2. Korinther, Kapitel 12
12:1 Es ist mir ja das Rühmen nichts nütze; doch will ich kommen auf die Gesichte und Offenbarungen des HErrn.
12:2 Ich kenne einen Menschen in Christo vor vierzehn Jahren (ist er in dem Leibe gewesen, so weiß ich's nicht, oder ist er außer dem Leibe gewesen, so weiß ich's auch nicht; GOtt weiß es); derselbige ward entzückt bis in den dritten Himmel.
12:3 Und ich kenne denselbigen Menschen (ob er in dem Leibe oder außer dem Leibe gewesen ist, weiß ich nicht; GOtt weiß es).
Wenn wir uns schon keinen deutlichen Begriff davon machen können, wie es zugegangen ist, daß ein satanischer Engel den Apostel Paulus zu seiner heilsamen Demüthigung mit Fäusten geschlagen hat, und nicht wissen, ob er sichtbarer oder unsichtbarer Weise von demselben geplagt worden sei, so ist doch aus seiner ganzen Erzählung so viel klar, daß er in der angeführten Stelle von einem außerordentlich schweren und fast unerträglichen Leiden rede, das der HErr über ihn verhängt hatte. Er meldet ausdrücklich, daß er dreimal den HErrn um Abwendung dieser tief einschneidenden Plage sehnlichst angefleht, und doch nichts erlangt habe, als den tröstlichen Zuspruch: laß dir an Meiner Gnade genügen, denn Meine Kraft wird in der Schwachheit vollendet. Es kann also geschehen, und geschieht wirklich nicht selten, daß auch redliche Kinder Gottes und echte Nachfolger Jesu in Umstände gerathen, da sie alles menschlichen Trostes entbehren müssen, und unter innerlichen Anfechtungen und äußerlichen Trübsalen an Leib und Seele auf’s Empfindlichste angegriffen werden, ja daß auch ihr dringendes Beten und Flehen um Abwendung oder Milderung ihrer Leiden gleichsam wieder auf sie zurückzufallen, und ganz vergeblich zu sein scheint. Wie oft kann ein Glaubiger um Linderung leiblicher Schmerzen, um Unterstützung in Armuth und Mangel, um Befreiung von unverdienter Schmach und Schande, um Offenbarung seiner gerechten Sache, um weitere Lebensfrist für diese oder jene Person, die ihm fast unentbehrlich scheinet, um sichtbares Gedeihen in seiner Berufsarbeit u. dergl. herzlich und anhaltend beten; und es hat doch das Ansehen, als ob die Noth nicht nur nicht vermindert, sondern gar von Tag zu Tag vermehrt würde; ja es erfolgt wohl gar in manchen Betracht das gerade Gegentheil von dem, was er gewünscht und um was er gebetet hatte.
Unter solchen Umständen ist’s nun freilich der Vernunft eine unbegreifliche Sache, daß man dennoch an der Gnade Gottes nicht irre werden, sondern bei dem Allem dennoch die Ueberzeugung durchbehaupten solle, daß Er uns lieb habe. Leute dieser Welt sind auch oft schnell genug besonnen, das Urtheil zu fällen: wenn dieser oder jener bei Gott so wohl daran wäre, als er sich einbildet, warum geht’s ihm dann so fatal? warum schlägt ihm dann eine Verheißung nach der andern fehl, womit er sich getröstet, und worauf er sich verlassen hatte? David mußte wenigstens es oft in seine Ohren hinein, daß man täglich zu ihm sagte: wo ist nun dein Gott? und daß man ihn mit seinem Beten höhnisch durchzog. Und wenn auch die Menschen nicht so bösartig sind, daß sie es einem Glaubigen gönnen, wenn ihn der HErr bei seinen Nöthen so lange im Warten übt; wenn sie aus natürlicher Gutherzigkeit noch Mitleiden mit ihm haben, so ärgern sie sich doch zuweilen heimlich daran, daß das Gebet des Frommen, wie sich’s äußerlich ansehen läßt, so wenig helfen soll, und daß ihn Gott so vergeblich rufen und schreien lasse. Die arme, blinde Welt! Sie sieht und hört und spürt eben nichts von dem verborgenen Zuspruch, den der HErr den Seinigen mitten unter ihrem Gedränge angedeihen läßt: laß dir an Meiner Gnade genügen!
Wohl uns, wenn wir mit Paulo aus Röm. 8,38. ff. rühmen können: ich bin’s gewiß, daß weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstenthum noch Gewalt, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes, noch keine andere Kreatur mag uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist, unserm HErrn!(Magnus Friedrich Roos)
12:4 Er ward entzückt in das Paradies und hörete unaussprechliche Worte, welche kein Mensch sagen kann.
12:5 Davon will ich mich rühmen; von mir selbst aber will ich mich nichts rühmen ohne meiner Schwachheit.
12:6 Und so ich mich rühmen wollte, täte ich darum nicht töricht; denn ich wollte die Wahrheit sagen. Ich enthalte mich aber des, auf daß nicht jemand mich höher achte, denn er an mir siehet, oder von mir höret,
12:7 Und auf daß ich mich nicht der hoher Offenbarung überhebe, ist mir gegeben ein Pfahl ins Fleisch, nämlich des Satanas Engel, der mich mit Fäusten schlage, auf daß ich mich nicht überhebe.
12:8 Dafür ich dreimal zum HErrn geflehet habe, daß er von mir wiche;
12:9 und er hat zu mir gesagt: Laß dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. Darum will ich mich am allerliebsten rühmen meiner Schwachheit, auf daß die Kraft Christi bei mir wohne.
Ein Haupterfordernis, um Gott dienen zu können und Ihm wohlgefällig zu sein, Gottes Werk gut auszurichten und siegreich hinauszuführen, ist, dass wir selber unsre Schwäche und unser Unvermögen fühlen. Wenn der Streiter Gottes hinauszieht in den Kampf, vertrauend auf die eigene Kraft; wenn er sich rühmt: „Ich weiß, ich werde siegen; mein starker Arm und mein gutes Schwert werden mir den Sieg erringen,“ so ist eine schmähliche Niederlage nicht fern. Gott stehet dem nicht bei, der in eigener Kraft einhergeht. Wer so gewiss auf den Sieg rechnet, rechnet falsch, denn „es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen, spricht der Herr Zebaoth.“ Wer hinauszieht in den Streit und sich seiner Gewandtheit rühmt, des luftiges Panier wird zerreißen und voller Staub wieder zurückkehren, und sein Wappen wird mit Schmach bedeckt sein. Wer Gott dienen will, muss Ihm nach seiner Weise dienen und in seiner Kraft, sonst nimmt Er den Dienst nicht an, und erkennt ihn nicht an. Was der Mensch ohne den göttlichen Gnadenbeistand unternimmt, kann Gott nie und nimmer anerkennen. Die erdentstammten Früchte verwirft der Herr; Er sammelt nur Korn, das vom Himmel herab gesäet, von der Gnade betaut, und in der Sonne der göttlichen Liebe gereift ist. Gott schüttet alles aus, was in dir ist, bevor Er sein Eigentum dir anvertraut; Er fegt zuerst deine Tennen aus, ehe Er sie füllt mit dem besten Weizen. Gottes Strom hat Wassers die Fülle; aber nicht ein Tröpflein entspringt irdischen Quellen. Gott will, dass in seinem heiligen Kriege keine andre Kraft kämpfe, als die Kraft, die Er selber gibt. Bist du betrübt über deine Schwachheit? Fasse Mut, denn du musst zuerst deiner Schwäche bewusst werden, ehe dir der Herr Sieg verleiht. Deine innere Leere ist nur eine Zubereitung, dass Er dich erfüllen könne mit seiner Fülle, und wenn Er dich niederwirft, so tut Er‘s nur, um dich aufzurichten. „Wir sind schwach: bei Ihm ist Stärke;
Sind wir arm, der Herr ist reich!
Unser Gott tut Wunderwerke!
Wer ist unserm König gleich?
Ja, der Herr ist‘s, der uns heilt
Und den Schwachen Kraft erteilt.“
(Charles Haddon Spurgeon)
Unsre Schwachheit sollte geschätzt werden, weil sie Raum für göttliche Kraft macht. Wir hätten vielleicht niemals die Macht der Gnade gekannt, wenn wir nicht die Schwachheit der Natur gefühlt hätten. Gelobet sei der Herr für den Pfahl im Fleisch und den Satansengel, wenn sie uns zu der Kraft Gottes treiben.
Die ist ein köstliches Wort von unsres Herrn eignen Lippen. Es hat den Schreiber dieses vor Freude lachen gemacht. Gottes Gnade genug für mich! Ich sollte denken, sie wäre es. Ist nicht der Himmel genug für den Vogel, und der Ozean genug für den Fisch? Der Allgenugsame ist genugsam für meine größten Bedürfnisse. Er, der genügend ist für Erde und Himmel, ist gewiß im stande, für einen armen Wurm wie mich zu sorgen.
Laßt uns denn auf unsren Gott und seine Gnade uns verlassen. Wenn Er unsren Kummer nicht hinwegnimmt, so wird Er uns instandsetzen, ihn zu tragen. Seine Kraft soll in uns eingegossen werden, bis der Wurm die Berge dreschen wird, und ein Nichts soll Sieger über alle Hohen und Mächtigen sein. Es ist besser für uns, Gottes Kraft zu haben, als unsre eigne; denn wenn wir tausendmal so stark wären, wie wir es sind, so würde es im Angesichte des Feindes auf nichts hinauslaufen; und wenn wir schwächer sein könnten, als wir sind, was kaum möglich ist, so vermöchten wir doch alles durch Jesum Christum. (Charles Haddon Spurgeon)
Wenn wir uns schon keinen deutlichen Begriff davon machen können, wie es zugegangen ist, daß ein satanischer Engel den Apostel Paulus zu seiner heilsamen Demüthigung mit Fäusten geschlagen hat, und nicht wissen, ob er sichtbarer oder unsichtbarer Weise von demselben geplagt worden sei, so ist doch aus seiner ganzen Erzählung so viel klar, daß er in der angeführten Stelle von einem außerordentlich schweren und fast unerträglichen Leiden rede, das der HErr über ihn verhängt hatte. Er meldet ausdrücklich, daß er dreimal den HErrn um Abwendung dieser tief einschneidenden Plage sehnlichst angefleht, und doch nichts erlangt habe, als den tröstlichen Zuspruch: laß dir an Meiner Gnade genügen, denn Meine Kraft wird in der Schwachheit vollendet. Es kann also geschehen, und geschieht wirklich nicht selten, daß auch redliche Kinder Gottes und echte Nachfolger Jesu in Umstände gerathen, da sie alles menschlichen Trostes entbehren müssen, und unter innerlichen Anfechtungen und äußerlichen Trübsalen an Leib und Seele auf’s Empfindlichste angegriffen werden, ja daß auch ihr dringendes Beten und Flehen um Abwendung oder Milderung ihrer Leiden gleichsam wieder auf sie zurückzufallen, und ganz vergeblich zu sein scheint. Wie oft kann ein Glaubiger um Linderung leiblicher Schmerzen, um Unterstützung in Armuth und Mangel, um Befreiung von unverdienter Schmach und Schande, um Offenbarung seiner gerechten Sache, um weitere Lebensfrist für diese oder jene Person, die ihm fast unentbehrlich scheinet, um sichtbares Gedeihen in seiner Berufsarbeit u. dergl. herzlich und anhaltend beten; und es hat doch das Ansehen, als ob die Noth nicht nur nicht vermindert, sondern gar von Tag zu Tag vermehrt würde; ja es erfolgt wohl gar in manchen Betracht das gerade Gegentheil von dem, was er gewünscht und um was er gebetet hatte.
Unter solchen Umständen ist’s nun freilich der Vernunft eine unbegreifliche Sache, daß man dennoch an der Gnade Gottes nicht irre werden, sondern bei dem Allem dennoch die Ueberzeugung durchbehaupten solle, daß Er uns lieb habe. Leute dieser Welt sind auch oft schnell genug besonnen, das Urtheil zu fällen: wenn dieser oder jener bei Gott so wohl daran wäre, als er sich einbildet, warum geht’s ihm dann so fatal? warum schlägt ihm dann eine Verheißung nach der andern fehl, womit er sich getröstet, und worauf er sich verlassen hatte? David mußte wenigstens es oft in seine Ohren hinein, daß man täglich zu ihm sagte: wo ist nun dein Gott? und daß man ihn mit seinem Beten höhnisch durchzog. Und wenn auch die Menschen nicht so bösartig sind, daß sie es einem Glaubigen gönnen, wenn ihn der HErr bei seinen Nöthen so lange im Warten übt; wenn sie aus natürlicher Gutherzigkeit noch Mitleiden mit ihm haben, so ärgern sie sich doch zuweilen heimlich daran, daß das Gebet des Frommen, wie sich’s äußerlich ansehen läßt, so wenig helfen soll, und daß ihn Gott so vergeblich rufen und schreien lasse. Die arme, blinde Welt! Sie sieht und hört und spürt eben nichts von dem verborgenen Zuspruch, den der HErr den Seinigen mitten unter ihrem Gedränge angedeihen läßt: laß dir an Meiner Gnade genügen!
Wohl uns, wenn wir mit Paulo aus Röm. 8,38. ff. rühmen können: ich bin’s gewiß, daß weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstenthum noch Gewalt, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes, noch keine andere Kreatur mag uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist, unserm HErrn! (Magnus Friedrich Roos)
Es möchte ein gottseliges Herz im langwierigen Kreuz sagen: ich kann nicht mehr, ich muß unter meiner Last erliegen, es ist keine Kraft mehr in mir. Ich antworte: gedenke, du gottliebende Seele, an die Worte deines Erlösers, die er zu seinem Apostel sagt: Laß dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig, und was der Apostel hinzu tut_ Darum will ich mich am allermeisten rühmen meiner schwachheit, auf daß die Kraft Christi bei mir wohne; denn wenn ich schwach bin, so bin ich stark (2. Kor. 12,9.10). Gott hat seine heiligen und erheblichen Ursachen, warum er uns manchmal läßt am Leibe und der Seele so schwach werden, daß wir meinen, wir müssen vergehen. Der Zunder mß ganz abgebrannt sein, wenn er soll die Funken fangen und ein Licht anzuzünden tüchtig sein. Das Weizenkorn muß faulen und verwesen, ehe es keimt, halmt und fruchtet. Das Verwesen gibt das Wesen, das Sterben das Leben. Also muß es auch mit unserem Herzen sein, es muß ganz abgebrannt, ausgemergelt und ausgerungen sein, wenn es des himmlischen Lichts und Trostes und der göttlichen Kraft teilhaftig werden will. Man kann auch Gottes Allmacht und Güte nicht besser erkennen, als an solchen matten Herzen. Der Herr Jesus hat in seiner Niedrigkeit und Schwachheit dne Teufel überwunden und die Hölle und Welt unter seine Füße getreten. Nichts ist mächtiger, als die Schwachheit der Gläubigen, wenn sie von der verborgenen Kraft Gottes erhalten und unterstützt wird. (Christian Scriver)
„Ich bin dir gnädig“, sagte Jesus zu Paulus, als er durch die peinvollen Qualen erschüttert zu Jesus betete, „und dass ich dir gnädig bin, das ist für dich genug.“ Die Welt ist gegen ihn, die Judenschaft hasst ihn auf den Tod, der Satan sendet seinen Engel, der ihn quält, Paulus ist in sich selbst ohn-mächtig und zerbrochen. Eines hat er, nur eines: Jesus ist ihm hold und schenkt ihm seine Gnade, und nun sagt er ihm: „Mehr brauchst du nicht.“ Du brauchst nicht Befreiung von deiner Qual, brauchst nicht einen hell strahlenden Himmel in deiner Seele, brauchst nicht die Bestätigung deines Apostelamts in siegreicher Macht und die Unterstützung durch die Zustimmung und Mitarbeit der Menschen. Was du brauchst, ist einzig das, dass du meine Gnade hast, und diese hast du. Nun, Pe-trus, sei still, klage nicht mehr, bitte nicht mehr um Befreiung von dem, was dich quält, glaube nur. So wurde Paulus zum Zeugen für die Heilandsmacht Jesu, die sich dadurch in ihrer Herrlichkeit offenbart, dass er alles in seine Gnade, somit alles in unseren Glauben stellt. Weil mit ihm uns alles gegeben ist, dürfen wir glauben, und ist Glauben Gerechtsein und das Leben haben. Das ist schon der Glaube, und allein der Glaube und der Glaube ist es ganz. Das ist die Offenbarung der allmäch-tigen, vollkommenen Gnade.
O Herr, du ziehst Deine Hand nicht von mir ab, auch wenn ich es nicht zum Glauben bringe, weil mich das bestürmt, was sichtbar ist. Ich sehe den Lauf der Welt und nehme meine Ohnmacht wahr; aber Dein Wort ist bei mir, das mir von Deiner Gnade spricht. Dadurch zeigst du, herrlicher Hei-land, uns Deine Herrlichkeit, dass Du uns in den Glauben stellst. Amen. (Adolf Schlatter)
Der Apostel Paulus hat dieses Wort vom Herrn empfangen als Antwort auf sein Flehen unter großen Schmerzen. Durch des Apostels Mund spricht Gott nun auch zu mir: Laß dir an meiner Gnade genügen! Richte ich den Blick zurück, überdenke ich die heiteren und trüben Tage, wäge ich gegeneinander was mir gelungen und fehlgeschlagen, was mir gewährt und versagt ist, so finde ich. daß Vieles mir geblieben, Manches von mir neuerworben ist. Soll ich darin Genüge haben? oder bedarf ich mehr als das, was die Welt mit den schönsten Namen nennt, wonach sie am eifrigsten trachtet: Reichthum und Genuß, Nildung und Kunst? Nein, das Eine, was ich nicht entbehren kann, das ist Gottes Gnade. Die ist mein Leben, meine Nahrung. Könnte die Welt mir alle Schätze darbieten, könnte sie mich mit allen Ehren überhäufen, - der Reichthum und die Herrlichkeit der Gnade Gottes wäre damit nie zu erreichen. Denn daß der Herr nur Gedanken des Friedens und nicht des Leides über mir hat, daß er mich trägt mit Langmuth und Geduld, daß er das Heil in Christo auch mir zugedacht hat, daß an denen, die in Christo Jesu sind, nichts Verdammliches ist, daß der Tod den Stachel und die Hölle den Sieg verloren hat, daß wir mit Christo in einem neuen Leben wandeln werden: das ist die heilsame Gnade Gottes, welche erschienen ist allen Menschen. An dieser Gnade hab' ich Genüge; mit dem Trost dieser Gnade im Herzen gehe ich freudig der Zukunft entgegen. Ich weiß, daß mein Heil in Zeit und Ewigkeit auf Gottes Erbarmung ruhet, daß ich aus Gnaden durch die Erlösung Jesu Christi gerecht und ein Erbe des ewigen Lebens werde. Wohl stehen sie alle vor mir die Uebertretungen und Sünden der vorigen Tage, aber der Gnadenreiche, der nicht will, daß Jemand verloren gehe, öffnet mir sein Vaterherz, hemmet den Strom des Verderbens und vergiebt mir alle Schuld um seines lieben Sohnes willen. Wohl wird auch mir das neue Jahr Gefahren und Verluste, Schmerzen und Kämpfe, Wunden und Thränen bringen; wohl werde ich die Eitelkeit alles Irdischen, die Trübsal dieser Zeit auch an mir erfahren; aber unter der Prüfung und Züchtigung, unter dem harten Druck und der schweren Bürde weiß ich, wo der Friede zu finden ist, der das Herz heilt, labt und schirmt. Wohl gehe ich der Zukunft mit heiligen Vorsätzen und ernsten Gelübden entgegen, aber ich weiß doch, daß mein Fuß gleiten und straucheln, daß mein Herz von der Sünde verlocket, von der Lust der Welt gereizt werden wird. Dann aber darf ich zu dem eilen, der mein Stab und mein Licht, meine feste Burg, meine gute Wehr und Waffe ist, der sich mächtig erweiset in den Schwachen, der dem treuen Kämpfer vorangeht und Bahn bricht, der Keinen über sein Vermögen versucht und für den Frommen Alles in Heil und Segen verwandelt. Seine Gnade ist die Quelle alles Lebens und in seinem Lichte sehen wir das Licht. Ich rücke mit diesem Jahre der Stunde näher, welche der Vater seiner Macht vorbehalten hat. Aber ich zittere nicht vor den Schrecken des Todes und Grabes; ich werde freudig die Hütte dieses Leibes verlassen und zum Vater gehen, denn er ist mir versöhnt durch den Tod seines lieben Sohnes und will mir ein gnädiger und barmherziger Richter sein. Wie sollte ich mich nicht sehnen, abzuscheiden und bei Christo zu sein!
So hilf denn, du treuer Gott, hilf gnädig durch das unruhige Leben, durch alle Gefahren und Versuchungen, durch alle Leiden und Trübsale. Stärke meinen Glauben, läutere meine Liebe, erfülle das Herz mit seliger Hoffnung, und laß mich endlich durch deine Barmherzigkeit eingehen in die Friedenshütten, die deine Gnade uns bereitet hat. Amen!(Christian Wilhelm Spieker)
Dem Paulus wurde, nachdem er eine hohe Offenbarung bekommen hatte, damit er sich derselben nicht überhöhe, ein Pfahl in’s Fleisch getrieben, indem des Satans Engel von Gott zugelassen wurde, ihn mit Fäusten zu schlagen. Er flehete dreimal zu dem HErrn, daß derselbe von ihm weichen möchte, der HErr sagte aber zu ihm: laß dir an Meiner Gnade genügen. Hier haben wir also das Beispiel einer Bitte, die nicht nach dem Sinn des Bittenden erhört worden ist. Von dieser Art war auch die Bitte Mosis um die Erlaubniß, das Land Kanaan zu sehen, die Fürbitte des Jeremias für das jüdische Volk, die Bitte Baruchs um große Dinge, und die Bitte der Söhne Zebedäi um das Sitzen zur Rechten und Linken des HErrn Jesu. Von diesen Bitten wurde keine so erfüllet, wie der menschliche Sinn es wünschte, hingegen bekam doch ein jeder von jenen Betern eine zurechtweisende und tröstende Antwort von dem HErrn, bei welcher es ihn nicht reuen durfte, gebetet zu haben.
Zu Mose sagt der HErr 5 Mos. 3,26. u.ff.: laß genug sein, sage Mir davon nichts mehr. Steige auf die Höhe des Berges Pisga, und hebe deine Augen auf gegen Abend, und gegen Mitternacht, und gegen Mittag, und gegen den Morgen, und siehe es mit Augen (also wurde ihm doch das Sehen, um das er gebeten hatte, einigermaßen vergönnt), denn du wirst nicht über diese Jordan gehen (folglich bald zur Ruhe kommen). Weil ihm aber auch das Volk am Herzen lag, welches eines Heerführers bedurfte, so hieß ihn der HErr den Josua zu diesem Amt einsegnen, V. 27.28. Auf diese Weise konnte Moses zufrieden sein. Als der HErr Jer. 14,11. zu dem Jeremias gesagt hatte: du sollst nicht (mehr) für das Volk um Gnade bitten, so beruhigte Er ihn unter vielen andern Reden auch damit, daß Er Kap. 15,11. zu ihm sprach: wohlan, Ich will (ob ich schon für das ganze Volk keine Fürbitte annehme) eurer etliche übrig behalten, denen es soll wieder wohl gehen, und Ich will euch zu Hülfe kommen in der Noth und Angst unter den Feinden; und daß Er ferner V. 19.20.21. zu ihm sagte: wo du dich zu Mir hältst, so will Ich Mich zu dir halten, und sollst Mein Prediger bleiben. – Ich bin bei dir, daß Ich dir helfe, und dich errette, spricht der HErr, und will dich auch erretten aus der Hand der Bösen, und erlösen aus der Hand der Tyrannen. Zu dem Baruch sagte der HErr durch den Jeremias Jer. 45,5.: du begehrest dir große Dinge, begehre es nicht; denn siehe, Ich will Unglück kommen lassen über alles Fleisch, spricht der HErr, aber deine Seele will Ich dir zur Beute geben, an welchen Ort du ziehest. Die Söhne Zebedäi bekamen Matth. 20,22. u.ff. die Anweisung, sich auf’s Leiden gefaßt zu halten, ihre bitte aber, welche sie selbst nicht verstanden, wurde ihnen weder abgeschlagen noch zugesagt. Zu Paulus sagte der HErr mit großer Freundlichkeit: laß dir an Meiner Gnade genügen; denn Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. (Magnus Friedrich Roos)
12:10 Darum bin ich gutes Muts in Schwachheiten, in Schmachen, in Nöten, in Verfolgungen, in Ängsten um Christi willen. Denn wenn ich schwach bin, so bin ich stark.1); 2)
Gott will uns durch Not und Trübsal zu dem demütigen Bekenntnis bringen, daß nur der Blick auf ihn uns erretten könne. Er will durchaus, daß wir dahin kommen, zu bekennen: „In uns ist keine Kraft!“ Wir sagen es indessen vielleicht und glauben es doch nicht, weil wir noch eine gewisse Meinung von unsern eigenen Kräften haben, die uns doch nur viel Uebles anrichtet. Aus dieser falschen Meinung kommt eben jener Rest von Hochmut und Selbstvertrauen, welcher durchaus in uns vernichtet werden muß, damit Gott allein die Ehre gegeben werde; ferner entsteht daraus jene Selbsthilfe, womit wir uns abquälen, ohne daß sie Frucht schafft, vielmehr kann sie nur das Werk Gottes in uns hindern. Gott erklärt, daß seine Kraft in unserer Schwachheit mächtig werden soll; lassen wir deshalb ein für alle Mal die Hoffnung auf jene eingebildete Kraft fahren; sie ist einmal nicht in uns, und wir werden sie vergebens da suchen. Gott verlangt nicht, daß wir in uns stark seien, sondern im Gegenteil sollen wir uns schwach fühlen, damit seine Kraft sich in unserer Schwachheit vollenden könne. „Christus ist für Gottlose gestorben zur Zeit, da wir noch schwach (ohne Kraft) waren,“ sagt Paulus (Röm. 5,6), und wenn uns gesagt wird: „Seid stark!“ - so wird hinzugefügt: „in dem Herrn und in der Macht seiner Stärke“. Um uns die ganze Fülle seiner Kraft zu geben, wartet der Herr nur auf den Augenblick, wo wir bekennen: „In uns ist keine Kraft; aber unsere Augen schauen auf dich.“ Dahin nur will uns der Herr durch alle die demütigenden Erfahrungen, welche er uns machen läßt, bringen. Uebergeben wir uns ihm deshalb und erkennen, daß wir in keinem Ding etwas können! Lassen wir unsere Augen auch nicht mehr auf uns selbst sehen, sondern allein auf den Herrn! Dann werden wir gerade, wenn wir schwach sind, stark sein, ja wir werden „alles vermögen durch den, der uns mächtig macht, Christus“. (Auguste Rochat)
Nietzsche sagt: „Alles, was aus der Schwachheit stammt, ist schlecht.“ Und wenn man es nicht so versteht, wie er es meint, dann hat er recht. Was aus meiner natürlichen Stärke stammte, war das Schlechteste meines Lebens. Denn da wollte ich ohne Gott mit dem Kopf durch die Wand und richtete mir und andern eitel Herzeleid an. Als aber Jesus mich in seine Armenschule des Geistes aufnahm, lernte ich das umgekehrte Stadium des Reiches Gottes kennen: hier besteht man das Examen in die höhere Klasse, wenn man wieder ein Stück weniger leistet als früher in eigener Kraft, und sich vom Lehrer mehr vorsagen läßt. Wenn man ganz schwach und hilflos geworden, daß man nur noch singt: „Ich kann allein nicht gehen, nicht einen Schritt; wo du wirst gehn und stehen, da nimm mich mit.“ - dann kommt man in die Klasse der Meisterschüler. Jetzt hat seine Stärke Raum und Möglichkeit, sich auszuwirken - und darum bin ich guten Mutes in Schwachheiten. Meine Schwachheit ist auch an sich schlecht, nutzlos, leer, ein unbeschriebenes Blatt; was nur aus ihr stammt, wäre auch verloren - aber sie ist der Rahmen, die Schale, die Hand geworden, die Jesu Stärke füllt.
Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiß nicht, was er dir Gutes getan hat, da er dir alle deine Stärke zerbrach und dich erst so ganz schwach machte, daß du ihm dich ganz überlassen konntest. Meine Seele, Herr Jesus, preist deine Stärke. Halleluja! (Samuel Keller)
12:11 Ich bin ein Narr worden über den Rühmen; dazu habt ihr mich gezwungen. Denn ich sollte von euch gelobet werden, sintemal ich nichts weniger bin, denn die hohen Apostel sind; wiewohl ich nichts bin.
Mit einer strahlenden, unerschütterlichen Gewissheit war Paulus davon überzeugt, dass er nichts sei. Diese Gewissheit entstand in ihm nicht deshalb, weil es andere gab, die über ihm standen, etwa höhere Apostel, die mehr vermochten als er. Es gab keinen in der Christenheit, nebst den er sich nicht stellen durfte. Dennoch bleibt es völlig wahr und seine selige Erkenntnis: „Ich bin nichts.“ Warum ist er nichts? Weil er nichts hat, was ihm nicht gegeben ist, weil er nichts erkennt, als was ihm Gott zeigt, weil er nichts kann, als was Gott durch ihn tut. Vor dem Glanz Gottes löscht mein Lichtlein aus und in seiner Gemeinschaft mit mir ist er alles und ich nichts. Nun ist mir geholfen; das gibt die Gewissheit. Gibt die Sicherheit, gibt die Kraft und den nie ermüdenden Mut. Warum sollte ich mich fürchten? Wer nichts hat, kann nichts verlieren. Und womit sollte ich mich rühmen? Wer nichts ist, streckt die Hand nach keinem Lorbeer aus. Mag meine blinde Eitelkeit es tausendmal anders sagen, dennoch ist es so: ich bin nichts und alles, was ich bin, ist sein Geschenk.
Mach zunichte, großer Gott, was etwas sein will ohne Dich und gegen Dich. Bleib mir deutlich, damit ich vor Dir nichts sei als das, wozu Du mich machst und brauchst. So behütest Du mich vor dem Fall und machst mich in Deiner Gnade stehen. So kann ich mich bewegen nach Deinem Willen, weil Deine Hand mich trägt. Das Ziel Deiner Wege ist, dass Du alles in allen wirst. Dafür preisen Dich alle, die Deinen Namen nennen, ewiglich. Amen. (Adolf Schlatter)
12:12 Denn es sind ja eines Apostels Zeichen unter euch geschehen mit aller Geduld; mit Zeichen und mit Wundern und mit Taten.
12:13 Welches ist's, darinnen ihr geringer seid denn die andern Gemeinden, ohne daß ich selbst euch nicht habe beschweret? Vergebet mir diese Sünde!
12:14 Siehe, ich bin bereit, zum drittenmal zu euch zu kommen, und will euch nicht beschweren; denn ich suche nicht das Eure, sondern euch. Denn es sollen nicht die Kinder den Eltern Schätze sammeln, sondern die Eltern den Kindern.
12:15 Ich will aber fast gerne darlegen und dargelegt werden für eure Seelen; wiewohl ich euch fast sehr liebe und doch wenig geliebt werde.
12:16 Aber laß also sein, daß ich euch nicht habe beschweret, sondern dieweil ich tückisch war, habe ich euch mit Hinterlist gefangen.
12:17 Habe ich aber auch jemand übervorteilet durch deren etliche, die ich zu euch gesandt habe?
12:18 Ich habe Titus ermahnet und mit ihm gesandt einen Bruder. Hat euch auch Titus übervorteilet? Haben wir nicht in einem Geist gewandelt? Sind wir nicht in einerlei Fußtapfen gegangen?
12:19 Lasset ihr euch abermal dünken, wir verantworten uns? Wir reden in Christo vor GOtt; aber das alles geschieht, meine Liebsten, euch zur Besserung.
12:20 Denn ich fürchte, wenn ich komme, daß ich euch nicht finde, wie ich will, und ihr mich auch nicht findet, wie ihr wollet: daß nicht Hader, Neid, Zorn, Zank, Afterreden, Ohrenblasen, Aufblähen, Aufruhr da sei;
**12:21 daß ich nicht abermal komme, und mich mein GOtt demütige bei euch, und müsse Leid tragen über viele, die zuvor gesündiget und nicht Buße getan haben für die Unreinigkeit und Hurerei und Unzucht, die sie getrieben haben.
Paulus hatte ein schweres Leiden zu bestehen, das härteste, das er je erlebt hatte. Mit großer Inbrunst wünschte er von demselben erlöst zu sein, und flehete zum Herrn. Er ward aber nicht davon befreit, jedoch tüchtig gemacht, seinen Stand willig zu ertragen, und mit der köstlichen Einsicht beschenkt, daß er eben darum stark sei, wenn er schwach, und daß Christi kraft in den Schwachen mächtig sei. Herr, mein Gott, es ist auch manchmal dunkel in meiner Seele. Warum? Sind es Sünde, die mich von Dir scheiden? O zeige mir, was mich von Dir trennen mag! Ist es Stolz oder Eigensinn? Er werde von mir armen, schwachen, thörichten Menschen, der keine Ansprüche vor Dir hat, zertreten! Ist es Trägheit oder Nachlässigkeit in Erfüllung meiner Pflichten? Neuer Ernst und Eifer müsse mich beleben! Ist es Weichlichkeit, Ueppigkeit, sinnliche Lust, Anhänglichkeit an irdische Dinge? O so stärke meinen Geist, diese Feinde meiner Ruhe und Geistesfreudigkeit zu bemeistern! Ist es Leichtsinn, Zerstreuungssucht, Flüchtigkeit, Wankelmuth, was Dir an mir mißfällt? O so lehre mich ernsthafter, nachdenkender, muthiger, ähnlicher Deinem Sinne denken und handeln! Nimm hin die Decke von meinen Augen, die Last von meinem Herzen! ich kann sie nicht heben, die drückende Last; kein Freund vermag sie wegzuheben! Du nur vermagst es. – Rührt die Dunkelheit meiner Seele nur von körperlichen Umständen, von Kränklichkeit her? Auch Du vermagst mich zu heilen, und die Ursachen des Gewölkes zu vertreiben. Ach, erbarme Dich mein, und verkürze die Tage meiner Angst! Mein Leib und meine Seele, o Herr, sind in Deiner Hand! Leichter als wir eine Hand umwenden, kannst Du mich Traurigen erfreuen, mich Dunkeln erheitern, mich Matten aufrichten, mich Zagenden stärken, mich Trostbedürftigen trösten. – Herr, erfreue, stärke, tröste mich! Mein Heiland, Du weißt, wie mir zu Muth ist; alle menschlichen Gemüthslagen sind Dir aus eigner Erfahrung bekannt; Du kannst denen, die geprüft werden, helfen! Wen hast Du je ganz schmachten lassen? Bedürfniß nach Dir, ist es nicht ein heiliges Pfand von Dir? Auch meine Nacht wird sich in Tag, und meine Angst in Dank und Wonne verwandeln. Laß dir an Gottes Gnade genügen; denn seine Kraft ist in den Schwachen mächtig. Amen. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)