Psalm 104
104:1 Lobe den HERRN, meine Seele! HERR, mein Gott, du bist sehr herrlich; du bist schön und prächtig geschmückt.
104:2 Licht ist dein Kleid, das du anhast; du breitest aus den Himmel wie einen Teppich;
104:3 Du wölbest es oben mit Wasser; du fährst auf den Wolken wie auf einem Wagen und gehst auf den Fittichen des Windes;
104:4 der du machst Winde zu deinen Engeln und zu deinen Dienern Feuerflammen;
104:5 der du das Erdreich gegründet hast auf seinem Boden, daß es bleibt immer und ewiglich.
104:6 Mit der Tiefe deckst du es wie mit einem Kleide, und Wasser standen über den Bergen.
104:7 Aber von deinem Schelten flohen sie, von deinem Donner fuhren sie dahin.
104:8 Die Berge gingen hoch hervor, und die Täler setzten sich herunter zum Ort, den du ihnen gegründet hast.
104:9 Du hast eine Grenze gesetzt, darüber kommen sie nicht und dürfen nicht wiederum das Erdreich bedecken.
104:10 Du läßt Brunnen quellen in den Gründen, daß die Wasser zwischen den Bergen hinfließen,
104:11 daß alle Tiere auf dem Felde trinken und das Wild seinen Durst lösche.
104:12 An denselben sitzen die Vögel des Himmels und singen unter den Zweigen.
104:13 Du feuchtest die Berge von obenher; du machst das Land voll Früchte, die du schaffest;
104:14 du lässest Gras wachsen für das Vieh und Saat zu Nutz den Menschen, daß du Brot aus der Erde bringest,
104:15 und daß der Wein erfreue des Menschen Herz, daß seine Gestalt schön werde vom Öl und das Brot des Menschen Herz stärke;
104:16 daß die Bäume des HERRN voll Saft stehen, die Zedern Libanons, die er gepflanzt hat.
Libanons Zedern sind ein Sinnbild für das Volk der Christen, denn sie verdanken ihr Leben und Gedeihen ganz dem Herrn, der sie gepflanzt hat. Dies gilt von einem jeden Gotteskind. Es ist nicht von Menschen, noch von sich selbst, sondern von Gott gepflanzt. Die geheimnisvolle Hand des Heiligen Geistes streut den lebendigen Samen in ein Herz, das Er selbst zur Saat zubereitet hat. Jeder wahrhaftige Himmelserbe erkennt den großen Weingärtner als den an, der ihn gepflanzt hat. Außerdem bedürfen die Zedern Libanons keines Menschen, der sie bewässere; sie stehen auf einem hohen Felsen, nie befeuchtet von Menschenhand; und doch sorgt euer himmlischer Vater für sie. So verhält sich's mit dem Christen, der gelernt hat, seines Glaubens zu leben. Er ist unabhängig von Menschen, sogar von zeitlichen Dingen; er schaut auf den Herrn, seinen Gott, und auf Ihn allein; der erhält ihn beständig durch seine Gnade. Der himmlische Tau ist sein Teil, und Gott von Himmel sein Born. Wiederum werden die Zedern Libanons von keiner sterblichen Macht beschützt. Sie verdanken dem Menschen nicht im geringsten ihre Erhaltung, ihr fröhliches Gedeihen in Sturmessausen und Wetterbrausen. Sie sind Gottes Bäume, erhalten und bewahrt von Ihm, und ganz allein von Ihm. Ganz ebenso ist's mit dem Christen. Er ist keine Treibhauspflanze, die vor aller Unbill der Witterung geschützt wäre; er steht Wind und Wetter ausgesetzt; er hat weder Schutz noch Schirm, ausgenommen allein das, daß die breiten Flügel des ewigen Gottes die Zedern bedecken, die Er gepflanzt hat. Den Zedern gleich, stehen die Gläubigen auch voller Saft und haben Lebenskraft genug, um allezeit zu grünen, selbst mitten im winterlichen Schnee und erstarrenden Frost. Endlich gereicht das fröhliche und kräftige Gedeihen der Zedern und ihr majestätischer Wuchs Gott allein zur Ehre. Der Herr, ja, der Herr allein, ist den Zedern alles geworden, und darum sagt David so schön in einem seiner Psalmen: „Lobt den Herrn, fruchtbare Bäume, und alle Zedern.“ Es ist nichts im Gläubigen, was den Menschen verherrlichen könnte; er wird gepflanzt, ernährt und beschützt von des Herrn eigner Hand. Von dem Herrn ist's, „daß die Bäume des Herrn voll Safts stehen, die Zedern Libanons, die Er gepflanzte hat.“ Darum lobe den Herrn, meine Seele, und gib Ihm allein die Ehre! (Charles Haddon Spurgeon)
Ohne Saft kann der Baum weder grünen noch blühen. Lebenskraft ist etwas Unerläßliches, etwas Wesentliches für einen Christen. Es muß ein Leben in ihm vorhanden sein, eine belebende Kraft, die Gott der Heilige Geist uns einflößt, sonst können wir keine Bäume des Herrn sein. Der bloße Name, daß wir Christen seien, ist etwas Totes; wir müssen erfüllt werden mit dem Geiste des göttlichen Lebens. Dies Leben ist eine geheimnisvolle Kraft. Wir verstehen nichts davon, wie der Saft seinen Kreislauf in den Pflanzen vollführt, durch welche Kraft er aufsteigt und welche Gewalt ihn wieder abwärts treibt. So ist auch unser inneres Leben ein Geheimnis. Die Wiedergeburt wird durch den Heiligen Geist gewirkt, der in den Menschen eingeht und das neue Leben des Menschen wird; und dies göttliche Leben in einem Menschen ernährt sich dann von dem Fleisch und Blut Christi und wird von der göttlichen Nahrung erhalten, aber wer kann sagen und deuten, woher es kommt und wohin es geht? Was ist der Saft für ein verborgenes Ding! Die Wurzeln ziehen mit ihren zarten Fasern suchend durch das Erdreich, aber wir können nicht sehen, wie sie die verschiedenen Luftarten und Feuchtigkeiten einsaugen, oder wie sie die erdigen Stoffe in Pflanzenelemente umwandeln; diese Arbeit geschieht im Dunkeln und Verborgenen. Unsre Wurzel ist Christus Jesus, und unser Leben ist verborgen in Ihm; das ist das Geheimnis des Herrn. Die Grundlage des christlichen Lebens ist ein ebenso großes Geheimnis, wie das Leben selbst. Wie ist der Saft in der Zeder so unablässig tätig! Im Christen erweist sich das göttliche Leben allezeit tätig und kräftig, nicht jederzeit reifen die Früchte, aber allezeit schreitet das innere Wachstum voran. Des Gläubigen Gnadentugenden: ist nicht eine jede derselben beständig in Bewegung? und sein Leben höret nimmer auf, in ihm zu walten zu wirken. Er arbeitet nicht immer für Gott, aber sein Herz lebt immer von Gott. Gleich wie der Saft sich in der Bildung der Früchte am Baum offenbart, so geschieht's auch mit den Äußerungen eines gesunden Christenlebens; die Gnade, die in ihm arbeitet, tut sich äußerlich kund in seinem Wandel und seinen Worten. Wenn man mit ihm spricht, so kann er nicht anders, er muß von Jesu reden. Wenn man auf sein Tun achtet, so sieht man, daß er auch mit Jesu gewesen ist. (Charles Haddon Spurgeon)
104:17 Daselbst nisten die Vögel, und die Reiher wohnen auf den Tannen.
104:18 Die hohen Berge sind der Gemsen Zuflucht, und die Steinklüfte der Kaninchen.1)
104:19 Du hast den Mond gemacht, das Jahr darnach zu teilen; die Sonne weiß ihren Niedergang.
104:20 Du machst Finsternis, daß es Nacht wird; da regen sich alle wilden Tiere,
104:21 die jungen Löwen, die da brüllen nach dem Raub und ihre Speise suchen von Gott.
104:22 Wenn aber die Sonne aufgeht, heben sie sich davon und legen sich in ihre Höhlen.
104:23 So geht dann der Mensch aus an seine Arbeit und an sein Ackerwerk bis an den Abend.
104:24 HERR, wie sind deine Werke so groß und viel! Du hast sie alle weislich geordnet, und die Erde ist voll deiner Güter.
104:25 Das Meer, das so groß und weit ist, da wimmelt's ohne Zahl, große und kleine Tiere.
104:26 Daselbst gehen die Schiffe; da sind Walfische, die du gemacht hast, daß sie darin spielen.
104:27 Es wartet alles auf dich, daß du ihnen Speise gebest zu seiner Zeit.
104:28 Wenn du ihnen gibst, so sammeln sie; wenn du deine Hand auftust, so werden sie mit Gut gesättigt.
- Wir haben nur zu sammeln. Gott gibt. Das gilt für die irdischen Dinge: unser tägliches Brot, unsere Arbeit, unsere Freude. Das gilt auch für geistliche Dinge. Gott schenkt durch seinen Geist. Wir haben nur zu sammeln.
- Wir können nur sammeln, was Gott gibt. Das ist die Grenze. Mehr können wir nicht sammeln, so sehr wir uns auch bemühen würden. „Wo der Herr nicht das Haus baut, so arbeiten umsonst, die daran bauen“ (Psalm 127,2).
- Wir müssen sammeln, was Gott gibt. Wenn wir das nicht tun, bekommen wir nichts. Der Fisch muß hochschnellen, um die Mücke zu fangen, und der Löwe muß seine Beute auch erjagen.
- Wir dürfen sammeln, was Gott gibt. Wir haben die göttliche Erlaubnis, alles zu genießen, was Gott gibt.
- Gott wird uns immer geben, damit wir immer sammeln können. Das ist auch in geistlichen Dingen so. Wenn wir bereit sind zu sammeln, ist Gott immer bereit zu geben.
(Charles Haddon Spurgeon)
104:29 Verbirgst du dein Angesicht, so erschrecken sie; du nimmst weg ihren Odem, so vergehen sie und werden wieder zu Staub.
104:30 Du lässest aus deinen Odem, so werden sie geschaffen, und du erneuest die Gestalt der Erde.
104:31 Die Ehre des HERRN ist ewig; der HERR hat Wohlgefallen an seinen Werken.
104:32 Er schaut die Erde an, so bebt sie; er rührt die Berge an, so rauchen sie.
104:33 Ich will dem HERRN singen mein Leben lang und meinen Gott loben, solange ich bin.
104:34 Meine Rede müsse ihm wohl gefallen. Ich freue mich des HERRN.
104:35 Der Sünder müsse ein Ende werden auf Erden, und die Gottlosen nicht mehr sein. Lobe den HERRN, meine Seele! Halleluja!2); 3)
Ein köstlicher Psalm! Wie der 103. Psalm das Lob Gottes aus den Wundern der Gnade, der 105. das Lob Gottes aus den Wundern der Geschichte enthält, so besingt der 104. Psalm das Lob Gottes aus den Wundern der Natur. Während die alten Griechen und die ungläubigen Naturforscher die Natur außer und ohne Gott beklügeln oder sie uns sich dabei vergöttern, sieht die Bibel in Allem Gottes Hand, erhebt vom Werk zum Werkmeister, vom Körper zur Seele, von der Gabe zum Geber, und schließt zuletzt mit dem erhabensten aller Wünsche, mit dem Blick auf die erneuerte Erde. In diesem Psalm gehen die sechs Tagwerke der Schöpfung Gottes an uns vorüber, zuerst die Schöpfung des Lichts V. 1; dann die der Himmelsveste V. 2-4; darauf die Scheidung von Land und Wasser und die Entstehung der Pflanzenwelt V. 5-18; hiernach die Lichter am Himmel, Sonne, Mond und Sterne V. 19-24; nun die lebendigen Geschöpfe des Wassers und der Luft V. 25. 26, endlich am sechsten Tage die Landthiere und die Menschen V. 27-30. Den Schluß bildet die Ehre und Freude des Herrn an seinen Werken, am Ende der Tage wieder wie ursprünglich am siebenten Tage nach vollbrachter Weltschöpfung, ein freudiger Vorblick auf das, was Gott noch künftig mit der Erde vorhat V. 31-35. Hier kommt das Hallelujah zum ersten Male im Psalmbuch vor, und wenn das, was David vorausgesehen, in freudige Erfüllung gehen wird, so wird im Himmel und auf Erden das Hallelujah und Lob Gottes in vollen Schwang kommen. Das ist ja der würdigste Zweck des ganzen Daseins, eines solchen Gottes Ehre zu singen und Ihn besonders durch Heiligung zu verherrlichen.
Dir gebühret Lob und Ehren,
Dein ist alle Herrlichkeit,
Alles soll Dein Lob vermehren
Jetzo und in Ewigkeit.
Laß nur bald von dieser Erden
Der verruchten Sünder Rott’
Gänzlich ausgerottet werden;
Ich hingegen lobe Gott.
Amen.(Johann Friedrich Wilhelm Arndt)