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1. Johannesbrief

1. Johannesbrief

Kapitel 1

1:1 Das da von Anfang war, das wir gehöret haben, das wir gesehen haben mit unsern Augen, das wir beschauet haben, und unsere Hände betastet haben, vom Wort des Lebens

1:2 (und das Leben ist erschienen, und wir haben gesehen und zeugen und verkündigen euch das Leben, das ewig ist, welches war bei dem Vater und ist uns erschienen);

1:3 was wir gesehen und gehöret haben: das verkündigen wir euch, auf daß auch ihr mit uns Gemeinschaft habet, und unsere Gemeinschaft sei mit dem Vater und mit Sohn, JEsu Christo.

1:4 Und solches schreiben wir euch, auf daß eure Freude völlig sei.

1:5 Und das ist die Verkündigung, die wir von ihm gehöret haben und euch verkündigen, daß GOtt ein Licht ist, und in ihm keine Finsternis.

1:6 So wir sagen, daß wir Gemeinschaft mit ihm haben, und wandeln in Finsternis, so lügen wir und tun nicht die Wahrheit.

1:7 So wir aber im Licht wandeln, wie er im Lichte ist, so haben wir Gemeinschaft untereinander, und das Blut JEsu Christi, seines Sohnes, macht uns rein von aller Sünde.

1:8 So wir sagen, wir haben keine Sünde, so verführen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns.

1:9 So wir aber unsere Sünde bekennen, so ist er treu und gerecht, daß er uns die Sünde vergibt und reiniget uns von aller Untugend.

1:10 So wir sagen, wir haben nicht gesündiget, so machen wir ihn zum Lügner, und sein Wort ist nicht in uns.
Mit diesen kurzen Worten schildert Luther gar trefflich das Leben in der Gemeinschaft mit Gott. Es ist ein sich stets wiederholendes Hinaufblicken des innern Menschen zu Gott in Liebe und Verlangen; ein Hinaufblicken, dem Seine Antwort von oben gewiß ist, eine Antwort voll Gnade und Erbarmen, aus dem Herzen der ewigen Liebe und Treue. Indeß kann nur zwischen Gleichartigen eine wahrhafte und innere Verbindung, eine Lebensgemeinschaft gestiftet werden und Bestand haben; Gottes Wesen muß erst unser Wesen geworden sein, sein Licht, d.i. seine Reinheit, unser Sein und Wandeln im Lichte erzeugen und nähren; nur die reines Herzens sind, können Gott schauen. Von Natur ist leider in uns nichts als Finsterniß, und lieben wir die Finsterniß und hassen das Licht. Um zum Wandel im Lichte zu gelangen, müssen daher die Bande der Finsterniß gelöst und die Ketten gesprengt werden, in welchen wir gefangen liegen. Dies geschieht dadurch, daß wir die Finsterniß in uns erkennen und bekennen; denn dann vergiebt uns Gott unsere Sünde und reinigt uns von unserer Untugend; der Gott, der das Licht ist, ist zugleich die Liebe und hat seine Gnade in Christo der Welt erscheinen lassen. Selige Erfahrung, wenn das gläubige Geistesauge eindringt in das Innerste des Herzens Gottes und sieht, was sich darin reget und beweget von Liebe und Erbarmen, und aus der Fülle dieses Lichts Kräfte eines neuen heiligen Lebens in das entsündigte Gemüth einströmen! Seliger Zustand, wenn die Sünde uns eine Last, ein Kummer, eine Demüthigung ist und das Leben in Gott allein unsere Lust, unser innigster Wunsch, unser tägliches Gebet und unser Wachsthum am inneren Menschen! Amen! (Friedrich Arndt)

Kapitel 2

2:1 Meine Kindlein, solches schreibe ich euch, auf daß ihr nicht sündiget. Und ob jemand sündiget, so haben wir einen Fürsprecher bei dem Vater, JEsum Christum, der gerecht ist.

2:2 Und derselbige ist die Versöhnung für unsere Sünde, nicht allein aber für die unsere, sondern auch für die der ganzen Welt.

2:3 Und an dem merken wir, daß wir ihn kennen, so wir seine Gebote halten.

2:4 Wer da sagt: Ich kenne ihn, und hält seine Gebote nicht, der ist ein Lügner, und in solchem ist keine Wahrheit.

2:5 Wer aber sein Wort hält, in solchem ist wahrlich die Liebe GOttes vollkommen. Daran erkennen wir, daß wir in ihm sind.

2:6 Wer da sagt, daß er in ihm bleibet, der soll auch wandeln, gleichwie er gewandelt hat.

2:7 Brüder, ich schreibe euch nicht ein neu Gebot, sondern das alte Gebot, das ihr habt von Anfang gehabt. Das alte Gebot ist das Wort, das ihr von Anfang gehöret habt.

2:8 Wiederum ein neu Gebot schreibe ich euch, das da wahrhaftig ist bei ihm und bei euch; denn die Finstemis ist vergangen, und das wahre Licht scheinet jetzt.
Wo sich der Mensch in der Ferne von Gott sieht, da ist Finsternis; und je näher seinem Herzen Gott ist, desto heller wird's in ihm. Man denke nur, in welcher Finsternis sich die Heiden fühlten, die vor stummen Götzen knieten und regellos ihren Lüsten und Begierden dienten, ganz abgekehrt von dem lebendigen Gott! In dieser Finsternis konnte es ihnen nicht wohl sein; denn sie sahen keine Zukunft vor sich - und hatten doch einen Geist, welcher sich der Sehnsucht nach einer Zukunft nicht entziehen konnte. Ein Unglücksgefühl mußte in ihnen herrschend bleiben, weil sie eine Ahnung von ihrem göttlichen Ursprung hatten - und sich doch in der ungöttlichsten Weise verderbt sahen. Oft fühlt freilich der Mensch solches nicht; und dann siecht er so hin wie die unvernünftige Kreatur, eine Weile in der Naturkraft strotzend, bis er zusammensinkt. Fühlt er's, dann wird die Finsternis drückender für ihn.
Nun kommt das Evangelium, spricht von einem Sünden vergebenden Heiland, von einem geöffneten Himmel. Dem nun, der seine Finsternis fühlt, dringt's als ein Licht ins Herz. „Ich hab's gefunden!“ ruft er freudetrunken aus. So ging's allen Heiden, denen die Apostel näherkamen; und so geht's heute noch denen, in welchen die Erkenntnis ihrer selbst und Christi durchs Evangelium aufgeht. Zu ihnen kann man sagen: „Die Finsternis ist vergangen, und das wahre Licht scheint jetzt.“
„Das wahre Licht“, sagt der Apostel. Damit will er sagen, daß es nicht wie ein Lampenlicht sei, das nur eine Zeitlang brenne und dann allmählich abnähme und erlösche. Es ist ein Licht, das fortleuchtet und immer helleren Glanz bekommt, weil sich's bis ins ewige Leben, in die Gottesherrlichkeit erstreckt, die lauter Licht ist; ja, es hat daher seinen Ursprung. Darum werden Sonne und Mond vergehen - dieses Licht nicht. Und es leuchtet für einen Menschen, solange er's festhält. Manchmal wohl will es sich im Herzen verdunkeln, wenn der Glaube matter wird, die Zuversicht abnimmt, wenn auch Anfechtungen vom Feinde dazukommen; dann meint einer, daß es kein Licht, nur Täuschung oder ein süßer Traum wäre! Aber es kann dem Getreuen nicht ausgelöscht werden; sondern „ihm geht das Licht immer wieder auf von dem Gnädigen und Barmherzigen“ (Ps. 112,4) - und auch ein nur noch glimmendes Licht darf ihm doch nicht erlöschen!
Wenn daher dieses Licht das wahre heißt, ist's auch im Gegensatz zu anderem gesagt, das sich als Licht darstellen will. Mancher meint, es werde hell in ihm, wenn er in gute Verhältnisse kommt oder wenn er zu Ehren kommt oder wenn er von Krankheiten befreit wird und anderen Nöten oder wenn ihm ein Verstandeslicht in etwas aufgeht oder wenn er in Wissenschaften hell sieht! Das mögen Dinge sein, für die man dem HErrn danken darf; aber das wahre Licht sind sie nicht, weil sie nicht zum Dauernden und Bleibenden führen und den Ewigkeitsdurst des Menschen nicht stillen. Wer sie als wahres Licht nimmt, dem können sie sogar zur Finsternis werden, insofern als er dadurch das wahre Licht, welches Christus gibt, versäumt oder verliert. Wie leicht erlöschen alle diese Lichter - oft schon auf Erden gewiß, wenn der Mensch von der Erde scheidet! Wie arm aber wird er doch dann! Glaube doch niemand, Licht zu haben, ehe er Jesus hat - und Ihn so hat, daß Er ihm wirklich Licht ist!
Am meisten wird auch das wahre Licht im Menschen verdunkelt, wenn er sich wieder mit der Finsternis einläßt, d. h. Werke tut, die niemand, auch Gott nicht, sehen sollte: böse Werke! Vor solchem will auch der Apostel warnen, wenn er sagt: »Die Finsternis ist vergangen, und das wahre Licht scheint jetzt.“ Darum fliehe die Finsternis, da dir's so übel geht, und wandle im Licht, daß es Gott und alle Kreatur sehen darf, dabei dir's wohl ist und bleibt in Ewigkeit! (Christoph Blumhardt)

2:9 Wer da sagt, er sei im Licht, und hasset seinen Bruder, der ist noch in Finsternis.

2:10 Wer seinen Bruder liebet, der bleibet Licht,und ist kein Ärgernis bei ihm.

2:11 Wer aber seinen Bruder hasset, der ist in Finsternis und wandelt in Finsternis und weiß nicht, wo er hingehet; denn die Finsternis hat seine Augen verblendet.

2:12 Liebe Kindlein, ich schreibe euch, daß euch die Sünden vergeben werden durch seinen Namen.

2:13 Ich schreibe euch Vätern; denn ihr kennet den, der von Anfang ist. Ich schreibe euch Jünglingen; denn ihr habt den Bösewicht überwunden. Ich schreibe euch Kindern; denn ihr kennet den Vater.

2:14 Ich habe euch Vätern geschrieben, daß ihr den kennet, der von Anfang ist. Ich habe euch Jünglingen geschrieben, daß ihr stark seid, und das Wort GOttes bei euch bleibet, und den Bösewicht überwunden habt.

2:15 Habt nicht lieb die Welt, noch was in der Welt ist. So jemand die Welt liebhat, in dem ist nicht die Liebe des Vaters.

2:16 Denn alles, was in der Welt ist (nämlich des Fleisches Lust und der Augen Lust und hoffärtiges Leben), ist nicht vom Vater, sondern von der Welt.

2:17 Und die Welt vergehet mit ihrer Lust; wer aber den Willen GOttes tut, der bleibet in Ewigkeit.

2:18 Kinder, es ist die letzte Stunde; und wie ihr gehöret habt, daß der Widerchrist kommt, und nun sind viel Widerchristen worden; daher erkennen wir, daß die letzte Stunde ist.

2:19 Sie sind von uns ausgegangen, aber sie waren nicht von uns. Denn wo sie von uns gewesen wären, so wären sie ja bei uns geblieben; aber auf daß sie offenbar würden, daß sie nicht alle von uns sind.

2:20 Und ihr habt die Salbung von dem, der heilig ist; und wisset alles.

2:21 Ich habe euch nicht geschrieben, als wüßtet ihr die Wahrheit nicht, sondern ihr wisset sie und wisset, daß keine Lüge aus der Wahrheit kommt.

2:22 Wer ist ein Lügner, ohne der da leugnet, daß JEsus der Christus sei? Das ist der Widerchrist, der den Vater und den Sohn leugnet.

2:23 Wer den Sohn leugnet, der hat auch den Vater nicht.

2:24 Was ihr nun gehöret habt von Anfang, das bleibe bei euch. So bei euch bleibet, was ihr von Anfang gehöret habt, so werdet ihr auch bei dem Sohn und Vater bleiben.

2:25 Und das ist die Verheißung, die er uns verheißen hat: das ewige Leben.

2:26 Solches habe ich euch geschrieben von denen, die euch verführen.

2:27 Und die Salbung, die ihr von ihm empfangen habt, bleibet bei euch, und dürfet nicht, daß euch jemand lehre, sondern wie euch die Salbung allerlei lehret, so ist's wahr, und ist keine Lüge; und wie sie euch gelehret hat, so bleibet bei demselbigen.

2:28 Und nun, Kindlein, bleibet bei ihm, auf daß, wenn er offenbaret wird, daß wir Freudigkeit haben und nicht zuschanden werden vor ihm in seiner Zukunft.

2:29 So ihr wisset, daß er gerecht ist, so erkennet auch, daß, wer recht tut, der ist von ihm geboren.
Der Grundton dieses Kapitels ist, die Gnade nicht zur Sünde und Weltliebe zu mißbrauchen, weder als Väter, noch als Jünglinge, noch als Kinder in Christo, und das um so weniger, als die letzten Zeiten dieser vergänglichen Welt und der Tag der Entscheidung nahe seien. Was ist denn die Welt, die ich nicht lieben soll? Zuvörderst suche sie in deinem Busen und selbsteigenen Herzen, dessen Dichten und Trachten nur böse ist von Jugend auf und immerdar; ferner suche sie unter den Menschen, ihren Lüsten, Sitten, Gewohnheiten, Werken, Gebräuchen, Freuden, Schätzen, Ehren und Ergötzungen; endlich sind die Welt, die Geschöpfe und Gaben Gottes, die du nicht hassen, aber doch weit unter Gott lieben sollst. Von Natur steckt in aller Menschen Herzen freilich die Weltliebe, nämlich Augenlust, Fleischeslust und hoffärtiges Wesen. Dieses goldene Kalb hat drei Köpfe: Fleischeslust oder Wollust, Augenlust oder Geiz und hoffärtiges Leben oder Ehr- und Lobgierigkeit. Dies sind die drei Hauptleidenschaften des menschlichen Herzens. Prüfe dich uns gieb Acht auf deine inneren Begierden, was gilt’s? Du wirst diese Welt in Dir finden! Aber habt nicht lieb die Welt! Die Welt nicht lieben, heißt, an ihren Ehren, Reichthümern und Wollüsten keinen Gefallen haben, daß, wenn schon die Begierden darnach sich im Herzen hervorthun, man widerstrebe und sie unterdrücke; heißt einen Haß in dem neuen, guten Herzensgrunde fühlen gegen Alles, was Welt ist, daß, woran man zuvor sein Vergnügen hatte, der Seele nun ein Verdruß sei; heißt endlich in der That nach nichts streben, sinnen und arbeiten, was die Welt geben kann, sondern es vielmehr von sich stoßen und ausschlagen. Thust du das? Niemand kann zweien Herren dienen; wer die Welt lieb hat, in dem ist nicht die Liebe des Vaters. So viel wir uns von der einen Liebesart ausleeren werden, so viel werden wir uns mit der andern erfüllen. – Ich bekenne es Dir, mein Gott, daß ich leider die Welt auch lieb gehabt habe. Was habe ich damit geliebt? Heu, das verdorret, einen Schatten, der verschwindet, einen Reichthum, den die Diebe stehlen und die Motten fressen, eine Ehre, die in der Schande besteht. O ich thörichter Mensch, daß ich eine so böse, so vergängliche, so verfluchte Welt geliebt habe! Ach, vergieb mir diese Thorheit; und weil ich ja nicht leben kann ohne lieben, so sollst Du, mein Gott und Heiland, der Mittelpunkt und einzige Gegenstand meiner Liebe sein. Du bist allein liebenswerth; Du hast allein da Recht zu unserer Liebe; Du kannst allein das Verlangen unserer Liebe füllen und sättigen. So kehre Du mein Herz ab von der Weltliebe und gieße Deine Liebe aus in mein Herz durch Deinen heiligen Geist, daß ich Dich liebe von ganzem Herzen und von ganzer Seele und von ganzem Gemüthe und von allen Kräften. Bewahre mich vor der halbirten Liebe, die Welt und Dich zugleich lieben zu wollen; sondern nimm Du mein ganzes Herz ein und laß mir allezeit im Herzen und in den Ohren erschallen dies Wörtlein, das Du zu mir sagst: “ganz mein, oder laß es gar sein!(Friedrich Arndt)

Kapitel 3

3:1 Sehet, welch eine Liebe hat uns der Vater erzeiget, daß wir GOttes Kinder sollen heißen! Darum kennet euch die Welt nicht, denn sie kennet ihn nicht.

3:2 Meine Lieben, wir sind nun GOttes Kinder, und ist noch nicht erschienen, was wir sein werden. Wir wissen aber, wenn es erscheinen wird, daß wir ihm gleich sein werden; denn wir werden ihn sehen, wie er ist.

3:3 Und ein jeglicher, der solche Hoffnung hat zu ihm, der reiniget sich, gleichwie er auch rein ist.

3:4 Wer Sünde tut, der tut auch Unrecht; und die Sünde ist das Unrecht.

3:5 Und ihr wisset, daß er ist erschienen, auf daß er unsere Sünden wegnehme; und ist keine Sünde in ihm.

3:6 Wer in ihm bleibet, der sündiget nicht; wer da sündiget, der hat ihn nicht gesehen noch erkannt.
Ein sehr ernstes Wort sagt uns hier Johannes. Wenn es heißt: „der sündigt nicht“, so ist wohl damit gesagt: der tut nicht Gewalt noch Unrecht, der ehrt Vater und Mutter, der stiehlt und betrügt nicht, der bleibt fern von Hurerei und Ehebruch, der lügt und afterredet nicht (verbreitet keine üble Nachrede); der ist nicht zänkisch, nicht hart und ungerecht, nicht unversöhnlich und rachsüchtig; der mißbraucht nicht den Namen Gottes zu unheimlichem Aberglauben; der schändet Seine Feiertage nicht, und dergleichen. Denn alles das heißt sündigen, und noch anderes mehr.
Wer dergleichen tut, so recht mit Willen und wider besseres Wissen und Gewissen tut - denn einen Unterschied zwischen Sünde und Sünde müssen wir uns immerhin denken -; wer auch ungescheut so fortmacht und von Buße und Bekümmernis darüber nichts weiß und wissen will: der, so sagt Johannes, „hat Ihn nicht gesehen noch erkannt“, d. h. der ist Ihm im Geiste noch nie so fühlbar nahe gestanden, daß es ihm ist, als hätte er Ihn gesehen oder erkannt, wie es bei echten Jüngern Jesu der Fall ist. Mag er sich auch noch soviel den Schein geben, als hätte er Ihn gesehen und erkannt wie ein echter Gläubiger, so ist's doch nur Lüge und Täuschung. Das will Johannes sagen.
Ein sehr ernstes Wort ist da gesagt, welches sichere Heilige - deren es heute nur zu viele gibt - wohl erschrecken dürfte! Heutzutage kann man oft recht viel Erkenntnis vorschützen, man weiß auch viel zu reden von den Dingen des Reiches Gottes; aber das Sündigen bleibt bei so vielen nicht weg! Solange aber das Sündigen dableibt, hat man bei aller Erkenntnis und klaren Einsicht ins Wort Gottes doch eigentlich noch nicht recht die Gnade des HErrn an seinem Herzen erfahren - so sehr man's oft auch denken mag! Denn wenn das wirklich so wäre, so würde die Sünde aufhören, wenigstens das freche Buhlen mit der Sünde, als brächte man diese im Neuen Bunde durch die Gnade leicht wieder weg! übel steht es schon bei vielen, die doch die Erkenntnis haben wollen: daß sie eben so hingehen, wie's kommt - sei's recht oder unrecht, gut oder nicht gut, Gott gefällig oder nicht gefällig! Solch leichtes Wesen sollte aufhören bei dem, der in Jesus, dem Versöhner unsrer Sünden, bleibt und der sich somit fort und fort von Ihm angenommen denkt aus Gnaden um Seines Blutes willen! Der, bei welchem das letztere in Wahrheit so ist, der hütet sich, nimmt sich in acht, zittert schon vor dem Gedanken, seinen Heiland mit fernerem übertreten der Gebote Gottes zu betrüben; denn er hat durch seinen Glauben den HErrn gleichsam erkannt und gesehen. Die Empfindung der Liebe Gottes durch Christus zerbricht den alten Menschen; und je stärker sie wird, desto gewisser muß das Sündigen weichen.
Ach, da helfe uns der HErr, daß nur Christus eine Gestalt in uns gewinne, damit das häßliche Sündigen aufhöre!
Zusatz zu 1. Johannes 3,6 Das Sehen und Erkennen des HErrn
Der Spruch: „Wer in Ihm bleibt, der sündigt nicht; und wer sündigt, hat Ihn nicht erkannt noch gesehen“, wäre recht geeignet, uns die Augen zu öffnen über den Stand der Christenheit in unsren Tagen.
Wir wollen nicht von denen reden, die sich Christen nennen - und der Tat nach, sofern sie sich vor keiner Sünde scheuen, sich als Heiden gebärden, die weder von einem Gott noch von einem Heiland etwas wissen. Aber wie steht's um die sogenannten Gläubigen, um die Bekehrten, die sich von der Welt absondern wollen? Bei vielen besteht alle Bekehrung nur darin, daß sie fromm tun und die Form der Frömmigkeit annehmen und das grobe offene Sündigen meiden und lassen. Das ist nur gar zu oft weitaus alles, womit sie ihr besseres Christentum an den Tag legen! Bei vielen scheint's sogar, wie wenn alles Christentum nur im Schelten über die Welt und die Ungläubigen oder im Streiten mit Andersglaubenden bestünde. Im Verborgenen aber - ach wie- vieles schleicht sich noch ein! Wie wenig Zartheit des Gewissens - wenn sich's um das Mein und Dein handelt, wenn Verleugnung der bösen Lüste gefordert wird - kann man zu seinem Schrecken noch wahrnehmen, so daß man fast mit der Anfechtung geplagt wird - fühlt ja doch jeder seine eigene Schwäche -: ob es denn auch noch Christen gäbe, die so lauter, rein, völlig und ohne Täuschung die Gnade des HErrn an sich erfahren haben, daß es ein „Sehen und Erkennen des HErrn“ genannt werden kann? Wir wollen und dürfen nicht hart und richtend sein; aber Bedenken erregt es doch, wenn wir das apostolische Wort mit dem Stand der Christenheit vergleichen wollen!
Freilich können wir auch wieder sagen, daß der HErr in unsrer Zeit um des geringen Standes willen, in dem die Christenheit sich befindet, sich ferne gestellt habe. Deshalb bekommen viele Ihn auch bei besserem Wollen und Streben doch nicht so zu fühlen, um sagen zu können, sie hätten Ihn gesehen und erkannt, wie es in der Apostel Zeiten war. Wir sind gar arm gestellt und sind mehr auf die Sehnsucht nach dem HErrn gewiesen. Es sollte aber so sein, daß wir Ihn besitzen! Es scheint daher einer neuen Gnadenzeit zu bedürfen, in der wir Ihn wieder näher und völliger haben, Ihn gleichsam „sehen und erkennen“ dürfen. Wir sehen viele unter Seufzen und Tränen und mit viel Buße des Herzens kämpfen und ringen, viele sich mit lauterem Sinn vor dem HErrn darüber anklagen, daß es mit ihnen so stehe, wie es steht - freilich dabei auch nicht immer ihr eigentlichstes (sündiges) Tun erkennend. Zwar mag sie der HErr nie ganz leer ausgehen lassen; aber sie fühlen sich doch arm am Geist, hungernd und dürstend, ohne sich ganz ihres Heilandes freuen zu können.
Den HErrn sehen und erkennen, geistlich verstanden, das wäre viel! Und wenn wir so ein Wort des Apostels lesen, kann es uns nur den Eindruck geben - ich wiederhole es! -: Es könnte überhaupt anders geworden sein, als es im Anfang war, eben weil sich der HErr den entarteten, Ihm nur halb zugetanen Christen nicht so nahe machen kann. Und somit ist es uns in unsrer Zeit schwerer geworden, Ihn zu sehen und zu erkennen, Ihn im Geiste recht zu haben.
Ist das aber wirklich so, so haben wir aus unsrer Armut heraus den HErrn um die Barmherzigkeit zu bitten, Er möge sich wieder - um das Wort beizubehalten - völliger zu sehen und zu erkennen geben! Das könnte Er tun etwa durch eine erneuerte Ausgießung Seines Heiligen Geistes, damit wir auch wieder freier werden vom Sündigen, nachdem wir von solchen Gnaden hingenommen und erquickt werden; jetzt empfinden wir sie auf eine sehr wandelbare Art mehr nur in gefühlsmäßiger als in geistlicher Weise. Denn wenn es so ist, daß unser Sündigen Ihn ferne getrieben hat, so ist's auch umgekehrt wahr - und das will auch unser Spruch sagen, wenn er vom „Bleiben in Jesus“ redet -, daß wir es schwerer haben, vom Sündigen loszuwerden, weil Er uns ferner steht, sich gleichsam von uns nicht sehen läßt.
Lernen wir daher, den Jammer erkennend, um Sein Näherkommen bitten! Und glauben wir's, daß das Not tue, daß Er uns wieder näher komme! Glauben wir's, ohne es zu übersehen oder gleichgültig zu nehmen, daß es anders ist als vormals!
Der HErr kann's nicht versagen, wenn ihrer viele unter ernstlichem Ringen nach Verleugnung aller weltlichen Lüste und Begierden „heilige Hände“ emporheben und Ihn bittend angehen wie die Witwe den ungerechten Richter! Und wenn diese Vielen nicht nachlassen - auch wenn Er „lange nicht will“ -, bis Er sich unser erbarmt, uns wieder mehr an die Hand nimmt, uns mit Seinem Heiligen Geist erfüllt, uns Sein persönliches Nahesein wieder fühlbarer macht und uns so hilft zu überwinden!
So soll's werden auf die Zeit Seines Wiederkommens hin! (Christoph Blumhardt)

3:7 Kindlein, lasset euch niemand verführen! Wer recht tut, der ist gerecht, gleichwie er gerecht ist.

3:8 Wer Sünde tut, der ist vom Teufel; denn der Teufel sündiget von Anfang. Dazu ist erschienen der Sohn GOttes, daß er die Werke des Teufels zerstöre.

3:9 Wer aus GOtt geboren ist, der tut nicht Sünde; denn sein Same bleibet bei ihm, und kann nicht sündigen; denn er ist von GOtt geboren.

3:10 Daran wird's offenbar, welche die Kinder GOttes und die Kinder des Teufels sind. Wer nicht recht tut, der ist nicht von GOtt, und wer nicht seinen Bruder liebhat.

3:11 Denn das ist die Botschaft, die ihr gehöret habt von Anfang, daß wir uns untereinander lieben sollen.

3:12 Nicht wie Kain, der von dem Argen war und erwürgete seinen Bruder. Und warum erwürgete er ihn? Daß seine Werke böse waren und seines Bruders gerecht.

3:13 Verwundert euch nicht, meine Brüder, ob euch die Welt hasset!

3:14 Wir wissen, daß wir aus dem Tode in das Leben kommen sind; denn wir lieben die Brüder. Wer den Bruder nicht liebet, der bleibet im Tode.

3:15 Wer seinen Bruder hasset, der ist ein Totschläger; und ihr wisset, daß ein Totschläger nicht hat das ewige Leben bei ihm bleibend.

3:16 Daran haben wir erkannt die Liebe, daß er sein Leben für uns gelassen hat; und wir sollen auch das Leben für die Brüder lassen.

3:17 Wenn aber jemand dieser Welt Güter hat und siehet seinen Bruder darben und schließt sein Herz vor ihm zu: wie bleibet die Liebe GOttes bei ihm?

3:18 Meine Kindlein, lasset uns nicht lieben mit Worten noch mit der Zunge, sondern mit der Tat und mit der Wahrheit.

3:19 Daran erkennen wir, daß wir aus der Wahrheit sind, und können unser Herz vor ihm stillen,

3:20 daß, so uns unser Herz verdammt, daß GOtt größer ist denn unser Herz und erkennet alle Dinge.

3:21 Ihr Lieben, so uns unser Herz nicht verdammt, so haben wir eine Freudigkeit zu GOtt;

3:22 und was wir bitten, werden wir von ihm nehmen; denn wir halten seine Gebote und tun, was vor ihm gefällig ist.

3:23 Und das ist sein Gebot, daß wir glauben an den Namen seines Sohnes JEsu Christi und lieben uns untereinander, wie er uns ein Gebot gegeben hat.

3:24 Und wer seine Gebote hält, der bleibet in ihm und er in ihm. Und daran erkennen wir, daß er in uns bleibet: an dem Geist, den er uns gegeben hat.
Köstliches Wort: „Daran erkennen wir, daß wir aus der Wahrheit sind, und können unser Herz vor Ihm stillen, daß, so uns unser Herz verdammet, Gott größer ist, denn unser Herz und erkennet alle Dinge!“ Die wichtigste Lebensfrage ist unstreitig die: bin ich aus der Wahrheit? d.h. ist Leben in mir? gehöre ich zu Christi Schafen? sind lauter meine Gottesdienste, aufrichtig meine Bekenntnisse und Gebete, ohne Lug mein gottseliger Wandel, gerad und einfältig und ungefärbt mein ganzes Wesen? Und kann ich mein Herz und Gewissen vor Gott stillen, so daß es mich nicht verdammt, den Richterstab bei Seite legt und der Ruhe, dem Frieden und einer stillen, ungetrübten Heiterkeit in den Gründen meines Wesens Raum giebt? Der Apostel spricht drei Worte, und in den drei Worten die genügendste und herrlichste Lösung beider Fragen. Der Mensch ist aus der Wahrheit, wenn ihn 1) sein Herz verdammt und mit inniger Beugung und Beschämung ihm das Bekenntniß abnöthigt: ja, ich bin ein Sünder und nach Gottes Recht des höllischen Feuers schuldig; 2) wenn er glaubt, daß Gott größer ist als sein Herz; kann dieses nur verdammen, Gott kann auch lossprechen und vergeben; das Opfer und die Genugthuung seines Sohnes hat Ihn in den Stand gesetzt, unbeschadet seiner Gerechtigkeit die größten und schwersten Schulden zu streichen; 3) wenn er festhält, daß Gott Alles wisse und erkenne, und darum Gott nichts verhehlt, sondern sich ehrlich und aufrichtig vor Ihm giebt, wie er ist. Diese drei Stücke sind die Merkmale unserer Kindheit vor Gott, und die gewissen Mittel, unser Herz vor Gott zu stillen, sowohl in der ersten Buße als bei jedem weiteren Fehltritt unseres Lebens, wenn das Gericht in den innern Kammern wieder angeht und das von Gott schon längst gestillte Gewissen wieder in große Unruhe geräth. Sie setzen das Herz in jene Sabbathfeier, die ein Vorschmack derjenigen ist, welche unser droben harret vor Seinem ewigen Thron. Amen. (Friedrich Arndt)

Kapitel 4

4:1 Ihr Lieben, glaubet nicht einem jeglichen Geist, sondern prüfet die Geister, ob sie von GOtt sind; denn es sind viel falsche Propheten ausgegangen in die Welt.

4:2 Daran sollt ihr den Geist GOttes erkennen: Ein jeglicher Geist, der da bekennet, daß JEsus Christus ist in das Fleisch kommen, der ist von GOtt;

4:3 und ein jeglicher Geist, der da nicht bekennet, daß JEsus Christus ist in das Fleisch kommen, der ist nicht von GOtt. Und das ist der Geist des Widerchrists, von welchem ihr habt gehöret, daß er kommen werde, und ist jetzt schon in der Welt.
Der Geist des Widerchrists, der Christus nicht als von Gott ins Fleisch gekommen annimmt, war auch schon in der ersten Zeit in die Gemeine der Gläubigen eingedrungen, wie wir da hören. Es hat in ihr schon frühzeitig Vernünftler (Rationalisten) gegeben, die Christus nicht so nahmen, wie Er nach dem Evangelium und nach dem Zeugnis der Apostel genommen ist; Vernünftler, die ihn eben auch als einen Menschen von Menschen, als eine Kreatur unter den Kreaturen auffaßten, wenngleich - als müßte man ihnen für ein solches Zugeständnis Dank wissen! - als die erste, höchste, vorzüglichste Kreatur.
Dieser „Geist des Widerchrists“, der wohl 15 Jahrhunderte lang ziemlich geruht hatte - denn in diesem Glaubenspunkt ist nach und nach in aller Christenheit große Sicherheit entstanden -, dieser Geist des Widerchrists ist in unsern Zeiten wieder rege geworden: eben der Geist, der nicht bekennt, daß Jesus Christus in das Fleisch gekommen ist. Schon wenn man nur nicht bekennt, liegt der Geist des Widerchrists zugrunde. Es tun ihrer viele so mit, wie wenn sie rechtgläubig wären. Wenn man aber aufmerkt, so schweigen sie davon, daß Jesus Christus in das Fleisch gekommen ist, bekennen es nicht; und wo sie können, kommen sie sachte mit Widersprüchen, zuletzt greller und immer greller und unverhüllter. Da wird es denn ganz das Widerchristliche, das kommen wird, wie es heißt: „von welchem ihr habt gehört, daß es kommen werde.“ Wenn es je und je Aufregungen gibt durch öffentliche Kundgebungen über dergleichen Glaubenspunkte, so kann man zu seinem Schrecken wahrnehmen, wie lau das Bekenntnis vieler geworden ist, von denen man's nicht erwartet hätte, und wie die Meinung herrschend werden will, als ob's nicht so viel zu sagen hätte, wenn man nicht so gar bei dem überlieferten bliebe! Denn damit sei „das Evangelium“ noch nicht gefährdet! Geradeso mögen sie's in den Zeiten des Johannes gemacht haben.
Nehmen wir uns daher in acht vor einem schlaffen Bekenntnis, daß uns nicht sachte etwas Verkehrtes beschleiche! Wir lesen's, was der Geist des Widerchrists ist, was eigentlich sein Wesen ausmacht: nämlich das Aufgeben des Bekenntnisses, daß Jesus Christus in das Fleisch gekommen sei, vom Himmel gekommen, wie sonst auch die Schrift es ausdrückt. Wenn dieser Geist herrschend wird und einwurzelt und zu einer Macht gelangt, so mögen wir den argen Zeiten, die uns noch bevorstehen, nicht mehr ferne sein.
Aber es im Herzen fleißig zu bewegen und es uns als groß zu denken, daß Er vom Himmel ins Fleisch gekommen ist, sollte uns auch ein Anliegen bleiben. Denn großen Segen bringt's und viel Kraft, wenn wir's recht fest so nehmen, um auch einen festen Glauben, ein felsenfestes Vertrauen zu behalten auf den endlichen Sieg unsres hochgelobten Heilandes. (Christoph Blumhardt)

4:4 Kindlein, ihr seid von GOtt und habt jene überwunden; denn der in euch ist, ist größer, denn der in der Welt ist.

4:5 Sie sind von der Welt; darum reden sie von der Welt, und die Welt höret sie.

4:6 Wir sind von GOtt, und wer GOtt erkennet, der höret uns; welcher nicht von GOtt ist, der höret uns nicht. Daran erkennen wir den Geist der Wahrheit und den Geist des Irrtums.

4:7 Ihr Lieben, lasset uns untereinander liebhaben; denn die Liebe ist von GOtt; und wer liebhat, der ist von GOtt geboren und kennet GOtt.

4:8 Wer nicht liebhat, der kennet GOtt nicht; denn GOtt ist die Liebe:
Das Bedürfnis nach Liebe weist darauf hin, Gott besitzen zu müssen, um glücklich zu sein; denn Gott ist Liebe. (Hermann Heinrich Grafe)

4:9 Daran ist erschienen die Liebe GOttes gegen uns, daß GOtt seinen eingebornen Sohn gesandt hat in die Welt, daß wir durch ihn leben sollen.

4:10 Darinnen stehet die Liebe, nicht daß wir GOtt geliebet haben, sondern daß er uns geliebet hat und gesandt seinen Sohn zur Versöhnung für unsere Sünden.

4:11 Ihr Lieben, hat uns GOtt also geliebet, so sollen wir uns auch untereinander lieben.

4:12 Niemand hat GOtt jemals gesehen. So wir uns untereinander lieben, so bleibet GOtt in uns, und seine Liebe ist völlig in uns.

4:13 Daran erkennen wir, daß wir in ihm bleiben und er in uns, daß er uns von seinem Geist gegeben hat.

4:14 Und wir haben gesehen und zeugen, daß der Vater den Sohn gesandt hat zum Heiland der Welt.

4:15 Welcher nun bekennet, daß JEsus GOttes Sohn ist, in dem bleibet GOtt und er in GOtt.

4:16 Und wir haben erkannt und geglaubet die Liebe, die GOtt zu uns hat. GOtt ist die Liebe; und wer in der Liebe bleibet, der bleibet in GOtt und GOtt in ihm.

4:17 Daran ist die Liebe völlig bei uns, auf daß wir eine Freudigkeit haben am Tage des Gerichts; denn gleichwie er ist, so sind auch wir in dieser Welt.

4:18 Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die völlige Liebe treibet die Furcht aus; denn die Furcht hat Pein. Wer sich aber fürchtet, der ist nicht völlig in der Liebe.

4:19 Lasset uns ihn lieben; denn er hat uns erst geliebet.

4:20 So jemand spricht: Ich liebe GOtt, und hasset seinen Bruder, der ist ein Lügner; denn wer seinen Bruder nicht liebet, den er siehet, wie kann er GOtt lieben, den er nicht siehet?

4:21 Und dies Gebot haben wir von ihm, daß, wer GOtt liebet, daß der auch seinen Bruder liebe.
Unseres Glaubens Wurzel, Leben und Seligkeit ist die Liebe; denn er ist darauf gegründet, daß Gott die Liebe ist. Gott will nicht allein selig sein, sondern auch Andere selig machen, will mit Wesen Gemeinschaft haben, die seine Liebe erkennen, sie genießen und Ihm wieder Liebe geben können. Ja, Er hat uns fast mit Gewalt zum Glauben an seine Liebe gezwungen, indem Er uns seinen eingebornen Sohn gesandt und für uns in den Tod gegeben und uns durch Ihn aus Feinden wieder in Kinder Gottes verwandelt hat. „Darin stehet die Liebe, nicht daß wir Gott geliebt haben, sondern daß Er uns geliebt hat und gesandt seinen Sohn zur Versöhnung für unsere Sünden.“ – Haben wir aber erst lebendig erkannt, daß Gott uns liebt, dann können wir es nicht lassen, Ihn wieder zu lieben. Gott ist jetzt das einzige Ziel unseres Lebens geworden. Was dem Gesetz unmöglich war, das wird durch unsern Glauben an die Liebe erfüllt. Der Gläubige liebt die Feinde, liebt die Bösen selbst. Er hört darum nicht auf, seinen Brüdern Gutes zu thun, weil sie es nicht verdienen; denn auch er ist ja ohne Verdienst nur aus Gnaden selig geworden. Er vergiebt, weil ihm vergeben worden ist; er liebt jedes Geschöpf Gottes, weil er Gott selbst liebt. – Und diese Liebe allein ist auch unseres Glauben Seligkeit; denn Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die völlige Liebe treibt die Furcht aus. Einen ganz eignen Muth giebt die Liebe, und sie fühlt die Kraft in sich, durchaus Alles zu tragen. Liebe kann Alles. Wahrhaft Liebende, fürchten nur Eins, ihre Liebe zu verlieren oder getrennt zu werden. Was kann der gläubige Christ fürchten, der Gott über Alles liebt? Kann er auch die Liebe Gottes verlieren? Schmerzen kann es ihn wohl, daß seine Liebe zu Gott noch nicht völlig ist, daß sie oft wieder kalt wird, und dann Furcht und Pein wieder eintreten, aber sie wird völlig werden und das einzige Gnadengeschenk unseres Glaubens im Himmel wird vollendete Liebe und damit vollendete Seligkeit sein. So kommt der Glaube aus der Liebe, so lebt er in der Liebe, so führt er zu der Liebe. Amen. (Friedrich Arndt)

Kapitel 5

5:1 Wer da glaubet, daß JEsus sei der Christus, der ist von GOtt geboren. Und wer da liebet den, der ihn geboren hat, der liebet auch den, der von ihm geboren ist.

5:2 Daran erkennen wir, daß wir GOttes Kinder lieben, wenn wir GOtt lieben und seine Gebote halten.

5:3 Denn das ist die Liebe zu GOtt, daß wir seine Gebote halten; und seine Gebote sind nicht schwer.

5:4 Denn alles, was von GOtt geboren ist, überwindet die Welt; und unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.

5:5 Wer ist aber, der die Welt überwindet ohne der da glaubet, daß JEsus GOttes Sohn ist?

5:6 Dieser ist's, der da kommt mit Wasser und Blut, JEsus Christus, nicht mit Wasser allein, sondern mit Wasser und Blut. Und der Geist ist's, der da zeuget, daß Geist Wahrheit ist.

5:7 Denn drei sind, die da zeugen im Himmel: der Vater, das Wort und der Heilige Geist; und diese drei sind eins.

5:8 Und drei sind, die da zeugen auf Erden: der Geist und das Wasser und das Blut; und die drei sind beisammen.

5:9 So wir der Menschen Zeugnis annehmen, so ist GOttes Zeugnis größer; denn GOttes Zeugnis ist das, das er gezeuget hat von seinem Sohne.

5:10 Wer da glaubet an den Sohn GOttes, der hat solch Zeugnis bei sich. Wer GOtt nicht glaubet, der macht ihn zum Lügner; denn er glaubet nicht dem Zeugnis, das GOtt zeuget von seinem Sohn.

5:11 Und das ist das Zeugnis, daß uns GOtt das ewige Leben hat gegeben, und solches Leben ist in seinem Sohn.

5:12 Wer den Sohn GOttes hat, der hat das Leben; wer den Sohn GOttes nicht hat, der hat das Leben nicht.

5:13 Solches hab' ich euch geschrieben, die ihr glaubet an den Namen des Sohnes GOttes, auf daß ihr wisset, daß ihr das ewige Leben habet, und daß ihr glaubet an den Namen des Sohnes GOttes.

5:14 Und das ist die Freudigkeit, die wir haben zu ihm, daß, so wir etwas bitten nach seinem Willen, so höret er uns.

5:15 Und so wir wissen, daß er uns höret, was wir bitten, so wissen wir, daß wir die Bitten haben, die wir von ihm gebeten haben.

5:16 So jemand siehet seinen Bruder sündigen, eine Sünde nicht zum Tode, der mag bitten; so wird er geben das Leben denen, die da sündigen nicht zum Tode. Es ist eine Sünde zum Tode; dafür sage ich nicht, daß jemand bitte.

5:17 Alle Untugend ist Sünde; und es ist etliche Sünde nicht zum Tode.

5:18 Wir wissen, daß, wer von GOtt geboren ist, der sündiget nicht, sondern wer von GOtt geboren ist, der bewahret sich, und der Arge wird ihn nicht antasten.

5:19 Wir wissen, daß wir von GOtt sind; und die ganze Welt liegt im Argen.

5:20 Wir wissen aber, daß der Sohn GOttes kommen ist und hat uns einen Sinn gegeben, daß wir erkennen den Wahrhaftigen und sind in dem Wahrhaftigen, in seinem Sohn JEsu Christo. Dieser ist der wahrhaftige GOtt und das ewige Leben.

5:21 Kindlein, hütet euch vor den Abgöttern! Amen.
Ein wichtiges Kapitel! Gedanke drängt sich an Gedanke. Jeder Vers ist goldeswerth und inhaltschwer. Besonders wichtig für unser Herz ist aber das Wort: „Das ist die Freudigkeit, die wir haben zu Ihm, daß so wir etwas bitten nach seinem Willen, so hört Er uns.“ Das beschränkt nicht den Kreis unserer Gebete; es berichtigt ihn nur; denn im Worte Gottes ist viel, viel Gutes uns verheißen und von uns gefordert; was aber Gott verheißt oder fordert, ist unfehlbar der Gegenstand seines Willens. Ein Beter darf sich also so weit ausbreiten als die Gebote und Verheißungen Gottes reichen, und dabei versichert sein, daß er nach Seinem Willen bitte. Wenn er bittet: „Herr, erquicke, stärke mich, sie mir gnädig nach Deinem Wort,“ so verfehlt er des Willens Gottes nicht. Ja, wenn Christus in uns bleibt und seine Worte in uns bleiben, so ist ein Wille des Geistes in uns, welcher mit dem Willen übereinkommt, und deswegen konnte Jesus Joh. 15,7. zu seinen Jüngern sagen: „So ihr in mir bleibet und meine Worte in euch bleiben, werdet ihr bitten, was ihr wollet, und es wird euch widerfahren.“ Es giebt freilich Dinge, von denen Gott seinen Willen in seinem Worte nicht geoffenbaret hat. Was sollen wir da thun? Wir dürfen einen bescheidenen Versuch mit Bitten machen, wie Moses um den Eingang in Canaan, Jeremias um Abwendung und Zerstörung Jerusalems, Salome für ihre Söhne um das Sitzen zur Rechten und Linken des Herrn Jesu; wenn Gott unsere Bitte aber wie dort abschlägt, so sollen wir uns zur Ruhe geben und glauben, daß das, was Gott thun will, besser ist als das, um das wir Ihn gebeten haben. Wie sollen wir aber diese Antworten Gottes vernehmen? So daß wir darauf achten, ob uns der h. Geist vom weiteren Bitten abhalte, und ob der Erfolg anders ausgefallen ist, als wir gewünscht und erbeten haben. Hanna bat Gott nach Seinem Willen, da sie um einen Sohn bat, Hiskias ebenfalls, als er um die Verlängerung seines Lebens flehete, ungeachtet weder dieser noch jene sich auf ausdrückliche Verheißungen Gottes berufen konnten. Auch sagt Jacobus 5,16. mit großer Bestimmtheit: „Des Gerechten Gebet vermag viel, wenn es ernstlich ist.“ Weil Gott uns hört, so wir etwas nach Seinem Willen bitten, so dürfen wir auch eine Freudigkeit oder Freimüthigkeit gegen Ihn haben, und Ihn in der Hoffnung der Erhörung oft und um Vieles bitten. (Friedrich Arndt)

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