Luther, Martin - Vorrede auf den Propheten Obadja
(Zuerst 1532 erschienen.)
ObadJa zeigt nicht an, welche Zeit er gelebt hat, aber seine Weissagung gehet auf die Zeit der babylonischen Gefängniß; denn er tröstet das Volk Juda, daß sie sollen wieder gen Zion kommen.
Und furnehmlich gehet seine Weissagung wider Edom oder Esau, welche einen sonderlichen ewigen Haß und Neid trugen wider das Volk Israel und Juda: wie es pflegt zu gehen, wenn Freunde wider nander uneins werden, und sonderlich wo Brüder gegen ander in Haß und Feindschaft gerathen, da ist die Feindschaft ohn alle Maaße.
Also waren hie die Edomiter dem jüdischen Volk uber alle Maaßen feind, und hatten keine größere Freude, denn daß sie sehen sollten der Jüden Gefängniß, und rühmeten und spotten ihrer in ihrem Jammer und Elende, wie fast alle Propheten die Edomiter umb solcher hässiger Bosheit willen schelten; als auch der 137. Psalm uber sie klagt, und spricht: Herr, gedenk der Edomiter, am Tage Jerusalem, da sie sprachen, Rein abe, rein abe, bis auf ihren Boden.
Weil denn solchs aus der Maaßen weh thut, so man die Elenden und Betrübten (die man billig trösten sollt,) allererst zu ihrem Jammer spottet, lachet, trotzet und rühmet, damit der Glaube an Gott eine große starke Anfechtung leidet, und gewaltiglich zum Verzweifeln und Unglauben reizt: so stellet hie Gott einen sondern Propheten wider solche verdrießliche Spötter und Anfechter, und tröstet die Betrübten, und stärkt ihren Glauben mit Dräuen und Schelten wider solche feindselige Edomiter, das ist, Spötter der Elenden, und mit Verheißung und Zusagung künftiger Hülfe und Errettung. Und ist fürwahr ein nöthiger Trost und ein nützlicher ObadJa in solchem Unfall.
Am Ende weissagt er von Christus Reich, das solle nicht allein zu Jerusalem, sondern allenthalben sein. Denn er menget alle Völker in einander, als Ephraim, Benjamin, Galaad, Philister, Kananiter, Zarpath: welchs nicht kann vom zeitlichen Reich Israel verstanden werden, da solche Stämme und Volk im Lande unterscheiden sein mußten, nach dem Gesetz Mosi.
Daß aber die Jüden hie Zarpath a) Frankreich und Sepharad b) Hispanien deuten, laß ich fahren und halte nichts davon, sondern lasse Zarpath bleiben die Stadt bei Zidon und Spharad eine Stadt oder Land in Assyria, da die zu Jerusalem gefangen gewest sind, wie der Text klärlich sagt (und die Gefangenen Jerusalem, so zu Sepharad sind). Doch halte ein Iglicher, was er will.