Johannes, Kapitel 2
2:1 Und am dritten Tag ward eine Hochzeit zu Kana in Galiläa; und die Mutter Jesu war da.
2:2 Jesus aber und seine Jünger wurden auch auf die Hochzeit geladen.
2:3 Und da es an Wein gebrach, spricht die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben nicht Wein.
Johannes führt uns in seinem Bericht über Jesus sogleich zu den Festen, auf die Höhe des Lebens, zuerst zu einer Hochzeitsfeier, dem Höhepunkt des natürlichen Lebens. In Palästina war für den Jüngling und das Mädchen mit den sieben Tagen ihrer Hochzeit der Gipfel des Lebens erreicht. Nun kam aber damals in die Feier ein peinlicher Misston hinein. Der Wein ging aus. Man musste die Gäste zum Essen einladen ohne den festlichen Becher, der mit der Segnung geweiht wurde und dann bei allen eine Runde machte. Im Kreis der Frauen ging das Geflüster von Mund zu Mund: sie haben keinen Wein. Hoffentlich hat es das junge Ehepaar noch nicht gehört; sonst würde es rot vor Scham. So steht es mit unserem Vermögen, Feste zu feiern. Beständig drängen sich peinliche Störungen ein und um diese Gipfel unseres Lebens sammeln sich dunkle Wolken. Der Evangelist sagt uns: ihr könnt nicht feiern; Jesus aber konnte es und er bereitet das Fest auch euch. Was der Evangelist sagt, ist eine tiefe Wahrheit; wir bringen in der Tat bloß mit den natürlichen Mitteln kein ungestörtes Fest zustande.
In unserer Zeit wehrt sich die Christenheit gegen das Elend, das sich unser Volk durch den Trunk bereitet. In diesem Elend wird derselbe Tatbestand sichtbar, auf den Johannes uns achten heißt. Unser Volk kann nicht feiern, nicht so feiern, dass eine reine ungestörte Freude aus der Feier wird. Damals kam die Störung daher, dass sie keinen Wein hatten. Heute haben wir Wein genug und die Störung kommt daher, dass wir ihn haben. Bei ihm wird die festliche Freude gesucht, die Entspannung von der Anstrengung der Arbeit, die Erhebung über die Leerheit unserer Tage und daraus entsteht statt der Freude ein tiefer Jammer. Ich muss das, was mein Leben festlich macht, aus der Hand Jesu empfangen, aus Gottes schaffender Macht; sonst verwandelt sich jedes Fest in sein Gegenteil. Wenn mir die natürliche Gabe ungeheiligt bleibt, so hat dies seinen Grund in der Verwüstung meines inwendigen Lebens. Darin wird sichtbar, dass ich noch in der Irre schweife und meinen Platz vor Gott nicht gefunden habe. Diesen Platz weist mir Jesus an, und wenn ich ihn gefunden habe und weiß, wie Gott sich zu mir stellt, dann kann ich feiern, einerlei mit oder ohne Wein.
Ich empfange aus Deiner Hand, Vater, täglich, was ich bedarf, und mehr als ich bedarf, viel Anlass zur Freude, manches, was mir Genuss gewährt. Ohne Dich befleckt und verdirbt es mich. Aber in Deiner Hand wird auch das Natürliche zum Lebensbrot, für das ich Dir Dank schulde und Dank sage. Amen. (Adolf Schlatter)
2:4 Jesus spricht zu ihr: Weib, was habe ich mit dir zu schaffen? Meine Stunde ist noch nicht gekommen.
2:5 Seine Mutter spricht zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut.
2:6 Es waren aber allda sechs steinerne Wasserkrüge gesetzt nach der Weise der jüdischen Reinigung, und ging in je einen zwei oder drei Maß.
2:7 Jesus spricht zu ihnen: Füllet die Wasserkrüge mit Wasser! Und sie füllten sie bis obenan.
2:8 Und er spricht zu ihnen: Schöpfet nun und bringet's dem Speisemeister! Und sie brachten's.
2:9 Als aber der Speisemeister kostete den Wein, der Wasser gewesen war, und wußte nicht, woher er kam (die Diener aber wußten's, die das Wasser geschöpft hatten), ruft der Speisemeister den Bräutigam
2:10 und spricht zu ihm: Jedermann gibt zum ersten guten Wein, und wenn sie trunken geworden sind, alsdann den geringeren; du hast den guten Wein bisher behalten.
2:11 Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat, geschehen zu Kana in Galiläa, und offenbarte seine Herrlichkeit. Und seine Jünger glaubten an ihn.1); 2); 3); 4); 5)
Wir wissen viel von Jesus, wir haben schon oft in Seinem Namen gebetet und hoffen selig zu werden durch Seine Gnade. Haben wir aber auch schon etwas von Seiner Herrlichkeit gesehen? Wann und wo sähest du diese? Unter den Leuten, die doch nach Seinem Namen genannt sind, ist Christus vielfach ein Fremdling; sie wissen von Ihm, kennen aber Seine Heiligkeit nicht. Jesu Herrlichkeit hat eine große Wirkung auf den, der sie sieht, auf den, der ihr sein Herz öffnet, auf lautere und aufrichtige Menschen. Sie zieht nach oben, erfüllt das Herz mit Ehrfurcht und Liebe zu Ihm, erweckt großes Vertrauen zu dem Herrn der Herrlichkeit und zieht ab vom Tande dieser Welt. Die Herrlichkeit Christi erfüllt die Seele mit Seinem Bilde; wer recht und beharrlich den Heiland betrachtet, der wird hineingezogen in Seine Art und Sein Wesen; der Geist zieht da Herrlichkeit an, die lebensvollen und lebendigen Strahlen Christi erfüllen ihn. Die Klarheit des Herrn spiegelt sich in reinen, Gott zugewandten Herzen und scheint heraus aus ihrem Angesichte, aus ihrem Wesen und Wandel. Wer die Herrlichkeit Christi recht sieht, immer und immer wieder sieht, der wird herrlich, wird durchschienen von der Lebenssonne. Von der Klarheit des Herrn kann an ihm etwas gesehen werden. Kommt ein solcher Mensch hinüber in die Geisterwelt, so wird in Ihm Jesu Bild und Wesen gefunden. Jedermann, der ihn sieht, erkennt dann sofort: er gehört dem Heiland an, hat in Seiner Gemeinschaft die Erdentage zugebracht, und der Herr der Herrlichkeit hat Sein Wesen und Seine Macht in diesem Erlösten hergestellt und ausgestaltet. (Markus Hauser)
2:12 Darnach zog er hinab gen Kapernaum, er, seine Mutter, seine Brüder und seine Jünger; und sie blieben nicht lange daselbst.
2:13 Und der Juden Ostern war nahe, und Jesus zog hinauf gen Jerusalem.
2:14 Und er fand im Tempel sitzen, die da Ochsen, Schafe und Tauben feil hatten, und die Wechsler.
2:15 Und er machte eine Geißel aus Stricken und trieb sie alle zum Tempel hinaus samt den Schafen und Ochsen und verschüttete den Wechslern das Geld und stieß die Tische um
2:16 und sprach zu denen, die die Tauben feil hatten: tragt das von dannen und macht nicht meines Vaters Haus zum Kaufhause!
Vom Fest in Kana führt uns Johannes zum Fest in Jerusalem. Aber auch hier verband sich mit der festlichen Freude Peinliches. Denn das Volk braucht zum Fest den Markt. Je mehr Pilger kamen, desto mehr Händler kamen. Je größer die Zahl der Opfernden wurde, um so mehr Rinder, Schafe und Tauben waren nötig. Wollten viele Gott ihre Gaben bringen, so gab es für die Wechsler ein großes Geschäft, bis alle mit kursfähigem Geld versorgt waren. Das brachte in das Fest eine trübe Störung, freilich nicht in das Fest der Juden, die auch jetzt gern ein Geschäft machten und nicht daran dachten, dass der Tempel entweiht werde, wenn er ein Kaufhaus sei. Jesus aber kann nicht auf diese Weise feiern; denn er sieht das harte Elend und den schwarzen Schmutz, der sich auf uns legt, wenn wir unseren Gottesdienst in ein Geschäft verwandeln. Wie vieles ist auch in unserem Volk, weil sich das Geschäft damit verbindet, vergiftet und beschmutzt! Wirtshaus, Theater und Lichtspiel, Presse und Politik, alles verfällt der Herrschaft des Geldes, und wo dieses herrscht, stirbt die Scheu vor dem Übeltun. Um des Geldes willen tut der Mensch auch das Böse und macht aus dem, was nützen könnte, eine verderbende Macht. Trifft aber der Zorn Jesu gegen den heiligen Markt nur das, was im Volkstum geschieht? Sagt er nicht auch mir etwas, was mich im Innersten meiner Seele trifft? Als Jesus den Markt austrieb, verlangte er von denen, die in den Tempel gingen, dass sie Gott um Gottes willen dienen. Das hießen aber auch die Frommen unerhört. Das Geld hat für alle eine verlockende Macht und der Hunger nach dem Glück sitzt tief in uns. Drum sieh dich vor und hüte deinen Gottesdienst, damit du nicht mit ihm nebenbei auch noch Profit machst.
Dein Zorn, Herr, ist uns ebenso heilsam wie Deine Freundlichkeit. Du scheidest, was wir vermengen und, weil wir es vermengen, verderben. Die Kette, mit der das Geld und das Glück uns bindet, ist fest. Aber Du hast eine starke Hand; sie ist stärker als unsere Ketten. Im Feuer Deines Geistes schmelzen sie. Ich bitte Dich um Dein treues Warnen, wenn sich die Sucht meines Herzens verirrt. Amen. (Adolf Schlatter)
2:17 Seine Jünger aber gedachten daran, daß geschrieben steht: Der Eifer um dein Haus hat mich gefressen.
2:18 Da antworteten nun die Juden und sprachen zu ihm: Was zeigst du uns für ein Zeichen, daß du solches tun mögest?
2:19 Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Brechet diesen Tempel, und am dritten Tage will ich ihn aufrichten.
Wir haben einen Tempel, jauchzte ganz Israel in stolzer Freude, wir allein haben ihn. Die Tempel der anderen sind leer; der unsere ist dagegen Gottes Eigentum und der Ort, an dem er bei uns ist. Den Tempel abbrechen, das war für ein jüdisches Ohr die furchtbarste Drohung, die Ankündigung des göttlichen Zorns zur schwersten Strafe. Jesus spricht aber so vom Abbruch des Tempels, dass es nicht mehr ein drohendes Gerichtswort ist, das Zorn verkündet. Brecht ihn ab, sagt er; ihr braucht ihn nicht mehr; denn er ist durch eine herrlichere Schöpfung Gottes überholt. Er sprach damit von seinem Leib. Ein Haus macht Gott nicht gegenwärtig; er wohnt im lebenden Menschen, doch nicht im sündigenden Herzen, wohl aber in seinem Sohn. Mit ihm ist uns wahrhaft ein Tempel gegeben, und Israels Freude an seinem Tempel ist zur verklärten Vollendung gebracht. Aber auch dieser Tempel, sein Leib, wird abgebrochen, eben deshalb, weil sie von ihrem alten Abbruch seines Tempels schafft keine Ruine. Er steht am dritten Tag wieder aufgerichtet da, nun erst recht Gottes Tempel, nun erst recht das Zeichen seiner gnädigen Gegenwart, nun erst recht der Ort, von dem die Welt der Sünder die Versöhnung mit Gott empfängt, und die Städte, die die Gemeinde vereinigt zur gemeinsamen Anbetung.
Ich will, unser Gott und Vater, zum Tempel gehen, den Du uns gebaut hast, und dort mir Deine guten Gaben holen. Ich will nicht in meinem eigenen Hause bleiben, nicht bei dem verweilen, was ich selber bin und kann. Ich kann nicht in mir Deine Herrlichkeit schauen, sondern in Deinem Sohn, nicht in mir den Frieden mit Dir finden, sondern in Ihm, nicht in mir Deinen Willen erkunden, sondern in Ihm. Ich trete ins Heiligtum, indem ich zu Dir, Herr Christus, aufsehe, und ich tue es mit der ganzen Schar, die Du zu Deiner Gemeinde gesammelt hast. Amen. (Adolf Schlatter)
2:20 Da sprachen die Juden: Dieser Tempel ist in 46 Jahren erbaut; und du willst ihn in drei Tagen aufrichten?
2:21 (Er aber redete von dem Tempel seines Leibes.
2:22 Da er nun auferstanden war von den Toten, gedachten seine Jünger daran, daß er dies gesagt hatte, und glaubten der Schrift und der Rede, die Jesus gesagt hatte.)
2:23 Als er aber zu Jerusalem war am Osterfest, glaubten viele an seinen Namen, da sie die Zeichen sahen, die er tat.
2:24 Aber Jesus vertraute sich ihnen nicht; denn er kannte sie alle
2:25 und bedurfte nicht, daß jemand Zeugnis gäbe von einem Menschen; denn er wußte wohl, was im Menschen war.
Jesu, wohn’ in meinem Haus,
Weiche nimmermehr daraus;
Wohn’ mit Deiner Gnade drin,
Weil ich sonst verlassen bin.
O du großer Segensmann,
Komm mit Deinem Segen an:
Gieb Fried’, Freude, Glück und Heil,
Das sei und bleibe unser Theil.
Gleich wie Hiob und Abraham
Reicher Segen überkam,
Ei, so schütte über mich
Deinen Segen mildiglich.
Jesu, wohn’ in meinem Herzen,
Wenn ich leide Angst und Schmerzen,
Wenn mich drücket Angst und Noth,
So hilf mir, o treuer Gott.
Wenn ich keinen Reichthum habe,
Bleibt mir doch die Himmelsgabe.
Ob ich hier schon Trübsal leide,
Bleibt mir doch die Himmelsfreude.
Das walte der dreieinige, ewige, barmherzige Gott, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, der Heilige in Israel, außer welchem kein Gott ist. Ach, Vater in der Höhe, Du großer und getreuer Menschenhüter, der weder schläft noch schlummert, Dir befehlen wir auch für diese Nacht unsern Eingang und Ausgang, unsern Leib und Seele, Haus und Hof, Habe und Gut. Hilf Deinem Volk und segne Dein Erbe, weide und erhöhe sie ewiglich. Segne unser armes Haus wie das Haus Obed Edoms, behüte die Wachenden, erhöre die Betenden, beschirme die Schlafenden. Tritt den Satan unter unsere Füße, und erhalte uns bei dem Einen, daß wir Deinen Namen fürchten, und nimm uns endlich, wenn es Dir gefällt, im wahren Glauben aus der Welt zu Deinen Auserwählten. Amen. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)