Besser, Wilhelm Friedrich - Am zweiten Sonntag nach Trinitatis 1874.

Besser, Wilhelm Friedrich - Am zweiten Sonntag nach Trinitatis 1874.

Vom großen Abendmahl: Lukas 14,16-24.
Text: Er aber sprach zu ihm: Es war ein Mensch, der machte ein großes Abendmahl, und lud viele dazu. Und sandte seinen Knecht aus zur Stunde des Abendmahls, zu sagen den Geladenen: Kommt, denn es ist alles bereit. Und sie fingen an alle nach einander sich zu entschuldigen. Der Erste sprach zu ihm: Ich habe einen Acker gekauft, und muss hinaus gehen, und ihn besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. Und der Andere sprach: Ich habe fünf Joch Ochsen gekauft, und muss hinaus gehen, und sie besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. Und der Dritte sprach: Ich habe ein Weib genommen, darum kann ich nicht kommen. Und der Knecht kam, und sagte das seinem Herrn wieder. Da ward der Hausherr zornig, und sprach zu seinem Knechte: Gehe aus bald auf die Straßen und Gassen der Stadt, und führe die Armen, und Krüppel, und Lahmen, und Blinden herein. Und der Knecht sprach: Herr, es ist geschehen, was du befohlen hast; es ist aber noch Raum da. Und der Herr sprach zu dem Knechte: Gehe aus auf die Landstraßen, und an die Zäune, und nötige sie herein zu kommen, auf dass mein Haus voll werde. Ich sage euch aber, dass der Männer keiner, die geladen sind, mein Abendmahl schmecken wird.

„Kommt es ist alles bereit,“ mit diesem Wort, Geliebte, mögen wir wohl den beiden Hälften des Kirchenjahrs ihr Zeichen, ihre Signatur geben. Das Wie, wie der HErr alles bereit gemacht hat für uns, das haben wir in der ersten Hälfte gehört bis zum Sonntag Trinitatis; die zweite Hälfte ruft uns zu: Ihr aber kommt, kommt und betragt euch als die hochgeliebten Gäste eines solchen Abendmahls, und besonders in der ersten Zeit der zweiten Hälfte, da ist die rechte Berufungszeit, die da laut predigt: Des Menschen Sohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist. Auch heut wieder erschallt uns diese Stimme, denn von den beiden Hauptberufungsevangelien steht eins am Anfang, das andere am Ende der zweiten Kirchenjahrshälfte und beide tun uns weit auf die Flügeltüren zu der Gnade in dem Herzen unseres Gottes. Wie ruft Er so herzbeweglich: „Warum wollt ihr sterben, ihr vom Hause Israel? Lasst Mir doch die Gottesfreude, euch selig zu machen.“ Denn so sieht es stets in dem Herzen Gottes aus. „Ich strecke Meine Hände aus den ganzen Tag,“ aber freilich, ach leider heißt es dann weiter: „zu einem ungehorsamen Volke.“ Aber wenn ich mir das Bild Gottes malen wollte, so würde ich es recht treffen, wenn ich Ihn mir vorstellte mit ausgestreckten Armen bittend und lockend: „Kommt, bitte; lasst euch bewegen und wendet euch zu Mir, so werdet ihr selig;“ so sollt ihr jetzt schon selig werden, lasst aus euch Leute machen, die Jesum bei sich haben und glücklich sind; das ist die Stimme unsers Gottes, lasst sie uns recht ins Herz fassen nach dem heutigen Evangelium.

Unser Text fängt mit den Worten an: „Er aber sprach zu ihm,“ nämlich zu einem der Gäste, die mit dem HErrn zu einem Obersten der Pharisäer eingeladen waren. Es waren einige Gespräche geführt worden; zuerst kam der Wassersüchtige und der HErr hatte es sich nicht verdrießen lassen, trotzdem die andern darüber murrten, ihn zu heilen und daran Seine Frage zu knüpfen: „Ist es auch recht, auf den Sabbat heilen?“ Dann kam die klägliche Szene, dass sie sich drängten, obenan zu sitzen und nach dem Gleichnis, mit dem der HErr sie dafür strafte, war auch die Rede von dem Einladen der Armen, Lahmen und Krüppeln; das gefiel ihnen nun natürlich nicht, und einer der Gäste antwortet dem HErrn auf Sein: „So bist du selig“: „Ja selig ist, der das Brot isst im Reiche Gottes.“ Der arme Mann! Er hätte jetzt am Tische Brot Gottes essen können, aber diese Art gefiel ihm nicht, ebenso wenig wie jenem Jüngling, dem reichen, der, als der HErr ihm sagte: „Gehe hin, verkaufe alles, was du hast, und folge mir nach,“ traurig von dannen ging. Jedoch der HErr Jesus lässt sich das neue Thema gefallen, womit jener Gast dem unbequemen Gespräch über Lahme und Krüppel rc. hatte eine andere Wendung geben wollen; und über dieses Thema handelt das Gleichnis vom großen Abendmahl. Lasst uns betrachten: 1) Das Abendmahl. 2) Die Einladung. 3) Den Bescheid, welchen der Gastbitter bekommt und 4) den Beschluss, den der Hausherr darauf ausspricht.

Zuerst heißt es: „Es war ein Mensch, der machte ein großes Abendmahl und lud viele dazu.“ Gott vom Himmel hat selbst das Abendmahl zugerichtet vor allem damit und von da an, dass Jesus, der Sohn Gottes ins Fleisch gekommen und sich dahin gegeben hat, auf dass wir Seiner genießen konnten. An dem Frühmahl im Paradiese hätten sich Adam und Eva recht das Leben essen können, und sie aßen sich den Tod; nun richtet der HErr ein anderes auf, denn die Seele kann nicht leben, ohne zu essen und zu trinken. Hier in unserm Gleichnis nennt der HErr recht im Gegenbilde zu dem Frühmahl im Paradiese es ein Abendmahl, denn das Frühmahl war ja verloren. Aber auch darum nennt Er es Abendmahl, weil mit der Erscheinung des HErrn auf Erden der Tag der Heilsgeschichte sein Ende erreichte. Da die Zeit erfüllt und damit die Stunde des Abendmahls eingetreten war, machte Er ein großes Abendmahl. Die Größe des Abendmahls wird durch die Gerichte bei demselben offenbar. Denn dass wir Gottes als eines gnädigen Gottes genießen sollen, das ist es, wozu wir bei Seinem Abendmahl berufen sind. Ach, Gott hat es sich so unaussprechlich viel kosten lassen, uns dieses Abendmahl zu bereiten. Denn dies: „Kommt, es ist alles bereit,“ ruht auf jenem Wort am Kreuz: „Es ist vollbracht.“ Selig werden können nun alle, das ist das große Abendmahl. Groß auch darum, weil so viele kommen können, und wenn auch noch so viele kommen, immer noch Raum da ist für viele; auch wenn jeder von euch alle Strafe annimmt, jedem aufrüttelndem Erwecken folgt und jeder von euch, jeder, der das tut, wird und soll satt werden nach jenem Verse: „Durch meinen seligsten Genuss, erschöpft sich nicht Sein Überfluss.“

Und nun die Einladung! Etliche sind lange schon geladen, eben die Israeliten, denn schon die Propheten haben das zukünftige Heil ihnen dargereicht, und zur Stunde des Abendmahls war es offenbar Johannes der Täufer, der sie zum Abendmahl lud, auf dass doch alle glauben möchten, wenn nun der HErr erschiene, um mit ihnen zu Tische zu sitzen. Aber wie ganz anders wird seine Einladung aufgenommen, als damals in Ägypten, wie muss der Freund des Bräutigams klagen, dass kein bräutlicher Schmuck bereitet sei, um ihn zu empfangen. Und wie stehts mit mir? Ich bin auch eingeladen worden, werde noch eingeladen, wir werden alle eingeladen in der heiligen Taufe; unser Tisch, an den wir gehören, zu dem wir geladen sind, hier steht er! Und dann nach der Taufe, da reicht durch unser ganzes Leben hindurch die Stunde des Abendmahls, wo wir auf allerlei Weise eingeladen werden, zu kommen, denn es ist alles bereit für uns. Auch der Zug in unserm Evangelium wiederholt sich bei uns: „Und sandte seinen Knecht,“ denn sind auch der Knechte viele, die zu uns gesandt worden, so sind sie doch nur einer in dem Sinne, als sie nur eine Stimme haben: ihres HErrn Stimme; einem Fremden, der Stimme eines Fremden folgen die Schafe nicht nach, denn in einen Mund legt Gott das einladende Wort: Benütze diesen zweiten Trinitatissonntag dazu, es zu hören. Wie vielfach ist es dir deutlich gemacht worden: „wache auf, stehe auf, der du schläfst, komm, wende dich weg von den Träbern der Welt, du kannst von ihnen nicht satt werden, wende dich zu Jesu. Und höre auf jene besondere Hilfspredigerin deines Gottes, die Not, die Trübsal; in jeder Not lässt sich eine leise, aber ganz deutliche Stimme vernehmen: „komm, wende dich zu Mir; denn du bist Mein; wo ist der Scheidebrief, der uns getrennt hätte, Ich habe keinen geschrieben, wende dich zu Mir, zerreiße die Bande, komm!“

Die Station der Berufung reicht durch unser ganzes Leben und wird erst dann für uns abgelaufen sein, wenn jene Stunde gekommen sein wird, da es heißt: „Nun, Seele, komm zu mir.“ Denn wir bedürfen der wiederholten, immer wiederholten Berufung.

Ach! aber wie wehmütig! Was muss der HErr Sich für Seine freundliche Einladung für einen Bescheid gefallen lassen? Sie fangen alle nacheinander an, sich zu entschuldigen, und das meint Johannes als er schreibt: „Er kam in die Welt, und die Welt kannte Ihn nicht, Er kam in Sein Eigentum und die Seinen nahmen Ihn nicht auf!“ Aber wie? Aber wie? Kann Er Sich denn die Aufnahme nicht erzwingen? Ja wohl, wenn Er kommt, Gericht zu halten über die Verächter Seiner Gnade, dann wird Er sie erzwingen, aber jetzt lädt Er nur ein und lässt sich einen Bescheid gefallen, wie Er ihn im Evangelium erhält. Sie entschuldigen sich, weil sie keinen Geschmack an diesem Abendmahl hatten. „Ich habe einen Acker gekauft und muss hinausgehen, ihn zu besehen; ich bitte dich, entschuldige mich!“ Da die Pharisäer, an die dies Gleichnis gerichtet war, keine Ackerbauern, keine Landbewohner waren, so liegt hier der Nachdruck nicht auf dem Acker, sondern auf dem „muss“, womit der erste sich entschuldigt; wogegen der andere nur kurz sagt: „ich gehe jetzt hin; ich tue gerade dies, darum kann ich nicht kommen; bei mir versteht sich das ganz von selbst.“ Seht da, das ist der große Betrug, der uns vorspiegelt: ich habe meinen Beruf, der nimmt mich ganz in Anspruch, der lässt mir dazu keine Zeit; es tut mir eigentlich leid und ich möchte auch gern, aber ich muss nun einmal, ich kann nicht anders. Dachte er denn in alle Ewigkeit seinen Acker zu besehen, dachte er denn nicht daran, dass er ihm einmal weggerissen werden würde und er ohne ihn würde davon müssen? An eines dachte er bestimmt nicht, nämlich daran, dass auch das Geld, womit er jenen Acker gekauft hatte, ihm geschenkt worden war von demselben Gott und HErrn, der ihn jetzt zum Abendmahl einlud. Und das möchte ich euch zur Warnung und zum Troste sagen: Es ist ein und derselbe Gott, der euch berufen hat zu eurem irdischen, wie zu eurem himmlischen Beruf; und darum ist es ganz unmöglich, dass euer irdischer Beruf euch hindern könne an dem himmlischen. Es ist kein Gewinn darin, wenn man den himmlischen über dem irdischen verachtet. So sagt der Zweite der Geladenen: „Ich gehe jetzt hin, sie zu besehen.“ Er hätte wohl hingehen mögen, um noch mehr als fünf Joch Ochsen zu besehen und sich daran zu erfreuen, Gott hätte ihm das wohl gegönnt, aber nicht, dass es ihm das Erwünschtere war. In diesem Zweiten, der sich also entschuldigt: „Ich gehe hin,“ kommt der HErr besonders mit der Frage zu euch: Könnt ihr mich auch mitnehmen zu diesem besonderen Vergnügen, was ihr vorhabt; könnt ihr mich nicht mitnehmen, wenn ihr vergnügt sein wollt? Wo ihr Jesum nicht bei euch haben könnt, da freilich geht lieber nicht hin. Der Dritte ist am kläglichsten. Er hält es nicht für nötig, sich entschuldigen zu lassen. Ich führe eine glückliche Ehe, habe gute, wohlgeratene Kinder, bin ganz zufrieden in meiner Familie, darum lass mich mit Deinem Abendmahl zufrieden. Seine Frau war vielleicht anderer Meinung als er, selbst wenn er Lust gehabt hätte, zu kommen, es könnte den häuslichen Frieden stören. Schauderhaft! Wird er denn ein treuer Ehemann gewesen sein, wenn er seinem Gott nicht treu war? Eins nur lasst mich hierzu sagen: Solche Weiber und Männer, die euch hindern wollen, zu Jesu zu kommen, Ihn zu haben und zu behalten, die nehmt euch nicht.

Und nun lasst uns hören den Beschluss, den der HErr fasst: „Und der Knecht kam und sagte das seinem HErrn wieder.“ Oder sind wir dazu da, dass wir zum HErrn sagen: Du wirst es wohl so streng nicht mit ihnen nehmen! Nein, das tun wir nicht, wir müssen uns beklagen bei unserm Gott. „Da ward der Hausherr zornig.“ Wenn die öffentlichen und sonderlichen Ermahnungen nicht wollen anschlagen, dann hört man das: da ward der Hausherr zornig und sprach zu seinem Knechte: „Ich sage euch, dass der Männer keiner mein Abendmahl schmecken wird.“ Meine Geliebten, mag man die Ewigkeit der Höllenstrafen mit den grellsten Farben malen, übertreffen werden sie dieses nicht: „man wird mein Abendmahl nicht schmecken,“ eines ewigen Todes sterben! Dies Abendmahl sehen und die Kluft fühlen und nie mehr hinüber können, im Schauen nicht schmecken, vom ewigen Tode zernagt werden, das ist die Hölle, die wird über diese Männer hier ausgesprochen.

„Gehe aus, bald auf die Straßen und Gassen der Stadt und führe die Armen und Krüppel und Lahmen und Blinden herein.“ Heut lasst mich nur daran erinnern, wie es lauter helle Liebesfunken sind, die von diesem Herde der Liebe Gottes sprühen; nun wohlan, hole herein, denen es schmeckt, die Armen, die Lahmen, die, die einen Heiland brauchen, denen keine Äcker, keine Ochsen, kein häusliches Glück die leere Stelle ausfüllen kann, die trotz alledem in ihrem Herzen bleibt. Diese Armen, diese Hungrigen und Durstigen, die bringt herein! Wie werden sich die Jünger angesehen haben; als arme Krüppel waren ja auch sie hereingekommen, und ein Zachäus, der gehört auch gerade recht zu diesen. Und der Knecht sprach: „HErr! es ist geschehen, was du befohlen hast; es ist aber noch Raum da.“ August Hermann Franke, der Gründer des Waisen-Hauses zu Halle, hat über dieses Wort: „HErr, es ist geschehen, was Du befohlen hast,“ sich seine Leichenrede halten lassen. Nun, wir alle können erfahren, ob es geschehen ist; auch, je mehr ich selber es erfahre, desto mehr muss ich es allen gönnen, muss mich fragen: Ist nicht noch der oder jener, an dem es noch nicht geschehen ist, nicht hier oder da noch ein leerer Plass am Abendmahlstisch, wo doch eigentlich der oder die mit ihrem Taufnamen hingehören? Damals hatte der Knecht so recht des HErrn innerstes Herz getroffen mit dem „es ist aber noch Raum da“ und Er und dieser spricht: „Gehe hin, hole das, was recht verloren ist, die da meinen werden: ach nein, wir sind zu schlecht, die nötige, nötige sie, hereinzukommen, dass mein Haus voll werde.“ Solche arme Sünder gerade sollen selig werden, sie wissen es ja von Jugend auf, aber führt sie herein trotz der Einwendung ihrer verzagten Herzen, nötigt sie hereinzukommen. Ja, je bedürftiger und hilfloser eine Seele ist, desto fleißiger bemüht sich um sie die Freundlichkeit und Leutseligkeit des Heilandes. O HErr, holdselig sind Deine Lippen! Du Reichtum der Armen und Zuflucht der Elenden, lass uns ruhen an Deinem Herzen. Amen.

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besser_predigten/besser_predigten_2_nach_trinitatis_1874.txt · Zuletzt geändert: von aj
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