Besser, Wilhelm Friedrich - Am siebenten Sonntag nach Trinitatis.

Besser, Wilhelm Friedrich - Am siebenten Sonntag nach Trinitatis.

(Aus dem Polnischen.)

Gnade und Friede von Gott, dem Vater unsers HErrn Jesu Christi und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen! Amen.

Röm. 6,19-23.
Text: Ich muss menschlich davon reden um der Schwachheit willen eures Fleisches. Gleichwie ihr eure Glieder begeben habt zu Dienste der Unreinigkeit und von einer Ungerechtigkeit zu der andern, also begebt nun auch eure Glieder zu Dienste der Gerechtigkeit, dass sie heilig werden. Denn da ihr der Sünde Knechte wart, da wart ihr frei von der Gerechtigkeit. Was hattet ihr nun zu der Zeit für Frucht? Welcher ihr euch jetzt schämt; denn das Ende derselbigen ist der Tod. Nun ihr aber seid von der Sünde frei, und Gottes Knechte worden, habt ihr eure Frucht, dass ihr heilig werdet, das Ende aber das ewige Leben. Denn der Tod ist der Sünde Sold; aber die Gabe Gottes ist das ewige Leben in Christo Jesu, unserm HErrn.

Nicht als Gast und Fremdling, meine Lieben, betrete ich heut diese Kanzel. Denn wenn auch ihr Holz ein anderes ist als das der Waldenburger Kanzel, so wisst ihr doch, meine geliebten Brüder, dass die eine heilige Kirche eigentlich nicht viele verschiedene Kanzeln hat, sondern nur eine; ebenso wie, wo der HErr Sein Wort durch eine große Schar von Evangelisten gibt, doch alle dieselbe verkündigende Stimme hören lassen. Darum werde ich nichts neues zu euch reden, sondern das, was ihr von Anfang gehört habt. Aber darüber freue ich mich heut, dass mir, der ich bisher euch fremd war nach der Sprache, wenn auch niemals nach dem Herzen, der HErr gleichsam eine neue Zunge gegeben hat, mit der ich euch das alte Evangelium verkündigen darf. Und ihr, Geliebte in Christo, nehmt desto lieber mit stillem und freudigem Geiste dies Wort Gottes auf, weil ihr sichtlich erkennt, wie der gnädige Gott noch unter euch wohnen will mittels der Verkündigung des einigen Evangeliums in eurer eigenen Sprache, welches von Alters her in diesem Lande in die Herzen der lutherischen Bekenner lauter und rein gepflanzt ist. Hört nun den Episteltext unseres heutigen Sonntags, der geschrieben steht im Brief an die Römer im 6. Kapitel vom 19. bis 23. Vers (s. oben).

O HErr Jesu! Ohne Dich können wir nichts tun! Erleuchte unser Herz mit Deinem heiligen Geist! Öffne meinen Mund, auf dass ich Dir wohlgefällig und verständlich rede, öffne die Ohren der Zuhörer, auf dass Dein himmlischer Same nicht auf den Weg falle, noch auf den Fels, noch unter die Dornen, sondern dass er auf gutes Land falle! Erbarme Dich unser und hilf uns! Amen.

Niemand kann zwei Herren dienen, sagt der HErr Jesus. Einem aber muss jeder dienen. Aus unserer heutigen Lektion, Geliebte, kann jeder von uns erfahren, zu welchem Herrn er sich hält und verkündigt in uns die Ermahnung, welche wir aus unserm Text schöpfen wollen: Seht wohl zu, dass ihr in den Dienst bei dem rechten Herrn euch begebt! Wir betrachten demnach dreierlei: 1) die verschiedenen Herren, 2) den verschiedenen Dienst, 3) den verschiedenen Lohn.

1.

Kurz vor unserm Text redet der heilige Apostel die Gemeinde zu Rom als Sklaven im Dienste der Gerechtigkeit an. Dies ist allerdings ein grober irdischer Vergleich für eine zarte himmlische Sache. Darum beginnt er die Fortsetzung seiner Rede mit: „Ich muss menschlich davon reden“. Es gefällt dem heiligen Geiste, sich in der Sprache der heiligen Schrift so zu uns herabzulassen, damit wir verstehen können, was wir lesen. Er bemüht sich, uns die Wahrheit so massiv und handgreiflich nahe zu bringen, indem er sie der Schwachheit unseres Fleisches anpasst, der gemäß wir geistliche Dinge nur durch einen Spiegel zu sehen vermögen. Die Römer verstanden wohl, was es heiße, ein Sklave oder Leibeigner zu sein. Denn zur Zeit der Apostel war die ganze Welt geteilt in Freie und Sklaven. Es gab keinen Unterschied, der alle Lebensstellungen gleich tief durchdrang, wie eben dieser Unterschied von Freien und Sklaven. Nun, diesen Unterschied wendet der Apostel in menschlicher Redeweise auf den Dienst unter jenen beiden Herren an, in den sich die ganze Welt teilt, so dass ein jeder, wer er auch sei, einem oder dem andern von beiden angehören muss. Achtet aber wohl auf das wunderbare Ding: die Knechtschaft unter dem einen Herrn ist zugleich die höchste Freiheit, die Knechte des andern Herrn dagegen träumen von Freiheit in ihrem Gefängnis.

Der eine Herr ist Gott, der andere die Sünde. Lasst uns beiden ins Gesicht sehen, mit Fleiß sie betrachten. Gott der HErr ist gut und fromm und ist nichts ungerechtes an Ihm. Barmherzig und gnädig ist der HErr unser Gott, geduldig und von großer Gnade und Treue. Gott ist die Liebe und Seine Herrlichkeit ist Gnade. Die Güte und Gnade Gottes ist der Quell deines Seins, deines Lebens, deines Heils. Aus lauter väterlicher, göttlicher Güte und Barmherzigkeit hat Er dich erschaffen und erhält dich noch, mit großem Erbarmen hat Er dich durch Seinen Sohn erlöst, täglich trägt Er dich als Sein Eigentum wie auf Adlersfittichen und hat eine Wohnung ewiger Ruhe dir bereitet. Dagegen der andere, sieh der Sünde ins Angesicht! Dieser Herr hat in seinem weiten Reich viele Statthalter und Regierer, als da sind: Lüge, Unglaube, Hoffart, Neid, Hass, Zorn, Wollust, Prassen, Hurerei und wie sie sonst heißen. Alle insgesamt sind sie Feindschaft wider Gott, in welcher sich die eigentliche Art der Sünde zu erkennen gibt, und alle wirken sie mit den beiden Händen, die hier der Apostel Unreinigkeit und Ungerechtigkeit nennt. Sieh da der Sünde doppelt hässliches Angesicht! Sie ist Unreinigkeit, weil sie den Menschen besudelt und schändet, sie ist Ungerechtigkeit, weil sie ihn zum Missetäter und Schuldner macht. Nach Schaden und Verderben trachtet die Sünde immer, sie will in unserm Fleische und in der Welt herrschen wie in ihrem Erbteil, als ob der Sohn Gottes nicht gekommen wäre und die Werke des Teufels zerstört hätte, oder richtiger zu reden: der, welcher ist die leibhaftige Sünde, nämlich der Teufel, verteidigt mit großem Zorn seinen Palast gegen den Stärkeren, der über ihn gekommen ist. Obgleich der Apostel den Bösewicht nicht mit Namen nennt, so sieht er ihn doch überall hinter der als Person dargestellten Sünde stehen, gleichwie andrerseits aus der Gerechtigkeit der Geist Christi hervorblickt. Sagt nun selbst, ob die Sünde jemals euch etwas Gutes getan hat? Oder was hat sie denen Gutes getan, die ihr gedient haben? Durchaus nichts! Im Gegenteil, das edle Ebenbild und den Frieden Gottes hat sie in ihnen zerstört, ihr Herz zerrissen und es zu einem ungestümen Meer gemacht, dessen Wasser Schlamm und Kot auswerfen. Die selige Hoffnung, der sie im Lande des Elends sich trösten sollten, hat sie in Nacht verwandelt. Geliebte, seht doch mit rechtem Fleiß den beiden verschiedenen Herren ins Gesicht! Weiter Gott der HErr ist der allmächtige Gott! Er ist der Gott, der Wunder tut, Er vermag zu helfen und zu erretten. Die Allmacht ist gleichsam der Stab, an welchem die Liebe Gottes wandelt, der Arm an dem Herzen Gottes. Ja, ihr sind die Verheißungen Gottes Ja und Amen. Wenn Joseph unschuldig im Gefängnis sitzt, so öffnet Gott die Tür, die Träume Pharaos müssen dazu der Schlüssel werden. Wenn Israel geängstet vor dem roten Meer steht, hinter sich den mächtigen Feind und vor sich die ungestümen Meereswogen, so bahnt Gott der HErr einen trocknen Weg durchs Meer, denn Sein Volk soll in sein Kanaan kommen. Wenn Daniel in der Löwengrube und die drei Männer im feurigen Ofen sitzen, so hält der HErr den Löwen den Rachen zu und erlaubt den Flammen nicht, jenen auch nur ein Haar zu versengen.

Aber nun, wie steht es um die Macht der Sünde? Welche Macht haben dein eignes Fleisch, die Welt und der Teufel? In die Tiefe des Elends zu stürzen vermögen sie, aber nicht, dich wieder aus dem Abgrund heraufzuholen. Schlagen dir die Wellen über dem Haupte zusammen, so fällt dein Fleisch in Verzweiflung, die Kinder der Welt stehen mit Achselzucken abseits, und Satan freut sich mit Hohngelächter, dass er wieder ein Kind Gottes ins Verderben gestürzt hat. O seht beiden Herren recht ins Gesicht! Endlich, Gott der HErr ist ein treuer Herr. Gottes Liebe ist kein Rohr, sondern ein Fels. Sie ist der goldene Faden, der sich durch die ganze Geschichte der Menschheit, auch durch deine eigene Lebensgeschichte bis in die Ewigkeit hindurchzieht. Und dieser barmherzige und treue Gott spricht: „Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen; aber Meine Gnade soll nicht von Dir weichen.“ Und wiederum spricht der HErr: „Kann auch ein Weib ihres Kindleins vergessen, dass sie sich nicht erbarme über den Sohn ihres Leibes? Und ob sie desselbigen vergäße, so will Ich doch dein nicht vergessen. Siehe, in die Hände habe Ich dich gezeichnet.“ Und abermals: „Ich habe dich je und je geliebt, darum habe Ich dich zu Mir gezogen aus großer Güte.“ Darum hören wir auch die Diener dieses HErrn, welche offene Augen für die Wege Seiner Treue haben, mit einem Sinn und einem Munde den HErrn bekennen, dessen Barmherzigkeit ewiglich währet. Aber was haben wir nun von der Treue des andern Herrn zu rühmen, nämlich von der Treue der Sünde? Ach! dein Herz ist überaus betrüglich, heut trotzig und morgen verzagt. Die Welt gleicht, wie man treffend gesagt hat, dem Maulesel Absaloms, sie lässt in der Not den Kopf ihres Reiters an den Zweigen der Eiche hängen und läuft unter ihm hinweg. Und er, der Lügner von Anfang, wie hält er seine gleißnerischen Versprechungen? Siehe, bis hierher hat er noch jeden betrogen, sollte er mit dir besser verfahren?

O meine Geliebten, lasst uns beiden Herren scharf und ernst ins Gesicht blicken! Der eine will unsre Seligkeit, der andre unser Verderben. Und darum gehe in dich, lieber Christ, nachdem der gute HErr heute wieder Seine Hände ausstreckt. Prüfe aufrichtig dein Herz und frage dich, welchem Herrn du dienst. Wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz“, sagt der HErr Jesus. Wenn es wirklich wahr ist, dass du deinen Heiland über alles liebst und immer mehr zu lieben wünschest; wenn es wahr ist, dass du die Sünde hasst und sie immer tiefer verabscheuen möchtest; wenn es wahr ist, dass du dein Fleisch mit seinen Lüsten und Begierden täglich kreuzigest und danach trachtest, dich von der Welt unbefleckt, vom Teufel unangetastet zu erhalten dann ist Gott dein HErr. Wenn du dagegen Gott den HErrn als Nebenperson behandelst in deinem Leben; wenn du das erste frischeste grüne Reis deines Herzens für dich und die Lust der Welt behältst und daneben Gott z. B. Sonntags mit etlichen welken Blättern abfinden willst, dann - täusche dich nicht - ist die Sünde dein Herr. Steht es so mit einem unter euch? Ach weh! Aber es ist solchem besser, dass er es wisse, als dass er es nicht wisse. Höre! Wer dem falschen Herrn angehört, kann noch heute ihm den Dienst kündigen. Hier braucht man keinen Kündigungstermin abzuwarten. Du kannst ihm den schnöden Groschen, mit dem er dich zu sich lockte, stracks vor die Füße werfen! Möchte dazu dich reizen die Betrachtung des verschiedenen Dienstes bei den verschiedenen Herren.

2.

Denn so sagt der Apostel: „Gleichwie ihr eure Glieder begeben habt zum Dienst der Unreinigkeit und von einer Ungerechtigkeit zu der andern: also begebt nun auch eure Glieder zum Dienst der Gerechtigkeit, dass sie heilig werden.“ Danach ist also der Dienst bei Gott der Dienst der Gerechtigkeit zum Heilig werden. Zu solchem Dienste sind wir Gott geknechtet, wie wir in unserm Texte lesen. Ihr wisst, Geliebte in Christo, um welch teures Lösegeld wir von der Knechtschaft der Sünde frei geworden sind, auf dass wir Knechte Gottes zum Dienst der Gerechtigkeit würden. Unser christlicher Dienst besteht vor allem darin, dass wir die Gerechtigkeit annehmen, ich sage: annehmen von Gott unserm Heilande. Dieser passive Dienst des Annehmens ist der Glaube. Ehe wir vermögen, der Gerechtigkeit zu leben, als „die aus dem Tode lebendig find“, wie der Apostel kurz vor unserm Texte davon redet, müssen wir die Gerechtigkeit zum Leben aus Gnaden durch den Glauben empfangen. Nur eingewurzelt in die Gerechtigkeit Jesu Christi wächst der Baum christlicher Gerechtigkeit und trägt gute Früchte. Aus der Fülle Gottes nehmen wir Gnade um Gnade und aus der Quelle des Lebens schöpfen wir das Leben. Welch seliger Dienst ist dies! Indem wir uns Ihm übergeben, nehmen wir Ihn. Wir bringen Ihm unsere Armut; unter allen unsern Gliedern begeben wir zuerst diese unsre leeren Bettlerhände zum Dienste des nehmenden Glaubens, und wir empfangen in unser bedürftiges Herz den Reichtum Seiner Gnade. Und so bereitet der HErr selbst uns zu dem tätigen Dienste der Gerechtigkeit, in welchem wir Ihm wiedergeben, was Er uns gereicht. „Wenn Du mein Herz tröstest, so laufe ich den Weg Deiner Gebote.“ Der HErr hat uns unsern Dienst bei Ihm in den heiligen zehn Geboten vorgeschrieben, aber gelobt sei Er, dass Er ihn auch in unser Herz geschrieben! Denn jetzt wollen wir auch, was wir sollen, d. h. Ihn fürchten und lieben, damit wir in Seinen Geboten wandeln; und nun stimmen wir aus Erfahrung darin überein mit dem heiligen Johannes, dass Seine Gebote nicht schwer sind. Wenn das Gesetz Gottes unsern alten Menschen trifft, fühlen wir freilich jedes Mal in unserm Fleische mit Schmerz das Opfermesser, aber wollen wir es dem HErrn aus der Hand schlagen? das sei ferne! Im Gegenteil, lasst uns denn uns üben in der Bitte: „Dein Wille geschehe.“ Damit übergeben wir Ihm unsern Eigenwillen ganz zum brechen, und so wird denn unser Leib zu einem lebendigen, heiligen, Gott wohlgefälligen Opfer werden. Dieser unser Dienst ist ein „vernünftiger“, denn wir dienen darin dem heiligen Gott als zur Heiligung, zum Heiligwerden Berufene. Sehr treffend heißt es: „zum Heilig werden!“ Im Polnischen findet sich bei dem Worte, welches „Heiligung“ bedeutet, eine kleine Vorsilbe, die, wie ich gelernt habe, den Wörtern, denen sie beigegeben ist, oft die Bedeutung von etwas Allmähligem gibt, von etwas, was nach und nach, der Reihe nach vollends geschieht. Ja wahrlich! nach und nach, von Tag zu Tage geschieht die christliche Heiligung, welche alle Kräfte des Leibes und der Seele erfasst, indem sie von Innen nach Außen fortschreitet, d. h. vom Geiste des Gemüts auf alle Glieder sich erstreckt. „Nach und nach,“ das kennzeichnet den Dienst bei unserm lieben HErrn, dessen Langmut und Geduld wir für unsre Seligkeit zu achten haben. In dem Leben dieses Fleisches gibt es keine andere Heiligkeit als die, welche mit St. Paulo bekennt: „Nicht, dass ich es schon ergriffen hätte oder vollkommen sei; ich jage ihm aber nach, ob ich es ergreifen möchte, nachdem ich von Jesu Christo ergriffen bin.“ Das ist die evangelische Vollkommenheit! Zur Heiligung, zum Heiligwerden fangen wir jeden Tag an, indem wir unsern himmlischen Vater bitten, Er wolle uns vor der Sünde und allem Übel bewahren, damit Ihm unser Leben und all unser Tun wohlgefallen könne. Und wenn wir danach an unsre Arbeit gehen, so ist dennoch unser Gottesdienst nicht zu Ende. „Zum Heiligwerden,“ das ist die tägliche Losung auf allen unsern Berufswegen, denn überall wissen wir uns in dem Dienst des HErrn, der dort am See Genezareth das Net Simons segnete und uns auch die bitterste Arbeit versüßt durch den teuren Befehl: „Alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles in dem Namen Jesu Christi und dankt Gott und dem Vater durch Ihn.“ Welches Herz der HErr Jesus für uns hat, auch in Bezug auf das tägliche Brot, das lernen wir aus dem heutigen Evangelium zu großem Trost. Denn dort denkt der HErr selbst zuerst an die leibliche Not Seiner Zuhörer, indem Er sagt: „Mich jammert des Volkes, denn sie haben nun drei Tage bei Mir ausgeharrt und haben nichts zu essen; und wenn Ich sie ungegessen von Mir heimgehen ließe, so würden sie verschmachten auf dem Wege.“ Uns allen, meine Geliebten, ist dies Wort gesagt. Im Dienste des HErrn Jesu ist noch niemals jemand verhungert; immer noch müssen alle bekennen: „Bei Dir, HErr, haben wir nie keinen Mangel gehabt.' An dem Abend eines jeden Tages, den wir im Dienste Gottes verlebten, legen wir uns zur Ruhe nieder, allerdings nicht zufrieden mit unserm Tun, ach! denn wie viel fehlte wieder an unserm. Gehorsam; doch im Vertrauen auf die Vergebung unsrer Sünden und trotz allem, was uns traurig machen möchte, gehen wir doch fröhlich zur Ruhe, in unserm Kämmerlein singend:

Breit aus die Flügel beide,
Jesu, meine Freude,
Und nimm Dein Küchlein ein!
Will Satan mich verschlingen,
So lass die Englein singen,
Dies Kind soll unverletzet sein.

In diesem Abendliede lehrt uns Paul Gerhardt jeden Tag beschließen im Hinblick auf unsers Lebens Ende. Wohl allen, welche das lernen!

Aber hingegen der Dienst der Sünde, mit welcher Mühsal belastet Er uns! Zum Tun der Ungerechtigkeit anstatt zur Heiligung begeben die Knechte der Sünde ihre Glieder, Leib und Seele, und weil sie frei sind von der Gerechtigkeit (wie der Aussätzige frei ist von der Gesundheit), so tun sie, was ihnen gelüstet. Doch glücklich werden sie nimmermehr. Die Sünde erregt die Leidenschaften, aber sie kann dem Herzen keinen Frieden geben. Oder haben wir vorhin nicht recht gesungen von dem schweren Joche: „Darunter das Herze sich naget und plaget und dennoch kein wahres Vergnügen erjaget.“ Der Stolze zimmert in seinen Plänen täglich an prächtigen Luftschlössern; aber eine Ruhebank gibt es in solchen Palästen nicht. Der Geizige zieht den Götzenkarren, vor welchen er gespannt ist, durch alle Pfützen; aber wer wischt ihm den Schweiß von der Stirn? Der Gehässige und Neidische heizt sich selber den Ofen, in welchem seine Seele brennt. Der Wollüstige lässt sich auf dem schmutzigen Wege des Fleisches führen, wie der bekränzte Ochse zur Schlachtbank. „Siehe, das Glück der Toren verrät sie; das die Albernen gelüstet, tötet sie, und der Ruchlosen Glück bringt sie um.“ Und selbst, wo die Knechte der Sünde erreichen, wonach sie jagen, haben sie doch nichts. Sie essen und werden nicht satt, sie trinken und bleiben durstig, sie halten sich für reich und sind doch arm. Und welches Ende hat ein Tag in solchem Dienst? Wenn der Knecht der Sünde sich eines Erfolges oder der Befriedigung seiner Lust erfreut, so schreit in diese Lust hinein das Gewissen wie die Eule in die Nacht; wenn er während des Tages sein Ziel nicht zu erreichen vermochte, so nagen Kummer und Verdruss ihm am Herzen, neue Pläne werden geschmiedet, und die Seele hat weder im Wachen noch im Schlafe Ruhe. Gott kann er sich nicht befehlen, und die Sünde gönnt ihren Knechten auch nicht eine ruhige Stunde. „Die Gottlosen haben keinen Frieden,“ spricht der HErr. Das ist der jammervolle Dienst, unter dem auch die Römer einstmals seufzten. Aber seht, sie sind frei geworden. Der heilige Apostel erblickt im Geist auf ihren Angesichtern die Schamröte, mit der sie lesen werden, was er ihnen schreibt. „Und was hattet ihr zu der Zeit für Furcht? welcher ihr euch jetzt schämt.“ O, möchte die glühend rote Rose dieser Scham allen denen erblühen, welche die Lilie ihrer Taufreinigkeit haben verwelken lassen! Das Ende der Dinge, welcher bekehrte Christen sich schämen, ist der Tod. Schon in den Früchten, welche die Knechte der Sünde für Lebensgenuss halten, ist der Tod verborgen, und es kommt die Stunde, wo er offenbar werden wird.

3.

Und nun, geliebte Zuhörer, öffnet die Ohren recht, auf dass ihr aufs neue tief ins Herz fassen mögt jenen Ausspruch des Apostels, den ihr von Jugend auf wohl kennt: „Denn der Tod ist der Sünde Sold, die Gabe Gottes aber ist das ewige Leben in Christo Jesu unserm HErrn.“ Siehe da den verschiedenen Lohn für den verschiedenen Dienst bei den verschiedenen Herren. Bezahlung oder genauer „Sold“ nennt der Apostel den Lohn, welchen die Sünde ihren Knechten dafür auszahlt, dass sie ihre Glieder zu Waffen der Ungerechtigkeit begeben. Mannigfaltig, gleich wie der Sold der Soldaten unter einem Kriegsherrn, der in Brot, Kleidung, Geld besteht, ist auch der Sold der Sünde, die ganze Summe derselben aber heißt Tod, eitel Tod. Das Brot des Verderbens, welches die Sünde der Seele für alle argen Gedanken auszahlt, ist der Tod. Das schändliche Kleid, welches sie dem Leibe für alle unreinen Worte und Werke auszahlt, ist der Tod! Das feurige Geld, welches sie dem Leibe und der Seele in der Hölle für den gesamten Dienst der Ungerechtigkeit auszahlt, ist der Tod. Vor der Auszahlung gibt die Sünde ihrem Solde hübsche Namen, niedliche Leckerbissen verspricht sie ihnen zur Zukost und nun der dürre Tod! Und sie muss pünktlich ihren Söldnern solchen Todessold auszahlen, das ist das unverbrüchliche Strafurteil Gottes, welches der Gewalthaber des Todes, d. i. der Teufel durch die Sünde vollstrecken muss an allen, welche sich diesem Herrn ergeben, um zubereitet zu werden zur Verdamnis. Ach, sauer erarbeitet ist der Sünde Sold und das zum Empfangen ewiger Pein. Aber gelobt sei Gott, dass unser HErr Jesus Christus der Sünde zu einem Male gestorben ist und für uns geschmeckt hat den Sold, den wir verdient hatten. Darum können wir nun der Sünde nicht mehr dienen zum Tode, sondern das ist nun unser Teil, dass wir im Dienste unsers guten HErrn uns täglich freuen dürfen der Gnade Jesu Christi, bis wir sehen werden, dass die Gnadengabe Gottes ist das ewige Leben, nicht bloß Lebensmittel, sondern das Leben selbst. Merket doch auf den Unterschied des Lohns! Sold ist der Lohn der Sünde, aber Gnadengabe ist der Lohn Gottes! Da wir getauft wurden in den Tod Jesu Christi, und gläubig wurden an Seinen Namen, haben wir durch die Rechtfertigung das ewige Leben als Gnadengabe empfangen. Kommt uns hernach etwa aus den Werken Leben und Seligkeit? Nun und nimmermehr! Sondern wie wir aus Gnaden durch den Glauben ins Leben versetzt sind, so werden wir auch aus Gottes Macht durch den Glauben im Leben erhalten und zur Offenbarung des Lebens bewahrt. Die Gabe hört nie auf, Gabe zu sein. Der Gnadenlohn hat ganz und gar kein Gleiches mit der Bezahlung nach Verdienst oder Schuldigkeit. Vielmehr wissen wir ja, wie von den Arbeitern im Weinberge die Letzten ebenso wohl als die Ersten ihren Groschen empfingen. Welch wundersamer Lohn! Die Gnade lohnt ihr eigenes Werk in ihren Dienern; denn die Früchte der Gerechtigkeit, welche sie bringen, wachsen daher durch Christum zur Ehre und zum Lobe Gottes.“ Dem Ausharren im Glauben folgt der Lohn des Schauens, und alsdann werden wir sehen, was das sei: „ein vollgedrückt, geschüttelt und überflüssig Maß in unsern Schoß gegeben.“ Gewiss, ohne Heiligung wird niemand Gott sehen; wer aber Ihn sehen und in Ihm das ewige Leben sehen wird, wird erfahren die volle Genüge der Gnade Gottes, welche alles in uns armen Sündern tut durch Christum Jesum unserm HErrn. Von unsrer Taufe an, womit dies sechste Kapitel im Römerbriefe anfängt, bis zum Eingang ins ewige Leben, womit dasselbe endigt, leuchtet uns ein Name zur Seligkeit. Dieser ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben. In Ihm erfunden, in Ihn eingepflanzt zur Gleiche (Römer 6, 4) seiner Auferstehung haben wir schon in diesem Leben unsere Frucht, dass wir heilig werden; das Ende aber das ewige Leben, dessen Erstlinge wir jetzt haben in der Vergebung der Sünden und in der Kindschaft, und welches offenbart werden wird an uns als an den Miterben des einigen Erben, Jesu Christi, unsers HErrn.

Sehen wir wohl zu, meine Brüder, dass wir in den Dienst bei dem rechten HErrn uns begeben! Wer etwa zu dem unrechten sich verirrt hätte, der beschließe doch ja diesen Sonntag nicht ohne den Seufzer: „O, HErr Jesu, suche Deinen Knecht!“ Wer aber heute aufs neue geschmeckt hat, wie freundlich der HErr ist, und welch köstlich Ding es ist um den Dienst bei Ihm, der sage aus tiefstem Herzen: „Lobe den HErrn, meine Seele!“ und bete mit der ganzen Christenheit also:

Erhalt uns in der Wahrheit, Gib ewigliche Freiheit, Zu loben deinen Namen Durch Jesum Christum. Amen.

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