Besser, Wilhelm Friedrich - Evangelium am Ostermontage.

Besser, Wilhelm Friedrich - Evangelium am Ostermontage.

Evangelium Lucä 24, 13-35.
Text: Und siehe, zwei aus ihnen gingen an demselben Tage in einen Flecken, der war von Jerusalem sechzig Feldweges weit, des Name heißt Emmaus. Und sie redeten mit einander von allen diesen Geschichten. Und es geschah, da sie so redeten, und befragten sich mit einander, nahte Jesus zu ihnen und wandelte mit ihnen. Aber ihre Augen wurden gehalten, dass sie ihn nicht kannten. Er aber sprach zu ihnen: Was sind das für Reden, die ihr zwischen euch handelt unterwegs, und seid traurig? Da antwortete einer, mit Namen Cleophas, und sprach zu ihm: Bist du allein unter den Fremdlingen zu Jerusalem, der nicht wisse, was in diesen Tagen darinnen geschehen ist. Und er sprach zu ihnen: Welches? Sie aber sprachen zu ihm: Das von Jesu von Nazareth, welcher war ein Prophet, mächtig von Taten und Worten, vor Gott und allem Volk; wie ihn unsere Hohenpriester und Obersten überantwortet haben, zur Verdammnis des Todes, und gekreuzigt. Wir aber hofften, er sollte Israel erlösen. Und über das Alles ist heute der dritte Tag, dass solches geschehen ist. Auch haben uns erschreckt etliche Weiber der Unsern, die sind frühe bei dem Grabe gewesen, haben seinen Leib nicht gefunden, kommen und sagen, sie haben ein Gesicht der Engel gesehen, welche sagen, er lebe. Und etliche unter uns gingen hin zum Grabe, und fanden es also, wie die Weiber sagten, aber ihn fanden sie nicht. Und er sprach zu ihnen: O ihr Toren und träges Herzens, zu glauben allem dem, das die Propheten geredet haben; musste nicht Christus solches leiden, und zu seiner Herrlichkeit eingehen? Und fing an von Mose und allen Propheten, und legte ihnen alle Schriften aus, die von ihm gesagt waren. Und sie kamen nahe zum Flecken, da sie hingingen; und er stellte sich, als wollte er weiter gehen. Und sie nötigten ihn, und sprachen: Bleibe bei uns, denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneigt. Und er ging hinein, bei ihnen zu bleiben. Und es geschah, da er mit ihnen zu Tische saß, nahm er das Brot, dankte, brach es, und gab es ihnen. Da wurden ihre Augen geöffnet, und erkannten ihn. Und er verschwand vor ihnen. Und sie sprachen unter einander: Brannte nicht unser Herz in uns, da er mit uns redete auf dem Wege, als er uns die Schrift öffnete? Und sie standen auf zu derselben Stunde, kehrten wieder gen Jerusalem, und fanden die Elfe versammelt, und die bei ihnen waren, welche sprachen: Der HErr ist wahrhaftig auferstanden, und Simoni erschienen. Und sie erzählten ihnen, was auf dem Wege geschehen war, und wie er von ihnen erkannt wäre an dem, da er das Brot brach.

„Der HErr ist auferstanden“ wieder haben wir sie gehört, diese frohe Botschaft die im leeren Grabe Josephs eröffnete Engelpredigt und Botschaft. O, dass es in unser aller Herzen zu dem „Ja und Amen“ gekommen wäre, auf das: „der HErr ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden!“ Du bist ein seliger Mensch, wenn es in dir also lautet, denn dann hast du einen lebendigen Heiland, dann hast du einen versöhnten, einen gnädigen Gott und Vater, dann bist du erlöst, dann ist dir die Erde lichter geworden und der Himmel ist dir aufgeschlossen, dann weißt du, wohin du fährst, wenn du stirbst, denn du hast Vergebung der Sünden, und wer Vergebung der Sünden hat, der hat Leben und Seligkeit, dann bist du selig. Aber kannst du es nicht sagen: o, armer Mensch arm, denn dann hast du keinen Heiland, du bist nicht erlöst, denn ein Toter, von dem „Andere“ bloß sagen, dass er lebe, kann dich nicht selig machen; dann hast du keine Hoffnung - armer Mensch! Aber willst du denn so arm sein? soll es denn so bleiben bei dir? Willst du nicht Ostern halten? Soll Er dir immer tot bleiben? Willst du freudlos, friedlos, hoffnungslos bleiben, bei aller Weltfreude dennoch so tief traurig? Soll es so bleiben? Sprich: „Nein, o nein, auch für meinen Jammer kommt die Zuversicht der HErr ist auferstanden!“

Geliebte! Es schmiegt sich das Wort unseres heutigen Evangeliums von den beiden Jüngern aus Emmaus recht dem Seelenbedürfnis derer an, die mit dem gestrigen Evangelium erfahren haben: „Mariensehnsucht Engelbotschaft Heilandserfahrung!“ Nun, mich dünkt, das haben wir schon oft erfahren und wir dürfen es heute wieder erfahren, denn wir machen uns auf und gehen wieder mit den beiden Jüngern nach Emmaus. Weil sie in Zweifelstraurigkeit waren, kommen sie auch zur Glaubensfreudigkeit, und diesen Weg lasst uns wieder mit ihnen antreten, auch die, welche im Glauben stehen, denn ach! mit wie viel Unglauben ist doch unser Glaube behaftet!

Von Jerusalem nach Emmaus, oder aus Zweifelstraurigkeit zu Glaubensfreudigkeit diesen Weg sehen wir in unserm heutigen Evangelium beschrieben. Lasst ihn uns antreten, auf dass wir gleich den Jüngern aus Emmaus und den andern das Begegnen des auferstandenen Heilandes erfahren, und die Bitte am Schluss: „HErr, bleibe bei uns, denn es will Abend werden und der Tag hat sich geneigt“ unser aller Bitte werde.

1.

„Und siehe, zwei aus ihnen gingen an demselbigen Tage in einen Flecken, der war von Jerusalem sechzig Feldweges weit, des Name heißt Emmaus.“ „Zwei aus ihnen“ nämlich aus der allertraurigsten Gesellschaft, die es auf Erden gab aus der Zahl der siebzig Jünger gingen zwei am Nachmittag des Ostersonntages nach Emmaus. Wie uns die Reisenden erzählen, die dort gewesen sind, soll dieser Weg von Jerusalem nach Emmaus noch jetzt ein lieblicher sein, durch dunkle Täler und schattige Olivenhaine auf Höhen hinauf, von denen sich ein weiter Blick erschließt auf die gesegneten Fluren des ganzen Landes. Und wenn dies noch jetzt so ist, wo das heilige Land zu einer Wüste geworden o, wie entzückend schön muss es damals gewesen sein aber für diese beiden Jünger nicht; für sie gab es kein erquickendes Grün, kein köstliches Himmelsblau, was ging sie das alles jetzt an? sie waren viel zu traurig dazu, um die Natur um sich her zu beachten; für sie endigte alles Denken und Sehen in Trostlosigkeit. Denn wo kommen sie her? Sie kommen von einem Grabe, aber von einem, was ganz anderes in sich geschlossen hat, als für uns je ein Grab. Ihre Hoffnung, ihr Leben lag in diesem Grabe. „Und sie redeten mit einander von allen diesen Geschichten.“ Sie reden von ihrem Wandel mit dem HErrn, sie reden vor allem von der Passionsgeschichte, die sie mit Ihm erlebt; aber noch war ihnen das Kreuz auf Golgatha, an dem Er gehangen, nicht tröstlich, weil es ihnen noch nicht von dem Glanze der Ostersonne erleuchtet worden war. Die Wunde, die ihrem Herzen am Karfreitage geschlagen wurde, sie blutete noch, sie war noch nicht verbunden. Da gesellte sich der HErr zu ihnen - im schlichten Pilgergewand war Er neben ihnen gegangen. Und es geschah, da sie so redeten und befragten sich mit einander, nahte sich Jesus zu ihnen und wandelte mit ihnen. Aber ihre Augen wurden gehalten, dass sie Ihn nicht kannten. Er aber sprach zu ihnen: „Was sind das für Reden, die ihr zwischen euch handelt unterwegs und seid traurig?“ Verwundert sehen sie Ihn an, dass Er so fragt, und denken wohl: die Vergnügten und Lustigen gehören eben zur „Welt“, („die Welt wird sich freuen“) die nun Ruhe zu haben meinte vor ihrem Friedenstörer. Sie schütten aber doch dem vermeintlichen Fremdling ihr Herz aus. Sie hatten sich an diesen Jesum gehängt, sie waren mit dem Jesus gewesen, sie schämen sich zwar dessen auch jetzt nicht; aber wie war es doch so ganz anders mit Ihm geworden, als sie vor acht Tagen erhofften, wo Er unter dem Jubel des Volkes, unter dem Hosiannageschrei der Menge in Jerusalem eingezogen war, wo sich alles so anließ, als werde Er nun als König von Israel Seine Herrlichkeit offenbaren. Aber nun! Da hing Er an seinem schmählichen Kreuze und „unsere Obersten haben Ihn überantwortet, dass Er gekreuzigt würde, wir aber hofften, Er sollte Israel erlösen“ denn nicht allein lebte in ihnen die Erinnerung an alle die Taten, die Er getan, „Er ist umhergezogen und hat wohlgetan allem Volke“ „wir aber hofften, Er sollte Israel erlösen,“ wir hielten Ihn für den durch alle Propheten verheißenen Erlöser und Heiland aber nun? Er ist tot und liegt im Grabe! Zwar, es ist etwas zu ihnen gekommen von dem Gerücht, dass Er nicht mehr im Grabe liege dass Er lebe; aber sie wollen es nicht glauben, sie wollen sich keiner neuen Täuschung hingeben und halten den Bericht, den sie davon gehört, für ein Zeichen aufgeregter weiblicher Phantasie: „Etliche unter uns gingen hin zum Grabe und fanden es also - nämlich das Grab leer - „Ihn aber fanden sie nicht“. Sie können es nicht glauben, dass Er wahrhaftig auf erstanden sei; wie sollte Er auch zuerst mit einigen Weibern verkehrt haben und nicht vielmehr vor allem mit Seinen Aposteln? nein alles liegt für sie mit Ihm im Grabe sie ziehen von Jerusalem weg, um die eine große Hoffnung ihres Lebens ärmer. So, Geliebte, stand es mit den beiden aus Emmaus. Voll Zweifelstraurigkeit waren sie, und wer konnte sie fröhlich machen? Und nun, Geliebte, wenn wir heute wieder dies Evangelium geschenkt bekommen, so ist es unseres Heilandes Wille, dass wir es auf uns anwenden sollen. Derer werden immer weniger unter uns, die seit dem Tage ihrer Taufe bisher hindurchgekommen sind ohne die Erfahrung: Wir hatten auch einen Heiland - aber wir haben Ihn nicht mehr, nämlich, wir haben Ihn nicht mehr lebendig. Selig preisen wir die, die wirklich so hindurch gekommen, dass sie das, was sie von ihren Eltern, Lehrern und wohl auch von einer frommen Großmutter gelernt, bewahrt und behalten haben bis ans Ende - wir preisen sie selig, aber solcher „Sonntagskinder“ werden immer weniger in unserm Geschlecht. O, meine Geliebten! Einer unserer Dichter sagt: „Der Mensch muss hinaus ins feindliche Leben“ das Leben um uns her wird immer feindlicher, feindseliger gegen Gott! Nun wendet sich der HErr zu uns und rät uns, was der selige Herberger in einer Auslegung der Stelle seinen Zuhörern rät: „Da antwortete einer mit Namen Kleophas“ setze du deinen Namen an die Stelle des andern, sei du der Gefährte des Kleophas und bekenne: „Ich hatte auch früher einen Heiland, ich hatte von meinem Vater, meiner Mutter, meiner Großmutter gelernt, was es heißt, zu Ihm beten, und ich erinnere mich wohl der Jahre, wo das Kindergebet: „Lieber Heiland mach mich fromm, dass ich zu Dir in Himmel komm“ auch mein Gebet gewesen! Aber nun? Du bist hinaus gekommen in das „feindliche“ Leben, ach, wie kalt, wie kalt! was für ein Frost hat dein inwendiges Leben befallen, denn derer werden immer mehr, die da behaupten und dir sagen, dass es nicht nötig sei, einen Heiland zu haben, das sei ein veralteter Aberglaube. Den haben auch ihre Obersten den Heiden überantwortet, dass Er gekreuzigt würde, und siehe, da bist auch du nicht hindurchgekommen mit heiler Herzenshaut, es heißt auch in dir: sollte da nicht doch was daran sein, sollte ich denn allein recht haben? Und in der Tat, sie ist reizend und sehr verlockend, diese Art Freiheit, die sie dir verheißen nämlich des Fleisches Freiheit! Aber wo haben diese Zweifel an alle dem, was du geglaubt hast, ihren Ursprung - wo ist ihr eigentlicher Sitz? Nicht im Kopfe, dass du das Unglaubliche nicht glauben könntest, sondern im Herzen ist ihr Sitz und ihr Vater ist der Teufel. Selig aber die, die doch wenigstens in Zweifelstraurigkeit dahingehen. Es gibt auch solche, die über den Zweifel hinaus sind, die sich einbilden, dass Buße und Bekehrung nicht nötig sind. „Der HErr ist auferstanden!“ ruft die Christenheit mit lauter Stimme in die ganze Welt hinein, und manche stellen sich zu diesem Rufe so: „Nun, warum soll Er nicht“? sie haben nicht einmal das Interesse des Widerspruchs. Wären sie lieber kalt als lau aus Erfrorenheit in Heilandlosigkeit - möchten sie noch eher auftauen und von der Ostersonne sich erwärmen lassen. O, dass niemand unter uns wäre, der so lau und gleichgültig stünde, und doch noch zu glauben meinte. Da ist der Teufel geschäftig in dir, da flüstert er z. B. zu der Stelle in der heutigen Epistel: „Unter allerlei Volk, wer Gott fürchtet und recht tut, der ist Ihm angenehm“ dass es verschiedne Wege gäbe zu dem Einen Ziele, und zeigt dir das mit Stellen, die er so deutet, dass der Sinn der ganzen Bibel umgekehrt wird. Ja, wer wie Kornelius „Gott fürchtet“, dass ihm die Haut schauert, so dass er bei dem Bankrott ankommt, nach Joppe schicken zu müssen, um Vergebung der Sünden zu erlangen, der ist Ihm angenehm. Aber wer Zweifel braucht, der findet sie auch in der heiligen Schrift, denn der HErr sagt: „Bei den Verkehrten bin ich verkehrt, und bei den Frommen bin ich fromm“, und es ist die Schrift selber so eingerichtet, dass diejenigen Lauter Anstöße finden, die nicht mit Mariensehnsucht und Emmauntentraurigkeit in der Schrift suchen. Zwischen Zweifel und Zweifel ist ein großer Unterschied: Wer wünscht in seinem Zweifel, dass es nichts sei mit diesem Jesu, mit dem Christentum, dem ist aus seinem Zweifel nicht zu helfen, denn aufgedrungen wird das Christentum niemandem, die Satten, die Unlauteren, die einen andern Heiland haben wollen, nicht den, der Sich ihnen in Christo erbietet nämlich sich selbst, die werden in ihren Sünden sterben. Aber die Zweifel unserer Emmaunten waren anderer Art. Bei ihnen hieß es: Ach, wer nimmt mir meinen Zweifel? Diesen kann man zurufen: Selig sind, die in Zweifelstraurigkeit stehen, denn sie sollen zur Glaubensfreudigkeit gelangen.

2.

Das verspricht uns unser heutiges Evangelium: Glaubensfreudigkeit! Wie tief ist oft der Christen Traurigkeit! Manchmal sind sie so traurig, dass sie es nicht merken und wissen, wer mit ihnen geht, wer um ihre Seele wirbt! Als der HErr hier eine Weile mit den beiden Jüngern gegangen ist, ohne dass sie's merkten da geht Er so nahe heran, dass sie Seine Stimme verstehen können: „Was sind das für Reden, die ihr zwischen euch handelt?“ und als sie befremdet Ihn ansehen: „Bist Du allein unter den Fremdlingen zu Jerusalem, der nicht wisse, was in diesen Tagen darinnen geschehen ist?“ Du musst doch wohl gehört haben von diesem Jesu, und wenn Du traurige Gesichter siehst, dann kannst Du gewiss sein, dass die zu Ihm gehören. Da kommt der Heiland noch näher an sie heran mit einer zweiten Frage: „Welches?“ Nun, Geliebte, ich weiß keine Stelle in der heiligen Schrift, die mir so wie diese den Umgang des HErrn mit der einzelnen Seele und Seine Lust vormalte, uns anzuhören, wenn wir unsere ganze Armseligkeit Ihm aussprechen. Er lässt es nicht bei der einen Frage bewenden, Er kommt mit einer zweiten noch näher und lockt uns dazu, vor Ihm das Herz recht auszuschütten. Ja, ich soll, indem ich's Ihm erzähle, es erst recht mir selbst erzählen! Denn was ich niemand sonst darf klagen, darf ich Ihm gar kühnlich sagen“. Und nun erfolgt ein Erguss aus Kleophas Herzen, wie wir demselben schon bei Betrachtung der Zweifelstraurigkeit vorgreifend zugehört haben; es ist uns, als fasse er alles zusammen in dies Wort: einen traurigeren Menschen als mich kann es wohl nicht geben! Und was antwortet ihm der HErr darauf? „Und er sprach zu ihnen: O, ihr Toren, und trägen Herzens, zu glauben alledem, das die Propheten geredet haben.“ Wie? Was nimmt denn dieser Fremdling sich heraus? Wie kann Er so schroff ihre Klage beantworten, sie Toren nennen? Ist das nicht fast Anmaßung? Hatten sie ihn doch um seine Meinung nicht gefragt! Aber das ist eben das Köstliche, die volle Aufrichtigkeit und Einfalt, in der die beiden Emmaunten stehen; Jesu Rede ist zwar tief einschneidend, aber sie beleidigt und verlegt sie nicht. Es widerspricht zwar der weltlichen Ansicht von der Sache denn der HErr nennt den Zweifel Torheit, die Welt nennt den Glauben so; aber der Zweifel an Ihm ist Torheit und er ist auch nicht unverschuldet, denn der Glaube, diese edle Kunst des Glaubens ist zwar nicht jedermanns Ding, aber sie ist jedem von Gott gegönnt, der nach einem Heiland dürstet. Doch, sie auch müssen es sich gefallen lassen, Toren, trägen Herzens gescholten zu werden. Träge, ihr Herz Gott hinzugeben, träge dazu, immer tiefer zu glauben, und faul, sich wirklich immer besser selbst zu erkennen, träge, zu glauben „allem, was die Propheten geredet haben“, träge, die heilige Schrift so zu verstehen, wie sie verstanden sein will, die heilige Schrift, die keinen Sinn hat, wenn Christus nicht ihr Mittelpunkt ist. Der heilige Augustinus sagt davon: „Trinke, was du liest in der heiligen Schrift, ohne Christum darin zu schmecken, und alles ist schal und abgeschmackt; aber schmecke darin Christum, so mundet es wie süßer Wein und macht dich trunken von Liebe. „O, ihr Toren!“ sagt der Heiland, „Toren, zu glauben alledem, das die Propheten geredet haben; musste nicht Christus solches leiden und zu Seiner Herrlichkeit eingehen?“

War es ein Zufall, dass Er solches alles litt? Wäre Er Christus ohne Leiden? Und nun fängt Er an von Mose und allen Propheten und legt ihnen die Schrift aus. Musste nicht Christus solches leiden, gibt es einen andern legitimen Weg für Ihn, einen Weg zur Krone ohne das Kreuz, geht es anders zum Licht ohne durch die Nacht? Wäre Er denn des Vaters rechter Sohn, und der wahrhaftige Menschensohn, wenn Er nicht an dem, das Er litt, Gehorsam gelernt hätte?

Und nun fangen die Herzen der Jünger an zu brennen unter der gewaltigen Rede; es fängt in ihnen Feuer, sie fangen an, die Schrift im Zusammenhang zu verstehen; da nun das Kreuz als Brennpunkt in ihre Seelen leuchtet, war's ihnen wie Sonnenstrahlen, die alle ausgehen von der Sonne am Kreuz. Es lebt in ihnen Christus auf, die Binde wird von ihren Augen genommen und nur noch wie ein dünner Schleier hängt sie vor denselben, dass sie noch nicht in die Knie sinken vor diesem Fremdling, denn der HErr hält an Sich, gibt Sich noch nicht voll und ganz ihnen zu erkennen, weil Er es bei ihnen zur Entscheidung bringen will. Sie kommen in den Flecken und der HErr stellte Sich, als wollte Er weiter gehen, und Er wäre auch gegangen, wenn sie Ihn nicht genötigt hätten, bei ihnen zu bleiben. O, Geliebte! kennen wir nun unsern Heiland recht? Es gibt das hat Er uns auf diesem Wege wieder gezeigt es gibt nur ein Mittel, durch welches wir erfahren, dass es einen Heiland gibt, das ist das Wort. Er hat mit diesen Jüngern geredet, wie ein Seelsorger und ein Lehrer und ihnen die Schrift ausgelegt, und während Er mit ihnen wandelt und einen. Wanderstab in der Hand trägt, wie alle Pilger, waltet Er über ihnen mit dem Hirtenstabe als der Bischof ihrer Seelen. Aber hätten sie sich Seinem Wort, diesem Seinem Unterricht verschlossen, Er hätte sie gelassen und wäre weiter gegangen. Nun aber kommt ihre Bitte: „Bleibe bei uns, denn es will Abend werden und der Tag hat sich geneigt“ - das sagen sie ja freilich wohl zunächst im Sinne sorglicher Gastfreundschaft, die sie Ihm erzeigen möchten, „lass dir's bei uns gefallen auch ferner, nachdem du bis hierher mit uns gegangen bist“- und wie oft mochte Er mit ihnen stehen geblieben sein! Aber auch in dem Sinne haben sie die Bitte an Ihn gebracht, dass sie verspürten, wie es ganz etwas besonderes sei um die Nähe dieses Fremdlings und wie es ohne Ihn ihnen unheimlich gewesen wäre in der Herberge, und das in der Nacht. Bleibe bei uns!“ „Und Er ging hinein, bei ihnen zu bleiben.“ O, wie gern! Ihm gefällt es immer, bei uns zu bleiben. Ach, es gibt verschiedenes Abendwerden! Wenn so manches Freudenlicht in deinem Leben untergeht, wenn so manche Sorge, tiefer Kummer deine Seele erfüllt, dann wird es Abend in deiner Kammer; aber sei getrost, auch in deine Kammer bricht das Osterlicht. Bring nur deinem Heiland deine Not, deine Angst und deine Sorge, und Er wird zu dir eingehen und dir das Brot brechen und dich segnen, und so wie Er segnet, segnet doch keine andere Hand. Und so gönnt Er in allem Jammer und Elend, in aller Herzenstraurigkeit uns wohl Erquickungsstunden, wo wir überwallt und überwältigt werden von der Wonne der Erquickung in Seiner Nähe. Er bleibt bei uns, auch wenn schwere Versuchungen oder Anfechtungen über uns kommen. Wenn wir flehen „HErr, bleibe bei uns!“ so wird Er immer wieder bei uns bleiben und wir werden Seine wunderbare Hand erkennen und sie küssen, wenn wir meinen, der Tag habe sich schon ganz gesenkt und die Sonne sei untergegangen über jedem Freudentage unseres Lebens. O, Geliebte, wenn wir Ihn bitten: „HErr, bleibe bei uns!“ sollte Er da bei uns vorübergehen? O nein, das kann Er nicht. Und endlich kommt der letzte Abend - mein letzter Abend, da es heißt: „HErr, bleibe Du bei mir,“ da wird Er bei mir bleiben und Er wird mich wahrhaftig in Seine Arme nehmen als Sein liebes Kind und ich werde Ihn daran erkennen, dass Er mir das Brot bricht zur letzten Wegzehrung. Unser Evangelium schließt aber so, dass der Weg sich wendet von Emmaus nach Jerusalem.

„Und sie standen wieder auf zu derselbigen Stunde, kehrten wieder gen Jerusalem und fanden die Elfe versammelt und die bei ihnen waren.“ Nun, mag's draußen noch so dunkle Nacht, nun mag Er vor ihren leiblichen Augen auch wieder verschwunden sein, es hält sie nichts mehr, sie müssen zurück zu den Brüdern nach Jerusalem, und da kommen sie, und finden die Brüder noch versammelt, welche sprechen: „der HErr ist wahrhaftig auferstanden und Simoni erschienen.“ „Und sie erzählten ihnen, was auf dem Wege geschehen war, und wie Er von ihnen erkannt wäre an dem, da Er das Brot brach! Von Emmaus nach Jerusalem! Wo ist Jerusalem unser Jerusalem? Da, wo Jünger und Jüngerinnen zusammen kommen und sich erzählen von dem, was sie erfahren haben; da, wo Er wohnt mit Seinen Wundern auch in der Gemeinde. Von Emmaus nach Jerusalem - vom rechten zum einigen, gemeinschaftlichen Glauben. „Ich freue mich des, das mir geredet ist, dass ich werde ins Haus des HErrn gehen, und meine Füße werden stehen in deinen Toren, Jerusalem!“ Wo ist Jerusalem? „Jerusalem, du hochgebaute Stadt, wollt Gott, ich wär in dir“ in dir - „mein sehnlich Herz so groß Verlangen hat und ist nicht mehr bei mir.“ Da oben ist unser himmlisches Jerusalem. „Jerusalem droben, von Golde erbaut, da, da ist die Heimat der Seele, der Braut!“ Wir kommen von Emmaus, von dem Wege, da Er mit uns gegangen, bei uns geblieben ist und wir pilgern nach Jerusalem dem Jerusalem, das droben ist. Da wird es dann zu den unerschöpften Seligkeiten gehören, dass wir einander erzählen werden von dem, was Er an uns getan wo wir am kristallenen Strom der dann durchsichtigen Taten des HErrn erkennen werden, wie Er Wege allerwegen gehabt hat, oft krumme und doch gerade, um uns selig zu machen, uns zu führen aus Traurigkeit zur Freude zur ewigen, unaussprechlichen Freude und zum Anstimmen des Halleluja ohne Ende. Halleluja! Amen.

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