2. Petrus, Kapitel 1
1:1 Simon Petrus, ein Knecht und Apostel Jesu Christi, denen, die mit uns ebendenselben teuren Glauben überkommen haben in der Gerechtigkeit, die unser Gott gibt und der Heiland Jesus Christus:
1:2 Gott gebe euch viel Gnade und Frieden durch die Erkenntnis Gottes und Jesu Christi, unsers HERRN!
1:3 Nachdem allerlei seiner göttlichen Kraft, was zum Leben und göttlichen Wandel dient, uns geschenkt ist durch die Erkenntnis des, der uns berufen hat durch seine Herrlichkeit und Tugend,
1:4 durch welche uns die teuren und allergrößten Verheißungen geschenkt sind, nämlich, daß ihr dadurch teilhaftig werdet der göttlichen Natur, so ihr fliehet die vergängliche Lust der Welt;
Teilhaftig werden der göttlichen Natur, das will nicht sagen: Gott selber werden. Das ist unmöglich. Das Wesen Gottes ist unerreichbar für die Kreatur. Zwischen dem Geschöpf und dem Schöpfer muss immer eine Kluft bleiben in Beziehung auf das eigenste Wesen beider; aber gleichwie der erste Adam zum Ebenbilde Gottes erschaffen wurde, so werden wir durch die Erneuerung des Heiligen Geistes in einem viel göttlichern Sinne zum Ebenbilde des Höchsten neugeboren und werden teilhaftig der göttlichen Natur. Wir werden durch Gottes Gnade gottähnlich. „Gott ist die Liebe;“ so werden wir Liebe. „Wer lieb hat, der ist von Gott geboren.“ Gott ist die Wahrheit; so werden wir wahrhaftig und lieben, was wahrhaftig ist. Gott ist gut; und so macht Er uns gut durch seine Gnade, so dass wir die Seligen werden, die da reines Herzens sind und Gott schauen. Aber noch mehr: wir werden teilhaftig der göttlichen Natur in einem noch viel höhern Sinne, ja, in einem so erhabenen Sinne, als es nur erfasst werden kann, also dass wir fast der göttlichen Vollkommenheit selber gleichkommen. Werden wir denn nicht Glieder am Leibe der göttlichen Person Christi? Ja, dasselbe Blut, das im Haupte fließt, durchströmt auch die Glieder; und dasselbe Leben, das Christum durchdringt, durchdringt auch sein Volk, denn „ihr seid gestorben, und euer Leben ist verborgen mit Christo in Gott.“ Ja, wie wenn dies noch nicht genug wäre: wir werden Christo vermählt. Er hat uns Ihm vertraut in Gerechtigkeit und Gericht, in Gnade und Barmherzigkeit, und wer mit dem Herrn verbunden ist, der ist ein Geist mit Ihm. O geheimnisvolles Wunder! o wunderbares Geheimnis! wir sehen es vor Augen, aber wer kann‘s verstehen? Eins mit Jesu, so eins mit Ihm, dass die Rebe nicht inniger verbunden ist mit dem Weinstock, als wir mit dem Herrn, unserem Heiland und unserem Erlöser! Wenn wir uns hierüber herzlich freuen dürfen, so lasset uns bedenken, dass, wer der göttlichen Natur teilhaftig geworden ist, ihre Höhe und heilige Abstammung offenbaren muss im Umgang mit andern, und es beweisen muss täglich in Wort und Wandel, dass er dem Verderben entronnen ist, das in der Welt herrscht durch die vergängliche Lust. „Sehet, welch eine Liebe hat uns der Vater erzeigt, dass wir Gottes Kinder sollen heißen! Darum ein jeglicher, der solche Hoffnung hat zu Ihm, der reinigt sich, gleichwie Er auch rein ist.“ Ach, Herr, schenke uns die Gnade eines heiligeren, göttlicheren Lebens! (Charles Haddon Spurgeon)
1:5 so wendet allen euren Fleiß daran und reichet dar in eurem Glauben Tugend und in der Tugend Erkenntnis
1:6 und in der Erkenntnis Mäßigkeit und in der Mäßigkeit Geduld und in der Geduld Gottseligkeit
1:7 und in der Gottseligkeit brüderliche Liebe und in der brüderlichen Liebe allgemeine Liebe.
1:8 Denn wo solches reichlich bei euch ist, wird's euch nicht faul noch unfruchtbar sein lassen in der Erkenntnis unsers HERRN Jesu Christi;
Wenn wir wünschen, unsren Herrn durch Fruchtbarkeit zu verherrlichen, so müssen sich gewisse Dinge in uns finden; denn nichts kann aus uns herauskommen, was nicht zuerst in uns ist. Wir müssen mit dem Glauben beginnen, der die Grundlage aller Tugenden ist; und dann fleißig hinzufügen Tugend, Erkenntnis, Mäßigkeit und Geduld. Dazu müssen wir Gotteseligkeit und brüderliche Liebe haben. Wenn alle diese verbunden ist, so werden wir sicherlich als unsre Lebensfrucht die Trauben nützlichen Wirkens hervorbringen, und werden nicht nur müßige Kenner, sondern wirkliche Thäter des Wortes sein. Diese heiligen Dinge müssen sich nicht bloß in uns finden, sondern sie müssen sich reichlich finden, sonst werden wir unfruchtbar sein. Frucht ist das Überfließen des Lebens, und wir müssen voll sein, ehe wir überfließen können.
Wir haben Männer gekannt, die beträchtliche Fähigkeiten und günstige Gelegenheit hatten, und denen es doch nie gelang, in der Bekehrung von Seelen wirklich Gutes zu wirken; und nach genauer Beobachtung sind wir zu dem Schluß gekommen, daß ihnen gewisse Gnaden fehlten, die schlechthin notwendig zum Fruchttragen sind. Für ein wirklich nützliches Wirken sind Gnaden besser als Gaben. Wie der Mensch ist, so ist sein Werk. Wenn wir besser wirken wollen, so müssen wir besser sein. Laßt diesen Spruch einen leisen Wink sein für unfruchtbare Christen, und für mich selber auch. (Charles Haddon Spurgeon)
1:9 welcher aber solches nicht hat, der ist blind und tappt mit der Hand und vergißt die Reinigung seiner vorigen Sünden.
1:10 Darum, liebe Brüder, tut desto mehr Fleiß, eure Berufung und Erwählung festzumachen; denn wo ihr solches tut, werdet ihr nicht straucheln,
So kann und soll man seinen Beruf und Erwählung alsdann feste machen, 1 Petr. 1,10. in der Erkenntniß unsers Herrn Jesu Christi, und niemals vergessen der Reinigung seiner vorigen Sünden. So wird man durch lauter Gnade behalten, bis uns reichlich dargereicht wird der Eingang zu seinem ewigen Reich; da die Zahl seiner Auserwählten wird voll und beisammen sein, herausgerufen und zusammen gebracht aus allerlei Geschlecht und Zungen, und Volk und Heiden. Und was ist alsdann ihrer aller Sinn und Lobspruch? Nichts anders, als die freie Gnade zu preisen, und Gott darüber Ehre und Dank zu geben, daß sie da sind. Heil sei unserm Gott und dem Lamm! Offenb. 7,10. Allein durchs Blut des Lammes sind wir durchkommen, zu stehen vor dem Stuhl Gottes in seinem Tempel. V. 15. Das ist das herrliche Ziel unserer Berufung. Dahin verhelfe uns die Gnade durch die blutige Erlösung Jesu Christi unsers Herrn! (Friedrich Christoph Steinhofer)
1:11 und also wird euch reichlich dargereicht werden der Eingang zu dem ewigen Reich unsers HERRN und Heilandes Jesu Christi.1)
Ein schwacher Christ zweifelt oft, ob ein kräftiger Beruf zu dem Reich Gottes an ihn ergangen, und ob er zum ewigen Leben erwählt sei, und kränket sich auch darüber, daß durch sein Straucheln zuweilen dasjenige, was er schon erreicht zu haben meint, wieder zu verschwinden und zernichtet zu werden scheint. Wie kann er nun recht gewiß werden, daß er ein Berufener und Auserwählter sei? Und wie kann sein Gnadenstand, in dem er als ein solcher steht, befestigt, und vor dem wirklichen Rückfall gesichert werden? Petrus sagt, man solle Fleiß thun, und V. 5., man solle allen Fleiß anwenden. Wie aber? So daß man in seinem Glauben Tugend, und in der Tugend Bescheidenheit, und in der Bescheidenheit Mäßigkeit, und in der Mäßigkeit Geduld, und in der Geduld Gottseligkeit, und in der Gottseligkeit brüderliche Liebe, und in der brüderlichen Liebe gemeine Liebe darreicht. Petrus setzt voraus, daß man zu diesem Allem Kraft vom HErrn empfangen habe, welche man nun wohl anwenden soll. Wie aber? Wenn man den Glauben darreichen soll, so muß der Unglaube als Sünde erkannt werden, wenn man Tugend oder Tapferkeit beweisen soll, muß die Menschenfurcht und Faulheit verläugnet werden, die Bescheidenheit oder Vernunft (1 Petr. 3,7.), mit der man Andern begegnen soll, ist dem schnell zufahrenden, eigensinnigen, rauhen und trotzigen Wesen entgegengesetzt. Soll ich mäßig und geduldig sein, so muß die Unmäßigkeit im Genuß, und die Untugend im leiden verläugnet und getödtet werden. Die Gottseligkeit heißt mich das Zunahen zu Gott, den Umgang mit Gott, und alle gottesdienstlichen Werke fleißig ausüben. Die brüderliche Liebe ist der Kaltsinnigkeit und dem genommenen Aergerniß, und die allgemeine dem Haß gottloser Menschen entgegengesetzt. Alle diese Früchte der Gerechtigkeit kosten einen Kampf und Tod. Täglich kommen aber Gelegenheiten dazu vor; da dann Paulus den Christen zuruft: ziehet an, Kol. 3,12., und Petrus: reichet dar. Wenn man aber immer bei sich selber ist, und die Erweisungen des geistlichen Lebens, die Petrus beschreibt, reichlich darreicht, so wird man seines Berufs und seiner Erwählung immer gewisser, denn diese Erweisungen sind Beweise davon: da hingegen ein fauler und unfruchtbarer Christ wie ein Blinder mit der Hand tappt, und nicht weiß, wo er daran ist, V. 8.9. Auch wird demjenigen, der reichlich darreicht, was er darreichen soll, von Gott der Eingang in sein ewiges Reich reichlich dargereicht werden. Man frage nicht, was für ein Reich Gottes hier gemeint sei, denn Gott hat nur Ein Reich, das im Himmel und auf Erden ist, wer aber allen Fleiß anwendet, sich als ein Christ bei allen Fällen nach dem Maaß der empfangenen Gnade zu beweisen, der wird in dieses Reich immer weiter hineingeführt werden (denn wer da hat, dem wird gegeben), und also immer weniger zweifeln und rückfällig werden können. Der Mangel desselben aber hat in der Zeit und Ewigkeit große Folgen. HErr, erwecke uns immer mehr zu diesem Fleiß!(Magnus Friedrich Roos)
Die Gewißheit:„ich habe durch den Glauben an Christum einen gnädigen Gott, sein Geist gibt meinem Geist Zeugnis, daß ich sein liebes Kind bin!“ ist freilich ein großes Gut und herrliches Gnadengeschenk Gottes. Aber ein solches Gut liegt nicht wie ein totes Metall im Kasten; es ist ein Landgut, das wir nun bebauen sollen. Umsonst haben wir es bekommen; aber wir dürfen es nicht ohne Fleiß und Treue behalten. Sonst geht es wieder verloren. Daher wird ein Sinnen und Sichstrecken nötig sein, damit diese Gewißheit wachse. Das Interesse unserer Seele muß auf die Verstärkung und Ausdehnung dieser Gewißheit gerichtet sein, daß immer mehr Gebiete unseres Lebens dahineinbezogen werden und immer mehr schwere Anfechtungsstürme auf diese Schanze abgeschlagen werden können. Das ist zugleich unsere Heiligung. Was für den täglichen Wandel sich als segensreich und wichtig erweist, das nützt zugleich dem ganzen Bollwerk christlicher Gewißheit. Mögen andere spotten:„So werdet ihr auf Erden nie fertig!“ so antworten wir getrost:„Die Ewigkeit ist lang genug zum Genießen! Jetzt müssen wir das Werk ausführen, zu dem uns die Erwählung berief.“
Dank und Anbetung sei dir, Herr, gesagt, daß du uns soviel aus Gnaden geschenkt hast. Aber lehre uns auch täglich den Garten Eden zu bewahren und zu bebauen, den du gabst. Wir geben unser Bestes alle Tage dran, seit du uns die Ewigkeit aufgetan hast. Herr, segne deine Kinder. Amen. (Samuel Keller)
1:12 Darum will ich's nicht lassen, euch allezeit daran zu erinnern, wiewohl ihr's wisset und gestärkt seid in der gegenwärtigen Wahrheit.
1:13 Ich achte es für billig, solange ich in dieser Hütte bin, euch zu erinnern und zu erwecken;
1:14 denn ich weiß, daß ich meine Hütte bald ablegen muß, wie mir denn auch unser HERR Jesus Christus eröffnet hat.
Obschon die Schriften des Alten und Neuen Testaments auch von den Gerechten sagen, daß sie sterben und hernach todt seien, so brauchen sie doch auch öfters sanftere und lieblichere Ausdrücke, und man findet insonderheit, daß die heiligen Männer Gottes, wenn sie von ihrem eigenen Sterben reden, sich auf eine milde Art ausdrücken. David sagte 1 Kön. 2,2.: ich gehe dahin den Weg aller Welt; Simeon Luk. 2,29.: HErr, nun entlässest Du Deinen Diener in Frieden. Paulus Phil. 1,23.: ich habe Lust aufzubrechen, und bei Christo zu sein, und 2. Tim. 4,6.: ich werde jetzt geopfert, und die Zeit meines Aufbruchs ist vorhanden; 2 Kor. 5,8. sagt er nicht: wir haben ein vorzügliches Belieben an dem Sterben, sondern: wir haben ein vorzügliches Belieben an dem Auswandern aus dem Leibe, und an dem Heimgehen zu dem HErrn. Eben so lieblich redete Petrus von seinem herannahenden Tod, da er schrieb: ich weiß, daß ich meine Hütte bald ablegen muß, und im folgenden Vers nannte er seinen Tod einen Ausgang (aus der sichtbaren Welt). Wenn man nun voraussetzt, daß diese heiligen Männer aufrichtig, und ihre Worte die eigentlichen Ausdrücke ihrer wahren Gesinnung gewesen seien, so darf man aus den angeführten Worten schließen, daß sie von der Furcht des Todes frei gewesen seien, und ihren Tod als eine vorteilhafte Veränderung, auf die ihnen nicht bang war, angesehen haben. Was nun insonderheit die angeführten Worte Petri anbelangt, so war die Hütte, von welcher er schrieb, daß er sie bald ablegen müsse, sein sterblicher Leib, wie er denn auch V. 13. sagte: er sei noch in dieser Hütte. Der Leib ist aber eine Hütte in Ansehung der Seele. Es ist aber diese der Seele so angemessen, wie ein Kleid, weßwegen er auch 2 Kor. 5,4. sowohl eine Hütte genannt wird, worin die Seele wohne, als auch ein Kleid, von welchem sie entkleidet werde. Gleichwie man ein Kleid ablegt (Ap. Gesch. 7,57.), also kann man auch die Leibeshütte, die einem Kleid ähnlich war, ablegen. Ist man aber ein Gerechter, so hat man alsbald hernach einen Bau von Gott erbauet, ein Haus nicht mit Händen gemacht, das ewig ist, im Himmel, und dieses Haus wird das Kleid der Seele sein, die durch das Ausziehen des sterblichen Leibes bloß geworden war. Die bloße Seele wird mit jener himmlischen Behausung bekleidet, der ganze Mensch aber, der sein eigenes Kleid, das ist seinen sterblichen Leib, noch hat, könnte damit überkleidet werden.
Es ist wunderbar, daß Petrus von seinem Tod so gelassen und mit einem so sanften Ausdruck hat schreiben können, da er doch aus der Anzeige Christi Joh. 21.18. wußte, daß er am Kreuz schmerzlich sterben werde. Wie nahe oder wie entfernt die Ablegung meiner Hütte nach menschlicher Rechnung sei, ist mir nicht geoffenbaret: doch darf ich sie mir als nahe vorstellen; denn die Zeit ist überhaupt kurz, und das Leben nur einer Hand breit. Wie aber? Kann ich ohne Angst und Grauen daran gedenken? Und soll mich nicht diese Vorstellung antreiben, zu wachen, zu beten, allen Fleiß im Dienst des HErrn anzuwenden, der Heiligung nicht nachzuschleichen, sondern nachzujagen, und aufzuräumen, wo etwas aufzuräumen ist.(Magnus Friedrich Roos)
1:15 Ich will aber Fleiß tun, daß ihr allezeit nach meinem Abschied solches im Gedächtnis halten könnt.
1:16 Denn wir sind nicht klugen Fabeln gefolgt, da wir euch kundgetan haben die Kraft und Zukunft unsers HERRN Jesus Christus; sondern wir haben seine Herrlichkeit selber gesehen,
1:17 da er empfing von Gott, dem Vater, Ehre und Preis durch eine Stimme, die zu ihm geschah von der großen Herrlichkeit: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“
1:18 Und diese Stimme haben wir gehört vom Himmel geschehen, da wir mit ihm waren auf dem heiligen Berge.
1:19 Und wir haben desto fester das prophetische Wort, und ihr tut wohl, daß ihr darauf achtet als auf ein Licht, das da scheint in einem dunklen Ort, bis der Tag anbreche und der Morgenstern aufgehe in euren Herzen.
1:20 Und das sollt ihr für das Erste wissen, daß keine Weissagung in der Schrift geschieht aus eigener Auslegung.
1:21 Denn es ist noch nie eine Weissagung aus menschlichem Willen hervorgebracht; sondern die heiligen Menschen Gottes haben geredet, getrieben von dem heiligen Geist.2)
Wer muß nach Lesung solcher Worte sich nicht freuen des festen Grundes, auf dem sein Glaube erbaut ist? Licht und Grund desselben ist ja 1) das Zeugniß der Apostel, die bei ihren Berichten nicht klugen Fabeln, Ahnungen und Sagen, deren das ganze Alterthum voll war, gefolgt waren, sondern einfach und wahrheitstreu mittheilen, wovon sie Augen- und Ohrenzeugen gewesen, die Herrlichkeit Jesu Christi in seinem Leben und Wandel, die sie selbst gesehen, die Verklärung auf Thabor, deren Eindrücke noch nicht in dem hohen Alter, da er dem Eingange in die ewigen Hütten so nahe war, in der Seele Petri erstorben waren; 2) das Zeugniß Gottes vom Himmel über seinen verklärten Sohn, das Siegel der höchsten Ehre und Liebe, das, wie beim Eintritt in sein heiliges Amt, so jetzt am Ende seines Amtes Ihm ertheilt wurde, und womit Er selbst zu der tiefen Schmach seines Leidens gestärkt und eingeweiht ward, als zu einem gewissen Hingang von der Welt zum Vater, durch Leiden zu Herrlichkeit; 3) das Zeugniß der Propheten in seiner wunderbaren Uebereinstimmung mit der Botschaft des Gekommenen. Welche Wolke von Zeugen, von Helden des Glaubens, von Märtyrern der Wahrheit, von Ueberwindern der Welt! Welch ein festes, prophetisches Wort, das da scheinet in den dunkeln Ort unseres Herzens, bis der Tag in ihm anbricht und der Morgenstern aufgeht! Herr, sprich auch zu meiner Seele: es werde Licht! verscheuche alle Nacht und Blindheit meines Innern; mache mich immer fester in Deinem Worte; werde Du selbst, Herr Jesu, mein heller Morgenstern, meine ewige Lebenssonne, und strahle mir in dem Lichte Deiner Gnade, werde mein und ich Dein, bis jede Finsterniß in mir untergegangen und es völliger Tag geworden ist in meinem Herzen. Durch die Propheten zu den Aposteln, durch die Apostel zu Christo, durch Christum zur ewigen Seligkeit beim Vater: das sei der Gang meiner Lebensgeschichte. Amen. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)
Den Anfang dieser andern Epistel macht Petrus mit einem gewöhnlichen apostolischen Wunsch. Zugleich gedenkt er seines Amtes und auch derjenigen, an welche er schreibt, daß es nämlich die Christen, die zu dem theuern Glauben an Christum gekommen sind, dadurch wir die Gerechtigkeit erlangen, die Gott und der HErr Christus gibt, und durch welche wir die Gnade Gottes und den innerlichen Gewissensfrieden mit Gott überkommen. Das geschehet aber durch die Erkenntniß Gottes und unseres HErrn Jesu Christi; wie der heilige Geist schon durch den Propheten alten Testaments von Christo geredet hat, daß Er als der gerechte Knecht Gottes durch Seine Erkenntniß viele gerecht machen werde.
Solche Erkenntniß ist aber keine leere und blose Wissenschaft, welche auch bei den Teufeln und Gottlosen sich findet, (denn sie wissen vieles von Gott und göttlichen Dingen, aber erlangen dadurch kein Heil und keine Seligkeit,) sondern jene Erkenntniß ist, wie Paulus selber klar anzeiget, der rechtschaffene christliche Glaube, nach welchem man sich mit ganzem Herzen auf Gott und den HErrn Jesum Christum verlasset, Ihm in Glück und Unglück vertrauet, bei Ihm im Leben und Sterben Trost, Hilfe und Rath suchet und erwartet; was gewiß eine selige Erkenntniß und ein theurer, werther Glaube ist.
Was für herrliche und vortreffliche Wirkungen aber aus diesem Glauben und dieser Erkenntniß folgen, ist daran zu merken, daß Petrus sagt, es sey uns dadurch allerlei göttliche Kraft zu unserm geistlichen und ewigen Heil geschenket. Denn wir von uns selbst sind viel zu schwach und unvermögend zu so hohen und heiligen Dingen. Die Kraft aber von oben herab soll uns dazu gedeihen, daß wir nicht nur alles leibliche Unglück dieser Welt, sondern auch die Sünde, ja den Tod, Teufel und Hölle selber überwinden und zu Boden werfen können; wobei wir jederzeit ein unerschrocken Gewissen und fröhliches Herz haben - und uns vor keinem Unglück fürchten dürfen.
Solcher Segen wird dadurch vergrößert, daß uns auch die allertheuerste und herrlichste Verheißung geschiehet, wir sollen theilhaftig werden der göttlichen Natur. Diese Natur merken die Gläubigen an ihnen, wenn sie über die ewige Wahrheit, Gerechtigkeit und Weisheit Gottes -, und über alles andere, was von demselbigen gedacht oder genennet werden mag, Lust, Freude und Trost bei sich empfinden - und Gott in allen Seinen Tugenden ähnlich werden. Da leben sie zugleich versichert, daß sie außer alle Gefahr gesetzet sind, und so wenig man Gott Leid oder Schaden zufügen kann, so wenig können auch ihnen die geistlichen Feinde zumal etwas anhaben.
Weil uns nun alle diese Herrlichkeit durch den Glauben an Christum widerfähret, so sind wir auch schuldig, allen Fleiß daran zu wenden, daß solcher unser Glaube nicht faul noch müssig sey, sondern sich in allerlei Werken der Gottseligkeit äußere und beweise; was nach Petri Anzeige vornehmlich an der Bescheidenheit, Mäßigkeit, Geduld und Liebe nicht allein gegen unsere Mitchristen, sondern auch gegen alle Menschen insgemein erkannt und wahrgenommen wird.
Außer solchen Werken und Tugenden können wir unsers Glaubens nicht gewiß seyn, und ohne dieselben wird der Glaube nur ein selbsterdichteter Glaube bleiben, bei welchem wir wie die Blinden an der Wand tappen, das ist, wir werden immer in Zweifel stehen, wie wir mit Gott daran seyen, und also weder Leben noch Seligkeit gewiß hoffen können. Wo wir hingegen unsern Glauben mit guten Werken beweisen - und darthun, daß unser Beruf und Erwählung bei Gott fest sey, so sind wir des Eingangs zu dem Reich Gottes und unseres HErrn Jesu Christi gewiß versichert.
Unter diesen guten Gedanken erinnert sich der Apostel zuletzt in diesem Kapitel seines endlichen Abschieds, wenn er bezeuget, der HErr Jesus Christus selber habe ihm geoffenbaret, daß er seine Hütte bald ablegen und sterben werde. Darum thut er denn so gar nachdrückliche Erinnerung des heiligen Evangelii, nicht allein, daß er dasselbige eifrig und getreulich gepredigt habe, sondern auch, daß es alle Frommen und Gläubigen nach seinem Abschied fleißig im Gedächtniß halten sollen. Denn das heilige Evangelium ist kein Mährlein oder Fabel, mit welchen die heidnischen Weltweisen viel Verstand und Klugheit zu beweisen vermeinten, sondern eine Lehre, die Gott selbst vom Himmel herab geredet, und die Petrus mit seinen eigenen Ohren nebst Jakobus und Johannes - bei der herrlichen Verklärung Christi auf dem Berg Thabor - gehört hat. Es ist die Predigt, davon der heilige Geist auch die Propheten alten Testamentes unterrichtet hat, die es dann hinwiederum mit großer Treue und Ernst den Leuten verkündigten. Darum nennet er es „ein festes prophetisches Wort“, daran wir halten, und darauf wir gute Acht geben sollen, weil es kein Menschentand, Lüge oder Betrug, sondern ein gewisses und unbezweifeltes göttliches Wort sey, vom heiligen Geist selbst eingegeben und geoffenbart, mit welchem wir uns gegen alle Irrthümer, ja sogar gegen den ewigen Tod wappnen und rüsten können. Und weil außer diesem Wort nichts denn eitel Finsterniß, Blindheit und Unwissenheit in dieser Welt ist, so sollen wir solches als das geschenkte göttliche Licht zu unserm geistlichen und ewigen Heil stets anschauen - und immerdar vor Augen und im Herzen haben; denn es ist doch, wie es David nennet, unserer Füße Leuchte und ein Licht auf unsern Wegen.
Nun - Gott der Vater, der Seinem lieben Sohn Preis und Ehre vom Himmel gegeben und uns durch denselben die wahre Erkenntniß, den theuern Glauben und die Kraft zum göttlichen Wandel geschenkt hat, lasse doch bei uns allen Seinen überschwänglichen Segen nicht unfruchtbar bleiben - und verleihe dagegen durch Seinen heiligen Geist, daß in unserm ganzen Leben und sonderlich in der Stunde unseres Abscheidens, wann wir die Hütte dieses Leibes ablegen müssen, der rechte Morgenstern des tröstlichen Worts Gottes in dem Herzen uns aufgehe, damit wir in keinem Stück straucheln, sondern in der gegenwärtigen Wahrheit erweckt, gestärkt und erhalten werden, durch unsern HErrn und Heiland Jesum Christum. Amen. (Veit Dieterich)