wieder heraus.

Mel.: Aus der Tiefen rufe ich.

Aus der Tiefen in die Höh
Ich dir, HErr, entgegenseh.
Ach, erhebe dich, mein GOtt,
Komm zu mir auch in der Not!

V. 5
Wende dich, HErr, und errette meine Seele, hilf mir um deiner Güte willen!

Wenn sich GOtt der HErr von einem Menschen abwendet und sich vor ihm verbirgt, das ist der Seelen höchste Traurigkeit, Marter und Pein, ja der Seelen Tod. Denn gleichwie die Seele des Leibes Leben ist, also ist GOtt der Seele Leben. Wenn sich nun GOtt der Seele entzieht, das ist der Seele Tod. Nun geht's aber mit dem Tode der Seele nicht zu, wie mit dem Tode des Leibes; denn wenn der Leib tot ist, so empfindet er keine Schmerzen, wenn aber die Seele ihr Leben verlieren soll, welches GOtt ist, da geht es nicht ohne Angst zu, weil die Seele unsterblich ist und dennoch sterben muss, wenn GOtt von ihr geschieden ist, oder wenn GOtt töten und in die Hölle führen will, so leidet sie die Schmerzen und Pein des geistlichen Todes; das ist ein Stück von der Hölle, das sind die geistlichen Leiden und der Seelen Angst. Denn GOtt ist der Seelen Leben, Licht, Trost und Seligkeit. Wenn nun GOtt weicht und das Alles hinwegnimmt, so kommt Tod, Finsternis und Traurigkeit in die Seele; denn das sind die Früchte der Sünde. Darum, wenn nun GOtt der HErr seine Gnade und seinen Trost entzieht, so ist die Seele in steter Traurigkeit und Angst. Denn wenn GOtt einen Menschen fallen lässt, so kann er nirgends hinfallen, denn in das höchste Elend. Außer GOtt und seiner Gnade, ist nichts, denn Herzeleid und Elend. In dieser Hölle ist auch die Seele des HErrn Christi gewesen in Seinem Leiden, da Er anfing zu zittern und zu zagen, und sprach: Meine Seele ist betrübt bis an den Tod, da Er mit dem Tode rang und blutigen Schweiß schwitzte, da Er rief: Mein GOtt, mein GOtt, warum hast du mich verlassen?

Da hat Sich GOtt recht von ihm gewandt, ja Er hat ihn verlassen und ihn die völlige Macht und Kraft der Sünde empfinden lassen und den gerechten Zorn GOttes wider die Sünde; denn denselben musste der HErr für uns tragen, wie die Epistel an die Ebräer spricht: Er hat für uns alle den Tod schmecken müssen, nicht allein den zeitlichen Tod, sondern auch die Macht des ewigen Todes. Einen solchen Tod, nämlich den Seelentod, lässt der liebe GOtt auch bisweilen die empfinden, welche er dem Ebenbilde Seines lieben Sohnes will gleich machen. Um eine solche Erlösung bittet nun hier der liebe David: „Wende dich, HErr, wieder zu mir und errette meine Seele!“ Als wollte er sprechen: Wie durch dein Abwenden meine Seele in den bittern Tod geraten ist, also wird sie durch dein gnädiges Zuwenden zu mir wieder aus der Hölle erlöst. Das ist nun die Erlösung von allem Jammer und Elend, wenn GOtt Seine Gnade wieder zu uns wendet und uns wieder erfreut und tröstet. Da lerne, du elender Mensch, was du in dir selber bist außer GOttes Gnade, nichts, denn Hölle, Finsternis und Tod, und verachte ja GOttes Grade nicht, die köstlicher ist, denn Himmel und Erde.

Mel.: Herzlich tut mich verlangen.

HErr tröst mir mein Gemüte,
Mein Seel rett, lieber GOtt,
Von wegen deiner Güte
Hilf mir aus aller Not.
Im Tod da ists ganz stille,
Da denkt man deiner nicht;
Wer will doch in der Hölle
Dir danken ewiglich?

V. 6
Denn im Tode gedenkt man deiner nicht; wer will dir in der Hölle danken?

David betet hier, dass ihn GOtt aus dem Tode und aus der Hölle erlösen wolle, und dasselbe nicht um Davids willen, denn er habe solches wohl verdient, dass Er ihn züchtige, sondern um Seines Namens Ehre willen, auf dass GOtt Sein Lob und Ehre behalte. Nun möchte Einer sagen, behielte denn GOtt Sein Lob und Ehre nicht, wenn Er uns gleich alle in die Hölle verstieße? Haben wir's nicht genug verdient? Er tut uns ja nicht unrecht. Ja, freilich behielte GOtt ewig Lob und Preis, wenn er uns gleich alle verstieße, und das wäre das Lob Seiner Gerechtigkeit, aber das Lob Seiner Barmherzigkeit wird Ihm dann gegeben, wenn Er uns aus der Hölle erlöst. Da GOtt der HErr das Volk vertilgen wollte, sprach Mose: Wo will denn dein großer Name bleiben? Um dieses Lobes willen, sagt David, hilf mir, nicht um meinetwillen. Aus diesem Spruch haben wir viel zu lernen: Wir sollen GOtt dem HErrn auch im Kreuz Sein Lob geben; GOtt tut uns nicht unrecht, wenn er uns straft. Auch wenn wir im Kreuze stehen, sollen wir allein auf GOttes Barmherzigkeit sehen, dass GOtt um derselben willen uns helfen wolle und wir Ihn dafür loben und preisen. Wir sollen auch hier lernen, wie viel dem Menschen an GOttes Lob und Ehre soll gelegen sein; ein Mensch soll lieber nicht leben, denn dass er GOtt nicht ehren und loben sollte. Warum hat dich Gott geschaffen, dir das Leben gegeben und dir alle Wohltat erzeigt, denn allein, dass du Ihn lieben, ehren und loben sollst? Wer das in seinem Leben versäumt, der hat das Höchste und Beste versäumt, und den Zweck seiner Schöpfung und Erlösung nicht erreicht. Einem angefochtenen Menschen tut die Strafe, ja die Höllenpein, nicht so weh, als dass er GOtt erzürnt hat, und GOtt Sein Lob mit den Heiligen und Auserwählten nicht geben kann. Das ist das schwerste verborgene Kreuz der betrübten Seelen, und wird auch das die Verdammten am meisten peinigen und quälen, dass sie GOttes Zorn und Ungnade ewig tragen müssen und dass sie GOtt in der Hölle nimmermehr loben können, noch sich Seiner Gnade trösten. Das ist der rechte Tod der Seele und der unsterbliche Wurm und das unauslöschliche Feuer. Denn in GOttes Lob ist die höchste Freude der Auserwählten; darum muss folgen, dass Das die höchste Pein der Verdammten sein muss, dass sie GOtt in der Hölle nimmermehr loben, noch Ihm danken können. Darum sollen alle Menschen in diesem Leben vor der Sünde erschrecken, als vor dem Bild des Satans und vor der höchsten Marter der Seelen. Denn das ist der edelste Gedanke, den ein Mensch in seinem höchsten Leiden haben kann, dass es ihm so herzlich wehe tut, dass er GOtt nicht so anrufen und loben kann, als er so herzlich gern wollte.

Mel.: O du Schöpfer aller Dinge.

Nun, was soll ich weiter sagen?
Ich will nun an meine Brust
Mit dem armen Zöllner schlagen;
Denn es ist dir wohl bewusst,
Dass ich hab gesündigt dir.
Ach, HErr, sei genädig mir!
Ich fall dir in deinen Armen,
Lass dich über mich erbarmen!

Ps. 6,6
Wer will dir in der Hölle danken?

Hier in diesem Leben verstößt GOtt nicht ewiglich; denn in diesem Leben ist die Zeit der Gnaden und der Tag des Heils, das soll kein angefochtenes Herz sich nehmen lassen. Darum ist in diesem Leben nicht die ewige Verstoßung, ob es dir auch also erscheint und du mit David sagen musst: Ich sprach in meinem Zagen, ich bin von deinen Augen verstoßen, so musst du es nicht verstehn von der ewigen Verstoßung, sondern von der zeitlichen. Denn so spricht David: Als ich also gedachte, ich bin von deinen Augen verstoßen, da hörtest du die Stimme meines Flehens; dies Klagen ist die Stimme deines Flehens, das GOtt hört, Siehe, das ist das kleine Fünklein, das noch in der Seele leuchtet, das immer GOtt gerne wieder näher kommen wollte mit beten, glauben und anrufen; und dass man das nicht tun kann, das tut einem schmerzlich wehe, dies Leiden ist die Stimme des Flehens, das GOtt erhört. Ja, wenn man auch in solchem Kreuz viel böse und schreckliche Gedanken als feurige Pfeile des Teufels leiden muss, so schadet es doch der Seele nicht; GOtt rechnet es ihr nicht zu, denn es ist nicht die Empfindung eines Tuns, sondern ein Schmerz des Leidens, das ist, solche böse Gedanken sind der Seelen Leiden, Angst und Wehetage, die erhört GOtt; denn dies ist auch die Stimme unseres Flehens in unserm Zagen. Darum, wenn man von solchen elenden Leuten diese Worte hört: ich bin von GOtt verlassen, ich bin von GOtt verstoßen, soll man sagen: ach, das ist deine Anfechtung. Aber leide sie eine kleine Zeit (wie der Herr Christus von GOtt eine kleine Zeit verlassen ward), es wird nicht ewig währen, es ist hier noch die Gnadenzeit, die Zeit der Erbarmung. Jetzt ist der Tag des Heils. Was aber GOtt dort verstößt, nach der Zeit, das ist auch ewig verstoßen. GOtt führt hier in die Hölle und wieder heraus in der Zeit, die Er aber dort in die Hölle stößt, die führt Er nicht wieder heraus. GOtt führt nicht zweimal in die Hölle; die Er hier in die zeitliche Hölle führt, die erlöst Er auch wieder daraus, auf dass sie nicht in die ewige Hölle kommen; denn dies ist der Ofen des Elends, darin dich GOtt will auserwählt machen. Nimm ein Exempel: Christus unser HErr war auch in der geistlichen Hölle, da Er rief: Mein GOtt, warum hast du mich verlassen? Aber aus dieser zeitlichen Hölle erlöst Ihn GOtt der HErr, als Er hier in der Zeit die Höllenangst erlitten hatte. Er stieg darum hinab in die Hölle, dass Er die Hölle, die Er in Seinem Leiden überwunden hatte, zerstören wollte, als ein HErr und Siegesfürst über die Hölle. Also wird dich GOtt nicht zweimal in die Hölle führen, denn in Christo hast du die zeitliche und ewige Hölle überwunden. In Christo bist du ein Herr über Sünde, Tod, Teufel und Hölle. Wie du dem Bild Christi bist ähnlich worden, da du mit Christo sprachst: GOtt hat mich verlassen, also wirst du auch dem Ebenbilde seines Sieges gleich werden, und ein Herr sein des Teufels und der Hölle.

Mel.: Auf meinen lieben GOtt.

Da dann all unser Leid
Sich kehren soll in Freud,
Und wir werden zusammen
Preisen des HErrn Namen,
Befreit von allen Nöten,
Vor GOttes Antlitz treten.

Ps. 6,7
Ich bin so müde von Seufzen.

In diesen Worten ist die innerliche, geistliche Arbeit der Seele und des Herzens beschrieben, die da ringt und kämpft mit den hohen Anfechtungen, mit der Todesfurcht und Angst, mit den Schrecken der Hölle. Das ist eine schwere Arbeit der Seele, und weil die arme Seele aus eigenen Kräften dawider nichts vermag, so muss sie ohne Aufhören seufzen nach GOttes Gnade und Trost, und weil sie nun ein unaufhörlich Seufzen treibt, wird sie darüber müde und kraftlos. Denn die Seufzer sind die innersten Kräfte der Seele, so die Angst stets heraustreibt. Eine solche Seelen-Arbeit hat unser HErr JEsus Christus in Seinem Todeskampf und blutigen Schweiß getrieben am Ölberg, da er immer heftiger gebetet und geseufzt hat. Durch diese Seine Seelenarbeit hat der Herr JEsus unserer Seelen Seufzen geheiligt und gelindert, dass wir darunter nicht vergehn und verzweifeln. Denn dies sind die mühseligen Seelen, die Er zu Sich gerufen hat, die Er will erquicken, denn nach dieser Erquickung seufzen sie. Gleichwie man sich nun gegen leibliche Feinde wehren muss mit leiblichen Kräften und wider dieselben streiten, also muss die Seele ihre geistlichen Kräfte dranstrecken, wenn sie mit der Hölle und dem Teufel kämpft. Und weil die natürlichen Kräfte hier nichts helfen, sondern viel zu schwach sind, seufzt die Seele nach GOttes Kraft, ohne welche sie diesen Kampf nicht ausrichten könnte, und ob die Seele darüber müde und kraftlos wird, so wird doch GOttes Kraft nicht müde, denn Seine Kraft ist in den Schwachen mächtig, und Christus siegt in unserer Schwachheit, wie er gesiegt hat in Seiner Schwachheit, Leiden und Tod. Und wie Christi Leiden Seine höchste Stärke war, also ist der Christen Leiden auch ihre höchste Stärke; denn Christus leidet und siegt in ihnen. Hier sehen wir, was die rechte Buße sei, wie sie aus dem innersten Grunde des Herzens gehe; denn dies einige heftige Seufzen der Seele begreift das ganze Wesen der Buße, die schmerzhafte Reue der Seelen, den Glauben und das Verlangen nach GOttes Gnade, den Hunger nach der Gerechtigkeit in sich, daraus wir sehen, wie gar tief das Reich GOttes in unserer Seele ist, und in keinem äußeren Werke steht. Es sind des Menschen Seufzer nicht zu ergründen; denn sie begreifen zugleich Himmel und Erde, GOtt und die Welt, Gesetz und Evangelium, Zorn und Gnade, und tragen es Alles GOtt in einem Augenblick vor. Hier sehen wir, was eines Christen Leben sei, nämlich Buße und Tötung des Fleisches, nicht Augenlust, Fleischeslust und hoffärtiges Leben, das ist Alles der Welt und des Teufels Reich, darüber seufzt und jammert ein Christ; denn eines Christen Leben ist eine stete Tötung des Fleisches, eine Verleugnung und Hass seiner selbst, und ein inniglich Verlangen nach dem Reiche GOttes.

Mel.: Wie nach einer Wasserquelle.

Selig sind, die Leide tragen,
Da sich göttlich Trauern find't,
Die beseufzen und beklagen
Ihr und anderer Leute Sünd;
Die deshalben traurig gehn,
Oft vor GOtt mit Tränen stehn,
Diese sollen noch auf Erden,
Und dann dort getröstet werden.

Ps. 6,7
Ich schwemme mein Bette die ganze Macht und netze mit meinen Tränen mein Lager.

David spricht hier, er habe die ganze Nacht geweint, und nicht einmal, sondern oft, dass wohl sein Bette hätte können mit Tränen gewaschen werden. Wenn sich der Geist des Menschen ergießt, beides in Reue und Glauben, oder Liebe und Freude, so werden so große Ströme daraus, sagt der HErr Joh. 7,38, beides, geistlicher Trauertränen und geistlicher Freudentränen. Das meint hier David: Ich schwemme mein Bette die ganze Nacht; denn er redet nach dem Geist, welcher in seinen Affekten, wenn ihn GOtt entzündet, nicht zu begreifen ist. Wenn der Geist weint, so möchte Alles von Tränen zerschmelzen, wenn aber der Geist sich freut in GOtt, so ist ihm Himmel und Erde viel zu klein, und kann ihn nichts fassen, denn die unendliche Gottheit; er hat nirgend seine Genüge, denn an GOtt. Darum sieht man hier den rechten Ernst des lieben Davids, wie er so herzliche Reue gehabt hat über seine Sünde, als wollte er sagen: Ach! wenn's möglich wäre meinem Leibe, wie es wohl in meinem Geiste ist, so wollte ich, dass ich weinen könnte, dass mein Bette darin schwimmen könnte. Ein solcher Wunsch und Wille ist vor GOtt die Tat selbst; denn GOtt bewegt den Geist, und ein solcher Wille ist das Gewicht aller äußeren Taten, sagt Luther. GOtt urteilt alles nach dem Herzen. Darum so groß, als du gern wolltest, dass deine Reue über deine Sünde, dein Glaube, deine Liebe sein sollte im innersten Grunde, so groß sind sie vor GOtt; denn GOtt sieht nicht die Werke an, sondern das Herz. Und damit der liebe David ferner andeute, dass seine Tränen nicht Heucheltränen seien, nennt er die Zeit, nämlich die Nacht, wenn er allein ist. Denn solche Tränen lassen sich nicht gerne sehen, sie sind GOtt am Besten bekannt; denn die hohen Anfechtungen und geistliche Traurigkeit plagt die Seele am allermeisten des Nachts, da man des Trostes wartet von einer Morgenwache bis zur andern. Da kommen dann die Tränen, damit man das Bette netzt, da vergeht einem aller Welt Lust, da erkennt man recht die Torheit und Eitelkeit dieser Welt, darüber man wohl heiße Tränen weinen möchte, da erkennt man, was die Welt ist mit all' ihrer Lust und Herrlichkeit, denn die Sünde und der Zorn GOttes macht Alles zunichte. Darum will uns David also anreden: ihr blinden Weltkinder, ihr liegt mit guter Ruh' auf weichen Betten, bekümmert euch nicht groß über eure Sünden. hättet ihr gefühlt, was ich gefühlt habe, und bedächtet eure Sünden recht, ihr würdet eure schönen Betten mit Tränen waschen! Summa: David lehrt uns hier, dass alles Fleisches Wollust und Herrlichkeit mit heißen Tränen zu beweinen sei.

Mel.: Meinen JEsum lass ich nicht.

Nicht nach Welt, nach Himmel nicht
Meine Seele wünscht und stöhnet,
JEsum wünscht sie und sein Licht,
Der mich hat mit GOtt versöhnet,
Der mich freiet vom Gericht,
Meinen JEsum lass ich nicht.

Ps. 6,8
Meine Gestalt ist verfallen vor Trauern, und ist alt worden; denn ich allenthalben geängstet werde.

Dies ist die Schilderung der hohen geistlichen Traurigkeit, die man im höchsten Grade bei unserm HErrn Christo sieht, da Er um unserer Sünde ist gestraft worden; wie haben unsere Sünden Seine schöne Gestalt so kläglich, so abscheulich gemacht, wie er darüber im 22. Psalm klagt, und Jesaias 52,14. „Weil Seine Gestalt hässlicher ist, denn anderer Leute, und Sein Ansehen, denn der Menschenkinder.“ An uns selbst haben wir davon ein Beispiel, wie die Sünde, das tödliche Gift, unsern Leib zunichte macht, dass wir veralten wie ein Kleid und verschleißen wie ein wollen Tuch, dass wir wohl sagen mögen, unser Leben sei ein stetes Sterben, bis dass alle Leibes- und Lebenskräfte verschwinden. Darum nennt auch Paulus diesen Leib einen Leib des Todes, daran das Gift der Sünde so lange frisst, bis er gar zerstört ist. Das macht dein Zorn, dass wir so vergehn. (Ps. 90.) Sonderlich aber geschieht das in hohen geistlichen Anfechtungen, denn der Zorn GOttes zerbricht alle Leibeskräfte. Daraus sehen wir, dass es nicht mit lachendem Munde zugeht, ernstliche rechtschaffene Buße tun, dass man keines Fleisches Wollust dabei pflegen kann. Es greift die innerliche Herzensbuße Leib und Seele und alle Kräfte an. Denn Buße muss aus allen Kräften Leibes und der Seele gehen.

Siehst du hier, wie deine und aller Welt Sünde den allerheiligsten Leib Christi, deines HErrn, durchsucht, zerrissen und zerbrochen hat, denn tut dies deine Sünde an deinem Leibe, was mag wohl aller Welt Sünde an dem heiligen Leibe Christi getan haben? Ängstigen dich deine Sünden allenthalben an Leib und an der Seele, wie David spricht: denn ich allenthalben geängstet werde, was muss denn deinem Erlöser von aller Welt Sünde wiederfahren sein?

Denn gleichwie die Sünde deinen Leib zerbricht und alt und ungestalt macht, also wird Christi Gerechtigkeit denselben am jüngsten Tage wieder mit Schönheit und Klarheit anziehen und ähnlich machen dem verklärten Leibe Christi. Hat deine Sünde so eine große Macht, dich zu peinigen, viel größere Macht hat Christi Gerechtigkeit, dich zu erfreuen, derer du dich von Herzen trösten sollst; denn Seine Gerechtigkeit ist viel größer, denn deine Sünde. Ist doch GOtt selbst deine Gerechtigkeit, ja Er ist dir alles, dein Leben und deine Seligkeit; Christus kann und will dich zu seiner Zeit viel höher erfreuen, denn dich alle deine Sünden betrüben können, du bist auch in Ihm ein viel größerer Gerechter und Heiliger, denn du in dir und Adam ein Sünder bist, Er gibt dir mehr. Gerechtigkeit, denn aller deiner Sünden ist; denn obgleich die Sünde uns hässlich macht, so macht uns doch Christi Gerechtigkeit herrlich und schön. Ps. 16,3. An den Heiligen, so auf Erden sind, und an den Herrlichen, an denen habe ich all mein Wohlgefallen. Wenn uns Christus schmückt mit Seiner Gerechtigkeit, das übertrifft aller Engel Gerechtigkeit, denn Christi Gerechtigkeit ist besser und höher, denn alle engelische Gerechtigkeit.

Eigne Melodie.

Christi Blut und Gerechtigkeit,
Das ist mein Schmuck und Ehrenkleid,
Damit will ich vor GOtt bestehn,
Wenn ich zum Himmel tu eingehn.

Ps. 6,9.10
Weicht von mir, alle Übeltäter! denn der HErr hört mein Weinen. Der HErr hört mein Flehen, mein Gebet nimmt der HErr an.

Das ist die erste Frucht der wahren Buße, nämlich die Absonderung von den Gottlosen, bei denen keine wahre Buße ist, nicht allein von denen, so öffentlich gottlos sind, sondern auch von den Heuchlern. Hieraus sollen wir lernen, wie gar tief das Reich GOttes verborgen sei vor menschlichen Augen; GOtt kennt es allein, es ist im Herzensgrunde. Hüte dich vor Allem, was einen großen Schein vor der Welt hat, oder du wirst betrogen; denn durch wahre Buße muss alles zunichte gehen, was heilig, weise und ansehnlich ist. Siehe, wer hätte das Reich GOttes bei den Propheten im alten Testament, und bei den Aposteln, ja bei Christo selbst gesucht, was waren es für verachtete Leute vor der Welt! Aber in ihrem Herzen war der himmlische Reichtum. Die nennt Christus seine Freunde und Brüder, die Ihm von Herzen anhangen, die andern nennt er Übeltäter. Ach! es muss alles unter die Buße und unter das Kreuz und das Joch Christi, was zum Reich GOttes gehört.

Die andere Frucht wahrer Buße ist Erhörung des Gebets. Der HErr hört mein Weinen, der HErr hört mein Flehen rc. Da zeigt sich der Glaube wieder in den bußfertigen Herzen, und blickt hervor, der zuvor so tief verborgen war, und geht das Licht wieder auf in der Finsternis und Freude den frommen Herzen. Hier sollen wir lernen, dass kein unbußfertig Gebet erhört werde. Es muss Alles, was GOtt gefallen soll, aus dem Glauben, aus der Liebe, aus wahrer Buße, aus einem zerknirschten Geist gehen. Die Opfer, die GOtt gefallen, sind ein geängsteter Geist; ein zerschlagen Herz wirst du, GOtt, nicht verachten. Siehe, was kann nun ein roher sicherer Mensch beten, der sein Elend und seine Nichtigkeit nicht erkennt und viel von sich selbst hält, und ist entweder geistlich oder leiblich hoffärtig in seines Herzens Sinn. Der betet nicht GOtt an im Geist und in der Wahrheit, das ist, in Erkenntnis seines Elends und in Zuversicht auf die lautere Gnade GOttes, denn das ist Geist und Wahrheit; sondern er betet sich selbst an im fleischlichen Sinne, in Betrug seines Herzens. Darum ist kein elender Mensch auf Erden, denn der sein Elend nicht recht erkennt. Denn bei dem ist kein Glaube und kein Gebet, das GOtt gefällt, darin doch der höchste Gottesdienst steht. Ja, ohne Buße ist keine Gnade. Wie könnte ein Mensch elender sein! Es hat dir der Hoffärtigen Gebet noch nie gefallen, sondern allezeit wendest du dich zu der Demütigen Gebet, sagt die fromme Judith. Merkt doch, was hier steht, was das Gebet für Kennzeichen habe, woher es kommen muss, wenn es GOtt gefallen soll. „Der HErr hört mein Weinen“ rc. Hier lerne, wobei ein bußfertig Herz merken kann, dass sein Gebet erhört ist, dass es auch mit David sagen kann: „Der HErr hört mein Weinen“ rc. An der gnädigen Verheißung GOttes, die gewiss, wahrhaftig und ewig ist. Denn dies Wort steht Ps. 102,18. „Er wendet sich zum Gebet der Verlassenen und verschmäht ihr Gebet nicht.“

Mel. Auf meinen lieben GOtt.

Hast du viel Herzeleid
In dieser bösen Zeit,
Und musst dich lassen plagen,
Sollst du drum nicht verzagen.
Wenn du wirst fleißig beten,
Wird dich GOtt wohl erretten.

Ps. 6,10.11
Der HErr hört mein Flehen, mein Gebet nimmt der HErr an. Es müssen alle meine Feinde zu Schanden werden und sehr erschrecken, sich zurückkehren und zu Schanden werden plötzlich.

Es steht geschrieben Jesaias 57,15: Ich wohne im Himmel und im Heiligtum, und in den zerbrochenen Herzen. Bist du nun also elend in deinem Herzen, so ist dein Gebet gewiss erhört, daran zweifle nicht, GOtt wird dir nicht lügen. „Ja,“ sprichst du, „ich finde gleichwohl noch keinen Trost und Zeichen in meinem Herzen, ich bin noch gleich traurig und kann mich nicht erfreuen in GOtt und von Herzen trösten.“ Antwort: das schadet dir gar nichts, du musst nicht auf dein Herz und Sinn sehen, und aufs Fühlen und Empfinden, besonders in großer und hoher Traurigkeit, sondern siehe auf den Mund GOttes, der da spricht, dass Er der Elenden Gebet nicht verschmähe; das lass dir gewisser sein, denn dein eigen Herz und Sinn. Obgleich GOtt dir solches in deinem Herzen verbirgt und dich eine lange Zeit den Trost nicht empfinden lässt, so musst du doch Seiner Verheißung glauben, denn die Stunde der Traurigkeit ist noch nicht aus. Solches ist herrlich vorgebildet in den Kindern Israel, da Moses zu ihnen kam und wollte sie erlösen, und sagte ihnen den Trost vor, da hörten sie Mose nicht vor Seufzen und vor harter Arbeit. Also, obwohl der Trost oft vor die Tür deines Herzens kommt, so hörst du ihn doch nicht vor Seufzen und vor Traurigkeit, bis die Stunde vorüber ist. Was sagt Hiob 10,13.: Ob du es gleich in deinem Herzen verbirgst, wenn ich zu dir rufe, so weiß ich doch, dass du daran denkst. Hier ist ein Gleichnis genommen von einem Vaterherzen; der lässt sich's nicht merken, dass er seines Kindes Rute sehe, hält sich hart gegen das Kind, aber unterdes jammert's ihn heimlich und muss doch daran gedenken. Wie auch solches abgebildet ist in Joseph, da er sich hart stellt gegen seiner Brüder Elend, und verbarg ihr Elend in seinem Herzen; aber er weinte heimlich, hielt sich aber so lange hart, bis sich seine Brüder vor ihm rechtschaffen demütigten. Wenn aber dieselbe Stunde vorüber ist, so kommt dann GOtt mit Seinem Troste wieder und erfreut Geist, Leib und Seele, das ist dann die Antwort GOttes, dass GOtt unser Gebet in unserm Elend lang zuvor erhört hat. Also musst du gewiss sein, dass GOtt dein Gebet in deinem Elend erhört, obgleich du es noch nicht empfindest; wenn aber der Trost kommt, der gewiss nicht ausbleiben wird, so wirst du mit David sagen: der HErr hört mein Weinen, der HErr hört mein Flehen, mein Gebet nimmt der HErr an.

Hier lernen wir, was eines wahren Christen Freude und Leben sei, dies einige Stück, dass GOtt sein Gebet erhört und gnädig ist. Die Weltkinder meinen, das sei das beste Leben, wenn sie reich, gesund und fröhlich seien. Ein Kind Gottes aber spricht: Ach! dass ich recht weinen und beten könnte und GOtt mein Weinen und Beten annehmen möchte, das sollte mein Leben und meine Freude sein. Und nun schließt der Psalmist damit, dass alle seine Feinde zu Schanden werden und sehr erschrecken müssen.

Eigne Melodie.

Auf meinen lieben GOtt
Trau ich in Angst und Not,
Der kann mich allzeit retten
Aus Trübsal, Angst und Nöten;
Mein Unglück kann er wenden,
Steht alls in Seinen Händen.

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