Neviandt, Heinrich - Ablegen

Nun aber leget auch ihr alles ab: Zorn, Grimm, Bosheit, Lästerung, schandbare Worte aus eurem Munde!
Kol. 3,8

Wieviel liegt in dem Wort: alles. Was für Gnadenabsichten hat der große Erbarmer mit seinen Kindern! Er will sie in sein Bild verwandeln und alles von ihnen abtun, was dieses Bild entstellt. Dabei sollen sie aber nicht den Mut verlieren und nicht verdrossen werden, wenn sie merken, wie immer wieder neue Versuchungen und Anfechtungen kommen. Ablegen kann ich eigentlich nur etwas, was nicht mehr zu mir gehört. Solange ich noch in der alten Haut stecke, kann ich unmöglich ablegen. Ist das nicht so? Wie kann ich die Leidenschaften ablegen, von denen hier die Rede ist, solange noch kein Boden gewonnen ist, auf den ich mich stellen kann, um gegen diese Feinde zu Felde zu ziehen. Dieser Boden ist die Gnade und das vollbrachte Werk Christi, in dem ich durch den Glauben stehe und immer wieder Stellung nehmen muss und soll.

Welch ein furchtbares Feuer der Leidenschaft brennt in unseren Herzen! Gehen wir auf den tieferen Grund dieser Ausdrücke leidenschaftlicher Erregungen, die uns hier genannt werden, dann hängen dieselben vielfach zusammen mit den Lüsten, die in den Gliedern streiten und besonders auch mit dem ungebrochenen Eigenwillen. Wie furchtbar sind die Erscheinungen, wenn ein Mensch von der Hölle entzündet seinem Zorn freien Lauf lässt, wie zeigt sich dann der Zorn im ganzen Wesen, in den Gebärden, im Grimm, welch eine Bosheit regt sich in dem Herzen gegen ein wirkliches oder vermeintliches Unrecht, das ihm angetan worden ist, wie strömen sündliche Worte aus seinem Mund, die den vermeintlichen oder wirklichen Feind wie eine Flut überschütten! Ach, es gibt arme Menschen, die fast nie aus der Erregung herauskommen, die bei der geringsten Veranlassung in Zorn geraten und dann ihrer selbst nicht mehr mächtig sind. Und das ist der Mensch, der so eifersüchtig auf seine Ehre ist und der das Haupt so hoch trägt und der meint, niemanden nötig zu haben, der so stolz auf die Errungenschaften seines Geistes oder Gewinnes ist, dass der große Gott im Himmel eigentlich überflüssig ist. Und doch hat die Weisheit von oben schon im Alten Bund bezeugt: „Wer seines Mutes Herr ist, der ist größer, als der Städte gewinnt.“

Gibt es denn ein Mittel, auch über diese Dinge Herr zu werden? Ja, gottlob! Denn sonst stände ich hier nicht. So legt auch ihr alles ab, Zorn, Grimm usw. Nicht, als würden Gottes Kinder nicht angefochten, nicht, als könnten sie nicht manchmal durch schmerzliche Erfahrungen gedemütigt werden, das ist wahr, und besonders wahr, wenn wir nicht in der Waffenrüstung sind. aber sie brauchen auch diesen Dingen nicht mehr zu dienen. „Ich sprach zur Lust, zum Zorn, zum Geiz, dafür hing mein Herr Christ am Kreuz.“ Und sie haben einen treuen und barmherzigen Lehrmeister, das ist ihr Heiland, der hat ihnen gesagt: „Lernet von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen!“ Und wenn sie sich selbst oder andere verwundet haben, so hat er auch Balsam, um zu heilen. O, dass auch dieses Wort der Ermahnung uns eine Verheißung und Anweisung werde auf seine allmächtige Gnade, die auch in dieser Beziehung in unserer Schwachheit mächtig sein und uns in sein teures Bild gestalten will! Paulus war gewiss ein leidenschaftlicher Charakter von Haus aus und doch, welch eine tiefe Demut und Sanftmut nehmen wir an ihm wahr! Das hat die Gnade an ihm vermocht! Auch wir haben zu dieser Gnade Zugang.

Quelle: Gärtner - Eine Wochenschrift für Gemeinde und Haus 1928

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autoren/n/neviandt/neviandt-ablegen.txt · Zuletzt geändert: von aj
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