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Kolosser, Kapitel 1

Kolosser, Kapitel 1

1:1 Paulus, ein Apostel Jesu Christi durch den Willen Gottes, und Bruder Timotheus

1:2 den Heiligen zu Kolossä und den gläubigen Brüdern in Christo: Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem HERRN Jesus Christus!

1:3 Wir danken Gott und dem Vater unsers HERRN Jesu Christi und beten allezeit für euch,

1:4 nachdem wir gehört haben von eurem Glauben an Christum Jesum und von der Liebe zu allen Heiligen,

1:5 um der Hoffnung willen, die euch beigelegt ist im Himmel, von welcher ihr zuvor gehört habt durch das Wort der Wahrheit im Evangelium,
Unsere Hoffnung in Christo auf das Zukünftige ist hienieden der Hauptquell und der Hauptinhalt unserer Freude. Sie belebt unsere Herzen, so dass wir recht oft an den Himmel denken, denn alles, was wir nur wünschen können, ist uns hier verheißen. Hier sind wir müde und mühebeladen, dort oben aber ist das Land der Ruhe, wo der Schweiß der Anstrengung des Arbeiters Stirne nicht mehr betaut, wo alle Mühe und Sorge auf ewig verbannt ist. Für alle, die müde und matt sind, ist das Wort „Ruhe“ voller Himmelslust. Wir stehen hier allezeit auf dem Kampfplatz: wir werden von innen so versucht, und von außen so von unseren Feinden bedrängt, dass wir wenig oder gar keinen Frieden genießen; aber im Himmel freuen wir uns des Sieges, dort wird das Siegespanier hoch in der Luft flattern und das Schwert wird in der Scheide ruhen, und unser Herzog wird uns zurufen: „O, du frommer und getreuer Knecht, gehe ein zu deines Herrn Freude!“ Ein Freund um den andern ist von unserer Seite gerissen worden, aber nun gehen wir ins Land der Unsterblichkeit, wo man Grab und Tod nicht kennt. Hier verursacht uns die Sünde beständig neue Schmerzen, dort aber werden wir vollkommen heilig sein, denn in jenes Königreich darf nichts Unreines eingehen. Es schießt kein Schierling auf den Furchen der himmlischen Gefilde. Ach! ist das nicht Freude, dass du nicht ewig musst in der Verbannung sein, dass du nicht allezeit musst in der Wüste wohnen, sondern bald das herrliche Land der Verheißung ererben darfst? Dennoch wollen wir uns nicht nachsagen lassen, dass wir von der Zukunft träumen und darüber die Gegenwart vergessen; sondern die Zukunft heilige die Gegenwart also, dass wir sie aufs edelste benutzen. Durch den Geist Gottes wird die Hoffnung auf den Himmel zur stärksten Macht, wodurch die Tugend in ihrem Wachstum gefördert wird; sie wird zu einem Brunnen jugendlicher, freudiger Kraft, zu einem Eckstein lieblicher Heiligkeit. Der Mensch, der solche Hoffnung in sich hegt, geht mit Eifer an sein Werk, denn des Herrn Freude ist seine Stärke. Er kämpft mit Ernst gegen die Versuchung, denn an der Hoffnung der zukünftigen Welt prallen die feurigen Pfeile des Widersachers ohnmächtig ab. Er kann arbeiten, ohne dass er von diesem Leben Lohn erwartet, denn er schaut auf den Lohn, den ihm die zukünftige Welt darreicht. (Charles Haddon Spurgeon)

1:6 das zu euch gekommen ist, wie auch in alle Welt, und ist fruchtbar, wie auch in euch, von dem Tage an, da ihr's gehört habt und erkannt die Gnade Gottes in der Wahrheit;

1:7 wie ihr denn gelernt habt von Epaphras, unserm lieben Mitdiener, welcher ist ein treuer Diener Christi für euch,

1:8 der uns auch eröffnet hat eure Liebe im Geist.

1:9 Derhalben auch wir von dem Tage an, da wir's gehört haben, hören wir nicht auf, für euch zu beten und zu bitten, daß ihr erfüllt werdet mit Erkenntnis seines Willens in allerlei geistlicher Weisheit und Verständnis,
Es beglückt uns schon, wenn wir auf einem Gebiet, in einer Zweifelsfrage, in einer Schwierigkeit Gottes Willen klar erkannt haben und sich nachher herausstellte, daß da ein Stück wahrhaft geistlicher Weisheit und Verständnis bei uns gewesen ist. Aber daß das in jedem Fall so sein könnte, daß wir von solcher Begabung erfüllt würden - so kühn wie hier der Apostel bittet - wagen wir kaum zu glauben und zu bitten. Dabei kommen wir uns noch so brav, so nüchtern, so besonnen bei dieser falschen Bescheidenheit vor und ahnen nicht, daß dabei ein hartes Urteil über uns tönen könnte: „Ihr kriegt nichts, weil ihr nicht bittet.“ Ist es wirklich Bescheidenheit oder Unglauben, die „den Meister nicht bemühen“ will, oder ist es eine große Ration Eigenwillen, die erst selbstklug alle seine eigenen Wege ausprobiert, ehe er ganz bankerott die Hilfe von oben in Anspruch nimmt? Zur völligen Geistesleitung in allen Fragen, die über den natürlichen Verstand hinausgehen, gehören „eitel gläubige Herzen“, Menschen, die mit dem auf Jesum Hingeworfensein auch wirklich Ernst machen und ganz echte Bereitschaft, dem erhaltenen Winke auch wirklich zu gehorchen. Geisteswinke verpflichten; sie setzen Verantwortlichkeit voraus.
Herr Jesus, vergib uns unsere freiwillige Armut. Das war eine sündliche Torheit, daß wir deine Fülle nicht in Anspruch nahmen. Leite du uns und erfülle du uns mit deinem Geist! Amen. (Samuel Keller)

1:10 daß ihr wandelt würdig dem HERRN zu allem Gefallen und fruchtbar seid in allen guten Werken 1)

1:11 und wachset in der Erkenntnis Gottes und gestärkt werdet mit aller Kraft nach seiner herrlichen Macht zu aller Geduld und Langmütigkeit mit Freuden,

1:12 und danksaget dem Vater, der uns tüchtig gemacht hat zu dem Erbteil der Heiligen im Licht;

1:13 welcher uns errettet hat von der Obrigkeit der Finsternis und hat uns versetzt in das Reich seines lieben Sohnes,
Die Errettung von der Obrigkeit oder Gewalt der Finsterniß muß eine sehr wichtige Wohlthat sein, weil Paulus die Kolosser aufmuntert, dem himmlischen Vater dafür zu danken. Diese Obrigkeit oder Gewalt wird dem Reich des Sohnes Gottes entgegengesetzt, und der Sohn Gottes wird hernach nicht nur als derjenige beschrieben, indem man die Erlösung durch Sein Blut, nämlich die Vergebung der Sünden habe, sondern auch als das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, und als der Schöpfer und HErr und das Ziel aller Dinge, V. 15 – 18. Es ging nämlich in Kolossä und in der Gegend, wo diese Stadt lag, eine morgenländische Weltweisheit (Kap. 2,8.) im Schwang, nach welcher der Mensch mit Gott noch nicht versöhnt war, sondern ich durch die Enthaltung von gewissen Speisen, Beobachtung jüdischer Feiertage, Härtigkeit gegen den Leib, und Beobachtung anderer Satzungen Ruhe der Seele verschaffen sollte, Kap. 2,16.20.21.22.23. Christus war nach derselben nicht der Erste und der Höchste, nicht das A und das O. Man verehrte die Engel, man redete viel von geistlichen Hoheiten und Gewalthabern und fürchtete dieselben u.s.w. Paulus aber lehrte, Christus sei der Sohn Gottes und das Haupt alles dessen, was Thron, Herrschaft, Fürstenthum oder Obrigkeit heißen könne. Er habe ein Reich, in das die Glaubigen versetzt werden. In Ihm haben sie die Erlösung durch Sein Blut, nämlich die Vergebung der Sünden, daß sie dieselbe nicht anderswo und auf eine andere Weise zu suchen nöthig haben. Den unsichtbaren geistlichen Wesen aber, welche jene Weltweisen fürchteten, und durch allerhand abergläubische Mittel zu begütigen trachteten, gab er den Namen der Obrigkeit oder Gewalt der Finsterniß, und versichert die Glaubigen zu Kolossä, sie haben keine Ursache, sie ängstlich zu fürchten oder zu begütigen, denn Gott habe sie schon durch Christum davon errettet. Es ist also nicht gleichgültig, ob man eine finstere Macht, die dem Reich Jesu Christi entgegengesetzt ist, erkenne oder nicht; denn die Errettung von derselben ist ein großer Beweis der Liebe Gottes, und eine große Frucht der Erlösung Jesu Christi, folglich ist die Lehre davon ein namhafter Theil des Evangeliums. Die Macht der Finsterniß oder der Satan, der in der Finsterniß dieser Welt herrschet, erhält eine jede Seele, die darunter steht, in der Unwissenheit in Ansehung der geistlichen Dinge, verhütet alle Eindrücke des Wortes Gottes, oder löscht sie wieder aus, stellt der Seele das Böse als gut und das Gute als bös vor, und erhält sie in einer beständigen Neigung, Böses zu denken, zu reden, und zu thun, und Gott zu hassen. Obschon die Einwirkung böser Geister in die Seelen der Menschen, wie vieles Andere, nicht erklärt werden kann, so ist sie doch gewiß, und wird von der heiligen Schrift bestätigt. Sie währt vielleicht nicht an Einem fort, aber die böse Beschaffenheit der Seele, die daraus entsteht, währt fort, bis eine Errettung geschieht. Christus hat diese Errettung allen Menschen erworben, sie widerfährt aber nur denen, die sich zu Ihm bekehren. Wie gern will ich im Reich des Sohnes Gottes, wo das Licht des Lebens scheint, leben! Ewig will ich gern darin leben.(Magnus Friedrich Roos)

1:14 an welchem wir haben die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sünden;

1:15 welcher ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene vor allen Kreaturen.

1:16 Denn durch ihn ist alles geschaffen, was im Himmel und auf Erden ist, das Sichtbare und das Unsichtbare, es seien Throne oder Herrschaften oder Fürstentümer oder Obrigkeiten; es ist alles durch ihn und zu ihm geschaffen.

1:17 Und er ist vor allem, und es besteht alles in ihm.

1:18 Und er ist das Haupt des Leibes, nämlich der Gemeinde; er, welcher ist der Anfang und der Erstgeborene von den Toten, auf daß er in allen Dingen den Vorrang habe.

1:19 Denn es ist das Wohlgefallen gewesen, daß in ihm alle Fülle wohnen sollte

1:20 und alles durch ihn versöhnt würde zu ihm selbst, es sei auf Erden oder im Himmel, damit daß er Frieden machte durch das Blut an seinem Kreuz, durch sich selbst.
Ich glaube, daß Gott so heilig, rein und eifrig ist, daß es für ihn unmöglich, an irgend einer Kreatur Wohlgefallen zu haben, ob sie gleich das Werk seiner eignen Hände ist; so daß weder Engel, Mensch noch Welt, einen Augenblick in seinen Augen bestehen konnte oder bestehen kann, ohne von ihm in dem Angesichte eines Mittlers angesehen zu werden; und daß deßwegen vor ihm, bei dem alle Dinge gegenwärtig sind, das Lamm Gottes erwürgt war, ehe der Welt Grund gelegt ward; ohne diesen seinen ewigen Rathschluß wäre es für ihn unmöglich gewesen, irgend ein Werk der Schöpfung zu beginnen; und er hätte der hochheiligen und individuellen Gesellschaft von drei Personen in der Gottheit unverändert genossen. (Francis Bacon)


In diesen Worten wird die Versühnung, die durch Christum ausgerichtet worden ist, nach ihrem größten Umfang beschrieben. Es ist das Wohlgefallen Gottes gewesen, daß in Christo alle Fülle (der Gottheit) wohne, oder daß derselbige voll sei von Gnade und Wahrheit, Licht und Leben, daß Er nicht nur alles Gute ohne Maß habe, und selber genieße, sondern auch Alles ausrichten könne, und überdieß Andere aus Seiner Fülle, aus seinem Reichthum und Ueberfluß empfangen können, was sie bedürfen, ohne daß Sein unerforschlicher Reichthum vermindert würde. Weil nun alle Fülle in Christo wohnet, so konnte Er auch eine große Versöhnung ausrichten, welche Alles in sich faßt; und es ist das Wohlgefallen Gottes gewesen, daß Alles durch Ihn versöhnet würde zu Ihm, daß nämlich dieses Alles wieder Gott zugeführt und unterworfen, und mit Gott vereinigt würde, nämlich eine jegliche Klasse der Geschöpfe, nach ihrer Ordnung und Maß. Paulus theilt dieses Alles in zwei Theile ein, und sagt, es sei sowohl dasjenige, das auf der Erden, als auch dasjenige, das in den Himmeln ist. So theilte Moses die ganze Welt ein, da er sagte: im Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Auf der Erde leben Sünder, die Erde ist von Gott um der Sünde willen verflucht worden (1 Mos. 5,29.), und alle Geschöpfe unter der Sonne sind der Eitelkeit oder einem Dienst, welcher sie aufreibet, wider ihren Willen oder natürlichem Trieb unterworfen. In den Himmel ist freilich keine Sünde, kein Fluch und keine Eitelkeit eingedrungen: aber der reine Himmel stand mit der unreinen Erde gleichsam in einer Zwietracht, und konnte sich an dieselbe nicht anschließen, oder keine Gemeinschaft mit derselben haben. Christus aber hat Alles versöhnet, sowohl das auf Erden, als auch das im Himmel ist, damit daß Er Friede machte durch das Blut an Seinem Kreuz durch Sich selbst. Durch Sich selbst hat Er Alles versöhnet, so daß Er keinen Fremden und kein fremdes Mittel dazu brauchte. Er hat aber so Alles durch Sich selbst versöhnet, daß Er durch das Blut an Seinem Kreuz Friede machte. Wie kostbar und wirksam ist also Sein vergossenes Blut! Wie wirksam und heilsam Sein Tod am Kreuz! Die Folge davon ist Friede auf Erden, Luk. 2,14., und Friede im Himmel, Luk. 19,38., oder eine neue Harmonie zwischen Himmel und Erde. Die Sünder, welche die Versöhnung durch den Glauben empfangen, gelangen zum Frieden Gottes, werden in’s himmlische Wesen nach der Hoffnung, und endlich nach dem wirklichen Besitz und vollen Genuß versetzt: alle Feinde werden zum Schemel der Füße Jesu gelegt, und der letzte Feind, der aufgehoben wird, ist der Tod. So wird endlich Alles, was im Himmel und auf der Erde ist, in Christo zusammengefaßt unter Ein Haupt, Eph. 1,10. Wir haben uns nun zu bestreben, daß wir durch die Versöhnung, die durch Christum ausgerichtet worden, ein Erstling der Kreatur werden, und weit über das Schicksal Seiner Feinde erhaben, heilig und unsträflich und ohne Tadel vor Christo unserem HErrn und Bräutigam dargestellt werden (Kol. 1,22.), und zur allerseligsten, ewigen und innigsten Gemeinschaft mit Gott gelangen.(Magnus Friedrich Roos)


Wem es beliebt hierunter nur die vernünftigen Kreaturen zu verstehen, so werden es Menschen und Engel sein. Obgleich es nichts absurdes sein wird, es auf alle ohne Ausnahme auszudehnen. Um aber nicht nöthig zu haben zu subtil zu philosophiren; so gefällt es uns, es von Engeln und Menschen gesagt seyn zu lassen. Bei diesen letzteren hat es nun gar keine Schwierigkeit, daß sie eines Friedestifters bei Gott bedürfen. Bei den Engeln aber ist die Frage nicht leicht zu entwickeln. Wozu nämlich da eine Wiedervereinigung, wo kein Gegensatz der Art war? Hiedurch veranlaßt haben viele diese Stelle so gedeutet, daß die Engel wieder zur Eintracht mit den Menschen zurück geführt seyen, und so seyen die Himmlischen mit den Irdischen in das Freundschaftsverhältniß zurückgekehrt. Aber die Worte Pauli klingen ganz anders, nämlich so: Gott habe sie zu sich versöhnt. Jene Auflösung ist also eine gezwungene. Es bleibt uns nur übrig zu sehen, wie die Versöhnung der Engel und Menschen zu verstehen sey. Ich sage, daß die Menschen zu Gott versöhnt sind, weil sie zuvor von Gott entfremdet waren durch die Sünde; weil sie ihn als Richter zu ihrem Verderben hätten empfinden müssen, wenn nicht die Gnade des Mittlers zu Hülfe gekommen wäre, um den Zorn zu stillen. Die Art der Friedemachung zwischen Gott und den Menschen war also der Art, daß durch Christum die Feindschaft vertilgt wurde, und Gott auf diese Weise aus dem Richter ein Vater wurde.
Zwischen Gott und den Engeln aber ist ein weit verschiedenes Verhältniß. Denn da ist kein Defekt 2), keine Sünde, und daher auch keine Scheidung. Aber doch mußten auch die Engel aus zwei Ursachen in den Friedensstand mit Gott gebracht werden. Denn da sie Kreaturen sind, so waren sie nicht außer der Gefahr des Falles, wenn sie nicht durch die Gnade Christi befestigt worden wären. Das ist aber kein geringes Moment in Absicht auf die Beständigkeit des Friedens mit Gott, einen festen Stand in der Gerechtigkeit zu haben, so daß sie keinen Fall oder Defekt zu fürchten brauchen. Ferner aber ist auch selbst in dem Gehorsam, den sie Gott leisten, nicht eine solche auserlesene Vollkommenheit, daß sie Gott in allen Theilen so genügen könnten, daß es keiner Vergebung bedürfte. Und hierauf zielt ohne Zweifel jene Sentenz im Buch Hiob: In seinen Engeln findet er Beflecktheit. Denn wenn das vom Teufel verstanden wird, was wäre das eben Großes?! Es spricht aber der Geist dort aus, daß die höchste Reinheit stinke, wenn sie mit der Gerechtigkeit Gottes in Vergleichung komme. Es muß also festgesetzt werden, daß in den Engeln nicht eine solche Gerechtigkeit sey, die zur völligen Gemeinschaft mit Gott genüge. Darum haben sie einen Friedemacher nöthig, durch dessen Gnade sie Gott völlig anhangen. Daher hat Paulus recht, wenn er läugnet, daß die Gnade Christi sich allein auf die Menschen beschränke, sondern sie auch den Engeln gemein macht. Auch geschieht den Engeln kein Unrecht, wenn sie zu dem Mittler gewiesen werden, um durch dessen Wohlthat den feststehenden Frieden mit Gott zu haben.
Wenn Jemand aus Vorwand der bezeichneten Allgemeinheit die Frage vorbrächte in Absicht der Teufel, ob Christus auch deren Friedestifter sei, so antworte ich: nicht einmal der Gottlosen. Doch bekenne ich, daß hier noch ein Unterschied sei; weil diesen doch die Wohlthat der Versöhnung angetragen wird, jenen aber nicht also. Doch dieß gehört nicht zu den Worten des Paulus, die gar nichts anders enthalten, als daß allein Christus es sey, durch der alle Kreaturen allein Gott anhangen, die noch irgend eine Verbindung mit ihm haben. (Jean Calvin)

1:21 Und euch, die ihr weiland Fremde und Feinde waret durch die Vernunft in bösen Werken,

1:22 hat er nun versöhnt mit dem Leibe seines Fleisches durch den Tod, auf daß er euch darstellte heilig und unsträflich und ohne Tadel vor ihm selbst;
Die Menschen sind nach ihrem natürlichen Zustand von Gott entfremdet und Seine Feinde, und dieses offenbart sich dadurch, daß sie mit ihrer Vernunft allerhand Arges ausdenken, und in bösen Werken wandeln. Sie denken und thun also, was Gott zuwider ist. Solche Leute hat Gott versöhnet durch den Leib des Fleisches Christi, und zwar durch den Tod desselben. Indem nämlich der Leib Christi, welcher noch nicht verklärt, sondern Fleisch war, am Kreuz in den Tod gegeben wurde, geschah die Versöhnung der Feinde Gottes, wie Paulus auch Röm. 5,10. bezeuget. Es wurde nämlich für sie ein Opfer geopfert, um deßwillen Gott, der ein unwiderrufliches Todesurtheil über sie hätte aussprechen und an ihnen vollziehen können, denselben Gnade anbieten, und das Evangelium des Friedens oder das Wort Gnade predigen lassen konnte. Sein Zweck hiebei ist dieser, daß Er diese von Ihm entfremdeten Leute, diese Seine Feinde vor Ihm selbst als heilig und unsträflich und untadelich darstellen möchte. Hiemit geht dann in den Menschen selbst eine große Veränderung vor. Vor Ihm selbst will Gott die Menschen so darstellen, denn auf Sein Urtheil, auf Sein Wohlgefallen kommt es hiebei an; da hingegen die Menschen auf Erden oft ungerechte Urtheile über einander fällen. Heilig will Gott die Menschen haben: sie sollen nämlich Ihm, dem Heiligen HErrn und Vater ähnlich sein, damit sie geziemend vor Ihm stehen und Ihm gefallen können. Sie haben aber nach der Natur viel Tadelhaftes an sich: dieses Tadelhafte aber soll nach und nach abgethan werden; es ist ihnen wegen ihrer Werke Vieles vorzuwerfen: diese Vorwürfe sollen aber durch die Vergebung und durch Tüchtigkeit zu guten Werken zernichtet werden. Es ist aber hiezu nöthig, daß sie das Evangelium des Friedens glauben, und in diesem Glauben bis an das Ende beharren. Bei diesem Beharren werden sie nicht immer schwach und wankend bleiben, sondern im Glauben gegründet werden. Sie werden im Glauben stehen, wie ein Haus, dessen Grund auf den Felsen gelegt ist, und welches von keinem Sturmwind oder Gewässer umgeworfen wird. Diese Gründung aber schließt zweierlei in sich, daß man nämlich einerseits innerlich fest und seines Gnadenstandes gewiß wird, oder daß man eine innerliche Kraft hat, sich in allen Fällen und zu allen Zeiten an den Erlöser Jesum Christum und Sein Evangelium zu halten, daß man aber auch andererseits durch den Wind falscher Lehren nicht bewegt wird von der Hoffnung der Herrlichkeit, welche das Evangelium anbietet und gewährt. Auf diese Weise werden Menschen, welche von Gott entfremdet waren, Ihm nahe, und diejenigen, die Seine Feinde gewesen waren, werden Ihm ähnlich, und werden von Ihm geliebt, gleichwie sie auch gegen Ihn Zuversicht haben, und von Ihm alles Gute zu empfangen hoffen. Der Grund hievon ist aber die Versöhnung, welche durch den Tod des Leibes Christi gestiftet worden ist. Wohl uns, wenn Alles, was in diesem Spruch enthalten ist, sich auch bei uns findet! Der HErr erstatte bei uns, was hierin noch mangelt.(Magnus Friedrich Roos)

1:23 so ihr anders bleibet im Glauben, gegründet und fest und unbeweglich von der Hoffnung des Evangeliums, welches ihr gehört habt, welches gepredigt ist unter aller Kreatur, die unter dem Himmel ist, dessen Diener ich, Paulus, geworden bin.

1:24 Nun freue ich mich in meinem Leiden, das ich für euch leide, und erstatte an meinem Fleisch, was noch mangelt an Trübsalen in Christo, für seinen Leib, welcher ist die Gemeinde,
Damit gibt Paulus den Grund an, weshalb er sich im Leiden freut: nämlich, weil er darin ein Genosse Christi ist. Nichts seligeres aber kann man wünschen, als diese Gemeinschaft mit Christo (vgl. Röm. 8,17f). Zugleich spricht er damit den für alle Frommen gültigen Trost aus, dass sie in allen Trübsalen, zumal wenn sie um des Evangeliums willen leiden, teilhaftig sind des Kreuzes Christi, auf dass sie auch an der seligen Auferstehung teil haben. Ja, er versichert sogar, dass auf diese Weise voll gemacht werde, was an Trübsalen Christi noch fehle. Denn so heisst es Röm 8,29: „Welche er zuvor ersehen hat, die hat er auch verordnet, dass sie gleich sein sollten dem Ebenbild seines Sohnes, auf dass derselbige der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern.“ Auch wissen wir, dass zwischen dem Haupte und seinen Gliedern eine solche Einheit besteht, dass der name „Christus“ zuweilen den ganzen Leib umfasst. So beschliesst Paulus 1. Kor. 12,12 seine Rede von der Gemeinde damit, es sei bei Christus, d.h. aber in Christi Gemeinde ebenso, wie beim menschlichen Leibe. Wie also Christus einmal gelitten hat in seiner eigenen Person, so leidet er nun täglich in seinen Gliedern, und so wird das Maß der Leiden voll gemacht, welches der Vater dem Leibe Christi nach seinem Ratschluss verordnet hat.
Eine zweite Erwägung, welche unsere Herzen in den Trübsalen stärken und trösten soll, ist diese: durch Gottes Vorsehung ist es also verordnet und bestimmt, dass wir durch Erduldung des Kreuzes Christo gleichgestaltet werden und dass unsere Vereinigung mit ihm sich auch hierauf erstreckt.
Als dritten Grund seiner Freude fügt Paulus hinzu, seine Leiden seien segensreich nicht nur für wenige, sondern für die ganze Gemeinde. Vorher hatte er gesagt, er leide für die Kolosser, jetzt aber dehnt er dies weiter dahin aus: die Frucht seiner Leiden komme der ganzen Gemeinde zu gut. Welche Frucht gemeint ist, zeigt Phil. 1,12. Das ist die einfachste und nächstliegende Erklärung. Paulus ist darum in seinen Verfolgungen fröhlich, weil er dafür hält (2. Kor. 4,10): wir müssen „das Sterben des Herrn Jesu an unserem Leibe umhertragen, auf das auch das Leben Jesu an unserm sterblichen Fleische offenbar werde“. Ebenso schreibt er 2. Tim. 3,11: „dulden wir mit - mit Christo -, so werden wir mit herrschen; sterben wir mit, so werden wir mit leben.“ Der Ausgang wird also glücklich und herrlich sein. Wir dürfen uns freilich nicht der Bedingung entziehen, welche Gott seiner Gemeinde als den einzigen Weg zu diesem Ziele verordnet hat: Christi Glieder müssen innerlich mit ihrem Haupte zusammenstimmen. Darum sollen wir die Trübsale gern erdulden, weil sie allen Frommen nützlich sind und das Heil der ganzen Gemeinde fördern, indem sie die Lehre des Evangeliums verherrlichen. -
Die römische Lehre missbraucht unsere Stelle, wenn sie derselben einen Beweis für die Ablasskraft des Blutes der Heiligen entnimmt. Man legt den Finger darauf, dass Paulus in seinen Trübsalen Sühneleiden sah, welche Christi Versöhnungswerk ergänzen sollen. Aber von dergleichen genugtuenden Leistungen ist hier nicht die Rede, sondern einfach davon, dass die Trübsale der Gläubigen, welche die Glieder ihrem Haupte ähnlich machen, den ganzen Leib der Gemeinde seiner Vollendung entgegenführen müssen. Dass jemand für die Gemeinde leidet, kann man in demselben Sinne sagen, als dass jemand für seine Brüder stirbt, wobei doch der Gedanke an eine Sühne zur Vergebung der Sünden ganz fernliegt. Und dass unser Wort in keinem anderen Sinne gemeint ist, ergibt der Zusammenhang. Fährt doch Paulus alsbald fort (V. 25), dass er ein Diener der Gemeinde geworden ist nach dem göttlichen Predigtamt, also nach seinem besonderen, ihm von Gott übertragenen Beruf. Dieser Beruf war aber nicht, die Gemeinde zu erlösen, sondern sie zu erbauen. In diesem Berufe hat Paulus, wie er an Timotheus schreibt (2. Tim. 2,10), um der Auserwählen willen alles erduldet, damit sie die Seligkeit erlangen möchten. Ähnlich heisst es auch 2. Kor. 1,4, dass der Apostel alles gern erdulde zur Tröstung und zum Heil seiner Gemeinde. (Jean Calvin)

1:25 deren Diener ich geworden bin nach dem göttlichen Predigtamt, das mir gegeben ist unter euch, daß ich das Wort Gottes reichlich predigen soll,

1:26 nämlich das Geheimnis, das verborgen gewesen ist von der Welt her und von den Zeiten her, nun aber ist es offenbart seinen Heiligen,

1:27 denen Gott gewollt hat kundtun, welcher da sei der herrliche Reichtum dieses Geheimnisses unter den Heiden, welches ist Christus in euch, der da ist die Hoffnung der Herrlichkeit.
Als den Heiden zur Zeit des Apostels Pauli die Gnade widerfuhr, daß sie mit den heiligen Israeliten Bürger im Reich Gottes wurden, so wunderte sich Jedermann darüber. Man wußte zwar wohl aus den Schriften der alten Propheten, daß sich Gott im Neuen Testament mit Gnade zu den Heiden wenden werde, daß aber diese Gnade so reich sei, und eine völlige Gleichheit der geistlichen Rechte zwischen Israeliten und Heiden daraus entstehen werde, hatte vorher Niemand gedacht, wie Paulus selber Eph. 3,4.5. Kol. 1,26.27. andeutet. Er faßt aber Kol. 1,27. den herrlichen Reichthum dieses Geheimnisses, das ist Alles, was man von der großen, reichen, hohen und herrlichen Gnade, die den Heiden widerfahren sei, predigen konnte, darin zusammen, daß er sagt: Christus in ihnen sei die Hoffnung der Herrlichkeit. Wenn man also einen bekehrten Heiden sahe, so konnte man sagen: dieser war ehemals ein Götzendiener, ein unreiner Mensch, und wälzte sich in gräulichen Lastern, welche der Götzendienst nicht nur erlaubte, sondern wozu derselbe auch reizte; nun ist Christus in ihm, nun wohnt Christus durch den Glauben in seinem Herzen. Welche Gnade ist das, daß Christus sich nicht schämt, so unreine Menschen (dergleichen zwar alle Sünder sind) zu seinen Tempeln zu machen, und in ihnen zu wohnen. Der Tempel zu Jerusalem wurde ehemals für heilig gehalten; er bestand aber aus Holz, Steinen und Gold, und hatte keine innerliche oder wesentliche Heiligkeit. Er war also heilig wegen dessen, der darin wohnte und Sich darin offenbarte. Eben so verhält es sich auch mit den Menschen. Paulus nennt die Christen zu Kolossen Heilige, K. 1,2.12.22. Sie hatten aber so wenig als wir eine natürliche Heiligkeit, sondern waren heilig, wegen des heiligen Sohnes Gottes, der in ihnen wohnte. Der Tempel Gottes ist heilig, sagt Paulus zu den Korinthern 1 Kor. 3,17., und der seid ihr.
Ist nun Christus auch in uns, so ist Er uns die Hoffnung der Herrlichkeit; denn obschon Sein Tempel auf Erden nach seiner äußerlichen Seite schwach, schlecht, zerbrechlich, ja häßlich aussieht, so wird’s doch nicht ewiglich so währen, sondern Seine Herrlichkeit wird ihn einmal ganz durchdringen und aus ihm herausleuchten. Wenn Christus, das innerliche und geheime Leben der Heiligen, in denen Er wohnt, offenbaret werden wird, so werden auch sie mit Ihm offenbar werden in der Herrlichkeit, Kol. 3,4. Sie werden Ihm gleich werden, denn sie werden Ihn sehen, wie Er ist, 1 Joh. 3,2., und auch ihre Leiber werden Seinem verklärten Leibe ähnlich werden, Phil. 3,21.
Lasset uns hiebei an die Ermahnung Pauli 2 Kor. 13,5. gedenken: versuchet euch selbst, ob ihr im Glauben seid: prüfet euch selbst. Oder erkennet ihr euch selbst nicht, daß Jesus Christus in euch ist? Es sei denn daß ihr untüchtig (verwerflich) seid. Ist die Seele immer ihr selber überlassen, fühlt sie sich immer leer, ist’s lauter Zwang, den sie sich selber anthun muß, wenn sie Gutes denken, reden und thun soll, so ist Jesus Christus noch nicht ihr. Sie muß also sehnlich bitten, daß Er komme, und Wohnung bei ihr mache.(Magnus Friedrich Roos)


Christus allein ist diese Hoffnung-, und zwar der „Christus in uns!“ Laut und klar muss das verkündigt werden. Ist Er in uns, so lebt in uns die Herrlichkeitshoffnung; lebt Er aber nicht in uns, so ist uns die erste Auferstehung gleichgültig, wir trachten nach Seligkeit, aber nicht nach Herrlichkeit. Und so wird es dann auch kommen, dass andere zur Herrlichkeit gelangen, während die Trägen noch tausend Jahre länger auf Seligkeit hoffen. Warum aber wollen Tausende vom „Christus in uns“ nichts wissen? Warum werden sie erregt und aufgebracht, wenn hiervon die Rede ist? - Ach, sie haben eben auch den „Christus für uns“ nicht recht begriffen! Vielen, die gläubig sind, ist die Lehre von der ersten Auferstehung fremd; sie haben hiervon noch nicht viel gehört. Ihnen können wir's nicht deutlich genug sagen, dass die Auferstehungslehre eine Hauptlehre Christi und Seiner Apostel ist. Nur Auferstandene können vollkommen selig sein. Ohne Leib sind wir tot. Lebendig werden heißt: auferstehen, einen Leib erhalten. Lebendige sind Auferstandene, und nur diese können Gott schauen, Seligkeit genießen, können im Vollendungsleben stehen. Jesus, der große Sieger, will in uns die Hoffnung der Herrlichkeit sein. Wohl allen, in denen Jesus von Sieg zu Sieg vorwärts schreitet. In ihnen wird Er Sein Werk vollenden. Lass dich versöhnen mit Gott, bekenne den Herrn als deinen Erlöser! Dann erst kannst du mit Erfolg bitten: „ Herr, komm in mir wohnen, Dich in mir verkläre!“ (Markus Hauser)


Christus ist die Hoffnung der Herrlichkeit. Im Besitze Seiner Erlösung sind wir im Besitze Seiner Auferstehung. Nachdem die Jünger den Auferstandenen gesehen, hatten sie in Sein Leiden und Sterben einen ganz anderen Blick. Ähnlich ergeht es uns. Wenn wir den auferstandenen Christus erkannt und erfasst haben, so ist uns Seine Person und Sein ganzes Werk klar und durchsichtig; wir sind auf lichte Höhen gestellt und erkennen den Wahrhaftigen und was wir an Seiner Erlösungstat haben. Es gibt in den irdischen Verhältnissen nichts, womit wir den hohen Gewinn, den wir in Christo Jesu haben, nur annähernd beleuchten könnten. Die gewaschen sind von ihren Sünden im Blute des Erlösers, werden Lichtleiber erhalten. Als Verklärte und Erben Christi werden sie die verklärte Welt besitzen. Jesu Gleichgesinnte werden durch Wirkung des Heiligen Geistes ihrem Herrn ähnlich gemacht; Er wird verherrlicht in ihnen. Legen sie nun ihren nichtigen Leib ab, so wird ihre innere, durch Jesus gewirkte Herrlichkeit offenbar, und sie erlangen nun eine Leiblichkeit, die ihre Jesusähnlichkeit in jeder Beziehung wird durchscheinen lassen und nach außen offenbar werden wird. Ihr neuer Leib ist ein vollkommenes Organ, die geschenkte Geistesherrlichkeit zu entfalten, ein Organ, im Anschauen Gottes ewig den zu verherrlichen, dem sie diese Herrlichkeit verdanken. Die der ersten Auferstehung teilhaftig werden, kommen nicht ins Gericht. Auf Golgatha ist ihr Gericht vollzogen worden. Jesus nennt sie Brüder; als die Seinen haben sie nur noch Herrlichkeit zu erwarten. Er, der da ist die Auferstehung und das Leben, macht sie Seiner Herrlichkeit teilhaftig. (Markus Hauser)

1:28 Den verkündigen wir und vermahnen alle Menschen und lehren alle Menschen mit aller Weisheit, auf daß wir darstellen einen jeglichen Menschen vollkommen in Christo Jesu;
Fühlst du nicht in deinem Innern, dass in dir keine Vollkommenheit ist? Zeigt dies nicht jeder Tag? Jede Träne, die aus deinem Auge rinnt, weint: „unvollkommen;“ jeder Seufzer, der aus deinem Herzen dringt, schreit: „unvollkommen;“ jeder Laut der Entmutigung, der deinen Lippen entschlüpft, klagt: „unvollkommen.“ Du hast zu oft in dein Herz geblickt, als dass du auch nur einen Augenblick an irgendwelche Vollkommenheit in dir denken könntest. Aber mitten unter diesem drückenden Gefühl deiner Unvollkommenheit findest du hier einen Trost: du bist „vollkommen in Christo Jesu.“ In Gottes Augen bist du „vollendet in Ihm;“ jetzt schon bist du „angenehm gemacht in dem Geliebten.“ Aber es gibt eine andre Vollkommenheit, die uns erst noch bevorsteht, und welche allen Gotteskindern zugesagt ist. Ist‘s nicht köstlich, hinauszuschauen auf die Zeit, wo jede Sündenbefleckung weggenommen sein wird von den Gläubigen, und sie vor dem Thron dargestellt werden herrlich, ohne Flecken, ohne Runzel oder des etwas? Alsdann wird die Gemeinde Christi so rein sein, dass selbst das Auge des Allwissenden keinen Tadel noch Makel an ihr finden wird, so heilig und herrlich, dass wir in Wahrheit von ihr singen können:
„Die Brautgemeinde,
Die Er geweiht,
Sie strahlet reine
In Heiligkeit.
Sie lebet dem, der sie hat erkauft,
Und mit dem Heiligen Geiste tauft.“
Alsdann werden wir erkennen und schmecken und empfinden die Seligkeit dieses weiten und doch so kurzen Wortes: „Vollendet in Christo.“ Erst dann werden wir ganz begreifen die Höhen und Tiefen des Heils in Jesu. Hüpft dir nicht das Herz vor Freude, wenn du daran denkst? Wie schwarz du auch bist, einst wirst du hell strahlen; wie schmutzig du auch bist, du wirst einst rein dastehen. O, welch eine wunderbare Erlösung ist doch das! Christus nimmt einen schwarzen und unförmlichen Erdenkloß und macht ihn zu seinem reinen und unbefleckten Ebenbild, voll unvergleichlicher Schönheit, würdig, ein Genosse der Seraphim zu sein. O meine Seele, stehe hier still und staune ob dieser seligen Wahrheit der Vollkommenheit in Christo! (Charles Haddon Spurgeon)

1:29 daran ich auch arbeite und ringe, nach der Wirkung des, der in mir kräftig wirkt.
Die Gemeinde zu Colossä, einer Stadt in Kleinasien, war durch Epaphras, einen Schüler Pauli, gegründet worden. Durch eben diesen Epaphras hatte der Apostel in seinem Gefängniß zu Rom erfahren, daß sich Irrlehrer eingeschlichen, die die Gemeinde von der erkannten Wahrheit abzubringen suchten, und mit einer gewissen morgenländischen Philosophie die strenge Beobachtung des mosaischen Ceremonialgesetzes verbanden, ihren Leib kasteiten, dadurch mit höheren Geistern in Verbindung zu treten und durch sie den Zugang zu Gott zu erlangen glaubten. Paulus dankt in diesem Briefe zuerst Gott für die Bekehrung der Colosser und bittet ihn für ihr inneres Wachsthum, indem er sie an das große Werk Christi und an sein Apostelamt erinnert. Dabei sagt er V. 24: „Ich erstatte an meinem Fleisch, was noch mangelt an Trübsalen in Christo, für seinen Leib, welcher ist die Gemeinde.“ Er unterscheidet ein doppeltes Leiden Christi, das eine, welches Er in den Tagen seines Fleisches an seinem eignen Leibe ausgestanden, da Er ein Fluch für uns ward; - von diesem versöhnenden Leiden des Herrn ist auch nicht das Geringste rückständig geblieben; das andere, welches Er an seinem geistlichen Leibe, welcher die Gemeinde ist, erduldet, nämlich die Bedrängnisse seiner Gläubigen, - dieser Leiden Maaß ist nicht voll, so lange noch Heilige übrig sind in der Welt, die um Christi willen leiden müssen; es sind Leiden, nicht der Versöhnung, sondern der Heiligung. dieses Maaß der Leiden half Paulus füllen an seinem Theil für die ganze Christenheit. Und doch immer müssen wir sagen, was wir als Christen leiden, das leiden wir als Glieder des Leibes Christi, trinken mit allen unsern Brüdern den Kelch der Gemeinde, und helfen miteinander das Gefäß der Trübsale Christi füllen, bis es voll ist und der Herr spricht: es ist geschehen, es ist vollbracht! Da werden wir selber stark und stärken auch die Brüder, und tragen so in aller Weise zur Vollendung der Gemeinde bei. Herr, segne dazu auch meine Leiden und Trübsale! Amen. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)


Nach dem Zusammenhang arbeitet Paulus daran, jeden Neugewonnenen so zu fördern, daß er die christliche Vollkommenheit erreiche. Nicht Sündlosigkeit, sondern Vollständigkeit, Ganzheit ist gemeint; nicht ein ideales Tugendmuster soll jeder erreichen, sondern daß alle Gebete seines Lebens offen für Jesus werden. Keine einseitige Übertriebenheit, aber eine allseitige Hingabe an Jesus. Diesem Ziel zu drängt der Apostel, und zwar wendet er allen Ernst daran, unter der Einwirkung des Geistes Christi, der ihn beseelt. Dann ist Christus kein totes Standbild, zu dem wir streben, sondern er selbst zieht und züchtigt, reinigt und heiligt die Leute, die sich ihm ergeben. Mir wird in diesem Zusammenhang klar, daß ich keinen andern Menschen begeistern kann, sich so völlig hinzugeben, solange es mir selbst nicht auch ein heiliger Ernst ist, für mein eigenes Leben. Nur zielbewußtes eigenes Streben kann sich andern kräftigend mitteilen. Da habe ich viel Lauheit und Untreue zu beklagen. Oft genug - vielleicht noch am heutigen Tag? - war mir äußere Arbeit an andern Seelen größer und lebendiger als das eigene Sichausräumen für Jesus. Andern predigen ist leichter als sich für sie heiligen lassen!
Herr Jesus, deine Wirkung ist vorhanden; ich habe sie oft gespürt. Vergib mir, wo ich versagte und meine persönliche Schlaffheit deine Kraft zuerst an mir und dadurch zugleich an andern ausschaltete. Hilf, daß es anders werde! Amen. (Samuel Keller)

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