Albrecht, Ludwig – Einleitung zur Apostelgeschichte (Aposteltaten)

Albrecht, Ludwig – Einleitung zur Apostelgeschichte (Aposteltaten)

Außer dem Evangelium hat Lukas dem Theophilus noch ein zweites Buch gewidmet: Die Apostelgeschichte, deren alte Überschrift „Aposteltaten“ oder kurz „Taten“ lautet. In dem Buch treten aber nur zwei Apostel besonders hervor: in dem ersten Teil Petrus, in dem zweiten Teil Paulus. Zwei andere aus dem Kreis der Zwölf, die Brüder Johannes und Jakobus, werden nur beiläufig erwähnt, und Barnabas, ebenso wie Paulus ein Apostel für die Heiden (Apg. 13,2; 14,4; Gal. 2,9), begegnet uns nur in Gemeinschaft mit Paulus.

Nach der Einleitung in Kapitel 1 erzählt Lukas zunächst die Ausgießung des Heiligen Geistes am Pfingstfest (in Kap. 2) und gibt dann wichtige Tatsachen aus dem Leben der christlichen Gemeinde zu Jerusalem. Wir sehen hier Petrus als den Führer der Zwölf, und als den Ersten unter den Sieben der Gemeinde (6,3) den geistesmächtigen Stephanus, der in gewissem Sinn ein Vorläufer des Heidenapostels Paulus gewesen ist. Doch ehe Paulus nach seiner Bekehrung auf den Schauplatz tritt, werden in 8,4 bis 12,25 eine Reihe vorbereitender Ereignisse mitgeteilt: die Pflanzung der Kirche in Samaria durch Philippus, die Bekehrung der beiden ersten Heiden (des äthiopischen Großschatzmeisters und des römischen Hauptmanns Kornelius), die Gründung der aus Juden und Heiden gesammelten Gemeinde in der syrischen Hauptstadt Antiochia und die Flucht des Petrus aus Jerusalem nach dem Märtyrertod des Apostels Jakobus.

Mit Kap. 13 beginnt dann der zweite Hauptteil der Apostelgeschichte, worin uns die apostolische Wirksamkeit des Paulus vorgeführt wird: wir sehen das Evangelium, das schon vorher die Grenzen Judäas und Samarias überschritten hat, auf seinem Siegeslauf in der Heidenwelt und begleiten den großen Heidenapostel bis zu seiner Ankunft in der Welthauptstadt Rom.

Auf seiner ersten Wanderung wirkt der Apostel, von dem syrischen Antiochia ausgehend, auf der Insel Zypern und in verschiedenen Städten der römischen Provinz Galatien: in dem pisidischen Antiochia, in Ikonium, Lystra und Derbe (Kap. 13-14). Nach seiner Rückkehr wird in Jerusalem über das Heidenchristentum verhandelt (15,1-35). Auf seiner zweiten Wanderung (15,36-18,18) gründet Paulus Gemeinden in Mazedonien (in Philippi, Thessalonich und Beröa) und in Achaja (in Athen und Korinth). Auf seiner dritten Wanderung wird Ephesus in Kleinasien der Mittelpunkt seiner Tätigkeit. Von da reist er nach dreijährigem Aufenthalt (20,31) nach einem Besuch in Mazedonien und Achaja über Milet nach Jerusalem. Hier wird er gefangengenommen und kommt nach zweijähriger Haft in Cäsarea nach Rom, wo er trotz seiner Gefangenschaft volle zwei Jahre allen, die ihn besuchen, ungehindert predigen kann (18,18-28,31). Damit schließt Lukas scheinbar ganz plötzlich und unvermittelt sein Geschichtswerk ab. Aber hat denn seine Erzählung nicht ihr Ziel erreicht? Die Heilsbotschaft ist ja nun von Jerusalem bis in die Welthauptstadt Rom gelangt, und dies gibt die Gewähr dafür, dass sie auf ihrem Siegeslauf auch bis ans Ende der Erde (1,8) gelangen wird.

Wann hat denn Lukas die Apostelgeschichte geschrieben? Darauf antwortet die älteste Kirche: Lukas hat dies Buch in Rom am Schluss der zweijährigen Gefangenschaft des Paulus verfasst, und deshalb bricht er auch gerade bei diesem Zeitpunkt ab. Diese frühe Entstehung der Apostelgeschichte wird heute von namhaften Gelehrten verteidigt, und triftige Gründe lassen sich dagegen nicht vorbringen. Ich halte es auch für wahrscheinlich, dass Lukas die Apostelgeschichte schon im Jahr 60 n. Chr. am Ende der zweijährigen Gefangenschaft des Paulus in Rom geschrieben hat.

Woher hat aber Lukas den Stoff für sein Geschichtswerk bekommen? In den sogenannten Wir-Stücken (16,10-17; 20,5-15; 21,1-18; 27,1-28, 16; wahrscheinlich auch 11,28) redet Lukas deutlich als Augenzeuge und Teilnehmer der geschilderten Vorgänge. Aber auch die anderen Ereignisse in 16,10-28,31 hat er entweder miterlebt oder leicht erfahren können. Was er vor 16,10 über Paulus berichtet, verdankt er sicher der Mitteilung dieses Apostels. Aber auch für alles von Kap. 1-12 Geschilderte, dem Paulus selbst noch fernstand, hatte Lukas die besten Gewährsmänner. Denn er kannte ja die namhaftesten Männer der Gemeinde zu Jerusalem, die jene Ereignisse miterlebt hatten, besonders Jakobus, den ersten Bischof der Gemeinde, den ältesten der Brüder des Herrn, den Evangelisten Philippus, den Propheten Agabus (21,8-10.18), vielleicht auch den Apostel Petrus, sicher dessen vertrauten Schüler Johannes Markus (Kol. 4,10.14). So konnte Lukas über alles, was er von dem ersten Jüngerkreis zu Jerusalem berichtet, in jeder Hinsicht die zuverlässigste Kunde empfangen. Demnach ruht das Werk des Lukas in allen seinen Teilen auf durchaus sicherer geschichtlicher Grundlage. Und auch sonst ist es hoch zu schätzen. Der bekannte Theologe A. von Harnack urteilt: „Die Apostelgeschichte ist ein Kunstwerk, ja eine schriftstellerische Leistung ersten Ranges im Aufbau und im Stil.“

In welcher Absicht - so fragen wir endlich - hat Lukas die Apostelgeschichte geschrieben? Sie ist zwar zunächst dem uns unbekannten Theophilus gewidmet. Aber sie hat ohne Zweifel einen höheren, umfassenderen Zweck. Namentlich bei seinem Aufenthalt in Jerusalem (Apg. 21,17ff.) erfuhr Lukas, welche Schwierigkeiten zwischen den Judenchristen und den Heidenchristen bestanden. Er sah die tiefe Frömmigkeit der Christen in Judäa und lernte die Ursachen ihrer Vorurteile gegen Paulus kennen. In seiner Apostelgeschichte wollte er nun zwischen den beiden Teilen der Christenheit weise und liebevoll vermitteln. Die Gläubigen aus den Juden und aus den Heiden sollten einander besser verstehen lernen, und die Judenchristen sollten vor allem durch die Sprache der Tatsachen zu einer unbefangenen Würdigung der Arbeit des Heidenapostels geführt werden.

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