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Jakobus, Kapitel 1

Jakobus, Kapitel 1

1:1 Jakobus, ein Knecht Gottes und des HERRN Jesu Christi, den zwölf Geschlechtern, die da sind hin und her, Freude zuvor!

1:2 Meine lieben Brüder, achtet es für eitel Freude, wenn ihr in mancherlei Anfechtungen fallet,
Sie waren eine sieghafte Schar, die, die mit Jesus nach Golgatha gingen und von ihm von Golgatha in die Osterzeit hinübergeführt wurden. Gab es je eine bedrücktere Christenheit als die, die in Jerusalem ausharrte? Gebannt, mit schweigender Verachtung in einen Winkel gedrängt, von den Heiligtümern getrennt, an denen von Jugend an ihre Seele hing, hielten sie aus, obwohl über der nächsten Zukunft eine schwarze Wetterwolke stand, die dem Vorblick auf den Greuel der Verwüstung im Tempel und auf die von den Feinden umringte Stadt, die in der Umklammerung ihrer Feinde ein bitteres Sterben erleiden wird. Dennoch erklomm sie ihren ersten steilen Weg mit dem jubelnden Ruf der Sieger: Haltet es für lauter Freude, wenn euch Versuchung auf Versuchung bestürmt. Ich lebe in geordneten, friedlichen Verhältnissen. Es ballt sich keine Faust gegen mich, und was böse Zungen sagen, versteckt sich heimlich. Doch gibt auch mir und allen unsere Lage an der Versuchung teil. Der Druck der Welt liegt auf uns und die Gefährdung unseres Volkes schmerzt und der Zustand unserer Christenheit lähmt. Man spricht nicht ohne Grund von einer „Krisis unserer Kultur“ und von einer „Krisis in unserer Kirche“.Mitten im lauten Lärm über die Torheit des Glaubens und im starken Wellenschlag einer Strömung, die sich den Geboten Jesu widersetzt, kann sich keiner ohne Anstrengung und ohne Schmerzen gläubig verhalten. So müssen auch wir es wie die Gefährten Jesu lernen, dass Versuchung Freude verschafft, ganze, klare Freude ohne die Beimischung einer Klage. Dass im Kampf Wunden empfangen werden und die Wunden schmerzen, das bleibt unbestritten. Das zeigt die Erfahrung mir wie allen. Allein eine Trübung der Freude entsteht aus diesen Schmerzen nicht. Sie schwebt als der reine Klang der vollen Danksagung über dem Lärm des inwendigen Kampfes. Warum? Die Versuchung, sagt Jakobus, gilt deinem Glauben. Dieser wird erprobt und durch die bestandene Versuchung bewährt. Und glauben können, das ist Freude; denn das ist mein Heil.
Was Du gibst, heiliger Gott, und von uns verlangst, hat das Merkmal der Wahrheit. Vor Dir besteht kein Schein und ein geteiltes Herz hat nicht Dein Wohlgefallen. Darum machst Du aus den Deinen die kämpfende Schar. Deine Gnade hat auch mich zu ihr gesellt. Ich sehe die Gefahr des Kampfes und habe nicht in mir die siegende Kraft. Dein Wort ist mein Halt und Dein Wort beruft mich zur Freude und zum Dank auch für den Kampf. Amen. (Adolf Schlatter)


Obschon Jakobus in seinem Brief als ein sehr ernsthafter Apostel erscheint, und mehr Gebote als Tröstungen darin vorgetragen hat, so steht er doch darin auf einer Glaubenshöhe, welche weder Moses noch die übrigen Propheten des Alten Testaments haben erreichen können. Schon der Anfang seines Briefs beweiset dieses, als in welchem er zu den glaubigen Israeliten, an die er schrieb, sagte: achtet es eitel Freude, wenn ihr in mancherlei Anfechtungen fallet. Ein Beispiel einer solchen Freude war Jakobus selbst nebst den übrigen Aposteln; denn als das ganze Häuflein der Apostel auf Befehl des hohen Raths zu Jerusalem gestäupt worden war, folglich ein Jeder unter ihnen 39 harte Streiche bekommen hatte, so gingen sie freudig von des Raths Angesicht, daß sie würdig gewesen waren, um des Namens Jesu willen Schmach zu leiden, Ap. Gesch. 5,40.41. Als Paulus und Silas nach empfangenen noch härteren Schlägen im Gefängniß zu Philippi beteten und Gott lobten, so empfanden sie ebenfalls etwas von einer solchen Freude, Ap. Gesch. 16,23.24.25. Auch die Hebräer, an die Paulus seinen Brief geschrieben hat, haben den Raub ihrer Güter mit Freuden erduldet, da sie um des Namens Christi willen verfolgt wurden, Hebr. 10,34. Ein jeder Christ kann es bei sich selbst fühlen, daß er diejenigen Anfechtungen, in die er um des Namens Christi willen fällt, das ist die Verfolgungen, die er als ein glaubiger Jünger Jesu von der unglaubigen Welt leiden muß, am leichtesten für eitel Freude achten können, weil er sich dadurch in eine besondere Aehnlichkeit mit Christo und vielen Heiligen gesetzt sieht, und eine himmlische Gnadenbelohnung mit Zuversicht hoffen darf. Eine solche Verfolgung führt ihre besondere Ehre mit sich, welche auch die Apostel empfanden, da sie sich freuten, daß sie der Schmach Christi gewürdigt worden seien, Ap. Gesch. 5,41. Aber auch andere Anfechtungen, in welchen ein Christ zwar nicht um Christi willen, aber doch mit Christo leidet, kann er, wenn sein Geist recht heiter und sein Glaube recht aufgerichtet ist, für Freude achten, weil er erkennt, daß er dadurch diesem seinem geliebten HErrn von außen und innen ähnlich wird, und daß dieselbe zeitliche und leichte Trübsal eine ewige und über alle Maßen wichtige Herrlichkeit schafft. Gesetzt aber, er könne eine solche Anfechtung bei seiner Schwachheit noch nicht für Freude achten, so soll er doch darin ruhig und mit Gott zufrieden sein, und Gott als denjenigen, der Alles wohl macht, in seinem Herzen heiligen. Die Wurzel des ganzen rechtschaffenen Verhaltens in den Anfechtungen ist der Glaube, der, wenn er rechtschaffen ist, Geduld oder die Unterwürfigkeit des Leidenden unter den Willen Gottes wirket; dieser Geduld aber soll kein nahes Ziel eigenmächtig gesteckt werden, sondern sie soll bis an’s Ende, es sei nahe oder entfernt, fest bleiben. Alsdann bringt die Trübsal, sie sei von was für einer Art sie wolle, Bewährung, die Bewahrung bringt Hoffnung, die Hoffnung aber schließt schon eine Freude oder wenigstens eine herzliche Zufriedenheit in sich. (Magnus Friedrich Roos)

1:3 und wisset, daß euer Glaube, wenn er rechtschaffen ist, Geduld wirkt.

1:4 Die Geduld aber soll festbleiben bis ans Ende, auf daß ihr seid vollkommen und ganz und keinen Mangel habet.

1:5 So aber jemand unter euch Weisheit mangelt, der bitte Gott, der da gibt einfältig jedermann und rücket's niemand auf, so wird sie ihm gegeben werden.
„So aber jemand unter euch Weisheit mangelt.“ Es ist kein „So“ in der Sache, denn ich bin gewiß, daß sie mir mangelt. Was weiß ich? Wie kann ich meinen eignen Weg lenken? Wie kann ich andre führen? Herr, ich bin eine Masse von Torheit, und Weisheit habe ich nicht.
Du sprichst:„Der bitte von Gott.“ Herr, ich bitte jetzt. Hier zu Deinen Füßen bitte ich, mich mit himmlischer Weisheit zu versehen für die schwierigen Dinge dieses Tages, ja, und für die einfachen dazu; denn ich weiß, ich kann sehr Albernes tun, sogar in einfachen Dingen, wenn Du mich nicht vor Schaden behütest.
Ich danke Dir, daß das Bitten alles ist, was ich zu tun habe. Was für Gnade ist es von Dir, daß ich nur im Glauben zu beten brauche, und daß Du dann mir Weisheit geben willst! Du verheißest mir hier eine gute Erziehung, und diese dazu ohne einen zornigen Lehrer und einen scheltenden Schulmeister. Du willst sie auch ohne Bezahlung gewähren - sie einem Thoren gewähren, dem es an Weisheit mangelt. O Herr, ich danke dir für dieses bestimmte und ausdrückliche Wort: „so wird sie ihm gegeben werden.“ Ich glaube es. Du willst Dein Kind heute die verborgene Weisheit erkennen lassen, welche die fleischlich Klugen niemals lernen. Du willst mich nach Deinem Rat leiten und mich zuletzt mit Ehren annehmen. (Charles Haddon Spurgeon)


'Ein bißchen stark! Uns zuzumuten, daß uns Weisheit und Verstand mangelte!' möchte mancher denken, der sich selbst für weise hält. Aber Weisheit hängt mit weisen zusammen. Hast du den geheimen Takt, der dich stets den rechten Weg weist? Bist du ein von Gott zurechtgewiesener Wanderer, der nun ohne Angst vor neuem Verirren alle Tage gewisse Tritte vorwärts tun kann? Wie bange sind wir, einen falschen Weg zu wählen! Doch der bange Mensch wird eher bitten lernen um Gewiesenwerden von oben. Das ist schon der Anbruch der Weisheit, daß man offen wird für Gottes Winke - einerlei, ob er sie uns durch ruhiges Überlegen der Umstande, andere Menschen oder Bibelsprüche gibt. In wie viel Not meines Lebens durfte ich es nicht erfahren, daß die erste Stufe der Erhörung meiner Bitte um Weisheit die Stille der Seele brachte, wo sich schon die trüben Wasser setzten und klar wurden. Betete ich weiter, gab es als zweite Stufe die völlige Willigkeit zum Gehorsam, und dann pflegte die dritte nicht mehr fern zu sein, wo Gott mir einen kleinen Schritt vorwärts zeigte. War der getan, tat sich die Nebelwand auseinander, und sein Weg lag sonnenbeglänzt vor mir.
Gerade weil ich das so oft erlebt habe, lieber Vater im Himmel, will ich nicht mehr auf mich trauen, sondern allein auf dich. Du sollst es sein, von dem ich meine Weisung erwarte. Gib deinem Kinde deine Winke und die Lust, dir zu gehorchen! Herr, ich bitte um Weisheit. Amen. (Samuel Keller)


Wie ernsthaft es Jakobus daran liegt, dass wir zum Werk, und zwar zum vollendeten, fertig werdenden Werk gelangen, wird an dem besonders sichtbar, was er denen sagt, denen die Weisheit fehlt. Wie können sie handeln, wenn sie keine Weisheit haben? Denn die Weisheit würde ihnen zeigen, was sie zu tun haben, und ließe sie auch die Mittel finden, durch die sie das ihnen gezeigte Ziel erreiche. So scheint es zunächst, mit dem Fehlen der Weisheit sein ihnen das Handeln unmöglich gemacht; sie seien vom Werk entbunden. Jakobus beruhigt sich aber nicht mit dem Gedanken, sie könnten nun einmal nicht mehr und müssten sich in ihr Unvermögen schicken, sondern er zeigt dem, dem die Weisheit fehlt, wie er sie erlangt, wie er sich also von seinem Unvermögen befreien und die Ausrüstung zum richtigen Handeln empfangen kann. Er bitte Gott. So nahe ist uns Gott, dass wir, wenn wir nicht wissen, was wir tun sollen, von ihm uns erbitten dürfen, dass er uns sichtbar mache, was zu geschehen hat, und unsere Entschlüsse so leite, dass wir das Richtige vollbringen. Diese Verheißung überschreitet das mit dem Glauben uns gegebene Verhältnis zu Gott nicht; denn sie redet nicht von Zeichen, die uns von außen leiten, auch nicht von plötzlich in uns aufleuchtenden Eingebungen. Nichts anderes als das glaubendes Verhalten ist uns hier beschrieben, das wir dann üben, wenn wir nach Gottes erleuchtendem Wirken begehren. Wie es sich in der Bewegung unserer Seele vollzieht, davon weiß der Glaube nichts und er richtet auch keine Forderungen an Gott, sondern wartet auf Gottes Hilfe, die das Unvermögen unserer Seele heilt, und er wartet nicht umsonst. Wenn Deine weise Hand, gnädiger Gott, mich leitet, dann zerfällt das, was ich unternehme, nicht. Ich muss mein Werk von Deiner Güte empfangen, damit es mir und anderen heilsam sei, und ich suche es bei Dir, der Du im Licht wohnst und durch Dein Licht unseren Weg hell machst. Amen. (Adolf Schlatter)

1:6 Er bitte aber im Glauben und zweifle nicht; denn wer da zweifelt, der ist wie die Meereswoge, die vom Winde getrieben und gewebt wird.

1:7 Solcher Mensch denke nicht, daß er etwas von dem HERRN empfangen werde.

1:8 Ein Zweifler ist unbeständig in allen seinen Wegen.

1:9 Ein Bruder aber, der niedrig ist, rühme sich seiner Höhe;

1:10 und der da reich ist, rühme sich seiner Niedrigkeit, denn wie eine Blume des Grases wird er vergehen.

1:11 Die Sonne geht auf mit der Hitze, und das Gras verwelkt, und seine Blume fällt ab, und seine schöne Gestalt verdirbt: also wird der Reiche in seinen Wegen verwelken.

1:12 Selig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet; denn nachdem er bewährt ist, wird er die Krone des Lebens empfangen, welche Gott verheißen hat denen, die ihn liebhaben.
Ja, er ist selig, während er die Prüfung erduldet. Kein Auge kann dies sehen, bis es mit himmlischer Augensalbe gesalbt ist. Aber er muß sie ertragen und sich weder gegen Gott empören, noch von seiner Lauterkeit ablassen. Der ist selig, der durch das Feuer hindurch gegangen und nicht als etwas Unrechtes verzehrt worden ist.
Wenn die Probe vorüber ist, dann kommt das Siegel des göttlichen Beifalls: „die Krone des Lebens.“ Als wenn der Herr spräche: „Laßt ihn leben; er ist in der Waage gewogen und nicht zu leicht erfunden.“ Leben ist der Lohn: nicht bloßes Dasein, sondern heiliges, glückliches, wahres Sein, die Verwirklichung des Zweckes, den Gott mit uns hat. Schon jetzt krönt eine höhere Form des geistlichen Lebens und Genusses diejenigen, welche die stärksten Anfechtungen des Glaubens und der Liebe bestanden haben.
Der Herr hat die Krone des Lebens denen verheißen, die Ihn lieb haben. Nur Liebhaber des Herrn werden in der Stunde der Versuchung feststehen; die übrigen sinken entweder oder schmollen oder schleichen zurück in die Welt. Komm, mein Herz, liebst du deinen Herrn? Wahrhaft? Tief? Völlig? Dann wird diese Liebe geprüft werden; aber „viele Wasser werden sie nicht auslöschen, noch die Ströme sie ersäufen“. Herr, laß Deine Liebe die meinige nähren bis ans Ende. (Charles Haddon Spurgeon)

1:13 Niemand sage, wenn er versucht wird, daß er von Gott versucht werde. Denn Gott kann nicht versucht werden zum Bösen, und er selbst versucht niemand.

1:14 Sondern ein jeglicher wird versucht, wenn er von seiner eigenen Lust gereizt und gelockt wird.
Die Warnung, die uns verbietet, die Schuld an unserem Fall auf Gott zu legen, ist uns dringend nötig; sie ist aber reich an heilender Kraft. Die Neigung, Gott anzuklagen, ficht uns dann an, wenn wir uns zu unserer versuchlichen Lage richtig stellen. Dann erleben wir alle, was Jakobus im ersten Wort seines Briefes sagt, dass Versuchung Freude schafft, sogar wenn sie sich immer wieder erneuert. Dann aber, wenn wir in der Versuchung gefallen sind, vielleicht auch dann, wenn wir zwar noch nicht fielen, aber in einen harten Kampf verwickelt sind, weil sich eine zähe und starke Begehrung dem Gehorsam widersetzt, sind wir rasch bei dem Gedanken, dass die Schuld unseres falschen Schritts nicht auf uns falle, sondern auf Gott. Wir haben uns ja nicht selber in jene Lage versetzt, aus der die Versuchung entstand. Wir wurden in sie hineingeführt und nun war die Versuchung da, unentrinnbar, als Macht, die uns ergriff. Daran können wir nicht zweifeln, dass Gott auch in jenen Stunden, da wir die falschen Schritte taten, mit dabei gewesen ist. Auch im Rückblick auf jene Stunden steht die Gewissheit fest, dass unser Schicksal uns von Gott bereitet ist. Wie nun? Ist nicht Gott damals unser Feind gewesen, unser Verderber, der uns ins Böse stieß? Würde sich dieser Gedanke in uns festsetzen, so hätte uns unser Fall tödlich verwundet. Dann folgte auf ihn kein Aufstehen mehr und die Türe, die zur Umkehr führt, wäre für uns verschlossen. Besinne dich, sagt mir Jakobus, ehe du Gott beschuldigst; wer schuf deine Tat? Nicht die Dinge, nicht die Menschen, auch nicht Gott, meine Begehrung schuf meine Tat. Als ich den falschen Schritt vollzog, war ich der Schreitende. Irgend einen Gewinn wollte ich erhaschen, irgend eine Verletzung meines Wohlseins und meiner Ehre abwehren. Freilich handelte ich gestoßen und gezwungen als Gefangener. Doch das, was mich stieß und zwang, war mein eigenes Begehren. Dieses zerrte an mir und köderte mich und ich glich dem Fischlein, das gierig nach dem Köder schnappt. Aus meiner Lage kam mein Begehren; das war es ja, was sie versuchlich machte. Ich konnte damals nicht hindern, dass der lockende Wunsch in mir entstand. Kam er aber deshalb zu mir, damit ich ihn erfülle? War er mir nicht deshalb gegeben, damit ich ihn entkräfte, entwurzle und zerstöre? Es bewegt sich in mir kein Verlangen, das ohne mich zur Erfüllung kommt. Zur Tat wird meine Begierde erst, wenn sie durch meinen Entschluss bestätigt und durch meine Zustimmung in Kraft verwandelt ist. Nun liegt die Schuld an ihrem richtigen Platz; nun liegt sie auf mir, und weil ich sie als die meine erkenne, ist sie mir vergeben. Lege ich sie dagegen auf Gott, dann hängt sie unvergeben an mir.
Herr, ich preise Deine Gerechtigkeit allein, auch wenn ich an jene Stunden denke, in denen ich mich falsch entschied. Alles würde dunkel, wenn in der Erinnerung an jene dunklen Stunden auch Dein Angesicht mir dunkel würde. Du aber warst auch damals gerecht und mein Unrecht war mein eigenes Werk. Denn ich hörte auf meine Lust und nicht auf Deinen Willen. Dein Werk ist es, dass ich an meinem Sündigen nicht starb, sondern lebe, und in meiner Nacht Dich nicht verlor, sondern zu Dir kommen kann und bei Dir bleiben darf. Das ist Dein göttlich großes Vergeben, Dein väterliches Werk. Amen. (Adolf Schlatter)

1:15 Darnach, wenn die Lust empfangen hat, gebiert sie die Sünde; die Sünde aber, wenn sie vollendet ist, gebiert sie den Tod.

1:16 Irret nicht, liebe Brüder.

1:17 Alle gute Gabe und alle vollkommene Gabe kommt von obenherab, von dem Vater des Lichts, bei welchem ist keine Veränderung noch Wechsel des Lichtes und der Finsternis.

1:18 Er hat uns gezeugt nach seinem Willen durch das Wort der Wahrheit, auf daß wir wären Erstlinge seiner Kreaturen.
Auch dann bestände unser Gottesdienst aus dankender Anbetung, wenn der Name „Kreatur Gottes“ das Letzte und Höchste beschriebe, was uns zugeteilt ist. Es gibt aber noch etwas Größeres als Kreatur zu sein. Dieses Größere hat Jakobus wie die anderen Apostel die Kindschaft Gottes genannt. Heißt er uns Kreatur, so sagt er: unser Dasein besteht mit allem, was es umfasst, durch Gottes Macht. Nennt er uns von Gott geborene Kinder, so sagt er: Gott legt in euer inwendiges, persönliches Leben die Verbundenheit mit Ihm. Das Geschöpf steht in der Abhängigkeit vom Schöpfer, auch wenn es ihn nicht kennt; dagegen kennt das Kind den Vater. Das Geschöpf muss den Willen Gottes tun, auch wenn es ihn nicht kennt und nicht will. Dagegen dient das Kind Gott mit seinem eigenen Willen in eigenem Gehorsam. Deshalb werden wir zu Gottes Kindern durch das Wort der Wahrheit gemacht. Auch das Geschöpf entsteht durch das Wort Gottes; es ist aber nicht zu ihm gesprochen und wird nicht ihm gegeben; denn es wird durch das göttliche Wort erst ins Dasein gestellt. Nun gibt es aber ein Wort Gottes, das sich an uns wendet, uns anspricht, uns vernehmlich wird und sich zu unserem Eigentum macht, und dieses Wort schafft Leben, und zwar von Gott gewirktes Leben, weil das Wort Wahrheit ist. Darum schafft es, was es verheißt, gibt, was es verkündet, und bleibt uns nicht fremd, sondern wurzelt in uns und füllt unser Herz. An das, was sich uns als Wahrheit enthüllt, sind wir mit einem unlöslichen band gebunden. So entsteht durch das Wort auf den weiten Ackerfeld der Schöpfung Gottes Kinderschar als eine Erstlingsfrucht, als ein Vorzeichen für das, was die Vollendung des göttlichen Reichs der Schöpfung bereiten wird. Auf diesen erhabenen Ort hebt uns aber nicht der eigene Wille und die eigene Leistung empor. Das ist nicht der Erfolg unserer Bemühung, wie wir auch nicht durch unsere Anstrengung geschaffen sind. Gottes Wille macht, dass es Kinder Gottes gibt; denn Gottes Wille bewirkt, dass das Wort der Wahrheit zu uns kommt und uns mit seiner Kraft beschenkt, die uns das Leben gibt.
Was ich, Vater, als Dein Geschöpf habe, zeigt Deine Herrlichkeit, und was Du mir durch Dein Wort schenkst, verklärt Deinen Namen mit neuem Glanz. Es ist das Geschenk Deines Wortes und Deines Geistes, dass wir dich Vater nennen, und weil Du mir Kindesrecht und Kindespflicht gegeben hast, bitte ich Dich: erhalte mich Tag und Nacht auf Deinen Wegen und in Deinem Gebot. Amen. (Adolf Schlatter)


Jakobus hatte vor diesen Worte im ersten Kapitel seines Briefs von den Anfechtungen, vom glaubigen Gebet, von der Demuth als der nöthigen Eigenschaft der Reichen, und von der eigenen bösen Lust als der Wurzel aller Versuchungen gehandelt, gleichwie er hernach vor dem Zorn und vor aller Unsauberkeit und Bosheit warnet, und von dem Mißbrauch und rechten Gebrauch des göttlichen Wortes, und von der Beschaffenheit des rechten Gottesdienstes ernstliche Lehren und Gebote vorträgt. Zwischen diese Lehren und Gebote hinein, die einen strengen Ernst mit sich führten, gab er dann den Brüdern, an die er schrieb, einen kurzen Wink, der sie auf die Betrachtung ihres hohen geistlichen Adels wies. Und so wurde ihnen diese Betrachtung erquicklich und heilsam, da sie hingegen ihnen schädlich geworden wäre, wenn Jakobus ohne das Salz der Gebote ganze Blätter von ihren geistlichen Vorzügen voll geschrieben hätte. Gott hat uns gezeuget, sagt er, nach Seinem Willen. Kein Verdienst auf unserer Seite, sondern nur der Liebeswille Gottes war die Ursache dieser Zeugung. Das Mittel dazu aber ist das Wort der Wahrheit, das man hören kann, wie Jakobus hernach sagt. Indem man’s aber hört, dringt die Kraft Gottes mit demselben in den Menschen ein, und so zeuget oder wiedergebiert Gott den Menschen, wenn dieser nicht widerstrebt, und ich von dem Wort der Wahrheit genugsam richten, aber auch zum Glauben an den Heiland der Welt bringen läßt. Was sind wir aber, wenn wir so von Gott gezeuget sind? Gottes Kinder sind wir, wie ein Jeder leichtlich erkennen kann: Jakobus aber sagt hier, wir seien ein gewisser Erstling der Creaturen Gottes. Es gibt sehr viele Creaturen Gottes, und unter denselben sind viele sehr vortrefflich. Die allervortrefflichste unter allen aber ist die menschliche Natur, welche das ewige und wesentlich Wort, welches Gott ist, in die Einigkeit Seiner Person aufgenommen hat. Nach derselben heißt der Sohn Gottes das (sichtbare) Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborne der ganzen Schöpfung, der Anfang und der Erstgeborne unter den Todten, die auferstehen, Kol. 1,15.18., der Erstgeborne unter vielen Brüdern, Röm. 8,9., wie auch der Erstling unter denen, die da schlafen und wieder auferstehen. 1 Kor. 15,20. Bis zu dieser Würde reicht Niemand hin, er heiße Engel oder Mensch, denn die Engel müssen diesen Erstgebornen anbeten, Hebr. 1,6., folglich auch die Menschen und alle übrigen Geschöpfe, Offenb. Joh. 5,8-13. Uebrigens sollen doch auch diejenigen, die Gott nach Seinem Willen durch das Wort der Wahrheit gezeuget hat, ein gewisser Erstling der Creaturen Gottes sein. Niemand sei auf seine menschliche Natur stolz, denn ein Mensch kann bis unter alle Würmer, bis in die untere Hölle hinab erniedrigt, und ewiglich als ein überwundener Feind zum Schemel der Füße Jesu gelegt sein: aber ein wiedergeborner Mensch ist ein Erstling unter den Geschöpfen, und hat einen hohen Rang unter ihnen, ist vorzüglich von Gott geliebt, hochgeachtet und zu einer sehr großen und ewigen Herrlichkeit bestimmt. Man bedenke, was Paulus 1 Kor. 9-13. von sich und den übrigen Aposteln geschrieben hat. Lasset uns also mit Christo sterben, damit wir mit Ihm leben, lasset uns dulden, damit wir mit Ihm herrschen. (Magnus Friedrich Roos)

1:19 Darum, liebe Brüder, ein jeglicher Mensch sei schnell, zu hören, langsam aber, zu reden, und langsam zum Zorn.
Je lebhafteren Temperaments wir sind, desto mehr haben wir diesen Rat des Apostels zu beherzigen. Oft haben wir uns zu hüten, daß wir durch voreilige Mitteilungen den Segen nicht verlieren, den wir empfangen haben, denn durch Bloßlegen der Wurzeln unseres geistlichen Lebens leidet dieses Schaden. Wo wir unter solchen sind, von denen wir mehr zu lernen haben, als wir sie lehren können, sollen wir schnell sein zu hören und langsam zu reden, und uns nicht selbst durch Geschwätzigkeit hindern am Empfang geistlicher Gabe. Das rechte Schweigen muß ein Zeichen geistlicher Zucht und eine Frucht der Demut und Weisheit sein. Oft ist Schweigen auf törichte und verkehrte Fragen die beredteste Antwort. So antwortete Jesus dem Herodes nichts auf alle seine neugierigen Fragen, und auch als der Landpfleger Pilatus ihn fragte: „Hörest du nicht, wie hart sie wider dich zeugen?“ antwortete er ihm nicht auf ein Wort.
Es schadet auch nichts, wenn manchmal mitten in einem lebhaften und lehrreichen Gespräch ein Schweigen eintritt. Man nennt es leicht eine peinliche Pause. Aber darf denn nach gewichtigen Worten nicht ein Schweigen eintreten, um das Gehörte im Herzen zu bewegen, im Herzen durch Gebet zu befestigen, in sich selbst einzukehren und sich zu sammeln? Muß denn immer ein Wort das andere vertreiben?
Oft ist freilich unser Schweigen nicht eine Frucht der Weisheit von oben, sondern die Folge von Trägheit, Menschenfurcht, Hartherzigkeit gegen den Nächsten, mit dem man sich entzweit hat. Dieses Schweigen muß gebrochen werden, zuerst vor Gott im Kämmerlein, dann gegenüber dem Nächsten, wenn es sein muß in Liebe der Wahrheit und in Wahrheit der Liebe oder zum Zeugnis vor denen, die Rechenschaft fordern von unserer lebendigen Christenhoffnung von unserem Glauben. (Hermann Heinrich Grafe)

1:20 Denn des Menschen Zorn tut nicht, was vor Gott recht ist.

1:21 Darum so leget ab alle Unsauberkeit und alle Bosheit und nehmet das Wort an mit Sanftmut, das in euch gepflanzt ist, welches kann eure Seelen selig machen.

1:22 Seid aber Täter des Worts und nicht Hörer allein, wodurch ihr euch selbst betrügt.
Wie alle göttlichen Wohlthaten von den Kindern dieser Welt mißbraucht werden, also auch die Anhörung des göttlichen Worts, und sind hierin von den wahren Kindern Gottes weit unterschieden. 1) Weltkinder bilden sich ein, der Sonntag sey zu ihrer Ueppigkeit und Lustbarkeit eingesetzt, da sie von der Arbeit frei, ihrem Fleisch sollen Vergnügen machen, welches doch grundfalsch ist. 2) Weltkinder gehen, wenn sie noch viel thun, des Morgens zu dem Gottesdienste, Nachmittags aber zur Lust, auf die Jagd, zum Spiel, zum sündlichen Vergnügen, da sie hernach, wo nicht berauscht, doch mit eitlen Gedanken, sündlichen Zerstreuungen und weltlichen Thorheiten nach Hause kommen. 3) Weltkinder achten das gepredigte Wort nicht, und wenn man sie Montags fragen wollte: was ihnen ihr Kirchengang genutzt, was sie gehört, was sie gelernt? so wissen sie nichts; der Teufel hat das Wort sogleich wieder von ihren Herzen genommen, auf daß sie nicht glauben und selig werden. Luc. 8, v. 12. 4) Und wenn sie ja noch etwas wissen, so bringen sie es doch nicht in die Uebung. Wahre Kinder Gottes aber, wie sie den Tag mit Gott und mit Gebet angefangen haben, also 1) hören sie mit Andacht das Wort Gottes an; 2) wiederholen sie zu Hause das Gehörte, schreiben es auf, und freuen sich darüber, als über einen großen Schatz; 3) denken sie die ganze Woche dran, und trachten, es in die Uebung zu bringen. Es hatte im alten Testament der Herr die Thiere zum Opfer erwählt, welche wiederkäueten; und die Seelen sind ihm auch am liebsten, welche das gehörte und gelesene Wort wiederkäuen, erwägen, und aus demselben immer neue Nahrung, Kraft und Saft saugen, und sich also damit zum ewigen Leben erbauen. (Johann Friedrich Stark)

1:23 Denn so jemand ist ein Hörer des Worts und nicht ein Täter, der ist gleich einem Mann, der sein leiblich Angesicht im Spiegel beschaut.

1:24 Denn nachdem er sich beschaut hat, geht er davon und vergißt von Stund an, wie er gestaltet war.

1:25 Wer aber durchschaut in das vollkommene Gesetz der Freiheit und darin beharrt und ist nicht ein vergeßlicher Hörer, sondern ein Täter, der wird selig sein in seiner Tat.
Der Apostel Jakobus sagt in seinem Briefe, dass diejenigen, die das Wort hören und dann das Gehörte tun, selig seien in ihrer Tat. Unser Leben ist vielfach ein bewegtes Leben. Wenn wir einmal an dessen Ende gekommen sind und dann alles überblicken können, möchten wir als Christi Jünger bekennen dürfen, wir seien bei allen Nöten und Kämpfen doch in unserm Tun selig gewesen. Der Herr will die Seinen in der Welt bewahrt wissen vor dem Argen, aber Er verheißt ihnen nicht, dass alles immer glatt und eben gehen werde; nicht auf Rosen, sondern auf Dornenpfaden wandeln sie. Paulus bezeugt, dass wir als Nachfolger des Herrn durch viele Trübsale in das Reich Gottes eingehen müssen. Wenn du mit Leib, Seele und Geist ein Eigentum des Heilandes geworden bist, so mag es wohl sein, dass dein äußeres Leben, deine häusliche und berufliche Stellung sich gar nicht verändert; dennoch ist alles ganz anders, weil du selbst umgewandelt bist. Vorher warst du in deinem Tun voller Missmut, vielfach verstimmt und unglücklich, jetzt lebt Gottes Wort in dir und ist deine Richtschnur und deine Nahrung, darum bist du jetzt selig in deinem Tun. Gott will es so haben, es ist uns zugedacht um Jesu willen, und Er will und kann uns dazu bringen durch Seine Kraft. Warum sind die Hörer und Täter des Wortes in ihrem Tun selig? Well das Wort ein lebendiges und lebendig machendes Wort ist. Dass wir doch als solche, die den Herrn kennen und lieben, durch viele Jahre unseres Lebens hindurch selig in unserem Tun sein könnten! (Markus Hauser)

1:26 So sich jemand unter euch läßt dünken, er diene Gott, und hält seine Zunge nicht im Zaum, sondern täuscht sein Herz, des Gottesdienst ist eitel.
Du bist zum Bild Gottes gemacht, sagt Jakobus; das macht aus dir den Herrn, der herrscht und herrschen soll. Was soll ich beherrschen? Das erste und wichtigste Gebiet, an dem du deine Herrschaft ausüben sollst, sagt Jakobus, ist dein Wort. Rennt dein Wort davon ohne Zügel, wo bleibt deine Herrschermacht? Wo bleibt dein Gottesdienst? Er spricht nicht von der Leerheit unserer Rede, dass wir sie zum Geschwätz entstellen, noch weniger von Lügen, Verleumdungen, Bosheit und Hass. Er macht mir meine Pflicht größer. Die Zunge ohne Zügel, das Wort ohne Leitung, die Rede, die nicht beherrscht ist, heißt er unverträglich mit Frömmigkeit, das sichere Wahrzeichen, dass der Mensch nicht Gott gehorsam geworden ist. Hat er Gottes Gesetz im Herzen, so verfährt er nicht mehr leichtsinnig mit seinem Wort und lässt es nicht sprudeln, wie es sich eben trifft. Dann weiß er sich für sein Wort verantwortlich, hält über ihm Wacht und handhabt es als das kostbare und wirksame Werkzeug, mit dem er Gottes Willen tut. Springt das Wort ohne Zügel von den Lippen, ziellos, tändelnd, der Wahrheit nicht unterworfen und nicht an die Liebe gebunden, bringt es nicht nur in den anderen unheilvolle Wirkungen hervor, sondern bereitet auch mir selbst eine schwere Gefahr. Gegen eine zuchtlose Frömmigkeit, bei der es nicht darauf ankommt, was wir sagen, erhebt das Herz seine Einrede. Es bangt vor den Folgen unserer Worte und begehrt nach Wahrheit, die der zuchtlosen Rede fehlt. Nun kommt es dazu, dass wir unser Herz betrügen. Wir ersticken sein Warnen und füllen es mit Einbildung. Es ist ein seltsamer Vorgang, wenn ein Mensch sich selbst hintergeht und sich selbst beschwindelt. Allein das Wort des Jakobus stammt aus wacher Beobachtung und reicher Erfahrung. Wie oft üben wir diese Kunst, unser Herz zu betrügen! Der echte Gottesdienst, der Gott vor Augen hat, macht nicht nur unseren Verkehr mit den anderen, sondern auch unser Gespräch mit unserem Herzen wahr.
Schreibe mir Dein Gesetz, Herr, Gott, in mein Herz; dann regiert es auch meine Lippen und füllt sie mit Deiner Güte und mit Deiner Wahrheit, dass sie Dir dienen. Amen.(Adolf Schlatter)

1:27 Ein reiner unbefleckter Gottesdienst vor Gott dem Vater ist der: Die Waisen und Witwen in ihrer Trübsal besuchen und sich von der Welt unbefleckt erhalten.1); 2)
Zwei Apostel heißen Jakobus; man nennt zum Unterschiede den einen Jacobus den älteren, den andern Jacobus den jüngern. Jener ist der Bruder des Evangelisten Johannes, und der erste Märtyrer unter den Aposteln; er wurde schon im Jahre 44 n. Chr. enthauptet. (Ap. Gesch. 12,2.). Dieser ist ein Sohn des Alphäus, hieß auch der Gerechte, und starb erst im Jahre 69 den Märtyrertod in Jerusalem, wo er so lange als eine Säule der Kirche Christi stand. (Gal. 2,9.). Er ist der Verfasser dieses Briefes und hat ihn an die hart verfolgten und gedrückten, sehr armen Christen aus den Juden in Palästina gerichtet, zu ihrem Trost und zur Stärkung in der Heiligung. Bei Jacobus, dessen Lehrweise sich an das Evangelium Matthäi anschließt, ist Alles auf die That, auf das werkthätige Christenthum gerichtet. Im Gegensatz gegen den todten und stolzen Verstandesglauben fordert er von Anfang bis zu Ende Haltung des Gesetzes als Lebensbeweis des christlichen Glaubens. Wer lebendigen Glauben hat, bewährt ihn daher unter den Leiden des Lebens und erträgt sie geduldig und standhaft, im Gebet zum Herrn, ohne zurückzuweichen vor feindlichen Angriffen, und erkennt gerade in seinen niedrigen Umständen etwas Erhebendes und dem Himmelreich näher Bringenderes als in allen Gütern der Erde, ja, ist fröhlich und getrost in der Hoffnung der Lebenskrone. Wer lebendigen Glauben hat, hört das Wort Gottes gern als den Samen seiner Wiedergeburt und nimmt es auf mit aller Stille und Sanftmuth, und läßt es beim bloßen Hören nicht bewenden, sondern macht das Hören fruchtbar durch die That. Ach, was hilft’s, wenn der Mund ganze Predigten wieder hersagen kann, und das Leben widerspricht? Wird das nicht ein größeres Urtheil häufen auf den Tag des Gerichts, des Herrn Wille gewußt und doch nicht gethan zu haben? Wer Gottes Wort hört und thut, der allein ist selig in seiner That, selig im Hören und selig im Thun, und hat in solcher Seligkeit schon ein Unterpfand und eine Bürgschaft der künftigen Seligkeit im Himmel. Es steht fest, daß der Mensch durch den Glauben an den Herrn Jesum allein selig wird; aber nicht minder fest, daß dieser Glaube Wesen, That und Wahrheit sein muß. Amen. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)


Ein jeder Christ will etwas von einem Gottesdienst haben und zeigen: Viele aber setzen ihn nur in das Gehör des göttlichen Worts, wie auch Jakobus K. 1,22. erinnert. Allein dieser ernsthafte Apostel sagt, wer recht religiös oder gottesfürchtig sein wolle, müsse auch ein Thäter des Worts sein, und thut zuerst diesen Ausspruch: wenn sich Jemand dünken lasse, er diene Gott, und halte seine Zunge nicht im Zaum, sondern verführe sein Herz durch eitles Geschwätz, daß es seiner selber immer vergesse, so sei sein Gottesdienst eitel, V. 26. Hingegen sagt er V. 26., ein reiner und unbefleckter Gottesdienst vor Gott dem Vater sei dieser: die Waisen und Wittwen in ihrem Trübsal besuchen, und sich von der Welt unbefleckt behalten.
Ein jeder Christ will etwas von einem Gottesdienst haben und zeigen: Viele aber setzen ihn nur in das Gehör des göttlichen Worts, wie auch Jakobus K. 1,2. erinnert. Allein dieser ernsthafte Apostel sagt, wer recht religiös oder gottesfürchtig sein wolle, müsse auch ein Thäter des Worts sein, und thut zuerst diesen Ausspruch: wenn sich Jemand dünken lasse, er diene Gott, und halte seine Zunge nicht im Zaum, sondern verführe sein Herz durch eitles Geschwätz, daß es seiner selber immer vergesse, so sei sein Gottesdienst eitel, V. 26. Hingegen sagt er V. 26., ein reiner und unbefleckter Gottesdienst vor Gott dem Vater sei dieser: die Waisen und Wittwen in ihrem Trübsal besuchen, und sich von der Welt unbefleckt behalten. Auf Gottes des himmlischen Vaters Urtheil kommt’s also an. Was vor diesem ein rechter Gottesdienst ist, führt diesen Namen mit Recht. Weil Er aber Liebe ist, so will Er, daß Seine Anbeter auch Liebe gegen Jedermann und sonderlich gegen Wittwen und Waisen beweisen. Und weil Er heilig ist, so will Er, daß sie sich von der unsaubern Welt unbefleckt behalten. Man wird aber von der Welt befleckt, wenn man ihre Art zu denken, zu reden, und zu thun annimmt, welches oft im Umgang mit ihr unvermerkt geschieht, da es denn zuletzt so weit kommen kann, daß man sich mit ihr im Koth grober Sünden herumwälzt. Christen sollen aber wahrhaftig sagen können: wir haben Christi Sinn. Christen sollen wandeln, wie Christus gewandelt hat. Er war aber nicht von der Welt: folglich sollen sie auch nicht von der Welt sein, und sich lieber von der Welt hintansetzen, schmähen und verfolgen lassen, als daß sie sich ihr gleichstellten. Wer bei dem Schein der Frömmigkeit oder auch nach einem in derselben gemachten Anfang an der Welt sich vergafft, und ihr hinwiederum zu gefallen sucht, hat eine ehebrecherische Seele, und soll wissen, daß der Welt Freundschaft Gottes Feindschaft sei, Jak. 4,4. Soll also unser Gottesdienst aus einem reinen und redlichen Herzen fließen, und soll er auch von außen unbefleckt sein, so daß die heuchlerische und kaltsinnige Weise, die man von der Welt unvermerkt annehmen kann, nicht daran klebt, so müssen wir in der Liebe wandeln, und uns von der Welt unbefleckt bewahren. Die Welt scherzt und afterredet, und ist dem Geiz, der Rachgier, dem Stolz ergebe, und thut oft schändliche Dinge. Sie will aber doch für fromm gehalten werden. Warum? Sie hört ja Gottes Wort, sie betet ja, sie beichtet, sie geht zum Abendmahl des HErrn, sie bejaht Vieles von dem Wort Gottes. Nie aber scheint sie frömmer zu sein, als wenn sie meint, der Tod nahe unter einem Donnerwetter, oder in einer Krankheit heran. Wenn aber die Angst vorbei, oder wenn das Hören, Beten, Beichten, Abendmahlgehen und fromme Geschwätze vollbracht ist, so sieht man deutlich, daß sie wieder auf dem breiten Weg fortwandelt. Wer sich nun von ihr beflecken läßt, wird von ihr auch in diesen eiteln Gottesdienst hineingezogen: denn selten muthet sie einem Menschen zu, alle gottesdienstlichen Uebungen aufzugeben. Nur soll man mit dem Munde zu Gott nahen, und mit den Lippen Ihn ehren, mit dem Herzen aber ferne von Ihm bleiben, damit man kein Frommer werde. So will’s die Welt haben. (Magnus Friedrich Roos)


Der Eingang dieser Epistel zeiget, an wen Jakobus darin geschrieben, nämlich an die hin und her zerstreuten Juden aus den zwölf Geschlechtern. Er macht in dem ersten Kapitel den Anfang mit einer Vermahnung zur standhaften Geduld in allerlei Leiden und Anfechtung, als die eine Frucht des Glaubens sey, und davon man endlich, wenn man getreu und bewährt erfunden werde, die Krone des ewigen Lebens zu gewarten habe. Dies ist uns allen zu einem erbaulichen Unterricht geschrieben, daß wir über Kreuz und Leiden, wenn dasselbige über uns kommt, nicht sogleich erschrecken, sondern uns fein bald erholen und bedenken sollen, solches komme nicht von ungefähr, sondern von der lieben und guten Hand Gottes, nicht aus böser Meinung, sondern zu unserm Besten, weil unser Glaube und unsere Gottseligkeit dadurch geprüft - und von Gott auf die Probe gestellt wird. Und weil Kreuz und Anfechtung bei frommen und rechtschaffenen Christen nicht leicht aufhören, sondern immer eines auf das andere folget, so lange wir in dieser Welt leben, so soll auch unsere Geduld und Gelassenheit nicht aufhören; auch sollen wir bei den vielfältigen Trübsalen auf Erden in keinem Weg abweichen, weil dort in jenem Leben alles, was wir allhier im Glauben und mit standhafter Geduld erlitten, desto reichlicher wieder ersetzt und vergolten werde.
Darnach kommt Jakobus auf die Versuchungen - und gibt zu erkennen, daß hin und wieder gottlose Leute gefunden werden, welche die Ursache der Sünde gern auf Gott werfen, und ihn zum Ursprung aller Sünde machen möchten, da doch Gott nicht ein Versucher zum Bösen sey, noch viel weniger „ein Gott, dem gottlos Wesen gefällt, und wer Böses thut, bleibet nicht vor Ihm“; wie der Psalm bezeuget. Darum muß man die Ursache bei dem Teufel und nach demselben in dem verderbten menschlichen Herzen suchen, das von Natur voll sündlicher Unreinigkeit und böser Lüste stecket, aus denen, wenn man ihnen nachhänget und sie vollbringet, die Sünde zu entstehen pflegt, welche den Tod und, wo man nicht noch zur Zeit der Gnade durch Christum Vergebung erlanget, die ewige Verdammniß nach sich ziehet. Wer nun dieser entfliehen will, der fliehe auch die Sünde und bewahre mit Fleiß sein Herz vor den bösen und fleischlichen Lüsten, welche wider die Seele streiten. Denn die Sünde muß man nicht herrschen lassen in dem sterblichen Leibe, ihr Gehorsam zu leisten in ihren Lüsten, sondern sie mit den fleischlichen Begierden kreuzigen, so wird man vor der Sünde und vor dem ewigen Tod und der Verdammniß wohl bewahret und sicher seyn.
Daß aber der Apostel ferner der zeitlichen, geistlichen und ewigen Güter gedenket, geschehet zu dem Ende, daß, wenn man derselben mangle, man gleichwohl wisse, wo man sie hernehmen, oder bei wem man sie suchen soll, nämlich bei Gott, dem Geber alles Guten, dessen gnädigen Willen man auch hierinnen ehren soll, wenn Er einem wenig, dem andern aber viel beschehret, weil Er am besten weiß, was einem jedweden nützlich oder schädlich ist, und wer seine Güter recht gebrauchen - oder dieselben übel anlegen werde. Es soll sich demnach der Arme und Dürftige bei seinem Mangel nicht zu todt grämen oder kümmern, weil er weiß, daß ihm Gott nur dasjenige zurückhält, was ihm zu seinem Verderben gereichen möchte. Der aber, so viel und reichlich empfangen, soll dabei nicht übermüthig werden, als ob er's von ihm selber hätte, noch mit seinen Gaben viel prangen und stolzieren. Denn Gott kann sie einem gar bald wieder entziehen, so daß man in einem Augenblick darum kommet, wie auch das Gras und die Blumen gar leicht und geschwind von der Sonnenhitze verdorren und verwelken. In solchem Sinne sollen wir alles von Gott bitten mit einem Gebet, das aus wahrem Glauben gehet, so daß wir nicht zweifeln, Gott werde es nach Seiner Barmherzigkeit um Christi unsers Mittlers willen gewiß geben, wofern es anders zu unserer Seelen Heil und Wohlfahrt nütze und gut ist.
Vor allem aber muß es uns um das liebe Wort Gottes zu thun seyn und um das heilige Evangelium, darinnen uns in Christo Jesu allein das Heil und die Seligkeit verheißen ist. Doch soll man dieses göttliche Wort nicht nur hören, sondern auch darnach thun - und es mit Glauben und Gehorsam annehmen, wenn es anders in uns gepflanzet werden - und seine Kraft in unsern Herzen haben soll. Denn wenn das Wort Gottes nur in der Schrift bleibt - oder in die Luft verschwindet - oder zu einem Ohr ein-, zum andern aber wieder ausgehet, so hat es keinen Nutzen, sondern bringet vielmehr Schaden - und wird den vergeßlichen Hörern ein Geruch des Todes zum Tode. Dagegen wird es den Frommen und Gläubigen, welche das Wort in die That und Uebung bringen, ein Geruch des Lebens zum Leben, so daß sie selig sind und werden in ihrer That.
Der Vater der Lichter erleuchte uns immer mehr und mehr durch den Glanz Seines heiligen und seligmachenden Wortes - und gebe uns durch die Kraft desselben, daß wir in der Weisheit, die uns mangelt, täglich herrlicher und völliger werden, damit wir Ihm einen gefälligen und unbefleckten Gottesdienst leisten, in wahrem Glauben beharren - und in aller Anfechtung eine feste Geduld bis an das Ende beweisen, auf daß wir also wohl bewährt die Krone des Lebens empfangen mögen, durch Christum unsern getreuen Heiland und Seligmacher. Amen. (Veit Dieterich)


Jakobus redet in seinem Brief von vier verschiedenen Arten von Anfechtungen, die wohl alle Arten von Anfechtungen in sich schließen.
Zuerst sagt er: „Achtet es für lauter Freude, wenn ihr in : mancherlei Anfechtungen fallet … da ihr wisset, daß die Bewährung eures Glaubens Geduld wirke!“ (Kap. 1, 2-4). Damit sind wohl gemeint die Anfechtungen, wie sie ein Nachfolger Jesu findet im täglichen Leben: in den Übungen im Haus, in den Schwierigkeiten im Geschäft, in dem Spott von seiten der Welt. All diese Anfechtungen soll ein Jünger Jesu nicht umgehen, sondern sie begrüßen als eine Gelegenheit, in welcher er durch den Glauben Gott verherrlichen kann und durch Geduld für seinen innern Menschen gewinnen kann. Der Streit zwischen den Hirten Lots und den Hirten Abrahams war für Abraham eine solche Anfechtung, die seinem Glauben Gelegenheit gab, die herrlichste Probe abzulegen (1. Mose 13), und die Gewalttätigkeit der Peninna war für Hanna eine solche Anfechtung, in welcher die Geduld ein vollkommenes Werk an ihr tun konnte. Denn die Geduld verinnerlicht. Sie bringt das, was du als bloße Lehre nur mit dem Kopf besessen hast, in dein Herz und Wesen hinein und macht es dort zu einer friedsamen Frucht der Gerechtigkeit. Sie bereitete Hanna zu, daß ihr Gott einen Samuel geben konnte, und machte sie geschickt, den kommenden Geschlechtern so klare Lehren zu geben von den Wegen Gottes mit den Seinen, wie wir sie nicht tiefer und herrlicher finden im Neuen Testament (1. Sam. 2).
Zum andern sagt Jakobus: „Selig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet…“ (Kap. 1,12). Darunter sind wohl die Anfechtungen zu Entmutigungen zu verstehen, die uns den betretenen Weg als zu schwer und das vorgestellte Ziel als zu hoch erscheinen lassen. Es sind Anfechtungen, wie der Landmann sie zu erdulden hat (Kap. 5, 7-11), bis er die reife Ernte heimgebracht hat. Wir sind ja im göttlichen Leben noch auf keiner Linie bis zum letzten Punkte gekommen, es ist bei uns noch alles im Werden; die ganze Ernte ist sozusagen noch draußen. Aber wir sollten uns durch unsre Unzulänglichkeit, Unreife und Unfertigkeit in göttlichen Dingen nicht entmutigen lassen, und wir sollen im Blick auf das hohe Ziel und unsre Stellung zu demselben nicht verzagt werden. Wir sollen in der Übung bleiben, wie Paulus sagt: „Übe dich in der Gottseligkeit!“ Ein Künstler wird mehr versucht sein, seine Sache aufzugeben, als ein gewöhnlicher Handwerker; aber wenn er die Anfechtung erduldet und sich nicht beirren läßt, wird auch sein Lohn um so größer sein. Die Anfechtung erdulden heißt aber nicht nur: Geduld haben mit sich selbst, sondern auch Geduld haben mit andern, die mit Vorurteil gegen uns erfüllt sind, die lieblos unser Tun beurteilen und nur ein kritisches Auge und ein erregtes Herz für uns haben. Wer in göttlichen Dingen einen Schritt weitergehen will als seine Umgebung, als der Kreis, dem er angehört, der muß sich auf diese Dinge gefaßt machen. Aber auch sie dienen nur zu seiner tieferen Reinigung. Luther mußte sich auch deswegen so genau ans Wort Gottes halten, weil so viele kritische Augen und feindselige Herzen seine Worte untersuchten.
Zum dritten sagt er: „Niemand sage, wenn er versucht wird, er werde von Gott versucht ..ein jeder wird versucht, wenn er von seiner eigenen Lust gereizt und gelockt wird!“ (Kap. 1, 13-15). Diese Art Anfechtung, die wir alle sehr wohl kennen, sollen wir weder begrüßen noch dieselbe erdulden, sondern uns von derselben geschieden halten bis hinein in den innersten Nerv unsers Wesens und bis hinaus in die äußerste Grenze unseres Lebens; denn sie weckt bei uns die Lust zum Fleisch, die Lust zum Reichtum, die Lust nach Ehre usw., und wenn die Lust sich hingegeben hat und von ihr empfangen hat, gebiert sie die Sünde. Denn Lust von innen und Versuchung von außen gebiert die Sünde.
Als viertes nennt Jakobus die Versuchungen von seiten des Teufels; diese sind so mancherlei Art, und der Versucher tritt selbst in so verschiedenen Gestalten auf, daß uns eine siegreiche Überwindung fast unmöglich erscheinen will. Aber Jakobus gibt uns hier ein kurzes Rezept, ein Rezept in nur drei Worten „Unterwerfet euch Gott!“ Dann -„Widerstehet dem Teufel, so fliehet er von euch!“ (Kap. 4, 7), d. h. unterwirf in jeder Linie deinen Willen Gott, nimm in allen Dingen Partei für Gott, so stehst du und Gott zusammen, und der Teufel steht allein und hat verlorenes Spiel. (Georg Steinberger)

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