Titus, Kapitel 3
3:1 Erinnere sie, daß sie den Fürsten und der Obrigkeit untertan und gehorsam seien, zu allem guten Werk bereit seien,
3:2 niemand lästern, nicht hadern, gelinde seien, alle Sanftmütigkeit beweisen gegen alle Menschen.
Die Bevölkerung von Kreta hat wohl von jeher einen aufrührerischen Charakter gezeigt. Wahres Christentum dagegen verwandelt die Menschen in stille, unterwürfige Untertanen, die ihren Platz und ihre Aufgabe nicht in den aufregenden Streitigkeiten um politische und soziale Fragen haben. Welches ist die grundsätzliche Anschauung des Christentums? „Es gibt keine Obrigkeit, außer von Gott, diejenigen aber, die bestehen, sind von Gott eingesetzt. Wer sich daher der Obrigkeit widersetzt, widersteht der Anordnung Gottes.“ (Röm. 13, 1- 2.)
Die Zeiten der sozialen und politischen Kämpfe, der Streiks und sozialistischen Verbände sind Zeiten der stillen Bewährung für die Kinder Gottes. Sie sind verantwortlich, daß sie sich nicht hinüberziehen lassen auf den Boden und in die Anschauungen der von Gott gelösten Welt. Gläubige, die in solchen Kämpfen mit der Welt mitmachen, sei es aus Menschenfurcht, sei es um politischer Zwecke willen oder, wie sie sagen, zur Verbesserung ihrer sozialen Lage, verleugnen den Glauben, beschmutzen das Bekenntnis ihres Glaubens. Sie begehren aus der Hand des Feindes Verbesserung ihrer Lage, die sie - wenn sie innerlich recht ständen - aus Gottes Hand erbitten und empfangen sollten, nicht aber in der Bundesgenossenschaft der Ungläubigen. Ein Gläubiger, der sich freiwillig an einem Streik beteiligen wollte, müßte Titus 3, 2 und Römer 13, 2 aus seiner Bibel ausstreichen. (Georg von Viebahn)
3:3 Denn wir waren weiland auch unweise, ungehorsam, verirrt, dienend den Begierden und mancherlei Wollüsten, und wandelten in Bosheit und Neid, waren verhaßt und haßten uns untereinander.
Wenn wir im Gnadenstande unseres natürlichen Zustandes nicht vergessen, und bedenken, was wir waren, ehe sich Gott unserer erbarmte, so mag uns das eine Mahnung zur Sanftmüthigkeit gegen diejenigen sein, denen wir einst gleich waren. Und was waren wir damals? Wir waren Unweise; kannten weder Gott in seiner Heiligkeit und Gerechtigkeit, noch uns selbst in unserer Unheiligkeit und Ungerechtigkeit; das Wort vom Kreuze war uns Aergerniß oder Thorheit, und eine andere Gerechtigkeit, als die durch des Gesetzes Werk, war uns unbekannt. Dennoch hielten wir uns für weise und verständige Leute, und dagegen diejenigen, die Christum ihre Weisheit und Gerechtigkeit sein ließen, und sich gläubig in Gottes Heils- und Gnadenordnung fügten, für unweise und unaufgeklärte Leute. Wir waren auch Ungehorsame. Denn obschon wir wußten, daß ein Gott sei, haben wir ihn doch nicht durch willigen, herzlichen, treuen Gehorsam geehret; und doch hielten wir uns für ehrliche und rechtschaffene Menschen, ja für Kinder Gottes, denen um ihre Seligkeit nicht bange sein dürfe. Ferner waren wir Irrige. Weil wir dem Worte Gottes nicht folgten, den Weg nicht gingen, davon es heißt: „Dies ist der Weg, denselbigen gehet, sonst weder zur Rechten, noch zur Linken!“ so ließen wir uns wiegen und wägen von jedem Winde menschlicher Lehre, gingen bald eigensinnig unseren eigenen bösen Gedanken nach, folgten bald leichtsinnig der Menge zum Bösen, kurz gingen in der Irre wie die Schafe ohne Hirten. Dennoch meinten wir nicht, auf dem Irrwege zu sein, ja, wenn sich einer unseres Gleichen bekehrte, so dachten wir: „der Mensch ist verführt!“ Auch waren wir Dienende den Lüsten und mancherlei Wollüsten. Augenlust, Fleischeslust und hoffärtiges Leben, das waren die drei Götzen, welchen zu Ehren wir Feste und Lustbarkeiten anstellten, denen wir die Blüthe der Jugend, die Kräfte und Gesundheit Leibes und der Seele opferten. - Und das nannten wir wahren Lebensgenuß, und wenn sich einer davon zurückzog, so befremdete es uns, und wir spotteten seiner, als eines Kopfhängers. Dabei wandelten wir in Bosheit und Neid, und hasseten uns unter einander. Anderen aus Eigennutz und Habsucht, oder wohl gar aus Schadenfreude Schaden zu thun, und ihr Gutes ihnen zu mißgönnen, jede erfahrene Kränkung und Beleidigung uns zum Hasse und zur Wiedervergeltung reizen zu lassen, und mit Worten und Werken wehe zu thun, oder bei kaltem und lieblosem Herzen uns zu geberden, als hätten wir uns gern und lieb: das war so unsere Lebensweise gegen einander, die uns aber nicht sündlich und gottlos schien. So waren wir weiland. Jetzt schämen wir uns dessen und beten die Gnade Gottes an, die uns da herausgerissen hat. Sollen wir aber nun nicht Sanftmüthigkeit gegen alle Menschen beweisen? Sollten wir uns gegen Unweise, Ungehorsame, Irrige, Lästerer, Boshafte geberden, als seien wir nicht ihrer Art und ihres Geschlechts gewesen, als seien wir von Natur oder durch unser Verdienst anderes Sinnes und Lebens geworden? Das sei ferne, denn von Gottes Gnaden sind wir, was wir sind! (Carl Johann Philipp Spitta)
3:4 Da aber erschien die Freundlichkeit und Leutseligkeit Gottes, unsers Heilandes,
Lieblich, ja, lieblich ist‘s zu sehen, wie der Heiland mit seinen geliebten Kindern so freundlich umgeht! Es kann nichts Köstlicheres geben, als wenn man durch den Geist Gottes auf diese fruchtbaren Auen der Freude und Wonne geführt wird. Wenn der Geist einen Augenblick die Geschichte der erlösenden Liebe überblickt, so bieten sich dem Gemüte tausend entzückende Taten der zärtlichsten Huld dar, deren jede darauf abzielt, alle Gedanken und Regungen der erneuerten Seele mit dem Wesen Jesu zu verflechten. Wenn wir über diese erstaunliche Liebe nachsinnen, wenn wir betrachten, wie der herrliche, alles überstrahlende Herr der Gemeinde sie mit der Fülle seines Erbschatzes überschüttet, dann mögen unsre Seelen wohl außer sich kommen vor Freude. Wer vermöchte ein solches Maß der Liebe zu ertragen? Wenn es dem Heiligen Geist gefällt, uns zuweilen einen Vorschmack davon zu geben, so ist‘s mehr, als was die Seele fassen kann; wie überschwänglich muss erst das volle, unverhüllte Anschauen sein! Wenn einst dem Geiste das völlige Verständnis aufgeht, dass er alle Gnadengeschenke des Herrn zu erkennen vermag, wenn ihm Weisheit gegeben wird, dieselben zu würdigen nach ihrem ganzen Wert, wenn ihm Zeit genug gewährt wird, sie zu überdenken in ihrer ganzen Größe und Vollkommenheit und Erhabenheit, wie sie die zukünftige Welt uns offenbaren und darreichen wird, dann werden wir eine innigere Gemeinschaft haben mit Jesu, als jetzt. Aber wer ist imstande, sich von der Lieblichkeit eines solchen Umgangs eine Vorstellung zu machen? Es ist etwas von dem, das in keines Menschen Herz gekommen ist, sondern das Gott bereitet hat denen, die Ihn lieben.
Ach, dass doch die Tore der Vorratshäuser Josephs sich öffneten, und wir die Fülle sehen könnten, die Er für uns bereitet hat? O, das ist Liebe, die uns überwältigt! Im Glauben sehen wir wie durch ein Fernglas ein schwaches Bild von dem Strahlenmeer seiner unzählbaren Schätze; wenn wir aber einst das Himmlische selber von Angesicht schauen werden, mit diesen unsren Augen, wie tief muss da erst der Strom der Gemeinschaft fließen, in welchem sich unsre Seelen baden werden! Bis dorthin sollen unsre lautesten Loblieder unsrem liebevollen Wohltäter geweiht sein, unserem Herrn Jesus Christus, dessen Liebe uns wundersam und wonnevoll ist über alle Liebe. (Charles Haddon Spurgeon)
Welch ein Rückblick in ein für die Welt gelebtes Leben! Paulus schließt sich mit ein. Das Bild des natürlichen Menschen ist nicht schmeichelhaft gezeichnet, aber durchaus treffend. Wer seine Vergangenheit im Licht Gottes beschaut, der weiß, wieviel Eigenwille, Bosheit, Neid da oft im Herzen war. Was für Lüsten und Vergnügungen diente man! - Die Kinder der Welt sind ein Spielball in der Hand des Verderbers - Satans, der nur kommt, um zu stehlen, zu schlachten und zu verderben. (Joh. 10, 10.) Es ist des Teufels Lust zu verderben! Daher kommt das viele vergossene Blut, der Zank und Streit; Es ist sein Geschäft, die Menschen, die ihm dienen, unglücklich zu machen; er lockt sie in die Sünden, sie zerfleischen sich in Lastern und Zank - sie sind hoffnungslos, unglücklich bis zum Selbstmord, und Satan freut sich. Als aber die Güte und Menschenliebe unseres Heiland-Gottes, Jesus Christus, erschien - was wollte, was brachte und tat Er? Er kam als der Retter. - Alles, was die Menschen glückselig macht, ist in dem Herrn Jesus zu finden, Er ist in allem das völligste Gegenteil von Satan. Dieser brachte den Menschen Tod - Elend - Jammer - Feindschaft - Tränen, ja die Hölle. Aber Jesus bringt das Leben, den Frieden, die Liebe und Fürsorge des Vaters, eine sichere Hoffnung für die Zukunft, ja, die ewige Herrlichkeit! (Georg von Viebahn)
3:5 nicht um der Werke willen der Gerechtigkeit, die wir getan hatten, sondern nach seiner Barmherzigkeit machte er uns selig durch das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung des heiligen Geistes,1)
Paulus redet Tit. 3,5. von der Wiedergeburt, da er sagt: Nicht um der Werke willen der Gerechtigkeit, die wir gethan hatten, sondern nach Seiner Barmherzigkeit hat Er uns selig gemacht, oder Heil widerfahren lassen, durch das Bad der Wiedergeburt und durch die Erneuerung des Heiligen Geistes. Ehe Paulus und Titus getauft worden sind, haben sie keine wahrhaftig guten Werke gethan. Sie haben wohl nach dem Trieb ihres Gewissens zuweilen gethan, was ihnen unter den Menschen das Lob ehrlicher oder gerechter Männer erwerben konnte: allein diese Werke der bürgerlichen Gerechtigkeit thaten sie sich selber zu Gefallen, und nicht Gott. Und dabei sündigten sie in der Unwissenheit und Unglauben schwer und mannigfaltig, s. Tit. 3,3. Sie waren also nach dem Urtheil Gottes gottlose Leute, bis ihnen Heil von Gott widerfuhr durch die Taufe. Zwar haben sie vor ihrer Taufe ohne Zweifel eine Zeit lang unter der Wirkung des Heiligen Geistes sich ihrer vorigen groben Sünden enthalten und ernstlich gebetet: allein damals fing das Heil schon an, zu ihnen zu nahen, und überdieß ist jene Enthaltung und jenes Beten kein Werk, um deßwillen ihnen Gott etwas schuldig worden wäre, denn ihre Sündenschuld überwog dieses Alles weit; und wer will sagen, daß derjenige etwas verdiene, der den andern gröblich beleidiget, und seit etlichen Tagen aufgehört hat, es nach der vorigen Weise zu thun? Wer wird das Bitten für ein Verdienst halten? Bittet man denn nicht selber um Gnade? Nun ist aber die Gnade dem Verdienst der Werke geradezu entgegen gesetzt, Röm. 11,6. Paulus und Titus wurden also bei ihrer Taufe als Sünder, welche der Herrlichkeit Gottes mangelten, gerechtfertigt, und zwar aus der Gnade Gottes durch die Erlösung, die durch Christum geschehen ist. Röm. 3, 23.24. Sie glaubten an Denjenigen, der die Gottlosen gerecht macht (folglich auch sie als gewesene Gottlose rechtfertigen wollte), und so wurde ihnen ihr Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet, Röm. 4,5. Der Heilige Geist wurde reichlich über sie ausgegossen, und sie wurden dadurch erneuert oder zu neuen Menschen gemacht, ohne daß sie es verdient hätten. Gott machte sie also selig, errettete sie von ihrem elenden und verdammlichen Zustand, und ließ ihnen Heil widerfahren nach Seiner Barmherzigkeit, und that es nicht um der Werke der bürgerlichen Gerechtigkeit willen, die Paulus und Titus vorher gethan hatten.
Was Paulus hier geschrieben hat, gilt auch mir und Allen, die zu allen Zeiten selig werden. Es ist Barmherzigkeit, wenn uns Heil widerfährt. Man wird aus Seiner Gnade gerecht und ein Erbe des ewigen Lebens, Tit. 3,7. Gott sieht dabei auf das Verdienst Seines Sohnes, und nicht auf unser Verdienst. Er thut es zur Ehre Seines Sohnes, wenn Er Gottlose rechtfertigt, und Gerechtfertigten das himmlische Erbe gibt. Er sieht auch nicht auf eine künftige Vergeltung, die wir Ihm leisten könnten; denn wer will Ihm etwas vergelten? Wer will Ihm einen Nutzen verschaffen? Danken sollen wir Ihm. Loben sollen wir Ihn. Ihm sollen wir dienen. Ihm leben und sterben. Hievon ist aber der Nutzen wieder unser. Er wird uns ewiglich Gutes thun, weil Er Liebe ist.(Magnus Friedrich Roos)
3:6 welchen er ausgegossen hat über uns reichlich durch Jesum Christum, unsern Heiland,
3:7 auf daß wir durch desselben Gnade gerecht und Erben seien des ewigen Lebens nach der Hoffnung.
Paulus schreibt hier an Titus, ja an alle Gläubigen, von einem Ereignis, das sie erlebt haben. Jeder wahre Christ hat seine Errettung erlebt. Das: Ich war verloren - ich bin errettet! bildet das Fundament des neuen Lebens. Dieses Wunder der Gnade ist ein Werk Gottes, nicht des Menschen. Unsere Werke, mochten sie menschlich noch so edel und gut sein, konnten nicht zu unserer Rettung beitragen, sie konnten das Werk Gottes nur aufhalten und hindern! Jesus hat uns errettet; Seine Heilandshand entriß uns dem Verderben, Sein heiliges Blut wusch unsere Sünden ab; Sein vollbrachtes Erlösungswerk gab uns Frieden, die Gewißheit der göttlichen Vergebung! - Die “ Waschung der Wiedergeburt“ hat mit der Taufe nichts zu tun. Die Waschung der Wiedergeburt kann nur durch das Blut des Lammes Gottes erfolgen! (vgl. Heb. 9, 13. 14.) Wie lautet der Lobgesang der Erlösten? „Dem, der uns liebt und uns von unseren Sünden gewaschen hat in deinem Blut - Ihm sei die Herrlichkeit und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.“ (Off. 1,5-6.) - In der Wiedergeburt erlebten wir eine Lebenserneuerung durch den Heiligen Geist, nicht etwa eine Erneuerung des Heiligen Geistes, als ob er schon in uns gewesen wäre!
Dieser Heilige Geist ist das Siegel der Gotteskindschaft und das Unterpfand unseres Erbteils. (Eph. 1, 13. 14; 2.Kor. 1,22.) Er zeugt mit unserem Geist, daß wir Gottes Kinder und Erben des ewigen Lebens sind. (Röm. 8, 16.) Wir rühmen es, daß wir durch die Gnade Gottes und das Blut Jesu gerechtfertigt worden sind! (Röm. 5, 1. 2.) (Georg von Viebahn)
3:8 Das ist gewißlich wahr; solches will ich, daß du fest lehrest, auf daß die, so an Gott gläubig geworden sind, in einem Stand guter Werke gefunden werden. Solches ist gut und nütze den Menschen.
3:9 Der törichten Fragen aber, der Geschlechtsregister, des Zankes und Streites über das Gesetz entschlage dich; denn sie sind unnütz und eitel.
Unsrer Tage sind wenig, und wir tun weit besser, wenn wir sie dazu verwenden, etwas Gutes zu wirken, als über Dinge zu streiten, die im besten Fall doch nur von ganz untergeordneter Bedeutung sind. Jene Männer, denen die Erziehung und der Unterricht früherer Geschlechter anvertraut war, machten sich eines großen Missgriffs in ihrem Wirken schuldig, dass sie unablässig Gegenstände behandelten, die dem Gesichtskreis der Kinder fern lagen; und die Gemeinden der gläubigen Christenheit leiden Schaden unter dem kleinlichen Wortgezänk über unbedeutende Fragen und verborgene Dinge. Nachdem alles gesagt ist, was sich sagen lässt, ist kein Teil umso weiser geworden, und darum fördert der Streit so wenig die Erkenntnis als die Liebe, und es ist töricht, ein so unfruchtbares Feld bebauen zu wollen. Fragen über Dinge, worüber die Heilige Schrift schweigt, über Geheimnisse, die Gott allein betreffen, über Weissagungen von schwankender Auslegung und über die Art und Weise, wie es mit der äußerlichen Gottesdienstordnung solle gehalten werden, sind ganz töricht, und weise Menschen weichen ihnen aus. Unsre Pflicht ist, törichte Fragen weder aufzuwerfen noch zu beantworten, sondern uns ihrer zu entschlagen; und wenn wir nach des Apostels Vorschrift dahin trachten, „dass wir in einem Stande guter Werke gefunden werden,“ dann werden wir mit nützlichem Wirken so vollauf beschäftigt sein, dass uns keine Musse bleibt zu unwürdigen, unnötigen und zwecklosen Erörterungen.
Aber es gibt andere Fragen, die nicht töricht und müßig sind, denen wir nicht ausweichen, sondern aufrichtig begegnen sollen: „Glaube ich an den Herrn Jesum Christum? Bin ich erneuert in dem Geist meines Gemüts? Wandle ich nicht mehr nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist? Wachse ich in der Gnade? Schmückt mein Wandel die Lehre Gottes, meines Heilandes? Warte ich auf die Zukunft des Herrn, und bin ich wachsam als ein Knecht, der seines Herrn und Meisters gewärtig ist? Was kann ich noch mehr für Jesum wirken?“ Solche und ähnliche Fragen erfordern unsre ganze Aufmerksamkeit; und haben wir uns je in Spitzfindigkeiten eingelassen, so wollen wir uns von nun an nützlicheren Dingen zuwenden. Lasset uns Frieden halten und dahin trachten, dass wir sowohl durch unser Wort, wie durch unsern Wandel andre abzuhalten suchen von „törichten Fragen.“ (Charles Haddon Spurgeon)
Mit göttlicher Bestimmtheit und Energie wiederholt der Apostel, was er schon gesagt hatte (vgl. 2, 1 ), daß die, die Gott geglaubt haben, Sorge tragen sollen, gute Werke zu betreiben. - Wie ein Kind nur gedeihen und sich gesund entwickeln kann, wenn Essen und Bewegung, Ernährung und Arbeit im richtigen Verhältnis stehen, so ist es auch im geistlichen Leben! Alle Gemeinschaften, die auf gute Werke keinen Wert legen, verkümmern. Die geistliche Speise, das Wort Gottes, verliert seinen Reiz und seine kraftvolle Wirkung. Der Überschuß an Zeit und geistlichem Interesse wird auf törichte Streitfragen, auf Haarspaltereien verwendet. Damals waren es Geschlechtsregister und Streitigkeiten über das Gesetz, heute sind es einzelne Sonderlehren oder Wahrheiten, die, aus dem Zusammenhange der Schrift gerissen, zu Kardinalfragen des Glaubens erhoben werden! (vgl. 1.Tim. 1, 3. 4.) - „Das Endziel des Gebotes aber ist: Liebe aus reinem Herren und gutem Gewissen und ungeheucheltem Glauben, wovon einige abgeirrt sind und sich zu eitlem Geschwätz gewandt haben. (1.Tim. 1, 5. 6.) (Georg von Viebahn)
3:10 Einen ketzerischen Menschen meide, wenn er einmal und abermals ermahnt ist,
3:11 und wisse, daß ein solcher verkehrt ist und sündigt, als der sich selbst verurteilt hat.
Wer ist ein sektiererischer Mensch? Was ist eine Sekte? - Sektiererisch sind alle die Gläubigen und Scheingläubigen, die wahre, treue Kinder Gottes auf Grund ihrer Lehrmeinung von der Gemeinschaft ausschließen wollen, ohne daß ein biblischer Grund zum Ausschlusse vorliegt. Wer Trennungen anrichtet unter denen, die durch Gott als Glieder des einen Leibes zusammengefügt sind, ist sektiererisch! - Am greifbarsten tritt das da in die Erscheinung, wo die Darstellung der Einheit des Leibes Christi von Gott gegeben ist, in der biblisch geordneten Abendmahlsfeier. Wer treu wandelnde Kinder Gottes da ausschließt oder sich von ihnen absondert, ist sektiererisch, und wo dies grundsätzlich geschieht, weil man neben dem Wort Gottes noch besondere Bedingungen stellt, von denen man es abhängig macht, ob ein Kind Gottes seinen gottgegebenen Platz am Tisch des Herrn einnehmen darf, da ist eine Sekte! Sektiererische Menschen sollen von den Kreisen der Kinder Gottes ferngehalten werden, wenn sie sich nicht zurechtweisen lassen! (Georg von Viebahn)
3:12 Wenn ich zu dir senden werde Artemas oder Tychikus, so komm eilend zu mir gen Nikopolis; denn daselbst habe ich beschlossen den Winter zu bleiben.
3:13 Zenas, den Schriftgelehrten, und Apollos fertige ab mit Fleiß, auf daß ihnen nichts gebreche.
3:14 Laß aber auch die Unsern lernen, daß sie im Stand guter Werke sich finden lassen, wo man ihrer bedarf, auf daß sie nicht unfruchtbar seien.
3:15 Es grüßen dich alle, die mit mir sind. Grüße alle, die uns lieben im Glauben. Die Gnade sei mit euch allen! Amen.
Es ist doch lauter unaussprechliche Gnade in Dir, mein Gott, Du Heiland. Aus Gnaden hast Du Dich mir sogar erkauft, wie ein Knecht, auf daß Dich niemand mir abstritte und Du mich frei machtest. Und jede Stunde beutst Du Dich mir an, Du Unbezahlbarer, und setzest einen Preis, unbegreiflich, was er Dir werth sein könne. Denn wenn ich Dir mein Herz gebe, und Alles, was ich bin, so gewinne ich abermal nur, in also reich durch’s Nehmen und durch’s Geben. Darum ach, wie arm bin ich! –
Betrübt mich das? Hat mir’s mein Gott je aufgerückt? Wenn Er giebt, und ich habe nicht, alsdann zürnt wohl der Geber mit Recht um das Verwahrlosete, drohend: Wer nicht hat, dem wird auch genommen, was her hat. Und solche Habe trägt sich leicht, göttlicher Reichthum ist keine Bürde, wäre sogar Irdisches dabei, ich könnte es nach des Gebers Erlaubniß abwerfen, und das bessere Gut behalten, das nie drückt, sondern erleichtert. Aber welche Plage ist’s um den Reichthum, an dem das Herz hängt! Nur um den leiblichen? Nein, viel mehr noch um den geistigen. Denn ein leiblich Reicher ißt vielleicht sein Brod mit Kummer und Sorgen, mehr denn der Tagelöhner, weil er weiß, wenn er sein Geld verloren, so bleibt ihm gar nichts mehr; er tröstet sich aber doch der Hoffnung, vertraut auch wohl auf Gott. Aber der geistig Reiche tröstet sich weder der Hoffnung Gottes, will weder jene noch diesen, kämpft wider beide an, denn er ist satt und hat genug, und verblendet sich mit Gewalt wider den Abgrund seines Nichts. Wohl ihm, wenn in Nachtstunden ihn Schrecken daraus anheulen, und er nicht auch sie schon beschwichtigt hat und lächelt schlummernd wie ein Thor, daß er so unselig ist.
So will ich denn sehr selig sein im Wissen und Gefühl, daß ich nichts habe, als Gottes Gütigkeit; will mich nach Seiner Barmherzigkeit selig machen, mich täglich mit allem meinem Schmutz in das Bad der Wiedergeburt und der Erneuerung des heiligen Geistes hineinwerfen lassen, und mich freuen meines himmlischen Erbes. Der Himmel steht mir offen bei Tag und Nacht. Gelobt sei Gott, gelobt sei Jesus Christus in Ewigkeit! Amen. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)
Artemas wird als Mitarbeiter von Paulus nur hier genannt; wir wissen sonst nichts von ihm. - Tychikus aus Kleinasien begleitete den Paulus von Korinth nach Ephesus, von da über Troas nach Mazedonien und von da über Milet nach Jerusalem. (Apg. 18-20.) Später, als ein geliebter Bruder und treuer Diener bewährt, überbrachte er von Rom aus den Brief des Paulus an die Epheser (Eph. 6,21.22) und Kolosser. (Kol. 4,7-8.) Offenbar waren Artemas und Tychikus in des Paulus Begleitung, als er - man nimmt an, kurz vor seiner zweiten Gefangennehmung - diesen Brief schrieb. Ob der Plan, in Nikopolis zu überwintern, zur Ausführung kam, weiß man nicht gewiß! (vgl. 2.Tim. 4, 21.) Als Paulus seinem Märtyrertode entgegensah, sandte er zum zweiten Male den Tychikus nach Ephesus. (2.Tim. 4, 12.) - Man muß annehmen, daß Zenas der Gesetzgelehrte und Apollos, von dessen Gaben und Diensten wir ja vieles wissen (vgl. Apg. 18,24-28), in jener Zeit ebenfalls im Dienste des Evangeliums auf Kreta tätig waren oder dort erwartet wurden, daher die Fürsorge des Paulus für die Bedürfnisse dieser Brüder. - Noch einmal kommt der Apostel auf die guten Werke zurück, hier vielleicht, um durch treue Arbeit die Mittel zu erwerben, damit die Bedürfnisse des Werkes des Herrn gedeckt werden könnten. Eher ist aber wohl gemeint, daß die guten Werke nicht nutzlosem Luxus, sondern notwendigen Lebensbedürfnissen dienen sollten. Die bedürftigen Mitgläubigen oder sonstigen Armen sollen wohl versorgt, nicht aber verwöhnt werden! - Der Brief endet, wie fast alle Briefe, mit der Gnade, ohne die weder Paulus noch Titus ihren Dienst und ihren Weg vollenden konnten. Auch wir brauchen täglich göttliche Gnade - diese Gnade muß uns an das Ziel tragen. „Grüße, die uns lieben im Glauben!“ Lebendiger Glaube kann ohne eine wahre Liebe zu den Brüdern nicht bestehen, denn die Bruderliebe ist der mächtigste Beweis des göttlichen Lebens. (1.Joh. 3, 14.) (Georg von Viebahn)