Krummacher, Friedrich Wilhelm - Die Wiedergeburt.
Predigt gehalten am Sonntage Trinitatis den 6. Juni 1852.
Joh. 3,1-12.
Es war aber ein Mensch unter den Pharisäern, mit Namen Nikodemus, ein Oberster unter den Juden; der kam zu Jesu bei der Nacht, und sprach zu ihm: Meister, wir wissen, daß du bist ein Lehrer von Gott gekommen; denn niemand kann die Zeichen thun, die du thust, es sei denn Gott mit ihm. Jesus antwortete, und sprach zu ihm: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Es sei denn, daß jemand von neuem geboren werde, kann er das Reich Gottes nicht sehn. Nicodemus spricht zu ihm: Wie kann ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist? Kann er auch wiederum in seiner Mutter Leib gehen und geboren werden? Jesus antwortete: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: es sei denn, daß jemand geboren werden aus dem Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen. Was vom Fleisch geboren wird, das ist Fleisch, und was vom Geiste geboren wird, das ist Geist. Laß dich’s nicht wundern, daß ich dir gesagt habe: Ihr müßt von neuem geboren werden. Der Wind bläset, wo er will, und du hörst sein Sausen wohl, aber du weißt nicht, von wannen er kommt und wohin er fährt. Also ist ein jeglicher, der aus dem Geiste geboren ist. Nicodemus antwortete, und sprach zu ihm: Wie mag solches zugehen? Jesus antwortete, und sprach zu ihm: Bist du ein Meister in Israel, und weißt das nicht? Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Wir reden, das wir wissen, und zeugen, das wir gesehen haben; und ihr nahmet unser Zeugniß nicht an. Glaubet ihr nicht, wenn ich euch von irdischen Dingen sage, wie würdet ihr glauben, wenn ich euch von himmlischen Dingen sagen würde.
Der Sonntag Trinitatis, d.i., der heil. Dreieinigkeit versammelt uns heute im Hause des Herrn. Bedeutsam winkt derselbe noch einmal auf die Höhepunkte der ersten Hälfte des Kirchenjahrs, der festlichen, und namentlich auf den erhabenen Inhalt der heiligen Weihnacht, des Festes des Vaters, des Charfreitags in Verbindung mit Ostern, des Festes des Sohnes, und der Pfingsten, des Festes des heil. Geistes zurück, und bezeichnet hiemit zugleich die heiligen Sonnen-Trias, welche in Predigt, Meditation und Glaubensleben auch die zweite Hälfte des Kirchenjahres, die er eröffnet, beherrschen soll. Die Epistel des heutigen Tages spricht in dem “von Ihm, durch Ihn und in Ihm sind alle Dinge“ andeutend das Geheimniß der heiligen Dreieinigkeit selber aus. Das Evangelium entschleiert uns das größte Werk, in welchem die Drei, die Eins sind, sich auf Erden bethätigen: das Werk der Wiedergeburt. Von diesem haben wir heute mit einander zu handeln. Laßt uns sehn, zuerst, wo es dieses Werks bedarf; sodann, wie dasselbe sich vollzieht; und endlich, worin es besteht, und sich zu Tage giebt.
Schwebe der Geist der Wahrheit über unsrer Betrachtung, und bringe er unserm Verständniß ein Lehrstück nahe, das den allerwichtigsten und wesentlichsten des ganzen Evangeliums beigehört.
1.
Der Herr weilt seit seinem öffentlichen Auftreten zum ersten Mal in Jerusalem. Die festliche Osterzeit leuchtet mit ihrem verheißungsreichen Glanze dem heiligen Lande. Großartig hat der Meister mit Reinigung des Tempels und sinnbildlicher Weissagung von seinem Tode und seinem Triumphe darnach, so wie mit Wundern und Zeichen, in der heil. Stadt sein Werk begonnen. Das Volk befindet sich in begeisterter Aufregung. Seine Häupter dagegen stehn stutzig und verlegen. In Etlichen unter ihnen regt sich Gottlob! auch Besseres schon, als der blasse Neid und die kleinliche Sorge um ihre hierarchischen Monopole. – Was begibt sich? Einst, da er wieder sein prophetisches Tagewerk vollendet hat, tritt in später Abendstunde noch, während Alles schon ringsum in tiefem Schlummer liegt, ein unerwarteter Gast zu seiner Hütte ein. Ein Pharisäer ist’s, und zugleich Mitglied des hohen Rathes, mit Namen Nikodemus. Es ist keine böse Absicht, die zu diesem nächtlichen Besuch ihn treibt. Führte er Uebles gegen Jesum im Schilde, er hätte sich, da er dann den ganzen Troß seiner Kollegen im Rücken hatte, nicht zu scheuen gebraucht, bei hellem Tage sich an den Herrn heran zu machen. Aber nicht als Feind kommt er, sondern als Freund. O, wie mir schon von vornherein dieser Mann um so viel lieber ist, als Tausende der Unsern, die man bei Tage vielleicht allsonntäglich, wenigstens des Vormittags, in Parade zur Kirche wandern sieht, die aber nicht nur niemals noch in ihrem Leben eine heilige Herzensnoth gedrängt, auch einmal “bei der Nacht“ zu einem bewährten Bruder in Christo ihre Zuflucht zu nehmen, um über das Heil ihrer Seele mit ihm zu Rathe zu gehen, sondern denen es auch nicht einmal je in den Sinn kommt, bei einer engeren Vereinigung von Gläubigen sich einzufinden; wie man denn z.B. in diesen Tagen noch bei einer an einem Wochentage veranstalteten Missions-Abendfeier in einer beim sonntägigen Hauptgottesdienste wie zu einem “Hochamte“ stark besuchten Kirche fast nur die leeren Bänke antraf. O es gibt heut zu Tage namentlich unter den Vornehmen und Angesehenen gar viele Schau- und Bühnenchristen, deren ganzer Kirchlichkeit ein andres Motiv nicht zum Grunde liegt, als das, an der heiligen Stätte sich nur einmal zu zeigen, und, wie sie sagen, „dem gemeinen Volk“, an dessen Unterthänigkeit ihnen freilich viel gelegen ist, „mit einem guten Beispiel voranzugehn.“ Jedes andre Interesse an Kirche und Christenthum ist ihnen fremd, und ein Prediger, der die ernste Absicht merken ließe, auch sie bekehren zu wollen, würde ihnen eine unerträgliche Erscheinung sein. Nikodemus, auch ein vornehmer Mann, gehörte zu dieser Menschenklasse nicht. Er ist aus seiner geistigen Sicherheit aufgerüttelt. Die Erscheinung Jesu hat in ihm, er kann’s nicht leugnen, das tiefgewurzelte Vertrauen zu seiner eignen Gerechtigkeit, so wie überhaupt zu seinem Verhältnisse zu Gott, tief erschüttert. Sein Herz ist beunruhigt, und eine bange Sorge um sein Bestehen im künftigen Gericht umschattet seit Kurzem wolkenartig seine Seele. O, daß nur erst einmal auch auf dein Gemüth, und auf das deine, ein Schatten dieser Art sich niedersenkte. Auch in uns muß es erst Nacht werden, ehe der wahre Sonnentag anbricht. Es will erst ein geheimnißvoller Tod in uns gestorben sein, ehe uns das neue Leben aufgeht.
So steht denn Nikodemus vor dem Herrn, der auch heute noch für Alle, die ernstlich nach Ihm fragen, zu jeder Stunde bei Tage oder Nacht zu Hause ist. Ein feierlicher Augenblick für unsern Rathsherrn! Eine durchaus neue Situation für den Pharisäer, der bisher nur gewohnt war, daß man so vor ihm stand, wie wir ihn jetzt vor dem Nazarener stehen sehen. Nikodemus ist bewegt, verlegen, von tiefer Ehrfurcht durchdringen; und doch auch wieder ängstlich bedacht, dem Propheten aus Galiläa der Ehre nicht zu viel zu geben. Sehr deutlich spiegelt sich das chaotische Durcheinanderwogen seiner Empfindungen in seinen Worten ab. „Rabbi“, hebt er an, „wir“ (nicht also er allein, sondern auch noch andre seines Ordens) „wissen, daß du bist ein Lehrer“ (weiter also verstieg das Wissen der hohen Herren sich noch nicht?) “von Gott gekommen.“ – Von Gott gekommen? – Dies ist ein ungewöhnlicher Ausdruck. Nie wurde in Israel Solches von einen Lehrer ausgesagt. – Einen Lehrer hieß man wohl “von Gott gesendet“; aber die Bezeichnung “von Gott gekommen“ wurde dem Nikodemus offenbar durch eine höhere Ahnung auf die Lippen gedrängt. Aber nur zu bald senkt er nach dem kühnen Auffluge die Gedankenflügel wieder, und fügt die abschwächende Weiterung hinzu: „Denn Niemand kann die Zeichen thun, die du tust, es sei denn Gott mit ihm.“ Diese Signatur kam jedem Propheten zu. Wir sehn, wie Nikodemus noch zwischen Glauben und Zweifel hin und hergeworfen wird, und bald allerdings im Begriffe steht, Jesu als dem Abglanz der Herrlichkeit Gottes seine Kniee zu beugen, bald aber wieder geflissentlich zur Vorstellung eines nur menschlichen Meisters, oder höchstens Propheten, sich herabstimmt. In ähnlicher Schwankung befinden sich auch Manche unter uns; wollte nur Gott, daß ihnen derselbe Wind in die Herzenssegel bliese, mit denen ein Nikodemus steuerte: der Wind eines lebendigen Heilsbedürfnisses! Auch sie kämen dann bald zurecht, und die lange Irrfahrt endete mit einem seligen Ankerwurf. Ich weiß nicht: konnte Nikodemus vor innerer Aufregung zur Vollendung seines angefangenen Satzes nicht gelangen, oder fiel der Herr dem betroffenen Manne, um ihm aus seiner Verlegenheit herauszuhelfen, geflissentlich ins Wort; genug, mehr auf die Frage seines Herzens als auf diejenige seiner Lippe Antwort gebend, spricht Er das große Wort, und schreibt’s durch die ihm vorangeschickte Betheurung als ein für immer geltendes an die Säulen der Welt: “Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Es sei denn, daß Jemand von Neuem“ (und zwar “von oben her“; denn auch dieser Begriff liegt in dem griechischen Worte,) “geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehn.“ – Hört, hört! Dies ist die bestimmte Antwort des Königes der Wahrheit auf die Frage: “Was thut mir Noth?“ – Eine schneidende Antwort! Eine Antwort voller Spieße und Nägel für den alten Menschen! Es reichen also Besserung, Säuberung, Fehlerablegung zum Seligwerden noch nicht aus; sondern die unerläßliche Bedingung heißt: Erneuerung, Neuschöpfung, schöpferische Umgestaltung vom innersten Grunde unsres Wesens aus. Ach, wozu wird hier der Mensch gestempelt? Wenn es von einem Gefäße heißt: „Nur in die Schmelze mit ihm!“ so wissen wir, in welchem Zustande dasselbe sich befinden müsse. Das bekannte „das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf“, klingt milde gegen das „Es sei denn, daß Jemand von Neuem geboren werde.“ Ein demüthigenderer Ausspruch, als dieser, ist niemals über unser Geschlecht ergangen. – „Aber über unser Geschlecht?“ – Allerdings! Ihr hört ja, „daß Jemand“, spricht der Herr, und das heißt nichts Anderes, als: Keiner kommt in’s Reich ohne den genannten innern Vorgang. Zunächst auch ein Nikodemus nicht; und Nikodemus war in der That ein Mann, der sich sehen lassen durfte: eine Zierde seines Volks, ein Mensch von hohem, sittlichen Adel, eine Perle seines Ordens. Kaum glaube ich, daß Einer unter uns berechtigt wäre, an moralischem Werthe sich über ihn hinaus zu dünken. Und dennoch bleibt auch er vom Himmelreiche ausgeschlossen, wenn er nicht ein wesentlich Anderer wird, als er in dem Augenblicke noch ist, da er vor Jesus steht. Wenn aber selbst auch auf ihm das „Es sei denn“ ruht, wie viel mehr auf uns, auf dir und mir! Brüder, Schwestern, nehmen wir das Wort zu Herzen, und gehen wir endlich einmal aus der Gemeinschaft der Bedauernswerthen aus, die da „immerdar lernen, und nimmer zur Erkenntniß der Wahrheit kommen.“ Bedenken wir, wer das Wort spricht, mit welchem Nachdruck Er’s begleitet, mit welchem Siegel Er’s beprägt, und wohin Er’s schreibt, - vom hohen Portale seiner Kirche leuchtet es uns an, - und wie es allen seinen Heiligen fast zwei Jahrtausende schon hindurch als erste Regel des Himmelreichs gegolten, und die Kirche es je und je als den ewig unfehlbaren Rath- und Richterspruch für Alle, die selig werde wollen, zu oberst in ihr Reichspanier verzeichnet und hoch emporgehoben hat. Es meint das große Wort persönlich dich und mich. Du, du, sei, wer du immer wollest, mußt von Neuem geboren werden, oder – nicht einmal sehen, wahrnehmen, erkennen und würdigen kannst du Gottes Reich, geschweige denn ererben.
2.
Nikodemus ist nicht wenig erstaunt über die erhaltene Antwort. - “Von Neuem geboren!“ Wie dieser Ausdruck den Pharisäer in seinem Innern beleidigt! Doch der Pharisäer seines Herzens fühlt ohnehin schon den Boden unter seinen Füßen wanken, und hat bereits angefangen, seinem Stand und Handel ernstlich zu mißtrauen. “Von Neuem geboren.“ – Wohl ahnt er dunkel schon die Tiefe und durchschlagende Wahrheit dieses Ausdrucks; aber was Wunder, daß seinem selbstgerechten Ich vor dem Stachel dieses Wortes graut? – Theils, um von dem berührten Gegenstande unmerklich abzuschweifen, theils aber auch, um den Meister zu weitern und bestimmtern Erklärungen zu veranlassen, entgegnet Nikodemus, mehr den Einfältigen und Schwerhörigen spielend, als wirklich so einfältig und ahnungslos, wie er scheint: “Wie kann ein Mensch noch einmal geboren werden, wenn er schon alt ist? Kann er auch abermal in seiner Mutter Schooß geh’n und geboren werden?“ Es klingt diese Rede fast wie Spott; aber sie ist und soll nichts weniger sein, als das. Nikodemus hatte bereits tief genug in die Herrlichkeit Jesu hineingeschaut, um auch schon Ihm gegenüber an das „Irret euch nicht, Gott – läßt sich nicht spotten“ gemahnt zu werden. – Hört aber nun den Meister. Zunächst spricht er sich darüber aus, wie es eigentlich mit der Neugeburt gemeint sei, und namentlich, wie dieselbe sich vollziehe. Wieder geht ein “Wahrlich, wahrlich!“ voran. Es ist das zweite. Bald folgt in dem kurzen Gespräch mit Nikodemus sogar das dritte. Ein unverkennbarer Wink dies, daß es sich hier von einer der wesentlichsten Kardinalwahrheiten des evangelischen Christenthums handele. “Wahrlich, wahrlich,“ beginnt der Herr, “es sei denn, daß Jemand geboren werden aus Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen.“ Also „aus Wasser und Geist.“ Dies die Mächte, welche die Neugeburt bewirken. Der Herr fügt hinzu: „Was vom Fleisch geboren wird, ist Fleisch!“ Eine niederschlagende, aber leider! durch eine viel tausendjährige geschichtliche Erfahrung nur zu handgreiflich constatirte Wahrheit! Wie der Brennnesselsaame nur immer wieder Brennnesseln, und keine Lilien treibt, so schießt aus der Wurzel der sündigen Menschennatur immer nur Gleichartiges auf: Mißgestaltetes und Verderbtes. Die Erbsünde ist kein Lehrbegriff, sondern eine handfaßliche Thatsache, auf die ein Jeder täglich in sich selbst gestoßen wird. Wie Jemand auch bildend und erziehend an sich herum handthiere, doch künstelt er, legen nicht Arbeiter von Oben mit Hand an’s Werk, im günstigsten Falle nur Fleisch heraus in Form des Geistes: eine Tugendlarve, auswendig gleißend, aber inwendig hohl und morsch; einen Schmink- und Dekorations-Heiligen, ansprechend für’s Auge, aber federleicht auf der Waage des Heiligthums. Dieses Alles besagt das “Was vom Fleisch geboren wird, ist Fleisch.“ Was aber ist nun unter dem “Wasser“ und “Geist“ zu verstehen? Die letztere dieser beiden Potenzen macht dem Ausleger keine Schwierigkeit. Ueber die erstere dagegen herrscht unter den Schrifterklärern noch immer ein großes Schwanken. Könntet ihr nur die Predigten alle hören, welche in diesem Augenblicke in den verschiedenen evangelischen Kirchen unserer Stadt gehalten werden, ihr würdet selbst von Männern desselben Glaubensstandpunktes die verschiedensten Deutungen des Wortes „Wasser“ zu vernehmen bekommen. Die Einen würdet ihr sagen hören, das Wasser bezeichne das Sakrament der h. Taufe. Aber wie hätte der Meister, bevor dieses Sakrament noch eingesetzt war, schon desselben zu Nikodemus Erwähnung thun können? Wollte er doch dem lernbegierigen Manne nicht neue Räthsel aufgeben, sondern vorliegende deuten; und Geheimnisse entsiegelt man dadurch nicht, daß man statt in sie einzuführen, sie nur um neue vermehrt! Andere unserer Prediger würdet ihr sagen hören, das Wasser habe an unserer Stelle nur adjektivische Bedeutung, und durch die Zusammenstellung desselben mit dem Geiste habe der Herr nichts Anders, als die reinigende Kraft des Heiligen Geistes bezeichnen wollen. Aber auch diese auflösende Erklärungsweise müssen wir als eine seichte und dem Begriffe einer göttlichen Eingebung der heiligen Schrift widerstreitende entschieden verwerfen. Wenn der König der Wahrheit spricht: „Aus Wasser und Geist“ so meint er zwei unterschiedene Kräfte, und nicht eine nur. Derjenige, der uns ankündet, daß wir von „jedem unnützen Worte, das über unsere Lippen gehe, werden Rechenschaft geben müssen,“ wird es unfehlbar selbst mit seinen Worten sehr genau genommen haben. – Die Auffassung einer dritten Reihe von Predigern würde dahin gehen, daß der Herr mit dem “Wasser“ auf die Johannistaufe, und zwar insonderheit auf die Buße habe hindeuten wollen, die dieselbe als unerläßliche Bedingung zum Eingang in das Himmelreich vor allem Andern forderte. Und allerdings war die Taufe Johannis auch in ihrer geistigen Bedeutung unserm Nikodemus keine unbekannte Sache, und darum die Erwähnung derselben dem Zwecke der Rede Jesu, welche erklären sollte, schon viel entsprechender, als es eine Hindeutung auf die christliche Taufe gewesen sein würde. Aber der Herr wollte mit den beiden Worten “Wasser“ und “Geist“ offenbar die Faktoren der Wiedergeburt bezeichnen; und zu diesen gehört sich die Johannistaufe nicht. Die Buße aber bewirkt nicht die Wiedergeburt, sondern ist dem Anfange nach die Wiedergeburt schon selbst, und wird durch den Geist hervorgerufen, kann mithin nicht als schöpferische Macht dem Geiste beigeordnet sein. Dürfte angenommen werden, der Herr habe mit dem „Wasser“ dasjenige sinnbildliche Moment der Taufe Johannis bezeichnen wollen, welches dem bußfertigen Sünder zugleich die Schulderlassung im Blute Christi, oder die absolvirende Gnade, in Aussicht stellte, so erschiene allerdings das Räthsel des fraglichen Satzes in befriedigenster Weise gelöst. Denn die Sünden vergebende Gnade ist eine andere Macht als der heilige Geist, und dieser kann sein Werk erst beginnen, wo jene zur Bethätigung gelangte. Der absolvirte Sünder ist, ob er gleich im energischen Selbstgericht der Buße mit der Sünde für immer brach, und dem Reiche des Ungöttlichen den Scheidebrief gab, noch keinesweges ein fertiger Gottesmensch. Mag ihm das Urtheil des Todes vom Halse genommen sein, der Tod selbst ist in seinem Innern noch nicht überwunden, noch nicht gebannt. Losgesprochen vom Fluch des Gesetzes ist ein solcher Mensch; aber noch nicht frei von des Gesetzes Zwang und Drang, und aus diesem Grunde noch nicht los vom Knechtessinne, nicht tüchtig noch, “gewisse Schritte“ zu thun auf dem Wege Gottes. Er wird noch nicht getrieben zu Gottes Dienst, sondern treibt nur erst sich selbst. Er arbeitet sich erst zu dem Elemente des göttlichen Lebens hindurch; aber bewegt sich noch nicht darin wie ein Fisch im Wasser. Er sucht sich erst durch eine Menge frommer Uebungen und Selbstheiligungsversuche über das Niveau eines niederern Daseins zu erheben, während Andere schon, Sonnenadlern gleich, mühelos und mit stolzer Ruhe auf breiten Flügeln über den Höhen der Erde schweben, und den Aether göttlichen Sein’s und Leben’s als ihre eigenste heimische Sphäre durchsegeln. Die Wasserkraft der vergebenden Gnade leitet das Werk der Wiedergeburt ein; der Heilige Geist vollendet es, indem er, - laßt mich einmal so reden, - die negative Wirkung der Lossagung von der Sünde auf Seiten des Menschen, und der Lossprechung von der Sünde von Seiten Gottes, durch die positive der schöpferischen Umgestaltung des Menschen in das Bild Jesu Christi ergänzet. Doch welch’ ein annehmlicher und schriftgemäßer Sinn bei der letztgenannten Deutung des Wortes “Wasser“ sich auch herausstellt; ich vermag dieselbe nicht für die vom Herrn selbst gewollte anzusehen. Die Beziehung der Johannistaufe auf die Reinigung von Sünden durch Christi Blut lag selbst auch einem Nikodemus noch zu fern, als daß der Herr hätte erwarten können, Er werde mit dem einen Wörtlein “Wasser“ jene inhaltreiche Vorstellung in ihm erwecken können. Viel näher liegt der Gedanke, daß der Herr dem Ausdrucke: „Wasser“ diejenige symbolische Bedeutung belassen habe, die derselbe durchgehends im alten Testamente in sich birgt, und daher einem Schriftgelehrten die geläufigste war. Das Wasser bezeichnet nämlich dort die sittlich reinigende Kraft des göttlichen Wort’s, und im neuen Testamente ist es die stehende Bezeichnung für die Wirksamkeit des Prophetenamtes Christi. Christi prophetische Wirksamkeit bannt den Irrwahn des Verstandes, weckt das schlafende Gewissen, regt den Willen an, dem Reinen und Heiligen nachzutrachten, enthebt das Streben des Menschen der Sphäre des Niedern und Gemeinen, erfüllt seine Seele mit göttlichen Idealen, und entzündet in seinem Herzen die Sehnsucht nach der Freiheit der Gotteskindschaft. Allen diesen Einflüssen entspricht das Bild der Wasserreinigung vollkommen; doch machen jene Wirkungen den Menschen noch nicht zu dem, was die ewige Liebe aus ihm zu machen beschlossen hat. Sie sind immer nur erst mehr negativer und vorbereitender Art. Durch sie wird der Sünder für die Wiedergeburt erst empfänglich gemacht, und diese angebahnt. Die Erneuerung selbst, kraft welcher das dem Menschen aufgegangene Ideal gottseliger Sittlichkeit in ihm selbst Gestalt gewinnt und Fleisch und Blut anzieht, ist das unmittelbare Werk des Heiligen Geistes. – Ich weiß es, daß die eben angedeutete Auffassung des “Wassers“ einstweilen noch von Wenigen getheilt wird; aber bin gewiß, daß sie sich zu seiner Zeit als die einzig richtige, weil schriftgemäße, werde geltend machen.
Freunde, eine höchst geheimnißvolle Sache ist es, von der wir eben reden. Der Herr räumt dies ein. “Laß dich’s nicht wundern,“ spricht er zu dem Manne, der mit großen Augen vor ihm steht, “daß ich dir gesagt habe: Ihr müsset von neuem geboren werden;“ dann aber anerkennend, daß die Sache, von der sich’s handele, für den kurzsichtigen menschlichen Verstand etwas Unergründliches habe, liefert er dem Nikodemus zu dessen Beruhigung aus der ihn umgebenden sinnlichen Natur den Nachweis, daß einem Dinge darum noch nicht die Existenz abgesprochen werden könne, weil dasselbe sich nicht begreifen lasse. “Der Wind“, spricht er, der dich anhaucht, bleibt dir ein Geheimniß. “Er bläset, wo er will, und sein Sausen hörest du wohl“; aber seine Entstehung (“von wannen er kommt“) und sein Ende (“wohin er fährt“) fassest du nicht. “Also“, fügt der Meister hinzu, “hat sich’s mit Jeglichem, der aus dem Geist geboren ist“ d.h.: Gleich unbegreiflich und doch auch wieder gleich wahr und wirklich ist das Werk der Wiedergeburt, das der Geist hervorbringt. Und freilich verhält sich’s so. Plötzlich, wie ein Blitz aus klarer Luft, oder in stufenweiser Allmäligkeit, kommt irgend ein Schriftwort, und in demselben eine Gotteswahrheit, in unserm Innern zu energischer Wirkung. Vielleicht tritt dasselbe in Verbindung mit irgend einer von Gott gesegneten Lebensschickung, mit einem Kreuze etwa, oder einer unverhofften Wohlthat, an uns heran; vielleicht aber kommt es auch ohne das und für sich alleine. Nun gehen Lichter auf im Dunkel unserer Seele, wie sie uns nie geleuchtet. Es weichen Schleier, die keine Menschenhand uns zu lüften im Stande war. Uralte Täuschungen nehmen von uns Abschied; und mit dem alten Wahne verläßt uns die alte fleischliche Sicherheit und Todesruhe. Wir sind mitten im Getümmel und Geschwirre der Welt mit einem Male uns selbst begegnet. Uns selbst fanden wir; aber, - als was? Als verirrte und verlorene Schaafe. Wir lassen ängstlich unsre Augen umgehn nach der rechten Fährte, und suchen nach einem Halt, und fragen nach Frieden, anklopfend nach ihm an diese Pforte und an jene. Aber die Welt zeigt sich rathlos; ihre Tröstungen sind Brunnen ohne Wasser. Unsere Beklommenheit wächst von Tag zu Tage. Angst, Zagen und Verzweiflung sind nah. Da tönt das Wort uns an “Kommet her, Mühselige!“ Wir fragen: Wer bist Du, dessen Stimme so verheißungsreich uns anklingt? Es währt nicht lange, und wir erfahren’s, wer er ist. Wir rufen: „Du bist’s, Immanuel< auf dich allein bin ich geworfen!“ Wir rufen’s, und sinken heilsbegierig und gnadendurstig zu den Füßen des holdseligen Friedensfürsten nieder. Und so geht’s weiter, ohne Aufenthalt und Zögerung, bis das Ziel der tiefinnigsten Befriedigung erreicht ist. Da vernahm man denn das Sausen des Windes wohl, und spürt es in allerlei Weise ununterbrochen fort. Doch bleibt das Wirken des Geistes selber uns ein Wunder; ein unergründlich Wunder sein Erleuchten, Rühren, Ziehen, Heiligen, Trösten, Züchtigen, Treiben und Regieren. Man findet sich mit seinem innern Leben in eine fremde göttliche Hand hineingelegt, und vermag doch weiter nichts zu sagen, als: „Erfahret selbst, wie diese Hand in den innersten Tiefen des menschlichen Wesens waltet.“ Wir empfinden allaugenblicklich ihr Schaffen und Bewirken; aber es auszureden und zu beschreiben sind wir außer Stande.
3.
Nikodemus fragt noch einmal: “Wie mag das zugehn?“ nach der Möglichkeit jener Neuschöpfung fragt er. Thörichte Frage! Er hat ja gehört, daß sie ein göttlich Wunder sei. Der Herr beschämt ihn: “Bist du ein Meister in Israel“, beginnt er, “und weißt das nicht.“ Du, will er sagen, der du mit einem „Wir wissen“ zu mir hereintratst, und auf Mosis Stuhl zu sitzen dich rühmst, bist in das Eine, was vor allem Andern noth, so wenig eingeweiht? Und allerdings gereichte es ihm, dem Schriftgelehrten, zum Vorwurf, daß ihm der Begriff der Wiedergeburt so neu war, indem die Propheten schon vielfach und in allerlei Ausdrucksweisen, das als die herrlichste der Gnaden, welche die Erscheinung des Messias vermitteln werde, bezeichnet hatten, daß Gott der Herr aus der Brust der gefallenen Sünder „das steinerne Herz hinwegnehmen“ und ihnen dafür „ein fleischernes“ geben, und durch seinen Geist „solche Leute aus ihnen machen werde die in Seinen Geboten wandeln und Seine Rechte halten“ würden. “Wahrlich, wahrlich“, fährt der Heiland mit feierlicher Betonung fort, “Ich sage dir: Wir“ (ein majestätisches Wir, in welchem sich der Sohn mit dem Vater und dem heiligen Geist in Eins zusammenfaßt) “reden, das wir wissen, und zeugen, das wir gesehen haben, und ihr nehmet unser Zeugniß nicht an. Glaubet ihr nicht, wenn ich euch von irdischen Dingen rede (d.h. von Dingen, die, wie die Wiedergeburt, vor euern Augen auf Erden vorgehn, und, in ihren Resultaten wenigstens, der Welt der Erscheinung angehören;) “wie würdet ihr glauben, wenn ich von himmlischen Dingen“ (d.h. von Geheimnissen der jenseitigen Welt) “euch sagen würde.“ Doch wir überlassen den Nikodemus jetzt sich selbst und dem Eindrucke dieser und der nächstfolgenden Worte des großen Meisters. Der Eindruck war ein hoch gesegneter. Es begegnete dem Manne später die Lösung aller seiner Fragen, Zweifel und Bedenken im Bereiche eigner, seliger Erfahrung. Selbst erlebte er, der Glückliche, was es sei, geboren werden aus Wasser und Geist. Er wurde ein Gottesmensch, indem er Den, der sein Blut für ihn vergossen, mit den Armen des innigsten Glaubens als seinen einigen Trost im Leben und im Sterben, umfing, und gelangte zum vollen Bürgerrechte im Gnadenreiche des Königs aller Könige.
Wir wenden uns jetzt der Frage zu, worin das Wesen der Wiedergeburt bestehe. Sie besteht laut der ganzen heiligen Schrift in einer gründlichen, durchgreifenden Erneuerung des ganzen inwendigen Menschen zum Bilde Gottes. Lege ab deine Fehler und Gebrechen. Du thuest wohl daran, und es muß geschehen. Lüge, stiehl, betrüge nicht mehr. Wir loben dich solchen Fortschritts in der Besserung halber. Wisse aber, daß ein Giftbaum dadurch noch nicht zum Baum des Lebens wird, daß du ihm die Früchte, Blüthen und meinetwegen auch die Aeste abstreifst. Werden Stamm und Wurzel an dir nicht umgeschaffen, so wirst du, auch fehlerlos, ins ewige Feuer geworfen. Schmücke dich mit guten Werken: wir sind dir hold darum. Gib Almosen, stifte Häuser der Barmherzigkeit, treibe innere Mission: wir werden dir Bürgerkronen winden. Aber wir erinnern dich zugleich an Luthers Wort: „Gut Werk macht nimmer einen guten, frommen Mann, sondern nur ein guter, frommer Mann macht gute Werke.“ Mancher Stirne, die hier in Ehrenkränzen prangt, wartet am Tage der Entscheidung das Brandmal der Verdammniß. Kleide dich in Gottesdienstlichkeit um und um, und mache deine Lippe zum kirchlichen Bekenntnißbuch: wir rühmen es hoch, daß du zu solcher Gewandung greifst; aber wir bitten dich, bedenken zu wollen, daß eine Schlange auch in eine Taubenhaut verkleidet, nach wie vor eine Schlange bleibt. Wie mancher Pharisäer, Mönch, Eremit und Kirchenmann schmachtet in der Hölle! – Du erwachst aus deiner fleischlichen Sicherheit; du erkennst deine Sünden; du schreist um Gnade. Heil dir! So bahnt die Wiedergeburt sich an. Du bist erweckt. Aber zwischen Erweckung und Wiedergeburt ist noch ein Unterschied. In der Wiedergeburt vollzieht sich eine Schöpfung aus Nichts, und nicht etwa nur eine Entwickelung und Ausbildung eines schon vorhandenen Guten. In der Wiedergeburt wird neu zuerst dein Denken. Gottes Wort wird das lebendige Licht deiner Vernunft. Von allen Dingen denkst du anders hinfort, als die natürliche Welt; nicht, weil du dich eigenmächtig hiezu bestimmst, sondern weil du anders nicht mehr kannst. Du schauest Alles, was dir entgegenkommt, im Lichte der göttlichen Wahrheit an. Aus dem Kreise dieser Wahrheit heraus beurtheilst du jegliche Erscheinung; und dies, wie gesagt, nicht etwa vermöge eines mühsamen Prozesses, sondern wie dein inneres Auge ein anderes, ein neues geworden ist. Du siehest, wie ein Gottesmensch sieht, weil du jetzt ein solcher bist. Du denkst und urtheilst annäherungsweise, wie der Herr Christus dachte, weil du seiner Natur theilhaftig wurdest durch den Geist. – In der Wiedergeburt wird neu dein Wollen. Du willst nichts Anderes mehr fortan, als was dein Gott will. Anderes will wohl immer noch dein Fleisch; aber dieses ist nicht mehr dein Ich, sondern ein Fremdes ist es di, dem du Tag und Nacht geharnischt gegenüber stehst. Zu Dienste zu stehn dem Herrn ist deine Ehre, Lust und Wonne. Ach, daß du mit jedem deiner Athemzüge ihn verherrlichen könntest! Wie glücklich wärest du! Du hast „Lust nach dem inwendigen Menschen an Gottes Gesetz.“ Du bist mit diesem Gesetze tief innig Eins, und darum frei von seinem Zwange wie von seinem Fluch. Was es will, das willst du auch, du in das Wollen Jesu jetzt Hineingeborener, und zur tiefsten Sympathie mit Ihm Gelangter. – Neu wird in der Wiedergeburt dein Gewissen. Wach wird’s, wie der Cherub an der Pforte des Hauses Gottes; streng, wie das apostolische Wort: „So Jemand das ganze Gesetz hält und sündiget an Einem, der ist es ganz schuldig;“ unerbittlich, als verträte es Den, der zur Strafe für ein Vergehn, das wir kaum der Rede werth erachten möchten, auf Mosis wiederholte Bitte: „Laß mich sehen das liebe Land, das gute Gebirge,“ nur die eine Antwort hatte: „Laß also sein, und sage mir davon nicht mehr;“ und zart wird’s, wie der Splitter- und Staubesscheue Apfel in deine Auge.“ – Neu wird in der Wiedergeburt das Herz. Es verklärt sich zum Thronsitz der Liebe Gottes, die das Gezücht der unsauberen Geister, deren Register der Herr Jesus Matth. 15,19, und sein Apostel Gal. 5,19-20 vor uns entrollen, aus ihrer Nähe bannt, und mit den holden Wesen der Demuth, der Sanftmuth, der Wahrhaftigkeit, der Keuschheit, der Bruderliebe, und wie sie weiter heißen, die lieblichen, Gott entstammten Tugenden, sich umgiebt. Es erneuert sich in der Wiedergeburt dein ganzes Selbstbewußtsein. Es wird zum Bewußtsein eines armen, verlorenen, fluchwürdigen und in sich selbst rathlosen, aber nichtsdestoweniger in Christo entsündigten, Gott angenehm gemachten, mit zärtlicher Vaterliebe von Gott umfangenen, und zu allen Rechten, Ehren und Seligkeiten der Gotteskindschaft erhöhten Standes. So wird der ganze innere Mensch nach allen Kräften, Fähigkeiten und Richtungen ein wesentlich anderer, als er von Hause aus ist. Und es versteht sich von selbst, daß solche prinzipielle Umgestaltung des inneren, nothwendig auch eine umfassende Erneuerung des ganzen äußeren Menschen in Wort, Bekenntniß, Wandel, Thun und Lassen zur Folge haben muß. Der gute Baum treibt gute Frucht und kann nicht anders. Die reine Quelle ergießt sich in klaren, befruchtenden und erquickenden Bächen. Ein neuer Schöpfungstag ging dem verkommenen Menschen auf. Gott, der Dreieinige, sieht abermals an, was er gemacht hat, und siehe, „es ist sehr gut.“ Ja, dieses zweite Menschenschöpfungswerk verherrlicht Ihn mehr noch, denn das erste. Der ganze Himmel staunt es anbetend und frohlockend an. Leichter ergoß sich im Anfang auf das Allmachtswort: “Es werde!“ der Strom des Lebens aus dem Nichts, als er, nachdem er aus der Bahn der göttlichen Ordnung herausgetreten, in seine ursprüngliche Richtung zurückzubringen war. In dem Werke der Wiedergeburt bethätigt und verherrlicht sich die ganze Fülle der göttlichen Vollkommenheiten, wie in keinem andern. –
Jeder Werde-Akt im Reiche der Gnade wie in dem der Natur ist ein unergründliches Geheimniß. Das unergründlichste aller Geheimnisse dieser Art ist die Werdung des neuen Menschen. Dieser Mensch selbst aber, wenn er an’s Licht geboren ist, erscheint nicht als schwebende und nebelhafte Luftgestalt, sondern tritt markirt und kenntlich auf, wie kaum eine andere Kreatur. O, Freunde, daß er bald auch in euch zu lebenskräftiger Erscheinung kommen möchte, der Mensch aus Gott, der der blinden Welt zum Aergerniß gereicht, weil er sie richtet, und ihr das Spiegelbild ihrer Mißgestalt entgegenwirft, den aber Gott der Herr mit der Krone Seines ewigen Wohlgefallens krönen, und zu unendlicher Herrlichkeit erheben wird. – Werft euch dem Herrn in die Arme, öffnet Ihm im Gebete euer Herz, und haltet Seiner schöpferischen Bewirkung stille, und die Stunde wird schlagen, da es auch von euch, ihr Gesegneten, wird heißen können: “Das Alte ist vergangen; siehe, es ist Alles neu geworden!“ – Amen!