Johannes, Kapitel 8
8:1 Jesus aber ging an den Ölberg.
8:2 Und frühmorgens kam er wieder in den Tempel, und alles Volk kam zu ihm; und er setzte sich und lehrte sie.
8:3 Aber die Schriftgelehrten und Pharisäer brachten ein Weib zu ihm, im Ehebruch ergriffen, und stellten sie in die Mitte dar
8:4 und sprachen zu ihm: Meister, dies Weib ist ergriffen auf frischer Tat im Ehebruch.
8:5 Mose aber hat uns im Gesetz geboten, solche zu steinigen; was sagst du?
8:6 Das sprachen sie aber, ihn zu versuchen, auf daß sie eine Sache wider ihn hätten. Aber Jesus bückte sich nieder und schrieb mit dem Finger auf die Erde.
8:7 Als sie nun anhielten, ihn zu fragen, richtete er sich auf und sprach zu ihnen: Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie.
8:8 Und bückte sich wieder nieder und schrieb auf die Erde.
8:9 Da sie aber das hörten, gingen sie hinaus (von ihrem Gewissen überführt), einer nach dem andern, von den Ältesten bis zu den Geringsten; und Jesus ward gelassen allein und das Weib in der Mitte stehend.
8:10 Jesus aber richtete sich auf; und da er niemand sah denn das Weib, sprach er zu ihr: Weib, wo sind sie, deine Verkläger? Hat dich niemand verdammt?
8:11 Sie aber sprach: HERR, niemand. Jesus aber sprach: So verdamme ich dich auch nicht; gehe hin und sündige hinfort nicht mehr!
Hieran können wir merken, worauf die Gnade Christi hinaus will: der mit Gott versöhnte Sünder soll durch ein frommes, heiliges Leben hinfort den, der ihn gerettet hat, ehren. Eben dasselbe Wort, das uns die Verzeihung anbietet, ruft uns zugleich zur Buße. Diese Aufforderung deutet vor allem auf die Zukunft, zugleich aber demütigt sie den Sünder im Blick auf sein früheres Leben.
8:12 Da redete Jesus abermals zu ihnen und sprach: Ich bin das Licht der Welt; wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wir das Licht des Lebens haben.1)
Man rühmt jetzt die erleuchtete und aufgeklärte Zeit, und doch folgen unter der großen Menge der Christen Wenige Christo nach. Es gibt Männer, von welchen man sagt, sie haben zur Erleuchtung der Welt durch ihren Witz, Kunst und Gelehrsamkeit Vieles beigetragen, und doch folgen diese Männer selber Jesu, dem Licht der Welt, nicht nach, und weisen auch ihre Schüler nicht dazu an. Man kann ihnen also zurufen: wandelt hin im Licht eures Feuers, und in Flammen, die ihr angezündet habt – in Schmerzen werdet ihr liegen, Jes. 50,11. Christus der Wahrhaftige sagt: Ich bin das Licht der Welt. In allen Weltgegenden und zu allen Weltzeiten müssen die Menschen von Ihm Licht empfahen, wenn sie erleuchtete werden sollen. Zu diesem Ende aber müssen sie Ihm nachfolgen, Seine Lehre annehmen, nach derselben ihren Sinn ändern, und in Seine Fußstapfen treten. Alsdann werden sie nicht in der Finsterniß wandeln, sondern das Licht des Lebens haben. Das Licht also, das ein Nachfolger Christi hat, ist ein Licht des Lebens. Es heitert nicht nur den Verstand auf, daß er die vorkommenden Dinge recht erkennen und beurtheilen kann, sondern belebt auch. So viel Licht ein Christ hat, so viel geistliches Leben hat er auch, und so viel geistliches Leben er hat, so viel Licht hat er. Ist nun das Licht auch das Leben der Menschen, so muß im Gegentheil die Finsterniß der Tod sein. Eine finstere Seele ist auch eine todte Seele in Ansehung der geistlichen Dinge, welche das Reich Gottes in sich schließt. Gleichwie sie nichts vernimmt vom Geist Gottes, also kann sie sich auch zu demjenigen, das der Geist Gottes gebietet, nicht erheben und bewegen, weil gar keine Kraft dazu in ihr ist.
Die Menschen prangen gar gern mit ihrer Weisheit, und arbeiten meistens emsig darauf los, wie sie ihren Verstand erhöhen und erweitern. Schon Eva ist durch den betrüglichen Verspruch einer höheren Weisheit von der Schlange betrogen worden. Man kann auch nicht leugnen, daß Unterricht und Uebung in dem Bezirk der Natur Vieles ausrichten, und die Vernunft natürlicher Menschen sehr hurtig und fähig sein kann, natürliche Dinge, die zum Wesen dieser Welt gehören, zu fassen und zu beurtheilen. Allein zwischen der Natur und Gnade, zwischen dem Wesen dieser Welt, welches vergehet, und zwischen dem unbeweglichen Reich Gottes sit ein großer Unterschied. Im Reich Gottes ist Christus allein das Licht, der Morgenstern, die Sonne. Wer von Ihm erleuchtet werden will, muß auch Sein Nachfolger sein. Der alte Teufel ist ohne Zweifel schlauer als alle Staatsmänner, und weiß mehr als alle Gelehrte, wie ihm denn deßwegen sieben Köpfe zugeschrieben werden: und doch ist er mit einer undurchdringlichen Finsterniß als mit einer Kette gebunden, und herrscht nur in der Finsterniß der Welt. Auch heißen böse Werke, die nach seinem Willen geschehen, Werke der Finsterniß. Das Licht des Lebens aber, welches ein Nachfolger Christi hat, ist sowohl der Gewalt des Satans, als auch dem Trieb zu bösen Werken entgegen gesetzt. Der HErr Jesus erleuchte auch uns immer mehr, und vertreibe die Finsterniß, die an die Hölle grenzt, aus unsern Seelen.
(Magnus Friedrich Roos)
8:13 Da sprachen die Pharisäer zu ihm: Du zeugst von dir selbst; dein Zeugnis ist nicht wahr.
8:14 Jesus antwortete und sprach zu ihnen: So ich von mir selbst zeugen würde, so ist mein Zeugnis wahr; denn ich weiß, woher ich gekommen bin und wohin ich gehe; ihr aber wißt nicht, woher ich komme und wohin ich gehe.
8:15 Ihr richtet nach dem Fleisch; ich richte niemand.
Die Menschen urteilen in doppeltem Sinn nach dem Fleisch: einerseits nach dem Fleisch, d. h. dem, was ihnen vom anderen vor Augen ist, und dabei kennen sie die geheimen Triebkräfte der andern nicht; andererseits nach ihrem eigenen Fleisch, d. h. nach der äußerlichen irdischen Art, nach menschlicher Meinung und Verständnis. Das kann man leider an dem Richtgeist vieler Gläubigen auch noch erkennen: vom Heiligen Geist und dem Maßstab der Ewigkeit ist nichts dabei. - Einer hätte damals sofort richtig und bündig jeden beurteilen können, jedem Gottes Meinung über ihn auf den Kopf sagen können, und dieser eine, Jesus - richtet niemand. Er ist ja gekommen, sie zu retten. Hätte er sie gerichtet, wäre es aus mit ihnen gewesen; dann hätten sie sich der einschneidenden Wucht solcher Enthüllung nicht mehr entziehen können und wären verzweifelt. Aber noch war Gnadenzeit, wo durch Jesus an ihnen etwas anders werden kann. Darum wollen wir uns erst recht hüten (schon um unserer Kurzsichtigkeit willen), einem andern die Gerichtsmarke aufzukleben; auch nicht so schnell bei der Hand zu sein:„Da sieht man Gottes Gericht über ihn.“ Statt dessen für den Unglücklichen hoffen und beten, bis wir vielleicht etwas zu seiner Rettung tun können.
Herr Jesu, halte das Gericht noch auf. Laß noch Gnadenstunden kommen, wo du in Liebe wirbst um die Seelen, ehe das Gericht den endgültigen Abschluß bringt. Hilf uns gegen den fleischlichen Richtgeist und gib uns Liebe zu den Seelen. Amen. (Samuel Keller)
8:16 So ich aber richte, so ist mein Gericht recht; denn ich bin nicht allein, sondern ich und der Vater, der mich gesandt hat.
8:17 Auch steht in eurem Gesetz geschrieben, daß zweier Menschen Zeugnis wahr sei.
8:18 Ich bin's, der ich von mir selbst zeuge; und der Vater, der mich gesandt hat, zeugt auch von mir.
8:19 Da sprachen sie zu ihm: Wo ist dein Vater? Jesus antwortete: Ihr kennt weder mich noch meinen Vater; wenn ihr mich kenntet, so kenntet ihr auch meinen Vater.
8:20 Diese Worte redete Jesus an dem Gotteskasten, da er lehrte im Tempel; und niemand griff ihn, denn seine Stunde war noch nicht gekommen.
8:21 Da sprach Jesus abermals zu ihnen: Ich gehe hinweg, und ihr werdet mich suchen und in eurer Sünde sterben. Wo ich hin gehe, da könnet ihr nicht hin kommen.
8:22 Da sprachen die Juden: Will er sich denn selbst töten, daß er spricht: „Wohin ich gehe, da könnet ihr nicht hin kommen “?
8:23 Und er sprach zu ihnen: Ihr seid von untenher, ich bin von obenher; ihr seid von dieser Welt, ich bin nicht von dieser Welt.
8:24 So habe ich euch gesagt, daß ihr sterben werdet in euren Sünden; denn so ihr nicht glaubt, daß ich es sei, so werdet ihr sterben in euren Sünden.
Es gibt Leute, welche meinen, wer einen Gott und etwa auch die Unsterblichkeit der Seele glaube, bedürfe weiter nichts, als daß man ihm die Gebote Gottes oder die Sittenlehre Jesu predige: von der Person Jesu und andern geheimnißreichen Sachen haben die Gelehrten unterschiedliche Meinungen, und es liege nichts daran, was man sich für eine Vorstellung davon mache. Allein der HErr Jesus sagte zu den Juden: so ihr nicht glaubet, daß Ich sei, der Ich bin, so werdet ihr sterben in euern Sünden, und Joh. 17,3.: das ist das ewige Leben, daß sie Dich, Vater, der Du der allein wahre Gott bist, und den Du gesandt hast, Jesum Christum, erkennen, Paulus aber Phil. 3,8.10.: er achte Alles für Schaden gegen der überschwänglichen Erkenntniß Jesu Christi seines HErrn, und trachte, Ihn noch weiter zu erkennen, Johannes aber schreibt 1 Joh. 2,22.23.: das ist der Widerchrist, der den Vater und den Sohn leugnet. Wer den Sohn leugnet, der hat auch den Vater nicht. Es ist auch sonnenklar, daß die Heilige Schrift, insonderheit das Neue Testament, uns nicht nur auf die Sittenlehre Jesu verweise, welche man freilich auch ohne die Erkenntniß Seiner Person für gerecht und billig halten kann, sondern auch und vornehmlich auf die Erkenntniß Seiner Person und den Glauben an Ihn dringe. Ihn selbst stellt sie uns vor die Augen als den Lehrer, der von Gott ausgegangen ist, als einen ewigen König und Priester, als den Erlöser der Welt, als das Licht und Leben der Menschen, als den eingebornen Sohn Gottes, als den wahrhaftigen Gott und das ewige Leben. Die Erkenntniß Seiner Person macht nicht nur klar, wie wichtig Seine Gebote seien, sondern zeigt auch, wie viel man Vertrauen zu Ihm haben, was man von Ihm bitten und erwarten, und wie man Ihn verehren solle. Wer nicht glaubt, daß Er sei, der Er ist, stirbt in seinen Sünden, weil er ohne diesen Glauben weder gerecht noch heilig werden kann. Nur Jesus kann von den Sünden frei machen: Er macht aber nur denjenigen davon frei, der Ihn erkennt, und bei dieser Erkenntniß Ihn darum bittet. Wer nun von den Sünden nicht frei wird, stirbt in seinen Sünden, in den Sünden aber sterben ist etwas Schreckliches. Selig sind die Todten, die in dem HErrn sterben, unselig sind diejenigen, die in ihren Sünden sterben. Sünden, die nicht vergeben sind, Sünden, von denen die Seele nicht gereinigt ist, verwehren ihr den Eingang in das Reich Gottes, und drücken sie in die finstere Hölle hinab, da dann Gott dieser Seele nicht mehr gedenket und sie von Seiner Hand abgesondert ist, bis sie am Tag des Gerichts in ihrem auferweckten Leib vor Ihm erscheinen, das Urtheil ihrer Verdammniß anhören, und alsdann in die ewige Pein gehen muß. HErr Jesu, ich glaube, daß Du seiest Christus des lebendigen Gottes Sohn, mein Erlöser und Fürsprecher, mein Licht und mein Leben. Erhalte und befestige mich in diesem Glauben, damit ich auch sein Ende, nämlich der Seelen Seligkeit, erlangen, und Dich alsdann in der Herrlichkeit zu meiner Verherrlichung sehen möge. Lasse auch Deine Erkenntniß in unsern Tagen durch das Evangelium in allen Gegenden der Erde ausgebreitet und vermehrt werden, und segne dazu den Dienst aller Deiner Knechte. Amen.(Magnus Friedrich Roos)
Als der HErr Jesus im Stand der Erniedrigung lebte, gab es viele Leute, die Ihn nicht sahen, und nichts von Ihm höreten: und noch jetzt gibt es entfernte Heiden, die gar nichts, oder nichts Rechtes von Ihm gehört haben. Wie nun Gott diese richten werden, wissen wir nicht. Wer aber Jesum in den Tagen Seines Fleisches sahe, oder wer damals und in den folgenden Zeiten das Evangelium von Ihm hörte, durfte in Ansehung Seiner bei Verlust der Seligkeit nicht unwissend und unglaubig bleiben. Zweifeln, ob Er der Messias, der Sohn Gottes und der wahrhaftige Gott sei, ist alsdann schon Sünde, zu geschweigen, wenn man gerade das Gegentheil behauptet; deßwegen sagte der Heiland zu den Juden, die Ihn und Seine Werke sahen, und Seine Worte höreten: so ihr nicht glaubet, daß Ich es sei (der ich bin), so werdet ihr sterben in euren Sünden. Es ist wunderbar, daß der Heiland hier nicht geradezu sagte, wer Er sei, und daß Er auch hernach, da Ihn die Juden fragten: wer bist Du denn? antwortete: erstlich, weil Ich zu euch eben rede, habe Ich Vieles von euch zu reden und zu richten: aber der Mich gesandt hat, ist wahrhaftig, und Ich, was Ich von Ihm gehört habe, dieses sage Ich in die Welt hin. Wir lernen hieraus, daß die seligmachende Erkenntniß Jesu Christi nicht zu jeder Stunde durch Worte, die man den Menschen vorsagt, gepflanzt werden könne. Die Juden, welche vor Jesu standen, sollten Jesum bei Verlust ihrer Seligkeit für Denjenigen erkennen, der Er war. Sie fragten Ihn auch: wer bist Du? Diese Fragenden mögen aber wohl unter dem vermischten Haufen die ärgsten gewesen sein, die Er hernach Teufelskinder und Lügner nennet, und von denen Er sagt: ihr suchet Mich zu tödten. Bei diesen Leuten nun galt die Regel, die Matth. 7,6. steht, wie sie denn zuletzt, als sie Jesum durch ihr fortwährendes ungestümes Fragen nöthigten, ihnen V. 54. ff. deutlich genug zu sagen, daß Gott Sein Vater, und Er selbst der Sohn Gottes, und nach Seiner göttlichen Natur ehe denn Abraham gewesen sei, darüber ergrimmten und Ihn steinigen wollten. Er sagte also zu ihnen: ich habe Vieles von euch zu reden und zu richten. Das Erste, das Nöthigste, das Ich euch nach dem Willen Meines Vaters sagen sollte, ist dieses: wer ihr seid. Ehe ihr Mich erkennen könnet, müsset ihr euch selbst kennen lernen. Und dazu gab ihnen der HErr Jesus in Seiner Rede genug Anleitung, indem Er zu ihnen sagte: ihr seid von dieser Welt, ihr seid nicht Abrahams Kinder, Gott ist nicht euer Vater; ihr seid vom Vater dem Teufel, ihr kennet Gott nicht, ihr seid Lügner u.s.w. Uebrigens konnte Er bei jenen trotzigen und grimmigen Leuten damals nicht zuwege bringen, daß sie glaubig worden wären, sagte aber V. 28.: wenn ihr des Menschen Sohn (an’s Kreuz) erhöhen werdet, dann werdet ihr’s erkennen, daß Ich’s sei (der ich bin, nämlich der Sohn Gottes), es geschahe solches auch, wie die Geschichten der Apostel lehren, als in welchen erzählt wird, daß Leute glaubig worden seien, denen die Apostel vorhalten konnten, daß sie Jesum, den Fürsten des Lebens, gekreuziget und getödtet haben.
Zur wahren und lebendigen Erkenntniß Jesu Christi muß also ein Jeder gelangen, dem das Evangelium gepredigt wird, wenn er selig werden soll. Ein solcher Mensch muß glauben, daß Jesus sei, der Er ist: sonst stirbt er in seinen Sünden. (Magnus Friedrich Roos)
8:25 Da sprachen sie zu ihm: Wer bist du denn? Und Jesus sprach zu ihnen: Erstlich der, der ich mit euch rede.
8:26 Ich habe viel von euch zu reden und zu richten; aber der mich gesandt hat, ist wahrhaftig, und was ich von ihm gehört habe, das rede ich vor der Welt.
8:27 Sie verstanden aber nicht, daß er ihnen von dem Vater sagte.
8:28 Da sprach Jesus zu ihnen: Wenn ihr des Menschen Sohn erhöhen werdet, dann werdet ihr erkennen, daß ich es sei und nichts von mir selber tue, sondern wie mich mein Vater gelehrt hat, so rede ich.
8:29 Und der mich gesandt hat, ist mit mir. Der Vater läßt mich nicht allein; denn ich tue allezeit, was ihm gefällt.
Und nichts von mir selber tue: Jesus unterfängt sich also nichts zu tun ohne besonderen Auftrag des Vaters. Um das mit einem Beispiel zu belegen, sagt er, er rede nur, was ihn der Vater gelehrt habe. Es sei zu dieser Stelle an das erinnert, was ich schon mehrfach hervorheben musste: wenn Jesus all das Göttliche, das er besitzt, nicht sein eigen nennt, so lässt er sich damit zu der Fassungskraft seiner Hörer herab. Er will damit nur darauf den Finger legen: Haltet meine Worte nicht für Menschenworte; es sind Worte Gottes!
Wohl zu beachten ist hier der Grund, auf welchen Jesus die Tatsache stützt, dass Gott ihm zur Seite steht und ihm seine Hilfe allezeit zuteil werden lässt: denn ich tue allezeit, was ihm gefällt. „Allezeit“, das besagt, dass er nicht bloß bis zu einem gewissen Grade und Maße Gott gehorsam ist, sondern, dass er völlig und ausnahmslos sich dem Gehorsam gegen ihn geweiht hat. Wünschen wir die nämliche Gegenwart Gottes zu erfahren, so haben wir nur unser ganzes Sinnen und Denken auf seine Befehle zu richten. Wollen wir uns nur teilweise auf seinen königlichen Willen einlassen, so wird der Segen Gottes ausbleiben, und alle unsere Bemühungen sind für nichts; und scheint es auch eine Zeit lang, als lächle uns günstiger Erfolg, so wird der Ausgang doch unglücklicher Art sein. Wenn Jesus sagt: der Vater lässt mich nicht allein, so erhebt er damit Klage über die Treulosigkeit seines Volkes, in dem er fast niemanden fand, der ihm die Hand reichte.
Auch zeigt er damit, dass es ihm genug und übergenug ist, wenn er Gott auf seiner Seite hat. Nun, so dürfen auch wir guten Mutes sein: Wir sind nicht allein, und wären wir noch so wenige! Wer dagegen Gott nicht auf seiner Seite hat, der wird vergeblich mit ganzen Menschenmassen prahlen, die zu ihm halten. (Jean Calvin)
8:30 Da er solches redete, glaubten viele an ihn.
Ein furchtbares, drohendes Wort ist das Wort: “Wo ich hingehe, da könnet ihr nicht hinkommen!“ In der That, die können es auch nicht, die von unten her sind, von dieser Welt; denn Er ist nicht von dieser Welt, sondern von oben her, und dieser Unterschied des Ursprungs wie des Wesens, der allerdings eine Zeitlang äußerlich verschwinden kann, - wie ja der Heiland, als Er jene Worte sprach, sich in Gestalt, Geberde und Gewand nicht von den Andern unterschied – ist so durchgreifend, daß er jedenfalls am Ende in seiner ganzen Schärfe offenbar werden muß. Wo die Wege so durchaus andere, ja entgegengesetzte sind, wie die Wege Christi und die Wege der Welt, wie könnten sie zum gleichen Ziele führen? Die Kinder der Welt können mit ihrem ganzen irdischen Sinn und Treiben nicht in den Himmel kommen, wenn sie auch wollten; aber sie wollen auch nicht. Zwar sagt Christus: „ihr werdet mich suchen,“ aber Er setzt hinzu: „und in eurer Sünde sterben.“ So giebt es also ein Suchen, das mit keinem Finden belohnt wird; ein Fragen nach dem Herrn, dem der Herr nicht antwortet. So begehren die thörichten Jungfrauen auch noch Einlaß, aber die Thür ist und bleibt verschlossen. So sucht der reiche Mann in der Qual der Hölle auch nach Hülfe, aber die Kluft zwischen ihm und Abraham ist und bleibt befestigt. Es giebt ein falsches Suchen, hinter welchem sich immer noch ein Herz verbirgt, das Ihn nicht sucht, das Ihm fremd und ferne ist. Dieses Suchen ist ein blos durch die äußere Noth oder die Angst des Todes erzeugtes, kein lebendiges Suchen nach Frieden und Versöhnung mit Gott, und darum ein fruchtloses. Herr, bewahre mich vor diesem falschen Suchen, damit ich nicht auch einmal, unversöhnt, in meiner Sünde sterbe, und laß mich Dich allezeit aufrichtig suchen, in bußfertiger Demuth, in verlangendem Glauben, damit Du allein mein Leben seist und Sterben einst mein Gewinn werde, die völlige Liebe zu Dir alle Furcht austreibe und mich nichts scheiden könne von Dir und Deinem Reiche. Amen. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)
8:31 Da sprach nun Jesus zu den Juden, die an ihn glaubten: So ihr bleiben werdet an meiner Rede, so seid ihr meine rechten Jünger
8:32 und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.
Wer scheidet Schein und Wahrheit? Wer ist dazu fähig? Wenn ich auf die Weise sehe, wie sich die anderen verhalten, was ist hier echt und was nachgemacht, was erlebt und was erlernt, was Wirklichkeit und Leben und was Theaterspiel? Doch lass die anderen. Es trägt jeder seine eigene Last, hat seine eigene Verantwortlichkeit und steht oder fällt seinem Herrn. Frage dich, was ist an dir Wahrheit und was Einbildung, was ist in dir gewurzelt und gewachsen und was ist fremdes Eigentum, das du als Schaustück in dir trägst, als wäre es dein? Es gibt unter uns nicht wenige, die die Frage quält: ist nicht alles, was man Christentum nennt, Einbildung, „Autosuggestion“, nicht nur die Geschichte Jesu mit ihren Wundern, sondern auch das eigene religiöse Empfinden, das, was wir unsere Erfahrung heißen, unsere Gegenwehr gegen unseren boshaften Willen, unser Gott hingegebener Glaube bleibt, unsere zum Dienst bereite Liebe, ist nicht alles Schein, alles nur der natürliche Trieb der Eigensucht, hier nur verhüllt in einer phantastischen Tracht? Weil uns diese Sorge quälen kann, wollen wir Jesus dafür danken, da er uns einen Maßstab gegeben hat, der das Echte vom Unechten trennt und uns die Wahrheit erkennbar macht. Dieser Maßstab ist das Bleiben in seinem Wort. Wenn sein Wort klar wie die Tageshelle, durchdringend wie ein Sonnenstrahl, mächtig wie der Hieb eines zweischneidigen Schwerts in mich hineintritt, dann flüchtet sich alles, was nur Schein und Farbe und Traumbild ist. Was sein Wort aushält und an seinem Wort sich bewährt, das ist echt, hat Wirklichkeit und ist von Gott gepflanzt.
Erforsche mich, Herr, und prüfe mich. Vertreibe den Schein, befreie mich vom Lügen und stelle mich auf den Felsen der Wahrheit. Dein Wort ist die Schule der Wahrhaftigkeit. In der Schule der Menschen lerne ich Verstellung und Falschheit. Du aber bist der Weg für mich, weil Du die Wahrheit bist. Amen. (Adolf Schlatter)
Jede neue: Wahrheit ruft zuerst einen scharfen Widerstand wach: ohne Kampf mit dem Gegensatz kommt's zu keinem Erkennen der Wahrheit. So geht's im Herzen des einzelnen und so in der Geschichte der Völker. Darum hat es bei mir so lange gedauert, daß ich die Wahrheit des Werkes Jesu an meiner Seele bekämpfte. Mein Stolz und mein Leichtsinn bäumten sich dagegen auf. Dadurch war die Wahrheit gezwungen, sich immer stärker zu entfalten. Plötzlich merkte ich, daß ich keinen vernünftigen Grund, sondern bloß Trotz und Widerstand dagegen aufbot. Wie schämte ich mich meines blinden kindischen Trotzes! Jetzt gab ich nach, und im selben Augenblick erkannte ich erst die ganze Größe und Schönheit der Wahrheit: aus Gnaden selig! Man erkennt sie nur durch völliges Nachgeben. Jetzt erst, wo ich ihr gehorchen wollte, konnte sie meinen gebundenen Willen befreien und mich in den neuen Fesseln ihrer Freiheit gehen lehren. Mit jedem Schritt wurde die befreiende Macht stärker und mein Tritt gewisser. Wohl hat diese Freiheit auch ihre Formen und ihre Art, auf die man selbstverständlich Rücksicht nimmt, aber diese Gebundenheit der Freiheit ist die Macht der neuen Überzeugung, und diese wirkt befreiend bei allem Drang.
Lieber Heiland, ich bitte dich, lehre mich jede neue Wahrheit aus deinem Wort im Zusammenhang mit den früher erfahrenen Gnaden erkennen, damit jeder Widerstand bei mir aufhört und du mich ganz frei machen kannst! Amen. (Samuel Keller)
8:33 Da antworteten sie ihm: Wir sind Abrahams Samen, sind niemals jemandes Knecht gewesen; wie sprichst du denn: „Ihr sollt frei werden “?
8:34 Jesus antwortete ihnen und sprach: Wahrlich, wahrlich ich sage euch: Wer Sünde tut, der ist der Sünde Knecht.
Wenn man sich mit der Sünde einläßt, ist's, wie wenn man in eine Falle ginge, aus welcher man Mühe hat, wieder herauszukommen. Es giebt Menschen, die immer an der Sünde, wie an einer Lockspeise, herumschleichen. Es geht ihnen wie dem Mäuschen. Dem schnappt's bei der geringsten Berührung, und es ist entweder tot oder gefangen. Die Sünde kann auch den Tod bringen, - ach! wie oft geschieht das! Wenn nicht so plötzlich, so wird doch, wer Sünde tut, der Sünde Knecht. Er ist gefangen, und kommt aus seiner Sünde kaum wieder heraus, daß er sie nicht immer und immer nieder tut, oft auch mit Seufzen. Da muß Gottes Erbarmen wieder heraushelfen.
Der Heiland redet aus einer Zeit, wo bei den Menschen alles noch natürlich lief, und keiner sich eigentlich loswinden konnte. Erst durch Ihn, den HErrn JEsum, ist die Möglichkeit geworden, aus den Klauen der Sünde wieder herauszukommen. Wem aber Seine Hilfe nicht wird, der macht, wenn er angefangen hat zu sündigen, fort und kann sich nicht bezwingen, bis er gar verderbt und ruiniert ist. Darum, weil alle Menschen gesündigt und immer gesündigt haben, waren sie alle Knechte der Sünde, daß sie von dieser nicht mehr lassen konnten. Es war für sie eine Unmöglichkeit, von ihr loszukommen. Eben wider diese traurige Gefangenschaft zu kämpfen, ist unser HErr und Heiland gekommen. Er kann sagen : „Wen der Sohn frei macht, der ist recht frei.“ Du darfst nur Ihn hören, Buße tun und glauben, so kann Er helfen durch Seines heiligen Geistes Kraft.
Wer aber freilich sich wieder gefangen nehmen läßt, an dem hat häufig das Wort Christi seine Kraft verloren; und es kann mit ihm das Letzte ärger werden als Erste. Doch ist der Heiland immer wieder bereit zu helfen; nur muß die Buße ernstlich und aufrichtig sein, und darf nicht neben der Bnße, wie es auch vorkommt, ein Buhlen mit der Sünde da sein. Ach! nur die Sünde meiden, das, wovon der HErr gesagt hat: „Du sollst es nicht tun!„ O der Toren, die es so leicht mit der Sünde nehmen, und sich vom Tenfel gerne vorsagen lassen: „Einmal ist keinmal,“ oder: „Einmal schadet nicht,“ während schon Eine Übertretung in die „Knechtschaft führt. Der HErr wolle uns vergeben, wo wir uns noch Sünder fühlen, und Seine Hand nach uns ausstrecken, um aus den greulichen Banden uns herauszureißen, welche etwa noch uns umschlungen halten. (Christoph Blumhardt)
8:35 Der Knecht aber bleibt nicht ewiglich im Hause; der Sohn bleibt ewiglich.
8:36 So euch nun der Sohn frei macht, so seid ihr recht frei.
8:37 Ich weiß wohl, daß ihr Abrahams Samen seid; aber ihr sucht mich zu töten, denn meine Rede fängt nicht bei euch.
8:38 Ich rede, was ich von meinem Vater gesehen habe; so tut ihr, was ihr von eurem Vater gesehen habt.
8:39 Sie antworteten und sprachen zu ihm: Abraham ist unser Vater. Spricht Jesus zu ihnen: Wenn ihr Abrahams Kinder wärt, so tätet ihr Abrahams Werke.
8:40 Nun aber sucht ihr mich zu töten, einen solchen Menschen, der ich euch die Wahrheit gesagt habe, die ich von Gott gehört habe. Das hat Abraham nicht getan.
8:41 Ihr tut eures Vaters Werke. Da sprachen sie zu ihm: Wir sind nicht unehelich geboren, wir haben einen Vater, Gott.
8:42 Jesus sprach zu ihnen: Wäre Gott euer Vater, so liebtet ihr mich; denn ich bin ausgegangen und komme von Gott; denn ich bin nicht von mir selber gekommen, sondern er hat mich gesandt.2)
8:43 Warum kennet ihr denn meine Sprache nicht? Denn ihr könnt ja mein Wort nicht hören.
8:44 Ihr seid von dem Vater, dem Teufel, und nach eures Vaters Lust wollt ihr tun. Der ist ein Mörder von Anfang und ist nicht bestanden in der Wahrheit; denn die Wahrheit ist nicht in ihm. Wenn er die Lüge redet, so redet er von seinem Eigenen; denn er ist ein Lügner und ein Vater derselben.
8:45 Ich aber, weil ich die Wahrheit sage, so glaubet ihr mir nicht.
Dies Stück des achten Kapitels Johannis begreift drei verschiedene Handlungen und Reden, welche Christus der HErr im Tempel den Juden gehalten, und darinnen Er sie von Seinem Amt, von der Sünde, von der Gefahr des Unglaubens und von der rechten Freiheit, wie auch von den Kennzeichen und Eigenschaften der Kinder Gottes unterrichtet hat, wiewohl Er in dem allen von den gottlosen und verstockten Juden viel Widerspruch hat erdulden müssen.
Erstens nämlich bezeuget er von Sich: Er sey das Licht der Welt; wer Ihm nachfolge, das ist, auf Seine Lehre und Predigt Achtung gebe - und darnach Sein Leben anstelle, der wandele nicht in Finsterniß, sondern werde das Licht des Lebens haben, das ist, zum ewigen Leben geführet und erleuchtet werden. Dies Zeugniß legen Ihm aber die Pharisäer als einen Hochmuth aus - und wollen es für keine Wahrheit annehmen, weil Er damit von Sich selber gezeuget - oder, was dasselbe ist, zu viel aus Sich selber gemacht habe. Doch da beziehet Sich Jesus nicht nur auf Seinen göttlichen Ursprung und Beruf, dem man Glauben beimessen müsse, so lange Sein Gericht und Vortrag recht - und Gottes heiligem Willen gemäß sey, sondern auch auf das Zeugniß Seines Vaters, welcher Ihn durch eine Stimme vom Himmel für Seinen Sohn erkannt - und solche Stimme bisher durch so viele Zeichen und Wunder bekräftiget habe. Wiewohl nun dies bei den ungläubigen Juden eine schwere Gotteslästerung zu seyn schien, daß Jesus Sich zu Gottes Sohn machte, (wie Er denn auch bei Seiner Anklage vor Pilatus eben dessen mit beschuldiget wurde,) so merket der Evangelist doch an, dieses Mal habe Ihn niemand gegriffen oder angetastet, weil Seine Stunde noch nicht kommen war. Denn es stehet nicht in unserer Feinde Macht und Ge walt, daß sie uns Schaden und Leid thun können, wann sie wollen, so lange es Gott nicht verhänget und zulasset.
Hernach drohet und weissaget der Heiland den Juden, sie werden in ihren Sünden sterben müssen, wenn sie nicht an Ihn glauben - noch Ihn für den Messias und Sohn Gottes annehmen. Da sich nun aber dieselben anstellen, als wenn sie Ihn nicht recht kenneten - und von Ihm eine deutlichere Erklärung erwarteten, wer Er sey, der solche Dinge ihnen in das Gesicht sagen dürft, so wiederholet Christus theils, was Er schon gesagt hatte, nämlich, daß Ihn Gott, Sein Vater, gesandt habe, und Er rede, was Er von demselben gehöret habe, theils aber verkündigt Er ihnen: was sie jetzt nicht erkennen wollten, würden sie hinfort inne werden, wann Er von Ihnen würde erhöhet, das ist, gekreuziget, darnach aber von den Todten wieder auferstanden - und gen Himmel gefahren seyn. Wie denn auch geschehen ist. Denn gleichwie bei dieser Predigt des Heilandes viele an Ihn geglaubet - und gute Gedanken von Ihm in ihre Herzen gefasset haben, so sind nach der Hand ihrer viel mehreren die Augen geöffnet worden, wie aus der Apostel Geschichten zu ersehen ist.
Endlich, weil unser Jesus wohl wußte, was den Juden im Weg stand, daß sie Ihn nicht für den wahren Messias und verheißenen Zionskönig halten wollten, sintemal sie nämlich eines solchen Erlösers gewärtig waren, der ihr Land von der Römer Oberherrschaft frei machen würde, so zeiget Er ihnen an, wie sie zu einer viel seligern Freiheit gelangen könnten, wenn sie nämlich Seine Jünger werden - und an Seiner Rede bleiben wollten. Da würde sie die Wahrheit recht frei und zu Gottes Kindern machen; woran weit mehr gelegen sey, als wenn sie Herren der Welt wären - und dennoch der Sünde Knechte und Kinder des Satans blieben, deren Theil und Erbe die ewige Verdammniß ist. Wie denn der Spruch wohl zu merken ist, wenn Christus sagt: „Wer Sünde thut, der ist der Sünde Knecht,“ ja vom Vater, dem Teufel, nach dessen Art er thut und handelt. Wenn nun aber die Juden dawider einwenden, sie seyen schon frei - und niemands Knechte gewesen, sie seyen Abrahams Kinder, ja, sie haben Einen Vater, Gott, so überführet sie Jesus der offenbaren Unwahrheit; wie ihnen denn ihre leibliche Freiheit eben durch die Römer schon gewaltig beschnitten war, und sie sich Abrahams und Gottes vergeblich rühmten, sintemal sie weder Abrahams Werke thaten - noch Gottes Wort und Wahrheit achteten. Daraus ersehen wir, wie fleischlich gesinnte Menschen in ihrem Unglauben und unbußfertigen Wesen sich selber immer mehr und mehr verstocken, wie sie ferner für gute Christen und Kinder Gottes geachtet seyn wollen, wenn sie gleich nichts Christliches und Göttliches an sich haben - und der Wahrheit mit ihrem ganzen Leben und Verhalten widerstreben, wie sie aber endlich darüber, wo keine Buße erfolget, in ihren Sünden gleich den Juden verloren gehen.
Gott gebe, daß wir, an der Juden Exempel klug - und der Wahrheit des Evangelii von Jesu Christo kräftiglich überzeugt, Kinder Gottes und Erben des ewigen Lebens werden und bleiben mögen. Amen. (Veit Dieterich)
Sei nicht feige, sondern sieh hinab in die Tiefe der menschlichen Unart, auch wenn dich ihr Anblick erschüttert. Ein Mensch, der deshalb nicht glaubt, weil ihm die Wahrheit gesagt ist, ist ein schrecklicher Anblick. An was glaubt er dann? Was bewegt ihn, wenn er das, was sich ihm als Wahrheit erkennbar macht, von sich stößt? Hat er sich nicht in die Luft hinaufgestellt ohne Halt und ohne Standort? Ist er nicht von der Wirklichkeit gänzlich geschieden, damit aber auch von Gott gelöst? Der Wahrheit nicht glauben, das ist Selbstverneinung, Selbstverstümmelung, Selbstmord in der schwersten Form. Dieser Dolchstoß verletzt das Innerste in uns. Damit ist die Grenze zwischen Unwissenheit und dem Glauben überschritten. Für die Unwissenheit ist die Wahrheit verhüllt, dem Unglauben ist sie gezeigt. Auch unsre Unwissenheit verführt uns zum Streit gegen die Wahrheit und darum ist sie eine Gefahr. Sind wir gewohnt, ihr zu widersprechen, weil sie uns verhüllt war, so ist die Gefahr ernst, dass wir uns auch dann gegen sie wenden, wenn die Hölle von der Wahrheit fällt und ihr Strahl in unser Inneres dringt. Können wir aber der Wahrheit glauben? Ist sie nicht schrecklich? Müssen wir sie nicht fürchten und hassen? Wer wagt es, sich selbst anzusehen? Wer hält es aus, die Menschen zu sehen, wie sie sind? Stirbt nicht die Freude und stirbt nicht die Liebe da, wo die Wahrheit erscheint? Ich sage euch die Wahrheit, sagt uns Jesus, und ich sage euch nicht im Dienst des Zorns, der das Verborgene enthüllt, um euch zu schänden, und das Versteckte ans Licht zieht, um euch zu richten. Ich sage euch die Wahrheit im Dienst der Gnade, die nicht erniedrigt, sondern erhöht. Ich zeuge euch die Wahrheit nicht, damit ihr an ihr sterbet, sondern damit ihr durch sie lebt. Denn die Wahrheit, die Jesus uns sagt, zeigt uns nicht nur, was im Menschen ist, sondern zeigt uns auch Gott in seiner wahrhaften Gerechtigkeit und seiner wahrhaften Gnade, und darum ist die Wahrheit, die Er uns sagt, die uns belebende Macht.
Licht des Lebens, Herr Jesus, ist Dein Name, rettende Wahrheit Dein Geschenk. Die menschlichen Künste, die die Wahrheit verhüllen, kenne ich wohl; ich sehe sie nicht nur an den anderen, sondern finde sie auch bei mir. Wenn ich mich aber zu Dir halte, fallen sie ab. Ich stelle mich ohne Vorbehalt und Ausflucht unter Dein Urteil und empfange ohne Widerrede Deine Gabe und bitte: Gib mir Teil am Geist der Wahrheit, durch den Du die Deinen regierst. Amen. (Adolf Schlatter)
8:46 Welcher unter euch kann mich einer Sünde zeihen? So ich aber die Wahrheit sage, warum glaubet ihr mir nicht?
8:47 Wer von Gott ist, der hört Gottes Worte; darum hört ihr nicht, denn ihr seid nicht von Gott.
Es gibt vier erhabene und mächtige Beweisgründe, welche uns hauptsächlich veranlassen, zu glauben, daß die Bibel von Gott sein muß, nämlich: Wunder, Prophezeiungen, die Vortrefflichkeit der Lehre und der moralische Charakter der Schreiber.
Auf diese Art ist das Christentum auf vier herrliche Säulen gestützt; nämlich: auf die Kraft, Weisheit, Vollkommenheit und Heiligkeit Gottes. Göttliche Kraft ist die Quelle aller Wunder; göttliche Weisheit aller Prophezeiungen; göttliche Vollkommenheit der Vortrefflichkeit der Lehren, und göttliche Heiligkeit des moralischen Charakters der Schreiber.
Ich will einen kurzen, klaren und starken Beweis liefern von der göttlichen Eingebung der Heiligen Schrift.
Die Bibel muß entweder 1) eine Erfindung guter Menschen oder Engel - 2) schlechter Menschen oder Teufel - 3) oder von Gott sein.
1) Sie kann nicht die Erfindung guter Menschen oder Engel sein, denn solche könnten und würden gewiß kein Buch machen, in welches sie immerfort Lügen hineinschreiben würden, indem sie sagen: „So spricht der Herr“ - wenn es doch ihre eigene Erfindung ist.
2) Es kann nicht die Erfindung schlechter Menschen oder Teufel sein, denn diese würden kein Buch machen, das alles Gute befiehlt, alle Sünden verbietet und die Bösen für alle Ewigkeit zur Hölle verdammt.
3) Deshalb ziehe ich den Schluß: Daß uns die Bibel durch göttliche Eingebung überliefert worden sein muß.(John Wesley)
8:48 Da antworteten die Juden und sprachen zu ihm: Sagen wir nicht recht, daß du ein Samariter bist und hast den Teufel?
8:49 Jesus antwortete: Ich habe keinen Teufel, sondern ich ehre meinen Vater, und ihr unehret mich.
8:50 Ich suche nicht meine Ehre; es ist aber einer, der sie sucht, und richtet.
8:51 Wahrlich, wahrlich ich sage euch: So jemand mein Wort wird halten, der wird den Tod nicht sehen ewiglich.
Deine Verbindung mit dem Lebensfürsten ist eine unauflösliche. Traurig ist das Werk des Todes, Leib und Seele trennt er voneinander. Da haben wir nun die gewisse Zusage, dass unser Verhältnis zum Herrn unzerstörbar ist. Er will uns als die Seinen bei sich haben, wenn wir hinübergehen. Mir ist es, als wollte der Herr sagen: Wenn auch dein Leibeshüttlein abgebrochen wird, so wird doch dein Wesen, deine Person nicht zerstört werden; du bist in der Ewigkeit wesentlich derselbe, der du hier warst. Jünger verlieren ihren Meister nicht, und sie verlieren sich selber nicht durch den Tod. Lazarus, unser Freund, schläft, spricht der Herr. Freunde Jesu entschlafen nur, wer aber Sein Wort nicht hält, der geht in den Tod. Mehr ein Einschlafen als ein Sterben wartet auf die Getreuen. Engel umstehen sie, Hirtenarme sind nach ihnen ausgestreckt, ein festlicher Willkomm ist ihnen bereitet. „Das ist kein Tod, das ist Leben, Sieg, Triumph!“ werden sie ausrufen. Sie werden nicht zu den Toten gehen müssen, sondern zu den Lebenden versammelt werden. Weil sie nicht tot sind, sondern leben, darum bleiben sie nicht im Totenreiche, denn das Land der Lebendigen ist ihr Vaterland. Sie werden Jesus in Seiner Herrlichkeit sehen und mit Ihm leben immer und ewiglich. - Hindurch zum Leben und zur Herrlichkeit will Jesus uns bringen. Ob es gelingen wird? Halten wir Ihn und Sein Wort im Glauben fest. Du darfst nicht auf das Leben verzichten! Du darfst Jesu Wort trauen und ewiges Leben ererben. Gott hat dich dazu berufen. (Markus Hauser)
8:52 Da sprachen die Juden zu ihm: Nun erkennen wir, daß du den Teufel hast. Abraham ist gestorben und die Propheten, und du sprichst: „So jemand mein Wort hält, der wird den Tod nicht schmecken ewiglich.“
8:53 Bist du denn mehr als unser Vater Abraham, welcher gestorben ist? Und die Propheten sind gestorben. Was machst du aus dir selbst?
8:54 Jesus antwortete: So ich mich selber ehre, so ist meine Ehre nichts. Es ist aber mein Vater, der mich ehrt, von welchem ihr sprecht, er sei euer Gott;
8:55 und kennet ihn nicht, ich aber kenne ihn. Und so ich würde sagen: Ich kenne ihn nicht, so würde ich ein Lügner, gleichwie ihr seid. Aber ich kenne ihn und halte sein Wort.
Gotteserkenntnis durch Studium oder durch Gehorsam? Das sind zwei verschiedene Wege, zwischen denen du zu wählen hast. Beim Studium kann die Seele falsche Menschenwege gehen und innerlich in Rechthaberei verknöchern; wenn man aber Gottes Wort hält, d. h. seinen Winken im Gewissen treu gehorcht, bekommt man Erfahrungen des Wirkens Gottes und lernt ihn kennen aus seinem Tun und an seinem Segen. Jesus ist für den zweiten Weg. Wirklichkeit predigt lauter als Wissenschaft. Wenn wir auf dem Gebiet, wo wir Gottes Willen klar erkannt haben, ihn auch wirklich tun, fällt uns neues Licht auf jene Gebiete, die uns vorher dunkel waren. Ein Wort Gottes, das wir getan haben, erschließt uns zehn andere, die uns vorher unerreichbar und unverständlich waren. Nichts macht so blind als Ungehorsam und ein schlechtes Gewissen. Das Volk aber, das seinen Gott erkennt, wird sich aufmachen und es ausrichten. Das treibt uns vorwärts, daß er schon solchen reichen Segen auf den kleinsten Gehorsam gelegt hat, und jeder neue Gehorsam bringt uns wie das Aufwärtssteigen am Berge neue Blicke, neue ungeahnte Seligkeiten.
Darum gib mir, lieber Vater, ein gehorsames Herz, daß ich keine Ruhe mehr finde auf meinen selbstgewählten Wegen, sondern dir täglich und freudig diene. Strafe meine Trägheit nicht durch Blindheit über deinen Willen, sondern vergib mir meine alte Schuld und gib mir neue Winke und neue Kraft. Amen. (Samuel Keller)
8:56 Abraham, euer Vater, ward froh, daß er meinen Tag sehen sollte; und er sah ihn und freute sich.
8:57 Da sprachen die Juden zu ihm: Du bist noch nicht fünfzig Jahre alt und hast Abraham gesehen?
8:58 Jesus sprach zu ihnen: Wahrlich, wahrlich ich sage euch: Ehe denn Abraham ward, bin ich.
8:59 Da hoben sie Steine auf, daß sie auf ihn würfen. Aber Jesus verbarg sich und ging zum Tempel hinaus.3); 4); 5)
Welche Mühe giebt sich in diesen Worten der Herr, die Juden ihres Irrthums zu überführen! Wie läßt Er sich herab, die Sehnsucht nach dem wahren Leben bei ihnen zu wecken! Wie langmüthig und geduldig versucht Er immer von neuem, ihren Sinn für dasselbe aufzuschließen! Doch es scheitert all’ sein Wohlmeinen und seine Sorgsamkeit an der Verkehrtheit der Hörer. Sie wollen die Wahrheit nicht, sondern Bestätigung für ihre Ansichten, und sind im voraus darüber entschieden, was sie zu glauben haben. Wo sie prüfen sollten, da sind sie absprechend und voll Hohn. So sehr empören sie sich gegen des Herrn Wort, daß sie wutherhitzt Steine aufraffen, Ihm den Tod zu geben. – Noch sollten sie nicht triumphiren, noch entzog sich Jesus ihren Händen. Ihr späteres Triumphgeschrei aber war ihre Schmach und wurde Angstgeschrei zu der Zeit des Elends, die Jesus als Folge davon, daß sie Ihn verworfen, vorhergesagt hatte. Da mochten viele enttäuscht werden, die auf ihren Unglauben so sicher getrotzt hatten. Denn es ist eine große Selbsttäuschung, wenn der Mensch nicht an Jesum glaubt. Schon deshalb, weil er, wie die Pharisäer, durch seinen Unglauben seine Ehre sucht und gerade dadurch sich verunehrt; weil er ferner, wie sie, diesen Glauben Aberglauben, Samariterglauben, Schwärmerei eines Besessenen schilt, und dadurch sich selbst dem schnödesten Aberglauben immer mehr Preis giebt: denn vom Unglauben zum Aberglauben ist nur ein Schritt, und Einem muß der Mensch vertrauen: ist es die Wahrheit nicht, so ist es die Lüge, das Sinnliche und Zeitliche, die Naturanbetung, der Götzendienst mit eigenem Verdienst, die Gespensterfurcht, vor allem der eisigste und teuflischste Aberglaube, der Aberglaube an sich selbst. Endlich täuscht sich der Unglaube auch darin, daß er den Glauben an Christum mit einem freien Lebensgenusse unverträglich hält, und gerade dadurch des wahren Lebens sich beraubt und dem ewigen Tode verfällt. Herr, gieb uns Glauben, so haben wir Alles, was wir bedürfen. Bewahre uns vor Sorgen und Lüsten, d.h. vor Weltsinn, zu welchen beiden bösen Dingen es so viel Versuchung giebt durch die Noth und durch die lockenden Zerstreuungen auch in dieser Zeit; denn beide vertreiben das höhere Sinnen und die Glaubensfähigkeit, und machen, daß es mit unserm Glaubensleben nicht vorwärts geht. Amen. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)