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Johannes, Kapitel 20

Johannes, Kapitel 20

20:1 Am ersten Tag der Woche kommt Maria Magdalena früh, da es noch finster war, zum Grabe und sieht, daß der Stein vom Grabe hinweg war.

20:2 Da läuft sie und kommt zu Simon Petrus und zu dem andern Jünger, welchen Jesus liebhatte, und spricht zu ihnen: Sie haben den HERRN weggenommen aus dem Grabe, und wir wissen nicht, wo sie ihn hin gelegt haben.

20:3 Da ging Petrus und der andere Jünger hinaus zum Grabe.

20:4 Es liefen aber die zwei miteinander, und der andere Jünger lief zuvor, schneller denn Petrus, und kam am ersten zum Grabe,
Das Johannesevangelium enthält eine Menge solcher kleinen, anscheinend nebensächlichen Striche, die für die Abfassung eines Augenzeugen sprechen. Schneller als Petrus lief Johannes zum Grabe. Warum? Petrus trug die Last eines wehen, wunden Gewissens, und Johannes beflügelte die reine Liebe den Fuß. Ähnlich dürfte es bei Jesu Wiederkunft wieder werden. Wer unter seinen Gläubigen ein von Sorgen oder Weltgeist beschwertes Herz hat, dürfte an der Engbrüstigkeit des Petrus leiden, wenn es gilt, dem entgegenzueilen, der in strahlender Herrlichkeit wiederkommt. Die geheimste Untreue dürfte dann böse weh tun. Wer dagegen nach diesem Jesus schon mit der ganzen Kraft seiner Seele sich gesehnt und für solches Wiedersehen gerüstet hat, dürfte schneller als Petrus laufen! Wollen wir keinen Tag abschließen, ohne den Bücherabschluß zu machen: wie stehe ich zu Jesu? Wenn heute nacht die himmlischen Alarmsignale tönen und alle Welt aufstehen muß, um ihm entgegenzugehen, wie wird's dann mit meiner Freudigkeit bestellt sein? Herz, mein Herz, erkenne dich selbst und halte deine Lampe bereit, damit dich die Zukunft Jesu nicht erschrecke!
Rüste du selbst, heiliger, kommender Heiland, deine Brautgemeinde, daß sie ohne Schwärmerei und Schuld sich freudig bereit halte auf die Stunde, die jetzt noch niemand kennt als der Vater. Herr, hilf uns zum schnellen Laufen! Amen. (Samuel Keller)

20:5 guckt hinein und sieht die Leinen gelegt; er ging aber nicht hinein.

20:6 Da kam Simon Petrus ihm nach und ging hinein in das Grab und sieht die Leinen gelegt,

20:7 und das Schweißtuch, das Jesus um das Haupt gebunden war, nicht zu den Leinen gelegt, sondern beiseits, zusammengewickelt, an einen besonderen Ort.

20:8 Da ging auch der andere Jünger hinein, der am ersten zum Grabe kam, und er sah und glaubte es.

20:9 Denn sie wußten die Schrift noch nicht, daß er von den Toten auferstehen müßte.

20:10 Da gingen die Jünger wieder heim.

20:11 Maria aber stand vor dem Grabe und weinte draußen. Als sie nun weinte, guckte sie ins Grab
Wo ist Er, den meine Seele liebt? Ihm ist das Herz verbunden, aber ach, Er ist so ferne! Ihn vermissend kann die Seele keine Ruhe haben, eine heiße Sehnsucht nach Ihm bewegt Leib und Seele, und der innere Schmerz macht sich in stillen Tränen Luft. Maria weint nach ihrem Herrn. Suchst auch du Ihn so, ohne den du keinen Frieden finden kannst? Es gibt ein Ergriffensein im Geiste, das nur befriedigt wird, wenn Jesus dir nahetritt, wenn Er sich offenbart. Solche Sehnsucht treibt immer und immer wieder auf die Knie, bis ein Gnadenwort den Frieden des Auferstandenen bringt. Nichts mehr wollend als nur Ihn, wirst du fähig für Sein Nahen, wirst du zubereitet für eine Offenbarung Seines Lebens. Gleichgültige ,,Christen„, die nur das Wissen, aber nicht das Leben haben, kennen dieses Weinen nach dem Heiland nicht aus Erfahrung. Nach Menschen haben sie vielleicht schon geweint, aber nicht nach dem Herrn. O könntest du's nur auch verstehen, was es ist um die wahre Gemeinschaft mit dem lebendigen Heiland, auch du würdest nicht ruhen, bis eine bewusste Verbindung mit Ihm dein seliges Teil wäre. Spotte der Sehnsucht nicht, die dein Mitpilger nach dem Herrn hat. Ihm ist Jesus Realität, eine lebendige leibhafte Persönlichkeit, die völlige Liebe. Darum kann ein solcher Mensch keine Ruhe finden, bis der Auferstandene ein Lebenszeichen von sich gibt. Wohl der Seele, die wie Maria weinen kann; Jesus wird ihr Sehnen stillen. (Markus Hauser)

20:12 und sieht zwei Engel in weißen Kleidern sitzen, einen zu den Häupten und eine zu den Füßen, da sie den Leichnam hin gelegt hatten.

20:13 Und diese sprachen zu ihr: Weib, was weinest du? Sie spricht zu ihnen: Sie haben meinen HERRN weggenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hin gelegt haben.

20:14 Und als sie das sagte, wandte sie sich zurück und sieht Jesus stehen und weiß nicht, daß es Jesus ist.

20:15 Spricht er zu ihr: Weib, was weinest du? Wen suchest du? Sie meint es sei der Gärtner, und spricht zu ihm: Herr, hast du ihn weggetragen, so sage mir, wo hast du ihn hin gelegt, so will ich ihn holen.
Man weinet zuweilen, wenn man sich freuen sollte, und freuet sich, wenn man weinen sollte. Maria von Magdala weinete vor dem Grab Jesu, weil sie den Leichnam Jesu nicht darin sahe, da sie sich über diesen Umstand als ein Zeichen Seiner geschehenen Auferstehung hätte freuen sollen. Hingegen freuen sich Einige, Böses zu thun, und sind fröhlich in ihrem bösen verkehrten Wesen, Spr. Sal. 2,14., da sie hingegen Abscheu, Furcht und Thränen bei dieser Gelegenheit haben und zeigen sollten. Maria war schon von den zwei Engeln, die im Grab Jesu saßen, gefragt worden, warum sie weine, und sie hatte ihnen geantwortet: sie haben meinen HErrn weggenommen, und ich weiß nicht, wo sie Ihn hingelegt haben. die Engel eilten nicht, ihr hierauf eine tröstende Antwort zu geben, weil sie den HErrn Jesum in der Nähe sahen, und ließen es geschehen, daß Maria sich zurückwandte, und im Weinen fortfuhr. Sie sah dabei Jesum stehen, und wußte nicht, daß es Jesus sei. Jesus sprach alsdann zu ihr: Weib, was weinest du? wen suchest du? Er wußte wohl, warum sie weine, und wen sie suche, es gefiel Ihm aber, durch diese Frage mit ihr in’s Gespräch zu kommen, und ein Bekenntniß von ihr herauszulocken. Sie meinte, es sei der Gärtner des Joseph von Arimathia, und sprach zu Ihm: Herr, hast du Ihn weggetragen, so sage mir: wo hast du Ihn hingelegt? So will ich Ihn holen. Sie nannte denjenigen nicht, den sie suchte, sondern setzte voraus, der vermeintliche Gärtner wisse schon, wer er sei, nämlich Jesus, vor dessen geöffnetem Grab sie damals stand. Sie war in die Einbildung, daß Jemand den Leichnam Jesu weggetragen habe, so sehr verschlossen, daß sie den vermeinten Gärtner nur fragte, ob er’s gethan habe. Und eben diese Einbildung war auch die Ursache ihrer Thränen, welche sie zu stillen hoffte, wenn sie den Leichnam Jesu holen und mit Beihülfe Anderer wegtragen dürfte. Sie meinte nämlich, Joseph von Arimathia habe ihn nicht länger in seinem eigenen neuen Grab behalten wollen, und deßwegen seinem Gärtner befohlen, ihn daraus wegzutragen. Sie erbot sich also, wenn man ihr den Ort anzeige, wo er jetzt liege, ihn, weil er dem Joseph so unwerth sei, wegzutragen, und ihm ein anderen anständiges Begräbniß zu verschaffen. Wer erkennt nicht die Liebe zu Jesu, die Ehrerbietung gegen Ihn, und die Geflissenheit, Ihm zu dienen, welche aus diesen Worten herausleuchteten? Der HErr Jesus erkannte dieses Alles noch viel heller als wir, und übersah dabei die thörichte Einbildung der Maria. Anstatt aber sie mit Worten zu belehren und zu trösten, redete Er sie mit seiner gewöhnlichen Stimme an, und nannte sie mit Namen. Schon der Name scheint die Maria aufmerksam gemacht zu haben, wenn sie nämlich gedacht hat, der Gärtner Josephs wisse ihren Namen nicht. Sie wandte sich also um, kannte in diesem Augenblick Jesu, und sprach zu Ihm: Rabbuni. Maria wurde auf diese Weise auf’s Kräftigste getröstet; denn nun wurde sie überzeugt, daß Jesus nicht todt, nicht weggetragen sei, sondern daß Er lebe und gegenwärtig sei. Die Ursache ihrer Thränen fiel also weg: ihr Weinen wurde in Freude verkehret, aber in eine stille Freude, denn sie redete nichts als das einige Wort Rabbuni. Was in ihrem Herzen vorging, wußte der Herzenskündiger. Sie war aber auch alsbald gehorsam, da Jesus sie wegschickte, um Seinen Brüdern zu verkündigen, was Er zu ihr sagte.
Es ist merkwürdig, daß Maria von Magdala nicht von den zwei Engeln, die im Grab Jesu saßen, getröstet werden sollte, sondern von Jesu selbst. Es gibt Menschen, die sich zu andern Menschen wenden, um Trost durch sie zu bekommen. Ob nun gleich der HErr auch Menschen als Seine Werkzeuge braucht, wenn Er Traurige trösten will: so geschieht es doch zuweilen, daß Er Sich dieser Werkzeuge nicht bedienen will.
(Magnus Friedrich Roos)

20:16 Spricht Jesus zu ihr: Maria! Da wandte sie sich um und spricht zu ihm: Rabbuni (das heißt: Meister)!
„Sie hat viel geliebt; deshalb wird ihr viel vergeben“, hat einst Jesus von einer anderen Frau gesagt. Er hat aber auch mit dieser Maria nach derselben Regel gehandelt. Mit ihren Gefäßen voll Salben war sie am Morgen zum Grab gewandert zu seinem getöteten Leib, und als sie ihn nicht mehr fand, jammerte sie bitterlich. Nun war ihr das Letzte genommen, was sie noch von Jesus hatte, der tote Leib. Und als die beiden Jünger, von ihr gerufen, das Grab beschauten und Johannes „sah und glaubte“, blieb sie in ihrer Trauer gebunden und weinte aufs neue. Sie tat es nicht erst deshalb, weil der Leichnam Jesu ihr entrissen ward. Wie hat sie vollends dann geweint und gelitten, als Jesus nach Golgatha geführt wurde und am Kreuz hing! Nicht einmal vor den Engeln fällt ihr die Hülle von den durch die Tränen gefüllten Augen und sogar der Anblick Jesu hat sie nicht sofort aufgeweckt. Hier war viel zu vergeben, viel Menschliches zuzudecken, was die Schwachheit des menschlichen Herzens offenbart. Aber kein Vorwurf trifft sie. „Maria“, sagt ihr Jesus und damit ist alles bedeckt und vergeben, alles Zweifeln, Klagen und Weinen. Er kam nicht als Zuchtmeister zu ihr, sondern als ihr Herr, der sie einst zu sich berufen hat und jetzt aufs neue zu sich beruft. Sie gehörte ihm. Maria hat dies erkannt und sagt: „Mein Herr!“ Es gab Zeiten in der Kirche, in denen man Marias Wort überbieten wollte: „Du Freund meiner Seele, mein Bräutigam, du bist mein und ich bin dein.“ So sprachen nicht die, die ihn selber kannten, und nicht nur in ihrer Fantasie mit seinem Bilde spielten. Solche Worte stehen tief unter dem, was Maria sagte. Denn sie legen die Festigkeit der Gemeinschaft Jesu mit uns in die Innigkeit unserer Liebe, die sich an Ihn klammern will. Das hat Jesus den Seinen immer unmöglich gemacht und am Ostermorgen war kein solcher Gedanke in Maria. Auf ein zerbrochenes Herz kann man sich nicht stützen, und wenn die Liebe nur noch klagen und weinen, aber nicht mehr glauben und hoffen kann, so wirkt sie nicht mehr als sicheres Band: „Mein Herr“, sagte sie; das gab ihrer Gemeinschaft mit Jesus die Festigkeit. Weil er ihr Herr war und damit sie es wisse, dass er es sei, kam er zu ihr. Dieses Band zerreißt nicht; denn der Herr verliert nicht, was sein eigen sei.
Über dem Ostertag leuchtet die ewige Hoffnung. Wirst du, Herr, einst auch meinen Namen nennen, so liegt auch darin die Herrlichkeit deines Vergebens und dann darf auch ich Dir antworten: Mein Herr! Amen. (Adolf Schlatter)

20:17 Spricht Jesus zu ihr: Rühre mich nicht an! denn ich bin noch nicht aufgefahren zu meinem Vater. Gehe aber hin zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.
Das ist das Große, woraus sich auch die gantze Erlösung erklärt, daß sich der HErr als unsern Bruder ansieht, der, weil Er Mensch ist, kein gutes Gewissen hätte, wenn Er ohne Seine Mitmenschen, d. h. Brüder, hätte wollen, etwa bei der Verklärung, einem Elias gleich, geradezu in den Himmel fahren, ohne für Seine Brüder noch etwas zu tun, wie Er's um Seines vollkommenen Gehorsams willen im Stande war. Dadurch, daß Er Fleisch und Blut gleichwie wir annahm, fühlt Er sich verpflichtet, wirklich verpflichtet, für uns zu sorgen, daß auch uns geholfen werde. Verdient ja doch wirklich Keiner den Namen Mensch, der nicht die Verpflichtung in sich fühlt, für alle seine Mitmenschen, so viel er vermag, und so viel sie dieses nach Leib und Seele bedürfen, zu tun. Das ist ein wichtiger Gedanke. Geht doch daraus hervor, daß auch wir gar keine Menschen sind, wenn wir kein Interesse an der Bekehrung und Rettung unserer Mitmenschen haben. Wir sind wie aus einem andern Geschlecht, und verleugnen unsere menschliche Abkunft, wenn es uns nicht innerstes Bedürfnis ist, für unsere Mitmenschen zu fühlen, wie für uns selber, gerade wie leibliche Brüder sich gegenseitig verleugnen, wenn sie sich, besonders in Nöten, nichts um einander bekümmern. Wie wunderbar einzig steht nicht da der Heiland vor unserm entarteten Geschlechte da, daß Er das volle Gefühl für Seine Mitmenschen, das sonst alle verloren hatten, behalten, Sein Menschtum in seiner edelsten Bedeutung genommen hat! Im Bewußtsein Seiner inneren Zusammengehörigkeit mit der Menschheit nennt Er sich stets des Menschen Sohn; und wie tief Er das meinte, zeigt das, daß Er gleich nach Seiner Auferstehung von Seinen Brüdern redete, die mit Ihm Einen Gott und Vater hätten! Seine Auferstehung hat sie Ihm nicht ferner, sondern näher gebracht; denn nun war es versiegelt, daß sie vom Vater als Kinder angenommen seien, und Er der Herzog ihrer Seligkeit sein dürfe. Halten wir uns denn auch unsererseits recht brüderlich zu Ihm und unter einander.
Zusatz: Der HErr stellt in Obigem ein gänzlich vergessenes Princip wieder her. Es ist, als sagte Er: „Weil Ich euer Einer bin, mußte und muß Ich alles für euch tun, was Ich im Stande bin, selbst mit Aufopferung Meines Leibes und Lebens.“ Von diesem Standpunkt aus ist Er unser Heiland und Seligmacher geworden; und wenn dieses Princip, daß wir uns alle als Brüder mit denselben Verpflichtungen gegen einander anzusehen hätten, unser eigenes geworden ist, dann sind wir Ihm recht. Es tut Not, daß wir uns das täglich vergegenwärtigen, weil wir uns gerne selbst gegen Nächste fremd stellen, womit wir nicht nur unser Christentum, sondern unser Menschtum verleugnen. Je mehr wir in diesem Sinne Christo ähnlich werden, desto rascher wird unsre ganze Bruderwewelt, so weit sie unsere Bruderliebe annimmt, in den Schoß des Vaters zurückgeführt sein. Denn es hängt alles an dem, daß wir als wahre Menschen uns brüderlich aller annehnem lernen. (Christoph Blumhardt)

20:18 Maria Magdalena kommt und verkündigt den Jüngern: Ich habe den HERRN gesehen, und solches hat er zu mir gesagt.

20:19 Am Abend aber desselben ersten Tages der Woche, da die Jünger versammelt und die Türen verschlossen waren aus Furcht vor den Juden, kam Jesus und trat mitten ein und spricht zu ihnen: Friede sei mit euch!1)

20:20 Und als er das gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände und seine Seite. Da wurden die Jünger froh, daß sie den HERRN sahen.
Lieber Leser, du hast wohl auch schon im Geiste unter Jesu Kreuz gestanden, Ihn für dich leiden sehen und Seine heiligen Worte vernommen. Sind sie dir nicht tief durchs Herz gedrungen? Du hast wohl auch schon in innerer Not geweint, dein Herz war so leer, deine Gebete schienen in der Luft zu verhallen, nur noch weinen konntest du. O, so komm jetzt im Geiste mit mir zu dem auferstandenen Herrn. Tief hat sich Sein stellvertretendes Sterben in unsere Seele gegraben, nun soll uns sein Auferstehen noch gewaltiger erfassen. Das Geheimnis bleibenden Friedens ruht in der Offenbarung des Auferstandenen. Wir treten da nicht auf einmal aus der Wirklichkeit und Leiblichkeit in die Sage, in die Dichtung, in das Reich der Phantasie ein. Jesus ist wahrhaftig und leiblich auferstanden. Nicht der Geist Christi, Seine ganze Person stand vor Maria. Das war es, was sie so glücklich machte! Brich auch du hindurch zur vollen Gewissheit; nicht eine Auferstehungstheorie hilft dir; die Auferstehungstatsache beseligt dich. Brüder nennt der Auferstandene Seine Jünger. Um den Auferstandenen und um alle, alle, die an Ihn glauben, um alle Kinder der Auferstehung schlingt dieses Wort ein himmlisches Gemeinschaftsband. Ostermut durchdringt uns. Redet der verklärte Herr so herzlich mit uns, so sind wir nun gänzlich überwunden. Osterfreude, Osterhoffnung machen uns mutig, Sünde, „Welt“, Tod und Teufel zu überwinden und unserem geliebten Siegesfürsten nachzufolgen; denn unser auferstandener Herr führt auch Seine Brüder und Schwestern der Auferstehung entgegen. Er sei gepriesen! (Markus Hauser)


Hiemit wurden die Verheißungsworte Jesu erfüllt: Ich will euch wieder sehen, und euer Herz soll sich freuen, Joh. 16,22., und so auch die Worte Joh. 14,18.19.: Ich will euch nicht Waisen lassen, Ich komme zu euch. Es ist noch um ein Kleines, wo wird Mich die Welt nicht mehr sehen: ihr aber sollt Mich sehen; denn Ich lebe, und ihr sollt auch leben. Der Heiland ist also wahrhaftig, und was Er zusagt, das hält Er gewiß. Den Jüngern Jesu wäre nach Seinem Tod nicht geholfen gewesen, wenn man sie zu Mitgliedern des hohen Raths zu Jerusalem, oder zu kaiserlichen Landvögten über große Länder gemacht hätte; denn ihr Herz hing einmal an Jesu, auf Ihn war ihr ganzes Vertrauen gestellt, von Ihm erwarteten sie ihre ganze Glückseligkeit. Nun war er am Kreuz gestorben und begraben. Ihr Glaube rang hiebei mit einer großen Furcht. Sie hatten die Verheißungsworte des HErrn Jesu und die Weissagungen der alten Propheten vergessen. Jesus aber vergaß Seine Worte nicht, und ging auf dem Wege gerade fort, auf welchem die ganze Schrift von Ihm erfüllt werden sollte. Er stand also von den Todten auf, und zwar am dritten Tag, welcher durch keine ausdrückliche Weissagung, sondern nur durch das Vorbild des Propheten Jonas bezeichnet worden war, und erschien hernach den Weibern und Seinen Jüngern, und diese wurden froh, daß sie den HErrn sahen. Ihr Glaube richtete sich damals wieder auf; ihre Traurigkeit wurde in Freude verwandelt; und obgleich der Heiland damals auch ihren Unglauben und ihres Herzens Härtigkeit schalt, so störte doch solches ihre Freude nicht, denn der Heiland schalt eben dasjenige, was ihre Freude gehindert hatte, und da die Jünger erkannten, daß sie wegen ihrer vorhergegangenen Vergehungen eine scharfe Rüge verdient haben, so waren sie ohne Zweifel herzlich froh, daß sie mit einer so freundlichen Bestrafung des Unglaubens davon kamen. Auch dieses, daß sie Jesum nach Seiner Auferstehung sehen durften, war ein Beweis, daß Er sie noch für Seine auserwählten Jünger hielt, und nicht zur Welt rechnete; denn von der Welt hatte Er Joh. 14,19. gesagt, sie werde Ihn auf Erden nicht mehr sehen. Die Jünger verwundeten sich darüber, und Judas Thaddäus fragte im Namen der übrigen: HErr, was ist’s, daß Du uns Dich willst offenbaren, und nicht der Welt? V. 22. Es ist klar, daß Judas von den vorigen Worten Jesu den Anlaß zu dieser Frage genommen, und daß er gesorgt habe, wenn die Welt Jesum nach Seine Tod nicht mehr sehen werde, so werde die Zahl der Glaubigen nicht weiter vermehrt werden können: allein der HErr Jesus gab den Jüngern damals zu erkennen, daß es nicht auf dieses Sehen ankomme, sondern daß Er Sich in den Seelen der Menschen innerlich durch Seinen Geist offenbaren, ja in ihnen wohnen wolle, daß es aber zu diesem Zweck nöthig sei, daß man Ihn lieb habe, und Sein Wort halte. Ob also gleich das Sehen Jesu nach Seiner Auferstehung der Welt nicht vergönnt worden ist, so ist ihr doch Sein Wort verkündiget worden; und obschon auch wir den auferstandenen Jesum, so lange wir wallen, nicht sehen, so haben wir doch Sein Wort. Wer dieses Wort hält, dem will Er Sich offenbaren, ja zu dem will Er mit dem Vater kommen, und Wohnung bei ihm machen. HErr Jesu, ich glaube, daß Du lebest, und daß Dein Wort wahr sei. Offenbare Dich mir noch weiter durch dieses Wort. (Magnus Friedrich Roos)

20:21 Da sprach Jesus abermals zu ihnen: Friede sei mit euch! Gleichwie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.
Frieden ist eigentlich erst da, wo die Harmonie eines Wesens sowohl mit seiner Idee, als seiner Umgebung vollkommen eingetreten ist. „Vor jedem steht ein Bild des, was er werden soll, und bis er's nicht erreicht, wird nicht sein Friede voll.“ Als Jesus nach seiner Auferstehung zu seinen Jüngern kam, war sein Friede voll, oder er war so voll von diesem neuen, dauernden Friedenszustand, daß von ihm nur Friede ausgehen konnte. - Das macht uns oft den Abendsegen aus, daß er ähnlich zu uns tritt und Frieden spendet. Was Jesus bringt, ist Harmonie mit unserer Bestimmung. Es ist, als ob er sagte: was dir heute gefehlt hat an der Erreichung deines Zieles - ich will es vergeben und dich in meine Gnade gehüllt hintragen ans Ziel. Wenn du nur rückhaltlos mit mir zusammenstimmst in Gericht und Gnade, dann decke ich den Zipfel meines Friedensmantels über dich. Dann kannst du ruhig schlafen und ruhig am nächsten Morgen zu neuer Arbeit erwachen. Ich bin dir nah, ich bin dein Friede, und du sollst das glauben und haben und dessen froh sein.
Auf solche, deine Zusage, Herr Jesu, will ich trauen. Es soll mir heute abend ganz gewiß sein, daß du mich birgst in deinem Gezelt und daß ich unter dem Schatten deiner Flügel ganz in Frieden ruhen kann. Denn die mir zugekehrte Seite deiner Flügel trieft von Gnade, erquickend wie der Nachttau auf dem Rasen. Amen. (Samuel Keller)

20:22 Und da er das gesagt hatte, blies er sie an und spricht zu ihnen: Nehmet hin den Heiligen Geist!

20:23 Welchen ihr die Sünden erlasset, denen sind sie erlassen; und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten.
Welch ein herrliches Vorrecht, wenn man's kindlich-unmittelbar versteht und ausübt. Seit wir selbst Vergebung unserer Sünden erfahren, stehen wir in einem himmlischen Versöhnungsstrom drin. Jetzt wissen wir, daß wir es ringsum nur mit Leuten zu tun haben, denen eigentlich ihre Sünden durch Jesu Werk schon gesühnt sind: sie wissen es nur nicht. Da sollen wir ihnen durch die Art, wie wir ihnen vergeben, was sie uns angetan haben, Lust machen, sich auch das Größere, was sie Gott schuldig sind, vergeben zu lassen. An uns sollen sie die priesterliche Vermittlung spüren: diese Menschen können wahrhaft verzeihen. Lassen sich die Leute aber durch uns nicht helfen, so gibt's keine andere Hilfe für sie. Unvergeben - d. h. weil sie die Vergebung nicht nehmen - bleiben ihre Sünden hier auf Erden und droben vor Gott als ihr Ankläger stehen. Das wird zu einem furchtbaren Ernst für sie und, weil sie das jetzt gar nicht glauben und begreifen, für uns, daß wir unsere Beziehungen zu ihnen in solchem Licht der Ewigkeit ansehen. Wie muß da alles unpriesterliche Kleinliche, alle persönliche Empfindlichkeit, alles alberne Gekränktsein verwehen, wenn wir als Gottes Botschafter mit ihnen zu handeln haben in Gottes Namen.
Herr Jesu, da bitten wir dich, leg uns deine Priesterbinde täglich um die Stirne; fülle uns mit Weisheit und Liebe im Umgang mit den Ungläubigen und segne jedes Wort von Gnade, das wir in deinem Auftrag sagen. Amen. (Samuel Keller)

20:24 Thomas aber, der Zwölf einer, der da heißt Zwilling, war nicht bei ihnen, da Jesus kam.

20:25 Da sagten die andern Jünger zu ihm: Wir haben den HERRN gesehen. Er aber sprach zu ihnen: Es sei denn, daß ich in seinen Händen sehe die Nägelmale und lege meinen Finger in die Nägelmale und lege meine Hand in seine Seite, will ich's nicht glauben.

20:26 Und über acht Tage waren abermals seine Jünger drinnen und Thomas mit ihnen. Kommt Jesus, da die Türen verschlossen waren, und tritt mitten ein und spricht: Friede sei mit euch!

20:27 Darnach spricht er zu Thomas: Reiche deinen Finger her und siehe meine Hände, und reiche dein Hand her und lege sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!2)

20:28 Thomas antwortete und sprach zu ihm: Mein HERR und mein Gott!
Wo Jesus sich offenbart unter Seinen Jüngem, da gibt es Leben. „Im Kreise der Deinen sprichst Frieden du aus.“ Da merken alle etwas von Seiner Lebensherrlichkeit. Geist und Leben, Licht und Kraft tritt im Wort an sie heran. Sie können den Frieden des Auferstandenen empfangen. Vielen tritt im gläubigen Kreise zum ersten Male in ihrem Leben der Meister groß und herrlich vor die Seele. Wenn sie Ihn aufrichtig wollen, wird Er sie zu neuen Menschen machen. Gottlob finden sich immer wieder Bußfertige ein, die erkennen: Da gehöre ich hin! Sie bekommen ein Verständnis für die Barmherzigkeit, die Sündern zuteil wird. Erwach auch du, lieber Freund, schicke dich und begegne deinem Gott! Jesus, der Auferstandene, offenbart sich da, wo die Seinen sind; öffne dich Ihm und scheide dich ganz von den ..Kindern dieser Welt.“ Der Augenblick ist günstig, mache eine ganze Wendung, benutze die gelegene Zeit. Zögere nicht, sei kein Feigling, kein schwankend Rohr; weihe dich dem Herrn! Halbgläubige werden gestraft und werden sich schämen müssen. Die Gegenwart des Auferstandenen zeigt ihnen ihren törichten Unglauben. Im Kreise der Heiligen kommen ihnen ihre Sünden in den Sinn, sie fühlen ihr Elend. O, dass sie das hohe Glück erkennten, gläubig zu sein an den Herrn, der da tot war, und ist wieder lebendig geworden, der da lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit! Glaube, so wirst auch du leben! Das ist wunderbar und doch so einfach zugleich. Das wirkt Jesu Gegenwart. (Markus Hauser)


Die Lehre von der Auferstehung Jesu ist ein sehr wichtiger und nothwendiger Artikel unseres christlichen Glaubens; denn wenn Christus nicht auferstanden wäre, so wäre unser Glaube eitel, und wir wären noch in unsern Sünden, wie Paulus 1 Kor. 15,17. bezeugt. Der auferstandene Jesus war den heiligen Weibern, und hernach den Aposteln erschienen. Weil aber damals von vielen Erscheinungen geredet wurde, sintemal viele Leiber der Heiligen aus den Gräbern gegangen, und in der Stadt Jerusalem Vielen erschienen waren, so besorgte Thomas, die Weiber und die Apostel haben sich in Ansehung der Person, die ihnen erschienen war, geirrt, und sagte deßwegen: es sei denn, daß ich den Händen Jesu sehe die Nägelmale, und lege meine Finger in die Nägelmale, und lege meine Hand in Seine Seite, will ich’s nicht glauben, daß Er’s sei. Er glaubte also, die Wunden, die der auferstandene Jesus noch an Seinem Leib haben müsse, seien allein die sicheren Kennzeichen, welche Ihn von andern auferstandenen Heiligen unterscheiden, und nahm es hierin so genau, daß er nicht einmal seinen Augen trauen, sondern diese Wunden auch betasten wollte. Besser wäre es freilich gewesen, er hätte dem Wort der Propheten, welche die Auferstehung Jesu vorher geweissagt hatten, und den Worten Jesu selbst, wodurch Er verkündigt hatte, daß Er am dritten Tage nach Seinem Tod wieder auferstehen werde, geglaubt, als daß er’s auf das Sehen ankommen lassen, und bei demselben sogar eine mißtrauische Untersuchung anstellen wollte, weßwegen auch der HErr Jesus zu ihm sagte: selig sind, die nicht sehen, und doch (um des Wortes willen) glauben. Indessen kostete den Thomas sein Unglaube, den er für eine kluge Vorsichtigkeit hielt, noch eine achttägige Trockenheit und Finsterniß seiner Seele. Weil er aber doch ein redliches Herz hatte, und einer von denen war, denen der Heiland versprochen hatte: über ein Kleines werdet ihr Mich sehen, so erschien Er ihm und den andern Aposteln abermal, reichte ihm, um zu zeigen, daß Er seine Worte gehört habe, Seine durchstochenen Hände hin, und zeigte ihm Seine geöffnete Seite, und sagte zu ihm: sei nicht unglaubig, sondern glaubig; Thomas aber antwortete und sprach zu Ihm: mein HErr und mein Gott! Zu Ihm sagte Thomas diese Worte, folglich hielt er Ihn für seinen HErrn und für seinen Gott. Es ist also ungeschickt, wenn man diese Worte nur für einen Ausruf hält, womit Thomas seine Verwunderung habe anzeigen wollen; denn zu geschweigen, daß man von einem solchem Ausruf, der heut zu Tage nur allzugewöhnlich ist, keine Spur bei den Juden findet, so wird nie gesagt, daß die Worte eines solchen Ausrufs zu demjenigen, der nicht selber Gott war, gesprochen worden seien.
Wenn ein Mensch das erstemal vom Unglauben zum Glauben übergeht, so geht die allerseligste Veränderung mit ihm vor, denn er wird alsdann wiedergeboren, gerechtfertigt und mit dem Heiligen Geist begabt. Hernach aber muß der Mensch noch oft in Ansehung gewisser Lehrpunkte und Theile des Evangeliums vom Unglauben zum Glauben übergehen, und auch dieses ist immer ein seliger Uebergang.

20:29 Spricht Jesus zu ihm: Dieweil du mich gesehen hast, Thomas, glaubest du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!3); 4)
Wer etwas deßwegen glaubet, weil es Gott gesagt hat, ehret Gott als einen Wahrhaftigen, und wer Ihn so ehret, den will Er wieder ehren. Wer aber Gott nicht glaubet, wenn Er in Seinem Wort redet, hält Ihn für einen Lügner, und verunehrt Ihn also auf eine sträfliche Weise. Wer etwas siehet, muß glauben, daß dasjenige sei, das er sieht. Auf diese Weise werden Alle, die bei Leibesleben unglaubig gewesen waren, am jüngsten Tag durch das Sehen gedrungen werden, zu glauben und zu bekennen, daß Jesus lebe, daß Er der HErr über Alles sei, daß es ein himmlisches Freudenleben und eine Hölle gebe u.s.w., allein dieser glaube wird sei alsdann nichts nützen. So glauben auch die Teufel, daß ein einiger Gott sei, weil sie Seine Herrlichkeit im Himmel gesehen haben, und zittern, Jak. 2,19. Die Menschen, welche auf Erden leben, sind mit ihrem Glauben an’s Wort Gottes gewiesen: und wenn ihnen wachend oder träumend Erscheinungen widerfahren, so ist solches eine Ausnahme von der allgemeinen Regel. Als der HErr Jesus von den Todten auferstanden war, so wollte Er, daß Seine Jünger glauben sollten, daß Er auferstanden war, ehe sie Ihn sahen. Sie sollten es glauben wegen der Weissagungen der Propheten, und wegen Seiner eigenen Worte, worin Er Seine Auferstehung deutlich verkündiget hatte. Auf gleiche Weise sollte man bei dem Grab des Lazarus glauben, daß Jesus die Auferstehung und das Leben sei, und den Lazarus auferwecken werde, ehe man die Herrlichkeit Gottes sahe, die hernach aus dieser Auferweckung herausleuchtete, Joh. 11,23.25.40. Ueberhaupt mußte man bei Seinen Wundern glauben, daß Er sie verrichten könne, ehe Er sie verrichtete, Matth. 8,13. 9,28. 14,36. Mark. 9,23. Und bei dem Beten sollen wir glauben, daß wir dasjenige, um das wir bitten, empfangen werden, ehe wir’s empfangen, Mark. 11,24. Dieser thätige, siegreiche und seligmachende Glaube ist eine gewisse Zuversicht des, das man hoffet, und eine Ueberzeugung von demjenigen, das man nicht siehet, Hebr. 11,1., und wird 2 Kor. 5,7. dem Schauen entgegengesetzt. Gelobet sei Gott, daß Er uns Sein Wort zum Glauben gegeben hat. Einzelne Propheten haben in Entzückungen Etwas, das sonst unsichtbar ist, gesehen und davon geweissagt: aber dieses Weissagen war bei einem jeden Propheten ein Stückwerk. In der Bibel aber sind viele solche Stückwerke bei einander enthalten, auch steht sehr Vieles darin, das der Heilige Geist den Propheten, Evangelisten und Aposteln ohne eine Entzückung eingegeben hat. Sie ist also eine sehr reiche Fundgrube der Wahrheit: sie sagt uns viel mehr, als ein jeder einzelner Prophet gesehen hat. Das Sehen kann einen tiefen Eindruck machen, weil es aber nicht an Einem fort währen kann, so verliert sich der Eindruck nach und nach. Dagegen ist das Wort Gottes ein täglicher Gegenstand des Glaubens, und der Eindruck davon kann nicht veralten und vergehen, weil er täglich erneuert wird. Und wie es die geistlichen und himmlischen Dinge vor unsere Augen stellt, so stellt es sie auch vor die Augen Anderer dar, und wirkt dadurch eine Einförmigkeit des Glaubens und der Erkenntniß. Auch werden wir selbst nach vielen Jahren nichts anders darin lesen, als wir heute lesen, folglich vor dem einem Christen unanständigen Wankelmuth in Glaubenssachen bewahrt werden. Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren. (Magnus Friedrich Roos)


Jesus sieht auf Gottes Gaben, die Er dem Menschen bringt, und hier sieht er noch etwas Größeres, als was er jetzt dem Thomas gewährt. Ihm reichte er seine durchbohrte Hand und zeigte ihm seine durchstochene Seite. „Sieh und glaube“, sagte Er ihm. Das ist aber nicht das Größte und Herrlichste, was er uns geben darf. Was steht noch über dem, was Thomas empfing? Nicht sehen und glauben. Ist aber das Schauen nicht mehr als das Glauben? Verlangt nicht unser Glauben nach dem Schauen von Angesicht zu Angesicht, nach der Zeit, da wir nicht mehr in der Fremde, sondern daheim beim Herrn sind und darum nicht mehr im Glauben wandern, sondern vor die Gestalt gestellt wind? Aber dieses Schauen des Herrn, von dem die Verheißung spricht, das uns seine bei uns bleibende Gegenwart gewährt, war auch Thomas noch nicht beschieden; denn die Ostertage brachten es ihm noch nicht. Jesus reichte Thomas seine Hand nicht dazu, damit er sie für immer festhalte, und tritt nicht deshalb vor ihn, damit er Tag um Tag bei ihm sei. Was er ihm gewährte, hatte darin seinen Zweck, dass er glaube, und er konnte das, was er schaute, als Jesus wieder verschwunden war und die Ostertage vorüber waren, nur dadurch festhalten, dass ihm der Anblick zum Glauben verhalf. Das ist aber nicht der einzige Weg, auf dem uns Jesus zum Glauben führt. Es entsteht der Glaube auch, ohne dass wir sehen, weil er aus dem Wort hervorwächst, und diesen Glauben pries Jesus als die größte Offenbarung der göttlichen Gnade. Das ist das Wunder, durch das der Geist sich kundgibt, dass das Wort von dem, den wir weder sahen noch sehen, in unser Innerstes dringt, unwiderstehlich als Herrscher, der sich unser Denken und Wollen untertan macht und uns über uns selbst emporhebt zu dem, von dem das Wort zu uns kommt. So kräftig berührt uns Gott in unserem inwendigen Leben, so wirksam macht er in uns seine Gnade, so schöpferisch offenbart sich der Geist.
Du gründest, Vater, unser Leben nicht auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare, auf Dich, den Unsichtbaren, auf Dein Wirken, das im Verborgenen geschieht, auf Deine Gnade, die uns in der Stille des Herzens heimlich besucht. Das ist Dein Geheimnis, das wir nicht ergründen; denn es zeugt von Dir. Amen. (Adolf Schlatter)

20:30 Auch viele andere Zeichen tat Jesus vor seinen Jüngern, die nicht geschrieben sind in diesem Buch.

20:31 Diese aber sind geschrieben, daß ihr glaubet, Jesus sei Christus, der Sohn Gottes, und daß ihr durch den Glauben das Leben habet in seinem Namen.5)
In diesen Worten hat Johannes, der Liebling Jesu, den Hauptzweck der evangelischen Geschichte recht eigentlich zu erkennen gegeben.
Die wohlthätigen Wunder, welche im Alten Testament auf Christum geweissagt waren, hat Jesus, der Sohn Maria, vor den Augen vieler tausend Menschen verrichtet, und Sich selbst Matth. 11,4. ff. ausdrücklich darauf berufen, daß es nicht schwer sei, daran zu erkennen, ob in Seiner Person der verheißene Messias in der Welt erschienen sei oder nicht. Weil aber Jesus in Seinen Reden nicht nur behauptete, daß Er Christus, sondern auch, daß Er der Sohn Gottes, daß Er mit dem Vater Eines, daß Er vor Abraham schon gewesen sei, so sind Seine Wunderwerke zugleich auch ein Beweis von Seiner ewigen Gottheit, welche freilich nach Seiner wirklichen Erscheinung auf Erden deutlicher und allgemeiner bekannt wurde, als zuvor; ob es schon auch zu den Zeiten des Alten Testaments nicht an Zeugnissen von der göttlichen Würde des zukünftigen Messias gefehlt hatte. Darum versichert Johannes, man könne durch die Erzählung von den Wundern Jesu nicht nur überzeugt werden, daß Er Christus sei, sondern auch, daß Er der Sohn Gottes sei: zugleich aber versichert er, durch den Glauben an den Sohn Gottes erlange man das ewige Leben in Seinem Namen. Die Propheten im Alten Testament und die Apostel im Neuen Testament haben auch durch Wunder und Zeichen erwiesen, daß sie von Gott gesandt, und göttliche Botschafter an das menschliche Geschlecht seien, deren Zeugniß nicht nur glaubwürdig, sondern schlechterdings unbetrüglich und unverwerflich ist. Ihren Reden ist man also Beifall, und ihren Anweisungen Gehorsam schuldig, nicht weniger, als den Worten und Vorschriften Christi selbst. Man kann aber doch von keinem Propheten und von keinem Apostel sagen, daß er in dem Verstand, wie es von Jesu wahr ist, der Sohn Gottes sei, und daß man durch den Glauben an ihn das Leben habe in seinem Namen; man wollte denn die Ehre, die Gott allein gebührt, auf eine höchst strafbare Weise einem Geschöpf zuwenden. Durch den Namen Jesu haben also diejenigen, die an Ihn, als an den eingebornen Sohn des Vaters, glauben, das Leben; nicht nur darum, weil sie sich durch Seine weisen und heiligen Lehren zu Vermeidung der Laster und zur Ausübung der Tugend bewegen lasen (denn sonst hätte Er vor andern Knechten Gottes einen schlechten oder gar keinen Vorzug); sondern darum, weil sie Ihn für den erkennen und verehren, der Er in der That ist; weil sie Ihm den Respekt, der Ihm gebühret, williglich zukommen lassen, und sich dadurch von den Rebellen, die Seine unumschränkte Herrschaft nicht anerkennen wollen, unterscheiden; weil sie durch Ihn und in Ihm allein dasjenige Heil suchen, das Er als der einige Mittler zwischen Gott und Menschen durch Seinen blutigen Versühnungstod am Kreuz erworben hat; weil sie in demüthiger Erkenntniß ihrer verdammlichen Sündenschuld diejenige Gerechtigkeit, die allein vor Gott gilt, und die Er ihnen selbst durch das Evangelium anbietet, dankbarlich annehmen, und dem göttlichen Erlöser die schuldige Ehre lassen, daß Er allein ihr Versühner, Mittler und Seligmacher sei, durch den sie zu Gott kommen, und Seiner Gemeinschaft auf Zeit und Ewigkeit froh sein können. (Magnus Friedrich Roos)

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