Psalm 137
137:1 An den Wassern zu Babel saßen wir und weinten, wenn wir an Zion gedachten.
137:2 Unsere Harfen hingen wir an die Weiden, die daselbst sind.
137:3 Denn dort hießen uns singen, die uns gefangen hielten, und in unserm Heulen fröhlich sein: „Singet uns ein Lied von Zion!“
137:4 Wie sollten wir des HERRN Lied singen in fremden Landen?
137:5 Vergesse ich dein, Jerusalem, so werde ich meiner Rechten vergessen.
137:6 Meine Zunge soll an meinem Gaumen kleben, wo ich nicht dein gedenke, wo ich nicht lasse Jerusalem meine höchste Freude sein.
137:7 HERR, gedenke der Kinder Edom den Tag Jerusalems, die da sagten: „Rein ab, rein ab bis auf ihren Boden!“
137:8 Du verstörte Tochter Babel, wohl dem, der dir vergilt, wie du uns getan hast!
137:9 Wohl dem, der deine jungen Kinder nimmt und zerschmettert sie an dem Stein!
Sitzen wir auch nicht, wie Israel um seiner Abgötterei willen, zur Strafe an Babels Flüssen in der Gefangenschaft, so ist doch Babels genug sowohl in der Welt außer uns als in der Welt unseres verderbten, fleischlichen Herzens, daß wir davor nicth eines recht fröhlichen Augenblicks genießen können. O wie quält uns unser Fleisch von innen, wie drückt und verhöhnt uns die Welt von außen! Was ist das für ein Babel, Wie schallt nicht immer fort das Edomslied: rein ab, rein ab, bis auf ihren Boden! Ginge es nach den Kindern dieser Welt, so würde längst nichts mehr von uns übrig sein. Wahrlich, wir leben in einer Welt, da wir mehr Ursach haben, in Traurigkeit zu weinen, als in eitler Freude zu lachen. Vor allem sind es unsere Sünden, unser Undank gegen Gottes Wohlthaten, die uns fortwährend anklebenden Schwachheiten, die Kaltsinnigkeit unseres Gebets, die Mattigkeit unseres Glaubens, unserer Geduld und Hoffnung, namentlich unsere vielfachen Untreuen, über die wir Blut weinen möchten. O bewahre uns nur, getreuer Gott, daß wir uns ja nicht verführen lassen, in das Weltlied Babels mit einzustimmen und Deiner, unseres Herrn, darüber zu vergessen; wir wollen uns eher lassen unsere Zungen an dem Gaumen kleben, als daß wir Deiner nicht gedenken sollten. Mache uns nur stark durch Deinen Geist, daß wir die fleischlichen Lüste und Begierden in uns als rechte Babelskinder und Feinde unserer Seelen bei Zeiten zerschmettern und also das Böse überwinden, auf daß wir unser Harfen dort in dem neuen Jerusalem wieder nehmen und Dir und dem Lamme, das für uns erwürget war, das neue Lied anstimmen dürfen: Heilig, heilig, heilig heißt Gott der Vater, Sohn und Geist. Amen. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)